ümch Grenzland geworden ist. Der Kreis Friedeberg stößt mit über 30 Klm. im Südosten an die polnische Grenze. Auch hier hat der Verlust des Absatzgebietes einen verheerenden wirtschaftlichen Rückgang hervorgerufen. Durch die neue Grenze ist die Verbindung mit dem natürlichen Hinterlande unterbunden: dadurch sind einst blühende Gewerbe und Industrien zum Teil völlig stillgelegt, zum Teil aufs äußerste reduziert. Außerordentliche Arbeitslosigkeit ist die selbstverständliche Folge. So beschäftigte zum Beispiel in der Stadt Z ü l l i ch a u eine Färberei am 1. Juli 1914 232 Men- schert, am 1. Januar 1927 nur noch 651 Eine Fabrik landwirtschaftlicher Maschinen in der alten Stadt S ch w i e b u s, in der über 750 Arbeiter beschäftigt waren» hat schon vor drei Jahren ihren Betrieb völlig stillegen müssen. Ebenso ist der blühende Handel und Wosserumschlagsverkchr, der sich um das Städtchen T f ch i ch e r z i g a. d O. gruppierte, durch die neue Grenzziehung, die das völlige Erliegen des Schiff- fahrtsverkehrs auf der Oder zur Folge hatte, gänzlich zum Stillstand gebracht. Auch hier finden wir wieder die Zer- schneidung der Verbindungsstraßen, auch hier ein drängendes Verkehrsproblem. Hinzu kommt nun die Verarniung und Gejährdung der Bewohner des Netze- und Warthebruchs infolge der Wasserschäden. Ich sah das meilenweit unter Wasser stehende Netzebruch mit seinen völlig abgeschnittenen Ge- Höften, ich sah das Warthebruch und wurde nur durch ein- zelne aus der weiten Wasserfläche ragende Häuser und Bäume daran erinnert, daß ich mich nicht am Meere, sondern in einer landwirtschaftlich genutzten Ebene befinde! Diese Naturereignisse machten sich, ebenso wie der den Waldbesitz aufs stärkste bedrohende Forleulenfraß, schon in der Vorkriegszeit fühlbar. Aber heute find die Wirkungen auf Bauernstand und Großgrundbesitz wesentlich schwerer, weil die Wider st andskraft erheblich geschwächt ist, und die Leistungsfähigkeit dieser Kreise sowieso schon aufs äußerste angespannt wird. Aus eigener Kraft können diese Grenzgebiete diese Notstände njcht bewältigen, auch hier müssen daher Reich und Staat helfend eingreifen.
Schweigen im Lvalöe. j%:> Deutschnationale Wanzcntaktit. � Im Landtag hat am Freitag bei der Beratung des Justiz- etats Genosse K u t t n e r Mitteilungen über das deutschnationale Spitzclwesen und dessen korrumpierende Einflüsse aus die Staats- «nwaltfchaft gemacht. Seine durch zahlreiche Urkunden belegten Feststellungen erregten im Hause erhebliches Aussehen. Um so größer war die Verwunderung, als der nachfolgend» deulschnationale Redner, Herr Dr. Seelmann, aus die detaillier- ten Angaben nichts zu antworten wußte, als daß der von Genossen Kuttner als einer der deutschnationalen Mitbeteiligten genannte Abgeordnete Kenkel krank sei und daß deshalb die Deutsch - nationalen im Augenblick nicht antworten könnten. Am Sonnabend wurde nun die Justizdebatte fortgesetzt. Der volksparteiliche Abgeordnete Meyer- Herford äußerte sein Be- fremden darüber, daß die Dcutschnationalen sich dem gestrigen An- llrisf gegenüber noch immer in Schweigen hüllten. Nach ihm sprach der deutschnationale Abgeordnete L ü d e ck e. Seine einzige Ant- wort warl„Jherr Kenkel i st leider noch immer krank." Nun soll die Krankheit des Herrn Kenkel gor nicht bezweifelt «erden. Aber das von Genossen Kuttner vorgetragene Material befaßte sich durchaus nicht nur allein mit Kenkel. Es betras in erster Linie den deusschnationalen Reichstagsabgeordneten Leopold, den deutschnationalcn Hauptgeschäftsführer Dr. Weiß, den Oberregierungsrat Goebel, Herrn Bacmeister usw. usw. Alle diese verstecken sich jetzt hinter der Krankheit des Herrn Kenkel. Ossenbar brauchen die Herren sehr viel Zeit, bis ihnen angesichts des durchaus authentischen Aktenmaterials eine Ausrede einfällt. Im Preußischen Landtag herrschte allgemein der Eindruck, daß die Deutschnationalen nicht antworten, weil sie nicht antworten können.
