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Abendausgabe

Nr. 201 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 99

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29. April 1927

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Berliner Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Faschistische Kriegsvorbereitungen.

Dalmatien soll von Südslawien abgerissen werden.

Belgrad , 29. April. ( Agentur Avala.) Die Zeitung Obzor" in Agram veröffentlicht heute einen Artikel ihres Sonderbeticht­erstatters, der Aufsehen erregende Nachrichten über die Bor­bereitungen enthält, die Italien feit zwei Monaten in Benetia­Julia trifft. Es heißt in dem Artikel u. a.: Der ganze Bezirk an der Grenze zwischen Tarbies und Fiume befindet sich tatsächlich im Belagerungszustand. Sämtliche Dörfer sind von Abtei­Sämtliche Dörfer find von Abtei­lungen der faschistischen Miliz besetzt, die eine äußerst scharfe Ueberwachung der slowenischen Bevölkerung und ganz besonders der Fremden ausüben. Den italienischen Staatsbürgern flowenischer Ab­

fanimung sind die Päſſe entzogen worden. Verschiedentlich find Touristen verhaftet worden und bis zum Eintreffen von Instruktionen aus Rom im Gefängnis behalten worden. Der ganze Bezirk ist befestigt. Im Verlauf der letzten Zeit sind zahlreiche betonierte Ge­schüßstände für Artillerie erbaut worden. Außerdem befindet fich in dieser Gegend ein vollständiges Neff von Schüßengräben, Ber­bindungswegen und Stacheldrahthindernissen. Es wird eifrig an der Erbauung ftrategischer Straßen gearbeitet. Bahnhöfe, die für den normalen Eisenbahnverkehr nur untergeordnete Bedeutung haben, find vergrößert und mit Berladerampen ausgestattet worden. Höhere Offiziere bereisen die ganze Gegend im Auto, um das Ge­lände zu studieren. Der Stab des dritten Armeekorps, das in Triest liegt, hat den Auftrag erhalten, fofort dem Oberkommando eine Auf­stellung der Gegenstände zuzuleiten, die noch nöfig sind, um die Ausrüstung und Bewaffnung auf den Kriegsfuß zu bringen. Gör3, das bis jetzt Standort einer Division war, wird nunmehr der Sih des Hauptquartiers eines neuen Armeekorps, so daß auf einem Gebiet von nur 10 000 Quadratkilometern zwei Armeekorps untergebracht sind. Zu diesen Truppen muß noch die faschistische Miliz hinzugezählt werden, die in der Stärke von fünf Legionen in Benefia- Julia dauernd mobilisiert ist. Die italienische Flotte in Quarnero ist in Alarmbereitschaft. Im Hafen von Pola, wo bis­

her nur einige Torpedojäger ihre Station hatten, liegt ein Kreuzergeschwader, das vier Kreuzer, mehrere Torpedo­jäger und Torpedoboote zählt.

Die italienische Presse hat über die Aeußerungen Schweigen be­wahrt, die die Feiern des Jahrestages der Gründung Roms begleitet haben. Die Delegierten der faschistischen Bereinigungen in den Pro­haben. Die Delegierten der faschistischen Bereinigungen in den Pro­vinzen müßten, so hieß es da, sämtliche nationalen Kräfte um sich sammeln, denn es sei die Stunde gekommen, Dalmatien , das unter dem Joch der Barbaren und der Fremden seufze, dem Mutterland zurückzugeben. In faschistischen Kreisen an der Grenze wird kein Geheimnis daraus gemacht, daß für den Fall, daß Jugoslawien auf der Richtigstellung der Verträge von Nettuno bestehen sollte, Italien die ehemalige sogenannte driffe Zone in Dalmatien besehen werde, d. h. die Infeln von Quarnero und Dal­ matien .

Die militärische Durchdringung Albaniens . London , 29. April. ( TU.) Der neue italienische Militärattaché für Albanien , Oberst Pariani, ist in Durazzo eingetroffen. Oberst Biriani ist der erste ständige italienische Militärattaché in Albanien .

Die Generalversammlung der albanschen Nationalbank­in Rom.

Rom , 28. April( WTB.) Die Blätter veröffentlichen den Be­richt über die in Rom abgehaltene Generalversammlung der Aktionäre der Albanischen Nationalbank und der Gesellschaft für Die dabei vorgetragenen wirtschaftliche Entwicklung Albaniens . Berichte behandelten vor allem den italienischen Einfluß auf das Der italienische Außenhandel Wirtschatfsleben Albaniens . im Jahre 1925 ist bei der Einfuhr mit 75,2 und bei der Ausfuhr mit 58,7 Proz. beteiligt.

