Nr. 210 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 107
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Donnerstag, den 5. Mai 1927
Tumult im Unterhaus.
Leichtfertige Behauptung Baldwins gegen die Gewerkschaften. abgeordneter ausgeschlossen.
Baldwin,
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die zu einer stürmischen Szene führte. Baldwin hatte unter völliger Ruhe seine Rede zur Berteidigung des Gesetzes begonnen. Als er jedoch die Feststellung machte, daß in einigen Gemertschaften die kommunistische Minderheitsbewegung die Macht an sich geriffen hätte, wurde Baldwin von dem Abgeordneten der Arbeiter partei Bromley mit der Frage unterbrochen, ob er eine einzige Gewerkschaff namhaft machen könne, auf die feine Behaupfung zutreffe. Als fich Baldwin weigerte, den Namen einer solchen Gewerkschaft zu nennen, erklärte der Abgeordnete der Arbeiterpartei,
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Ein Arbeiter
Tom Shaw gegen die Regierung.
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Menschenleben und Wirtschaftswerte vernichtet. Unterlassungssünden des Profitsystems.
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Seit mehr als zwei Wochen wütet die ungeheure Ueberschwemmungskatastrophe im Stromgebiet des Mississippi . London , 4. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Der dritte Tag| dentag anlangt, so geht die Politik der Regierung dahin, die erTäglich werden neue Dämme durchbrochen, neue Felder und Siedlungen überflutet, Zehntausende werden täglich obdachdes parlamentarischen Kampfes um das Gewerkschaftsgesetz stand im forderliche Gesetzgebung in Angriff zu nehmen. Sobald diese GeZeichen einer Rede des Ministerpräsidenten febgebung vollendet ist, wird zur Ratifizierung geschritten die Indianer den Mississippi genannt haben. Man rechnet los und flüchten vor der Wut des ,, Vaters der Ströme", mie werden. Die Regierung muß sich über die Auslegung( 1) flar mit der Möglichkeit, daß die Ueberschwemmung noch bis Mitte sein, die der Washingtoner Achtstundendeklaration zu geben ist, da Mai weiter zunehmen wird. Der ganze Umfang der Katamit nicht später Meinungsverschiedenheiten entstrophe läßt sich noch nicht übersehen. Man weiß weder, an stehen. Eine allzugroße( 1) Berzögerung in der Behandlung wieviel Stellen der Mississippi selbst die Dämme durchbrechen, dieser Frage ist nicht zu erwarten." noch in welchem Maße das Wasser in den Nebenflüssen steigen wird, auch ist was für die Beurteilung des möglichen Schadens am wichtigsten ist das Schicksal von New Drleans noch ungewiß. Zwanzig Kilometer unterhalb der Stadt wird der Kampf um ihr Schicksal geführt. Die ersten Meldun gen nach Ausführung der Dammsprengung, die am 29. April erfolgte, waren optimistisch. Die erste Sprengung hat die Gefahr nicht beseitigt. Jetzt arbeitet man fieberhaft an der Erweiterung der Bresche, man sprengt wieder und wieder. Noch wenige Lage, und die große Flutwelle wird New Orleans erreicht haben. Wird es gelingen, bevor sie kommt, den Wasserspiegel so weit zu senken, daß die Dämme, die New Orleans schützen, nicht überflutet werden? Hoffnung darauf ist vorhanden, Gewißheit besteht jedoch nicht. Gelingt es aber nicht, dann vermag nichts mehr die Stadt, die unter dem Meeresspiegel liegt, zu retten. In diesem Falle wird eine Stadt von etwa 440 000 Einwohnern der Vernichtung preisgegeben.
Betett,
der Ministerpräsident hätte gelogen.
