Abendausgabe

Nr. 21944. Jahrgang

Ausgabe B Nr. 108

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Berliner Volksblaff

10 Pfennig

Dienstag

10. Mai 1927

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Die Amerikaflieger verschwunden.

Amerikaner organisieren den Suchdienst.

Paris , 10. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die gestern von den offiziellen Stellen verbreitete Nachricht von dem Eintreffen der beiden franzöfifchen Flieger ungeffer und Coli in New York hat sich zum Teil als völlig falsch herausgestellt. Auf Grund der heute morgen hier vorliegenden Nachrichten ist man auch jeht noch weiterhin ohne jede Nachricht von den beiden Ozean­fliegern. Die Preffe ift gezwungen, ihre am Montag abend lärmend verbreiteten Spezialausgaben zu widerrufen. Man fragt sich heute, wie es möglich war, daß gestern diese Nachricht in der Hauptstadt und darüber hinaus in ganz Frankreich verbreitet werden konnte. Selbst der Innenminister Sarraut hatte gegen 7 Uhr abends amt­lich den Journalisten mitgeteilt, daß ein offizielles Telegramm vorliege, nach welchem die beiden Flieger im Hafen von New York gelandet seien. Der Eiffelturm hatte den Funkspruch in demselben Sinne verbreitet. Der Kriegsminister Painlevé hatte daraufhin fo­fort ein Glüdwunschtelegramm nach New York gerichtet. Den ganzen Abend hatte in den Parijer Straßen eine ungeheure lärmende Freude geherrscht. Musikkapellen durchzogen die Boulevards und spielten fröhliche Märsche zur Feier des glüdlichen Eintreffens der Flieger.

Als einige amerikanische Zeitungen, die in Paris erscheinen, die Nachricht dementierten oder verbreiten ließen, daß nod feine Bestätigung von dem Eintreffen der Flieger vorliege, wurden ihre Redaktionen von der wütenden Menge beinahe gestürmt und mußten von Polizeifräften geschüht werden, da man sie beschuldigte, aus Konkurrenzneid die falsche Nachricht zu verbreiten. Auch mehrere 3eitungsträger, die gegen 10 Uhr abends die Nachricht verbreiteten, daß eine Bestätigung der Ankunft noch nicht vorliege, wurden von der Menge mishandelt. Jedenfalls ist heute die Lage so, daß von den Fliegern feinerlei Nachricht vorliegt. Nach amerikanischen Meldungen sind drei Flieger von Staten Islands aufgeflogen, um die französischen Flieger zu suchen. Sie find aber bisher nicht in der Cage gewesen, fie aufzufinden. Von allen Seiten find Hilfs­expeditionen abgegangen. Zahlreiche franzöfifche und amerikanische Kriegsschiffe, die sich in der Nähe der amerikanischen Küfte befinden, haben Befehl erhalten, sich auf die Suche zu machen.

Paris , 10. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die Meldungen von der Ankunft der beiden französischen Ozeanflieger in New York wurden am Montag in vorgerüdter Abendstunde plötzlich dementiert. Der sich nach Tausenden auf der Straße befindlichen Menge bemächtigte sich eine ungeheure Erregung. Sie steigerte sich noch wesentlich, als furz darauf ein offizielles Kom-| muniqué des Unterstaatssekretärs für Luftschiffahrt erschien, in dem dieser mitteilte, daß die Flieger bisher nur bis halifag gelangt seien und jedenfalls in dem diesigen Wetter den Kurs verloren hätten. An verschiedenen Stellen fam es sogar zu

Von der Weltwirtschaftskonferenz. Die Sorgen der Industrie und der Landwirtschaft. Genf , 10. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) In der Industriekom­mission der Wirtschaftstonferenz sprach heute vormittag Reichstagsabgeordneter Dr. Lammers. Was Europa am drin gendsten brauche, sei die Gewinnung einer Generalidee für seine wirtschaft. Die Lage Europas als Schuldner ist eine folche geworden, daß man vielleicht bald nach Mitteln suchen muß, um die Budgets der verschiedenen Länder miteinander auszugleichen. Der Borschlag Jouhaug, zur Hebung der Kauffraft mit den Lohn­erhöhungen voranzugehen, sei unmöglich für die Exportindustrien, die noch Rohstoffe im Auslande einkaufen müssen. Die Kartellierung fann als Uebergangsstadium gute Dienste leisten, doch ist sie kein Allheilmittel. Die von den Arbeitervertretern verlangte Kontrolle der internationalen Kartelle sei verständ­lich, sofern teine Mitbestimmung der Führung damit verbunden sei. Sonst erhält sie unter Umständen eine zu starte Tendenz zur Preis­steigerung.

Bei der Durchführung der Rationalisierung in Deutschland habe die Arbeiterschaft start mitgeholfen und große Laften auf sich ge­nommen. Die Rationalisierung Europas bedeute eine weitgehende Arbeitsteilung, für die politische Voraussetzungen noch ganz fehlen. Da muß die Einsicht wachsen, daß die nationalen Sicherheitsfragen start von wirtschaftlichen Voraussetzungen bedingt sind. Wenn man sich in diesen verständigen kann, wird jenen auch Genüge getan. Zum Schluß appellierte der Redner an eine Niederlegung aller schädlichen Grenzen, um besser leben zu können.

etse zum ersten

Darauf sprach der Sowjetvertreter mal in russischer Sprache in den Räumen des Völkerbundes. Er ließ nach der geftrigen gemäßigten Rede Offinskis wieder schärfere Töne hören, wobei er auch wieder scharf gegen Jouhaug und den Internationalen Gewerkschaftsbund polemi­sierte, den er beschuldigt, mit der Bourgeoisie eine Verständigung eingehen zu wollen. Der Arbeiterschaft fönne aber nur der rück­fichtslose Klassentampf mit dem Ziel einer Verstaatlichung der haupt­sächlichen Industrien helfen.