Ehrhardt vor dem Staatsgerichtshof.

Mussolinis Arbeitsstaat.

Ein großzer Humbug.

Als Nachfeier zu Ostern hat das faschistische Italien zwei große Ereignisse zu verzeichnen: die Erlangung eines neuen Arbeitsrechts und die gleichzeitige Durchführung eines neuen Strafrechts. Das Statut der Arbeit" und das Urteil im Prozeß 3aniboni. Eigentlich ist weder das eine neu noch das andre, denn gute Absichten für die Versöhnung von Arbeit und Kapital hat es immer gegeben und zum Werkzeug politischer Rache hat man gar oft das Strafrecht mißbraucht. Aber für die faschistische Partei leitet beides wieder einmal eine neue Aera ein, so daß es schon der Mühe Derlohnt, einen Blick auf den Horizont der neuerschlossenen Möglichkeiten zu werfen.

Abschnitte verteilte Erklärung voll guter Absichten und treu Was ist dieses Statut der Arbeit? Eine auf dreißig Abschnitte verteilte Erklärung voll guter Absichten und treu­herzigen Wortglaubens. Man könnte sich bei der Sache ganz gut etwas denken, wenn sie etwa das Ergebnis eines Konflikts zwischen Arbeitern und Unternehmern wäre, bei dem sich die Kräfte gemessen haben. Am Ende eines derartigen Messens legt man wohl auf dem Papier die Punkte fest, die jede der beiden Parteien zu wahren vermag. Das bedeutet eine for­melle Beilegung des Konflikts und eine Grundlage für neue Borstöße. Aber das faschistische Statut der Arbeit ist kein abschließender Akt, der Tatsachen Rechnung trägt, sondern will ein Ausgangspunkt sein, der neue Tat­fachen schafft. Insofern ist es wirklich etwas Neues, Anachro­nistisches, Zeitfremdes. Hat man das Statut gelesen, so sagt man sich wohl: Alles ganz schön, aber die Dinge ändern sich nicht dadurch, daß man sie anders darstellt.

Das Statut ist kein Versuch, die Produktion auf die In­teressensolidarität der Produzenten zu grün­den. Das hat gar mancher vor Mussolini versucht, der für diesen Versuch besser ausgerüstet war, als der italienische Ministerpräsident. Daß diese Interessensolidarität für ein Volksganzes, ja. für die Menschheit besteht, nicht nur als ethische Forderung, sondern auch als logische Tatsache, ist ebenso sicher wie der Umstand, daß diese Interessensolidarität des Volksganzen und der Menschheit nur sehr wenigen Indi­viduen zum Bewußtsein fommt und fommen fann und in der privatkapitalistischen Gesellschaft nun und nimmer jene greif­bare Wirklichkeit erlangt, die den Willen der Individuen be­einflußt. Ja, wenn das faschistische ,, Statut der Arbeit" im dige Bewußtsein erwecken fönnte, einem großen Ganzen an

Er kann den Meineid nicht bestreiten.- Organisation Consul wird abgeleugnet. Bankdirektor wie im fizilianischen Schwefelarbeiter das leben­

Leipzig, 29. April. ( Eigener Drahtbericht.) Der heutige Tag ist der Abwehrkanonade der Bitingfrontreserve gewidmet. Das Gefecht beginnt mit einem mißglüdten Torpedoangriff des Korvettenfapitäns Ehrhardt. Ehrhardt verliest eine langatmige Erklärung, nicht fach licher, sondern persönlicher Natur. Er protestiert mit großer Ent­rüstung gegen die angeblich persönlichen Angriffe", die vorgestern Ministerialrat Schönner gegen ihn gerichtet habe. Aber sachlich sind

Ehrhardts Argumente schwach.

Den Meineid in München streitet er nicht ab, sondern nur die Behauptung, daß er ein Geständnis des Meineids abgelegt habe. leber den Brief an den Staatssekretär Weißmann im Jahre 1926, in dem Ehrhardt seine Führerschaft im Witing so schamhaft verleugnet, weiß Ehrhardt nur zu sagen, daß dieser Brief dis fret und nicht für andere Stellen bestimmt gewesen sei! Außer dem habe er erst nachträglich die Führerschaft im Wiring über nommen. Schließlich hat Ehrhardt sogar die Rühnheit, zu bestreiten, daß er 1923 unter dem Befehl Lossows marschbereit an der thürin gischen Grenze gestanden habe. Er habe lediglich als Führer eines Abschnittes der bayerischen Notpolizei die Grenze gesichert.