Bekett wurde daraufhin auf Antrag des Schazkanzlers Churchill von der Sigung ausgeschlossen. Seine vorhergehende Behauptung dann leicht abschwächend, stellte Baldwin fest, der kommunistische Einfluß sei weniger in den Vorständen als darin zum Ausbrud gekommen, daß einzelne Ortsgruppen in die Hände der kommunistischen Minderheitsbewegung gefommen seien. Er fonne aus den Erfahrungen des nergangenen Jahres ersehen, daß die Politif des Bergarbeiterverbandes unter den Kontrolle der Minderheitsbewegung stehe. Baldwin setzte sich im weiteren Berlauf seiner Rede hauptsächlich mit der Feststellung seiner Gegner auseinander, daß er fein Mandat für das Anti- Gemertschaftsgesetz hätte. Er behauptet, sein Mandat sei im General ftreit gelegen.(?)
Als Hauptredner der Arbeiterpartei murde der Abgeordnete
Tom Shaw
vorgeschickt, der die Regierung beschuldigte, während der ganzen Debatte alles getan zu haben, um den Sinn der Gesezesklausel zu nerdunkeln, anstatt aufzuflären. Die von der Regierung propagierte Freiheit der Gewerkschaften bestehe in der
Freiheit des Streifbruchs und der Spionage der Gewerkschaftsbewegung.
Ein Hinweis auf Neuwahlen, die Lord Birkenhead am Mittwoch in einer Rede machte, hat zu einem Wiederaufleben hes Gerüchts geführt, daß die Regierung im Zeichen des Gemertschaftsgesetzes an das Land zu appellieren gedenke. Das Gerücht wird von ministerieller Seite vollkommen von der Hand gewiesen und in den Kreisen des Fraktionsvorstandes der Labour Party eben falls nicht ernst genommen.
Der Achtstundentag vor dem Oberhaus. Unbestimmte Versprechungen der Regierung. London , 4. Mai. ( Oberhaus.) Cord Parmoor( Arbeiterpartei) lenkte die Aufmerksamkeit des Hauses auf den Bericht der 43. Tagung des Bölkerbundsrates, auf die letzten Erörterungen in Genf über die Frage einer internationalen Konvention für einen Achtstundentag, und allgemein auf die Frage der Ratifika= tionen internationaler Ronventionen. Er sagte, es feien 23 Ar beitskonventionen vorhanden, die auf die Besserung der Arbeitsbedingungen hinzielen. Davon seien zwölf von Großbritan nien ratifiziert worden, die übrigen elf dagegen nicht. Alle übrigen interessierten Mächte hätten die Achtstunden tonvention ratifiziert, vorbehaltlich der britischen Ratifikation. Eng land müßte an der Spize einer Besserung der Arbeitsbedingungen, insbesondere der internationalen, schreiten. Lord Parmoor begrüßte die Einladung Rußlands zur Genfer Wirtschaftskonferenz und gab der Hoffnung Ausdruck, daß ein besseres Verständnis für die Verhältnisse in Rußland die Folge sein werde.
Lord Parmoor fuhr fort: In der Abrüstungsfrage ist der Fortschritt äußerst gering. Wenn man auf die Frage des Grundprinzips tommt, so findet man Großbritannien und Amerita auf der einen Seite und, someit Europa in Betracht fummt, die kontinentalen Staaten auf der anderen Seite. Man kann feine großen Ergebnisse von der Abrüstungskonferenz erwarten. solange die augenblicklichen Ereignisse in China fortdauern, die für die Abrüftung nicht günstig sein können. Lord Parmoor fügte hinzu, der deutsche Bertreter Graf Bernstorff habe, wie es heiße, eine peffimistische Auffassung über die Verhandlungen in Benf ausgesprochen.
Auf die Genfer Wirtschaftskonferenz bezugnehmend, erklärte Balfour , er sehe es als ein sehr unglückliches Ergebnis der Schaffung der neuen europäischen Staaten an, das für Europa 3011fchranken herbeigeführt habe, die zweifellos die volle und freie Entwicklung des Internationalen Handels behindern. Auf die Bemerkungen Lord Parmoors zur chinesischen Frage bemerkte Lord Balfour , wie soll man in den chinesischen Fragen ein Schieds: verfahren anwenden und mit wem? Wenn irgend etwas in dieser unvollständigen Welt zeigt, daß das universelle Schiedsverfahren eine unvollständige Sache zur Wahrung des allgemeinen Friedens ist, so tun es die Ereignisse in China .