Der Zeinökomplex. Von Paul Gutmann. Bekanntlich hat noch Professor Siegmund Freud jeder einiger- maßen moderne Mensch seinen Knacks oder vornehmer seinen Komplex. Der«ine hat einen Mutterkomplex und kann daher nie- malz etwas Gescheites tun, weil ihn die Hilflosigkeit einxs Säuglings festhält. Ein anderer sst in sich so oerliebt, daß ihn die ganze übrige Menschheit gleichgültig läßt, er hat den sogenannten narzistischcn Komplex. So gibt es zahllose Komplexe, von denen einer der wich- tigsten mir noch nicht genügend von der Wissenschaft beachtet zu sein scheint: der Feindkomplex. Goethe nennt es das höchste Glück des Menschen, einen Freund am Busen zu halten und mit ihm zu genießen, was, von anderen nicht bedacht, an Ahnungen und Gefühlen in der eigenen Brust schlummert. Aber zu dieser erhabenen Freundschaft sind nur die- jenigen fähig, die wirtlich Gefühle haben, die etwas Mitteilenswertes in sich verschließen. Wo» soll derjenige tun, der weder Gefühle noch Ahnungen kennt, dessen Seele armselig ist wie der Hof einer groß- städtischen Mietkaserne oder wie die gute Stube einer Bürger- wohnung? Der außer Essen, Trinken und nochmals Trinken, ge- wohnheitsmäßiger Sinnlichkeit nichts kennt und der daher ein armer ! Teufel ist, auch wenn er einen Mercedes -Wagen besitzt? Er lang- weilt sich, schleppt sich mit dem Gefühl einer unerträglichen Leere, wird mißtrauisch gegen alle anderen Menschen, die glücklicher sind als er. beneidet sie, trägt im Unbewußten den Stachel seiner Minder- Wertigkeit. Da er nicht geben kann, haßt er diejenigen, die seelisch ihm überlegen sind. Was soll er tun, um vor sich selbst als ein ganzer Kerl dazustehen, der doch jeder sein möchte? Da er keinen Freund haben kann, sucht er sich einen Feind. Wer Knaben beobachtet hat, die im Augenblick, wo sie sich lang- weilen oder sonst mit sich nicht zufrieden sind, einen Streit vom Zaun brechen, andere Knaben oerprügeln, der wird über die Ent- stehung des Feindkomplexeg nicht im unklaren sein. Wie sie da- stehen, die Augen rollen, heldenhaft dem anderen die Schüller zeigen, Beschimpfungen von sich geben, deren Gemeinheit für sie eine Durch- brechung aller gewohnten Schranken ist, wie sie dem Tier ähnlich «erden, das dem anderen Furcht einjagen will! Si« fühlen sich, dies« Knirpse: denn st« haben jetzt, was sie brauchen,«inen Feind. Ihnen gleich sind die Erwachsenen, deren Minderwertigkeitsgefühl keinen Freund gestattet. Sie steigern ihre Dürftigkeit zur heroischen Größe, indem sie einen Feind sich konstruieren, dem sie zeigen können. was ein wirNicher Mann ist. Wer viele Versammlungen beobachtet hat, der kennt sie, diese Typen seelischer Armut. Hast du dieselbe Meinung wie sie und gibt es scheinbar zwischen euch keine Disse- renzen, so holen sie plötzlich vom Mond herunter irgendeine Sache, um ihren Feindstandpunkt zu wahren. Nicht auszudenken, daß sie mit dir am selben Strang ziehen könnten. Was in Lcrjanunlungen
öekenntnis zur Nonarchie. Deutfchnationalc Entlarvung auf dem konservativen Parteitag. Die Deutschkonservative Partei hielt am Sonn- abend ihren diesjährigen Parteitag ab, der von dem Parteivorsitzen- den l). Graf Seidlitz-Sandrcczki erösfnet wurde. Als erster Redner sprach der deutschnationale Rcichstagsabgeordnete Dr. E v e r l i n g über die politische Lage und legte zum Schluß folgendes Glaubens- bekenntnis der Deutschkonfervatioen Partei ob:„Wir glauben an Gottes Gerechtigkeit, wir glauben an des Königs Wiederkehr und wir glau.ben an die Wiederauferstehung des Vaterlandes! Unseren Freunden aber im Lande rufen wir zu: Wachet auf, es nahel gen den Tag!" Sodann sprach Oberkonsistorialrat Scholz über die nationale Bedeutung der Schulsrage, und wandte sich gegen die mechanische Vereinheitlichung und die Konfessionalisierung des gesamten Schulwesens, weil sie Spaltungen statt Einheit brin- gen würde. Zum Schluß des Parteitages wurde eine Entschließung angenommen, in der sich der Parteitag u. a. zu einer Lösung der Staatssormfrage bekennt, die, wie es in der Entschließung heißt,„unsere angellammlen Fürsten in ihre von Gakkes und Recht» wegen ihnen nnverfährbar zustehenden Rechte wieder einseht", und zu einer Lösung der Reickslormfraae,„die gegenüber dem undeut- Ichen Unitarismus die felbständios Staatsperlönlichkeit der Bundes- staaten nach Bismarckschen Grundsätzen achtet." In der Entschließung wird ferner der heute in Berlin aufmarsibierte Stahlhelm und in ihm das Erwachen des nationalen Selbstbewußtseins begrüßt und zum Schluß der pokitische Glauben der Partei in das Bekennt- nis zusammengefaßt:..Wik Golk für König und Vaterland! Wik Göll für Kaiser und Reich!"
�ergt dementiert* Er weiss nichts mehr von AufwertungSversPrechcn. Zu Begimt der gestrigen Sitzung des Nechlsausschusses, des Reichstags gab Reichsjusiizminsster Dr. Hergl«ine Erklärung zu dem an ihn gerichteten offenen Brief des Grafen Posadowsky über die Aufwertungsgesetzgebung ab, worin es eingangs heißt, daß der Führer der deutschnationalen Reichstagsfrattion vor den Dezemberwahlen 1924 erklärt hätte:«Sobald die Deusschnationalen an der Regierung sind, wird innerhalb 24Stunden«!n Aufwertungsgeletz vorgelegt, welches 19 9 Pro- zent Aufwertung bringt." Demgeaenüber wies der Reichs- justizminsster darauf hin, daß er schon früher im Ausschuß die ihm zugeschrieben» Behauptung als völlig unwahr bezeichnet und die ilnierstelluna in einer Red« in Stettin als Gemeinheit qekenn'.eich- net hätte. Er wäre In der Lage, nachzuweisen, wie diese Meldung gemacht worden wäre. In der Reichstaassitzung vom 28. Juni 1924, also lange vor den Dezemberwahlen, hätte der Abg. Hertz ihm als deusschnationalen Abgeordneten den guten Rat gegeben, baldigst einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, damit die Deusschnationalen, wenn sie einmal die Regierung übernehmen, Ihre Versprechung wahr- machen könnten. Daraus hätte er, Hergt. in einem Zwischenruf ge- antwortet:„Dann haben Sie ihn(den Gesetzentwurf! sofort am ersten Tage!" Es handelt sich also, so fügte der Minister hinzu, nur um eine Zwischenrufepisode, aus der man fetzt eine Programm- matische Erklärung in Zusammenhang mit den Wahlen machen will. Es wird dann die Lüge hinzugefügt, ich hätte eine hunderiprozen- tige Aufwertung verheißen. Das habe ich niemals und an keiner Stelle getan. So kennzeichnet sich die Behauptung in dem oifenen Brief als ein böswilliges Machwerk, und ich bedaure. daß ein Mann von dem Ansehen des Grafen Posadowsky solcher Machination zum Opfer qefallen ist. Roch dieser Erklärung des Minssters setzte der Ausschuß die Beratung des sozialdemokratischen Antrages fort, der die generelle Aufwertung der bei den Banken angelegten Spar- einsogen, der Einlagen mit mindestens sechsmonatiger Kündigungs- frist und der Einlagen bei den privaten Sparkassen verlangt. Abg. Dr. Leber(Soz.) betont« in dex Debatte, die Banken hätten im letzten Jahre so glänzende Geschäfte gemacht, daß sie zur Aufwertung lehr wohl in der Lage wären. Abg. Keil sSoz.) erklärte, bei der Bevölkerung, die über die Riesengewinne der Banken informiert ist, herrschte die größte Erbitterung darüber, daß gerade diese Institute von jeder Auf- wertungsverpflichtung beireit sind. Es müßte möglich sein, die ein- zelnen Banken nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zur Aufwer» wng zu verpflichten. Der sozialdemokratische Antrag wurde darauf gegen die Antrag-