Nunmehr erhebt sich aber Ministerialrat Schönner. Er weist den Borwurf persönlicher Kampfesweise scharf zurück. Die Glaubwürdig. feit Ehrhardts spielt in diesem Prozeß eine große Rolle, und des­wegen beantragt Ministerialrat Schönner die Heranziehung der Atten der Prinzessin hohenlohe zum Beweis für folgendes: Ehrhardt hat 1923 in München bei der Prinzessin Hohenlohe ge­wohnt, was die Prinzessin Hohenlohe unter ihrem Eide bestritten hat. Ehrhardt hat ferner seine eigene eidliche Aussage begonnen mit den Worten: Ich heiße Hugo Eschwege- ich kenne Ehrhardt nicht."

Das Gericht lehnt diesen Beweisantrag ab, aber mit der für Ehrhardt niederschmetternden Begründung, daß der Inhalt der Akten Hohenlohe einschließlich der Protokolle gerichtsnoforifch fel. Ehrhardts Torpedos find fehlgegangen. Er selbst ist auf eine schwere Mine geraten.!

Nunmehr plädiert als erster von der Verteidigerbank Rechts­anwalt Bloch, ziemlich unbestritten der flügste Kopf unter den Ver­teidigern. Er spricht mit äußerer Würde und Sachlichkeit, fann sich aber nicht versagen, nach Erzielung billiger Effekte zu haschen, die den Tatbestand bisweilen recht bedenklich verbiegen.

Nach Bloch sind der Wiking und Ehrhardt die Unschuld in Person. Um dies zu beweisen, macht Herr Bloch die überraschendsten Fest­ftellungen:

Eine Organisation Conful hat es überhaupt niemals gegeben! Eine Feme hat es nach der Revolution dio nicht gegeben! Benigstens sei sie bisher nicht gerichtlich festgestellt worden. Dem­gegenüber steht allerdings die Feststellung im Wilms- Prozeß. Aber diese Feststellung stellt nach der Behauptung des Herrn Bloch nur die einseitige Ansicht des Landgerichtsdirektors Siegert dar. An den Zeugen Käsehage, Diez, Mahraun läßt Herr Bloch te'n gutes Haar. Für ihn ist ausgemacht, daß jeder Mann, der nicht

diesem Ganzen aus dem Leben des andern, aus dessen ver­fürztem Menschtum erwächst, dann wäre schon etwas ge= wonnen. Durch Worte und Predigten haben das so ziemlich alle Religionen versucht, bis endlich die Gesellschaft dahinter­Gütern eben von der Macht der Produzenten abhängt, sich fam, daß der Anteil der Produzenten an den erzeugten diesen Anteil zu sichern. Es hat erst eine Arbeiterschutzgesetz­gebung gegeben, als es eine Arbeiterorganisation gab. Das ist Binsenweisheit.

im Sinne Ehrhardts und seiner Trabanten aussagt, entweder einzugehören, wenn der eine das Defizit ermessen könnte, das Spikel der preußischen Polizei oder ein verkommenes Subjekt ist. Einen besonderen Trumpf glaubt Herr Bloch auszuspielen, in­dem er auf die Denkschrift Severings vom 17. März 1926 an den Reichstagsuntersuchungsausschuß verweist. In dieser Denkschrift wird nämlich gesagt, daß eine besonders auffallende Tätigkeit der Wifing­gruppe in legter Zeit nicht beobachtet wurde. Herr Bloch vergißt nur hinzuzufügen, daß die Abfassung dieser Denkschrift vor der Auf­findung des schwer belastenden Materials liegt. Dieses schwer be­lastende Material versucht Herr Bloch vergeblich hinwegzudisputieren. Hier versagt auch seine ganze Rhetorit. Als er zu beweisen versucht, daß die Androhung der Feme ,, nach altgermanischem Recht" nichts anderes sei als ein gesellschaftlicher Bontott, können sich selbst die ernsten Richter des Gerichtshofes eines Lächelns nicht enthalten. Besonders warm bemüht sich der Verteidiger um den persönlichen Schutz Ehrhardts. Aber siehe da! Auch er tann den meineid als solchen nicht bestreiten. Er gibt ihm nur die neue Version, daß Ehrhardt nicht die Prinzessin Hohenlohe hineingelegt hat, sondern umgekehrt hat Ehrhardt den Meineid ge­leistet, um die Prinzessin Hohenlohe zu decken, die durch ihren falschen Eid ,, bereits hineingeschliddert" war. Psychologisch wenig glaubhaft. Zum Schluß wird Herr Bloch pathetisch und beschwört eine neue Einheitsfront vom Roten Frontfämpferbund bis zum Wifing, die dereinst gegen den Erbfeind ziehen soll.