Neue Schulschikanen in Ostoberschlesien.
Sieben deutsche Studienräte gekündigt. Königshütte, 4. Mai. ( WTB.) Seitens der Schulabteilung der Wojewodschaft wurde vi er deutschen Studienräten im 3 y'mnasium Rönigshütte somie drei Studienräten in der dortigen Oberrealschule zum 1. August d. J. ge fündigt. Die Kündigungen erfolgten ohne vorherige Verständigung mit dem deutschen Schulelternbeirat. Dadurch ist die Beiterführung der deutschen Lehranstalten in Königshütte in Frage gestellt. Die von dieser Maßnahme betroffenen Eltern beabsichtigen durch eine Delegation beim Wojemoden vorstellig zu werden.
Britische Liebesgaben an Italien ?
Ein Vorschlag Lord Rothermeres. Der Herausgeber der„ Daily Mail", Lord Rothermere. der Bruder des verstorbenen Lord Northcliffe , hat fürzlich den Borschlag gemacht, daß England auf seine Völkerbundsman date über Mesopotamien und Palästina zu= gunst en Italiens verzichte. gunsten Italiens verzichte. Lord Rothermere , der selbst faschistische Neigungen hat, macht seit längerer Zeit große Reflame für Mussolini und tritt für ein enges englisch italienisches Zusammengehen ein.
Die italienische Bresse hat natürlich diese Anregung mit Be. geisterung aufgegriffen und erklärt, daß Italien für die Ausübung des Palästinamandats besonders in Frage käme, da es im eigenen Lande feinen Antisemitismus fenne. Letzteres war richtig, solange Italien demokratisch regiert war. Aber es ist Aber es ist bezeichnend für den Faschismus, daß er seit zwei Jahren auch den antisemitischen Tendenzen kräftig Vorschub leistet. So wurden September 1925 mehrere Kaufleute von den Schwarzhemden erzum Beispiel bei den grauenhaften Vorgängen in Bologna im mordet, nur weil sie Juden waren.
Schon diese Tatsache allein ließe das faschistische Italien als völlig ungeeignet für die Ausübung des Palästinamanda tes erscheinen. Aber es wäre überhaupt im höchsten Grade bedenklich, wenn man den Faschismus gewissermaßen als Belohnung für seine andauernden Friedensstörungen und für seine Unterdrückung aller demokratischen Freiheiten noch eine besondere Belohnung in der Form eines Völkerbundsmandates gewähren würde. Wir glauben zwar nicht, daß die Anregung Rothermeres mehr darstellt als eine persönliche Idee, die vielleicht auch die Zustimmung des Schazkanzlers Churchill und anderer faschistenfreundlicher Kabinettsmitglieder gefunden hat. Ueberhaupt gehört England nicht zu den Staaten, die freiwillig auf ein Stüd ihrer außenpolitischen Macht verzichten. Indessen erwarten wir von der Reichsregierung. daß fie, falls jener Vorschlag doch konkrete Formen annehmen würde, mit allen geeigneten Mitteln seine Berwirklichung hintertreibe, wenigsten solange der Faschismus in Italien regiert.
Der Kampf gegen die Mexiko - Banditen.
Achtzig Aufständische getötet. Merito, 4. Mai. ( BTB.) Die Regierung gibt bekannt, daß am Montag in den Provinzen Guanajuato , Guerrero und Zacatecas mehrere Banden zerstreut bzw. vernichtet und bei dieser Gelegen heit 80 Aufständische getötet worden sind. Es steht fest, daß eine der Banden an dem räuberischen Ueberfall auf den Eisenbahnzug bei Limon im Staate Jalisco am 19. April
Cord Balfour erwiderte für die Regierung in Abwesenheit Lord Cecils, der unpäßlich ist:„ Die Abrüftungsfrage und die damit zu fammenhängenden Genfer Erörterungen find das Gebiet Lord Cecils. Sch glaube nicht, daß irgend jemand anderes in der Lage ist, an feiner Stelle die Frage auseinanderzusehen. Was den Achtstun.beteiligt mar.