vor sich geht, daß geschieht in größerem Maßstab in den Parteien. Manche Partei wäre tot, wenn ibr nicht eine andere den Gefallen täte, ihr Feind zu sein. Das Anrempeln ist nichts anderes als die Verlegenheit um einen Feind. Deshalb ist es ganz unnütz, Leuten, die diesen Knacks haben. Vernunft zu predigen. Das hieß« dem Morphinisten sein geliebtes Morphium entziehen. Sie bestehlen dich, nassauern Feindschaft bei dir, und wenn du sie deiner heißesten Liebe oersicherst, so brauchen st« Feindschaft, um leben zu können. Manches Völkchen auf diesem oder jenem Balkan hat doch einmal die ewige Hammelbraterei oder Jagd nach Weibern satt und sucht sich zu fühlen. Dazu braucht e» einen Feind, der ihm dos vergnügen bereitet, mit ihm zur Rauferei anzutreten. Mancher Diktator scheint aus der Geschäftsreise nach einem geeigneten Feind zu sein. Da e, nichts Ungewöhnliches ist, sich durch die Zeitung«inen Freund, sei es zum Fußballspielen oder zu sonst einem vergnügen, zu suchen, so würd« e« sich empfehlen, auf dem gleichen Wege sich einen Feind zu verschaffen. Bielleicht könnten sich Patienten des gleichen Leidens zusammentun, um in geeigneten Klubs der Feind- Ichaft zu pflegen. Der ein« nennt ein« Katze einen Hund; der andere verachtet ihn deswegen, beschimpft ihn oder haut ihm eins über den Schädel. Das andere Mal macht es der andere umgekehrt, und so können sie ihren Feindkomplex modern wissenschaftlich aneinander abreagieren, wie der technische Ausdruck lautet. Eine Methode, die Cou6 übertrumpfen würde und vielleicht der beste Weg zum Pazifismus wäre.
Veüekinös im Schlllertheater. Kolportage ist dieses Stück. Aber es ist unsterbliche Kolportage der Wahrheit und Schlichtheit. Es ist die volkstümlichste Tragik, weil ein Fall des schlichten Alltags mit den allereinfachsten Mitteln zum Drama wird. Und man wundert sich darüber. Man war der Meinung, Wedel 'ind könnte veralten, wie etwa die Produkte des bis zum Wahnsinn verstiegenen Strindberg. Wir dachten, wir würden lächeln über all das Grausige, das der armen Konferoa- toristen Fräulein Hühnerwadel aus der Schweiz begegnet. Diese Kolportage ist so kraß und wieder so beißend, daß sie die unerhörte Dichtung eines Genies ist. Und denkt man weiter, daß Wcdekind in dem unschuldigen Mann und nicht in dem schuldigen sich selber porträtiert, daß er den braven Moralisten als Sprecher seines guten und fühenden Herzens zum Zeugnis seiner eigenen Ehrlichkeit er- schafft, dann wächst noch mehr Respekt vor dem Nachruhm Wede- kinds. Wedekind wollte, was all die Kleinen und Jungen heute wollen, das Drama der Gesinnung, und au» seiner Gesinnung wurde«ine große Dichtung. Die Knirpse von 1927 betonen ihre Gesinnung, doch die Töne, die sie von sich geben, sind nicht immer schön. Aktuell ist dieses Drama auch, weil es die Unsinnigkeit des § 218 des Strafgesetzbuches zeigt, der da oerlangt, daß die Frau die unwillkommene Frucht ihres Leibes austrägt, wenn sie auch weiß, daß diese Geduld ihr Schande und Tod bringen wird. Dede- kind gegen Hergt, das(jroße Herz gegen dos Stahchelmherz. Der Regisseur Erich Engel oersuchte, mit diesem Stück