Dr. Brecht im preußischen Staatsdienst. Ein Gegenzug Preußens gegen die Personalpolitik des Bürgerblocks.

selben Wege, auf dem es die Religionen versucht haben. Er Der Faschismus versucht es aber noch einmal auf dem­selben Wege, auf dem es die Religionen versucht haben. Er stellt ethische Verpflichtungen auf und setzt den Staat zu ihrem Wächter. Aber, wer ist der Wächter des Staates? Wer leistet dafür Gewähr, daß jene staatliche Arbeitsgerichtsbarkeit des Syndikatsgefeges vom April 1926 nicht politischen und wirk­schaftlichen Einflüssen unterliege, und zwar Einflüssen des Unternehmertums, da, nach der Vernichtung der freien Ar­beiterorganisationen, die Arbeiter weder politischen noch wirt­schaftlichen Einfluß haben? Das Statut der Arbeit" hat nicht mehr praktischen Wert als der Katechismus, selbst, wenn es auf irgendeine Weise zum Gesetz erhoben werden sollte, was es heute, als Elaborat einer faschistischen Parteiinstanz des hohen Rates nicht ist. Es hat feinen praktischen Wert, weil feine Sanktion dahinter steht, keine Macht, die feine Durchführung erzwingen fann.

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Als Beweis des Gesagten geben wir einige der Wort­gebilde wieder.

Unter Nr. 1 heißt es: Die italienische Nation ist ein Organis­mus, dessen Ziele, Leben und Betätigung denen der vereinzelten oder organisierten Individuen, die die Nation bilden, übergeordnet sind. Sie ist eine ethische, politische und wirtschaftliche Einheit, die sich restlos im faschistischen Staate verwirklicht."

den Ministerialdirektor und Leiter der Verfassungsabteilung Der deutschnationale Reichsinnenminister von eudell hat Dr. Brecht aus seinem Umt entfernt und durch einen Deutschnatio- arbeit, ist eine foziale Pflicht. Deswegen und nur deswegen Unter Nr. 2: Die Arbeit, als geistige, technische und Hand­nalen ersetzt. Heute hat nun das preußische Staatsmini- wird sie vom Staate geschützt. Die Gesamtheit der Produktion ist fterium beschlossen, Dr. Brecht als ministerialdirek- einheitlich vom nationalen Gesichtspunkt aus, ihre Zwecke sind ein­for in den preußischen Staatsdienst zu über- heitlich und laufen ein in den Wohlstand der Produzenten und die nehmen und ihm eine Stelle als Stellvertretender Be- Entwicklung ber nationalen Macht." vollmächtigter zum Reichsrat im Hauptamt zu über­tragen. Der früher volksparteiliche und jetzt deutschnationale Ge­heime Oberfinanzrat Dr.. Sad, der diese Stelle jekt inne hatte, ift mit Wartegeld in den einstweiligen Ruhestand verfehl

worden.

Politische Beamten, z. B. Landräte, Reichsratsbevollmäch tigte der Staatsregierung, Beamte der Presseabteilung usw. fönnen jederzeit ohne Angabe von Gründen in den Ruhe­stand versetzt werden. Von diesem Recht hat z. B. die frühere fönigliche preußische Staatsregierung auch gegenüber jenen Landräten Gebrauch gemacht, die als ,, Kanalrebellen" gegen die Kanalvorlage aufgetreten waren.

Nr. 7: Der korporative Staat erachtet die private Werkzeug im Interesse der Nation. Da die private Ordnung der Initiative in der Gütererzeugung als das wirkjamste und nützlichste Produktion eine Funktion von nationalem Belange ist, ist der Unternehmer dem Staate für die der Produktion gegebene Richtung verantwortlich."

Nr. 12: Die Aktion des Syndikats, das versöhnende Wirken der forporativen Organe und das Urteil der Arbeits­gerichte leisten Gewähr dafür, daß der Lohn den normalen Lebens­bedürfnissen, der Vermehrung der Produktion und dem Ertrag der Arbeit entspricht. Die Festsetzung des Lohnes ist jeder allgemeinen Norm entzogen und dem Einvernehmen der Parteien im Kollektiv­vertrag überlassen."