Gewiß werden die Verluste durch die Ueberschwemmungs fatastrophe auch dann ungeheuer groß sein, wenn es gelingt, New Orleans zu retten. groß, und zwar handelt es sich nicht nur um Verluste an New Orleans zu retten. Sie sind schon jetzt außerordentlich materiellen Werten, sondern auch an Menschenleben. Furcht bar ist die Not der Flüchtlinge, himmelschreiend das Schicksal derjenigen, die nicht mehr zu fliehen vermochten und zurückblieben, um den sicheren Tod zu erwarten. Die einen konnten nicht mehr flüchten, weil sie von der Ueberschwemmung überrascht wurden, die anderen sind, wie man von Flugzeugen aus beobachtete, trok rechtzeitiger Warnung freiwillig geblieben, meil sie lieber mit ihrem Heim untergehen, als dieses verlassen wollten. Das mag unrationell sein die Tragif des menschlichen Schicksals bleibt jedenfalls erschütternd. Was die materiellen Verluste anbetrifft, so sind sie jedenfalls auf mehrere hundert Millionen Dollar zu schäzen. Wie gesagt, find ge= nauere Schäßungen heute schon deshalb unmöglich, weil man den ganzen Umfang der Verwüstungen noch nicht voraussehen fann. Es steht fest, daß viele Tausende, vielleicht einige Hunderttausende von Gebäuden, eine große Menge von Maschinen, von lebendem und totem Inventar, von Vorräten bereits verloren sind und noch verloren gehen werden. Dagegen kann man noch nicht beurteilen, inwieweit auf den von der Ueber< schwemmung betroffenen Feldern die Anbaumöglichkeit für dieses Jahr vernichtet worden ist. Vielleicht werden die Felder wenigstens zum Teil frühzeitig genug vom Wasser frei, so daß es noch möglich sein wird, sie zu bearbeiten.
Man darf nicht vergessen, daß die diesjährige UeberUeberschwemmung des Mississippi ist eine jährlich sich wiederschwemmung mur ihrem Ausmaß nach ungewöhnlich ist. Die holende Erscheinung. Sie bewirkt eine ganz außerordentliche Fruchtbarkeit des Bodens, und die Landwirte, in deren Befiz die angrenzenden Bodenflächen sind, nehmen die ständige Ueberschwemmungsgefahr ruhig in Kauf, um den Segen der Ueberschwemmung genießen zu können. Ist doch Amerika nicht nur das Land der größten Produktivität, sondern auch der größten Verschwendung! Dies ist vielleicht die eigentliche Ursache, weshalb die Schuhmaßnahmen gegen die Ueberschwemmungen zwar umfangreich und technisch gut ausgerüstet, trotzdem aber anerkannt ungenügend waren. wirtschaftliche Folgen haben. Die Ueberschwemmung Die Verwüstungen auf dem flachen Lande werden ernste hat hauptsächlich die Staaten Arkansas , Mississippi , 2ouisiana und die westlichen Teile von Kentucky und Tennessee betroffen. Dies sind sämtlich Agrargebiete, und zwar sind bis jetzt in erster Linie( mit Ausnahme von Kentucky ) Baumwollfulturgebiete überschwemmt oder unmittelbar bedroht. Insgesamt werden in diesen Staaten 25 bis 30 Proz. der amerikanischen Baumwolle geerntet, jedoch nicht alles in denjenigen Teilen, die überschwemmt oder von der Ueberschwemmung bedroht sind. Immerhin ist es möglich, daß infolge der Ueberschwemmung bis zu 10 Broz der Baumwollernte ausfallen merden. Dazu ist aber zu bemerken, daß alle Nachrichten über den zu erwartenden Ernteausfall der Baumwolle mit besonderer Borsicht aufzunehmen find. Schon jetzt ist eine wilde Spekulation im Gange. Amerika hat in den beiden letzten Jahren, besonders 1926, eine Ueberproduktion an Baumwolle gehabt; die Baumwollpreise sind tatastrophal gefallen. Jetzt ist man