sleller und die Kommunisten bei Stimmenthaltung des Abgeord* ncten Brodau!(Dem.) abgelehnt. Ohne wesentliche Debatte wurde dann auch der Rest des Bestschen Gegenentwurfs gegen den Antragsteller, die Sozialdemokraten und Kommunisten abgelehnt. Die nächste Sitzung des Ausschusses wird am Mittwoch statt, finden._ Stresemann über die LVirtschastsloge. Annahme in der Kammer. Auf dem Riedersächsischen Wirtschafieag sagte Reichsmiiuster Dr. Stresemann, es sei mit Freude zu begrützen, daß eine gewisse Besse- rung der Wirtschaftslage festzustellen sei und auch in dem Rückgang der Arbeitslosenzifsern zum Ausdruck komme. Trotzdem müsse ent- schieden davor gewarnt werden, daß dieser Beginn einer Besserung, deren Weiterentwicklung gar nicht abzusehen ist, dazu verlclle, die produktiven Kräfte Deutschlands zu überschätzen. So angenehm es in den Ohren klänge, wenn man vom Ausland höre, daß die deutsche Industrie alles leisten könne, so wenig entspreche das den tatsäch- lichen Verhältnissen. Auch unsere Landwirtschaft sei in einer wenig glücklichen Lage. Es sei selbstverständlich, daß die Erhöhung ihrer Kauskrait eine große Bedeutung für die gesamte Wirtschaftsentwicklung habe. Was hier geschehen könne zur Durchführung eines großen Melio- rationsprogramms und zur Intensivierung der Landwirtschaft, was ferner geschehen könne zur Durchführung eines Sicdlungsprogramuis im Osten, seien die gegenwärtigen Ausgaben der Boltswirtschast, an der alle mitarbeiten sollten. Nach diesem Kompliment vor der Landwirtschaft führte Stresemann aber fort, daß unsere geographische Lage und die ganze Struktur unser Volkswirischaft jedoch nicht gestatte, uns von unseren weltwirtschaftlichen Beziehungen irgendwie zurückzuziehen. Unsere Exportsituation ist an sich durch den Mangel an Kapitalkrast er- schwert. Internationale Wirtschastsvcrftändigungen sind vielfach notwendig, um gegen wirtschaftlich stärkere Erdteile sich zu behaupten. Unsere Handelsvertragspolitit muß auf der Politik des Gebens und Rehme ns aufgebaut sein. Wer unseren Lebensnotwendigkeiten Rechnung trägt, dem dürfen wir auch unseren Markt nicht ver- sperren. Wenn neuerding« auf Bestrebungen anderer Länder hingewiesen wird, die nationale Produktion unter allen Umständen zu bevor- zugen, so kann«ine solche Entwicklung jedenfalls nicht Akt der Gesetz- gebung, sondern nur der Selbsterziehung eines Landes sein. Unser früheres Auslandsvermögen steht uns n i ch t. m e h r zur Verfügung, um au» seinen Erträgnsslen eine etwaige Dijserenz zwischen Ein- und Ausfuhr zu decken. Rur stärkste Einschränkung unnötiger Aus- gaben und die Erkenntnis dessen, daß wir die Finanzpolitik eines Volke« treiben müssen, da» den Krieg verloren hat, und auf der anderen Seite der Wille zur Intenssoierung aller Produktions- Möglichkeiten und der Kampf um die Erhaltung unserer weltwirtschaftlichen Beziehungen, können die schweren Probleme lösen, die uns bevorstehen.
Kampf um den pächterscbutz in Selgien. Annahme in der Kammer bei Stimmenthaltung der Katholiken. Die belgische Kammer verabschiedete den Gesetzentwurf über den Pächterschutz, dessen wesentliche Bestimmung eine gesetzlich« Garantie der bestehenden Pachtverträge für die Dauer von neun Iahren sst. Der Gesetzentwurf wurde mit 77 Stimmen gegen 7 bei 62 Enthaltungen angenommen. Die Sozialisten stimmte-., geschlossen dafür, während die K a t h o l i t e n, die nur eine drei- jährige Pachtsicherheit gewähren wollten, sich geschlossen dec Stimme enthielten. Da die Katholiken, insbesondere bis Ehristlichdemokraten, sich gewöhnlich als besondere Freunde der� kleinen Pächter gebärden, dürfte die Abstimmung einen starken Ein- druck aus die Landbevölkerung machen. Der Gesetzentwurs muß noch im Senat behandelt werden, wo sein Schicksal recht Zweifel- Haft ist.
Kinohumbug zu treiben. Plakatmäßig wurde das Konservatorium sinniert, in dem die Tragödie sich zusammenspann. Zum Glück geht der Regisseur in sich und läßt den seurig wirksamen Naturalis- mus des Trauerspiels wirken. Maria Koppenhöfer , das Opfer, das der vertrockneten Moral gebracht wird, besitzt die Svrö- digkeit und Hysterie, die die Frau de? Stückes braucht. Ihre Leistung ist vorzüglich, doch es ist nur Leistung, es ist nicht das schwebende Leben, da? in der Künstlerin zittert. Aribert Wäscher übertönt die Lächerlichkeit des Musikaecken, der all dieses Unglück herausbeschwört. Er macht aus dem Stück wirklich nur Kinokolpor- tage. Die Zwischentöne tindet er nicht. Dagegen bemüht sich Paul B i l d t mit einer nach innen gekehrten Verbissenheit, das verlorene Wesen jene» Schriftstellers zu charakterisieren, der das Leben neu- gierig in sich aufnimmt. Bildt versucht, die louernde Naivität We- dekinds, die bis zur sezierenden Kaltblütigkeit gesteigert werden konnte, in Ton und Geste zu treffen. Max Hochdorf .
Die Italienische Slagione in der Slädlischen Oper. Wir lassen es uns gewiß nicht in den Sinn komm:n, iialienische Sänger lehren zu wollen, was Opera bufsa, was Rossini und„Der Barbier nm, Sevilla " ist. Aber wir sagen uns in der Ausführung durch diese Stagione immer wieder, daß wir Geschmack, Erfahrung, Erinne- rung zu Hause lassen müssen, um mit einer herrlich funktionierenden Claque Hand in Hand gehen zu können. Diese Lustigkeit, die sich an den Aeußerlichkeiten menschlicher Typen und an einem künstlich erhitzten Tempo zur Possenaimosphäre hochschwingt, ist nicht die unsrtge. Vielleicht hat man in Deutschland mehr Respekt, vielleicht überflüssigen Respekt vor der lachenden Größe des italienischen Meisterwerks als im Heimatland Rossinis. Vielleicht ist aber das, was die Italiener uns geben, das Echte. Rechte und Originale, und unser« Ansprüche an schauspielerische Ehrlichkeit sind in der Ko- mischen Oper von Uebel. Ernsthaft: die Haupteigenschaften des Fi- garo sind Gelenkigkeit, Grazie. Natürlichkeit, überlegene Frechheit und Mutterwitz. F r e g o s i hat von alledem nur das, was Stu- dium bringen kann, aber er hat es nicht von der Wiege an. Dabei singt er grob und ist in seinem Spiel sehr aus Galerie eingestellt. M a n u r i t t a hat eine symoathische, helle, weiche, aber auch zwirnsdünne Tenorstimme, er spielt(vielleicht infolge einer Indis- Position) unruhig und nervös. Die bildschöne Josephine L u c c h« s e ist schnippisch und lieb, in ihrer Gliederbeweglichkeit leicht gehemmt. Ihre Koloraturen sitzen, wenn auch auf schwindlig spitziger Höhe nicht immer ganz sauber. A u t o r i in der Maske eines galizischen Schnorrers, machte aus der Derleumdungsarie des Dasilio ein Kabinettstück, und der Lartelo von Antonio G e l i zeigte außer den üblichen Manieren eines Tapergreiscs so etwas wie Herz und Gemüt, das die Rolle erst verständlich macht. Egisto Tango , der uns von der Komischen Oper her in Erinnerung ist, dirigierte. Merkwürdig, wie langsam und gedehnt er die Schönheiten der Partllur vor uns ausbreitete. Hier konnten die deusschen Kapell- meifter lernen, die glauben, mit Armwersen, Hitze und Schweiß italienisches Brio erzeugen zu können. 1�. 5.
vi« SleNrizilältausstelluvg Mannheim 1929, die neben den erforderlichen proviiorischen Lauten drei Dauergebäudc mit einem Auslvculd von <! 815 000 Mark vorsieht, wurde vom Stadtrat gutgeheißen.