In der Landwirtschaftstommission sprach Professor Sering über die Lage der Landwirtschaft und die internationale Preisbewegung. Dabei hebt er hervor, daß von einer Ueber­produktion, gemessen am Bedarfsstande der Borkriegszeit, nicht ge sprochen werden könne. Die Ursachen für die abnormale Preis­bilbung liegen in der gejenften Ronkurrenzfähigkeit und Rauftraft

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Große Aufregung in Paris .

Demonstrationen, so& B. vor dem Zeitungsgebäude des Matin“ und den Filialen verschiedener amerikanischer Blätter. Die Polizei mußte einschreiten und die Massen zerstreuen. Die Falschmeldungen scheinen darauf zurückzuführen zu sein, daß der italienische Flieger de Pinedo am Montag nach mittag von Boston nach New York geflogen ist. Die offiziellen New Yorker Stellen scheinen bei der Landung sein Flugzeug mit dem der Franzosen verwechselt zu haben.

Nachrichten kaum zu erwarten.

St. Johns ( Neufundland ), 10. Mai. ( WTB.) Beim Heran nahen der Dunkelheit lagen feinerlei Nachrichten über Hauptmann Die Behörden des Rungeffer und seinen Gefährten vor. Marineobservatoriums sprechen die Vermutung aus, das Flugzeug fei vielleicht bei einer Fischerflotte auf den Grand Banks nieder gegangen. Keine dieser Flotten führt drahtlose Telegraphie mit sich, und daher besteht die Möglichkeit, daß Nachrichten über die Flieger während zwei oder drei Wochen nicht eingehen werden.

Hilfsmaßnahmen für Nungesser.

In der Sackgasse.

Das Fazit des russischen Rätekongresses. Bon Peter Garwy.

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Der Rätetongreß der Sowjetunion war der Sowjetmacht. Das ist weiter nicht verwunderlich, denn ge= ausdrudsloseste und nichtssagendste seit dem Bestehen der rade jetzt, zehn Jahre nach dem Siege der Leninschen Losung: Alle Macht den Sowjets" hat sich mit besonderer Deutlichkeit herausgestellt, daß es in Rußland feine Sowjetmachi, sondern nur eine starre Dittatur der Kommunistischen Partei gibt. Aber auch die Parteidiktatur hat sich allmählich, besonders nach der Unterwerfung der Parteiopposition, in eine persönliche Dittatur und zwar Stalins, der sich mit gefügigen Nullen umgeben hat verwandelt. Die Sowjets, diese nach Lenins Lehre höchste Form der Demokratie", spielen in Wirklichkeit die Rolle eines Deckmantels, hinter der fich die persönliche Diktatur verbirgt, die mit Hilfe des mili­tärisch disziplinierten Parteiapparats durchgeführt wird. Die örtlichen Sowjets bilden noch bis zu einem gewissen Grade einen Ersatz für die von den Bolschewisten preisgegebene Selbstverwaltung. In staatlichem Maßstabe bilden sie sozu­sagen ein Doppelstück der herrschenden Partei oder müssen ihr bestenfalls der Partei als blindes Werkzeug dienen. Es ist höchst bezeichnend, daß der Rätetongreß die Sowjetver­fassung in dem Sinne geändert hat, daß die Räte wahlen und Kongresse nunmehr jede zwei Jahre, anstatt wie bis jetzt jedes Jahr, stattfinden werden.

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New York , 10. Mai. ( WTB.) Nachdem sich herausgestellt hat, daß die Annahme, man habe das Flugzeug Rungeffers ge sehen, auf Berwechslung mit einem Flugzeug der Küstenwache tongresses aus? Er stand im allgemeinen unter dem Zeichen Wie sehen die sonstigen Leistungen des letzten Räte­beruht, treffen die Marinebehörden Borbereitungen, um den Ueber­feefliegern bei der ersten Nachricht von ihrer Auffindung Hilfe zu in China warfen einen trüben Schatten auf die tausendköpfige der Verlegenheit und Unsicherheit. Die Ereignisse bringen. Die Küstenwache organisierte namentlich nördlich von Boston Menge, die im prächtigen Saal des Moskauer Großen Thea­einen dauernden Suchdienst, deffen Arbeit allerdings durchters versammelt war. Der Berrat" des Tichiangtaischefs hat den ungewöhnlich starten Rebel erheblich erschwert wird. alle außenpolitischen Pläne der Moskauer Strategen und Di­Allgemein wird angenommen, daß Nungeffer und Coli nach Berbrauch ihrer Benzinvorräte auf die See herunter, plomaten über den Haufen geworfen. Die Rede Rytows hat gehen mußten. In Fachkreisen äußert man sich ungemein besorgt heit und Hilflosigkeit an den Tag gelegt. Aber anstatt das gerade in ihrem außenpolitischen Teil die größte Berlegen­über das Schicksal der Flieger und hebt vor allem hervor, daß die Geschehene zu analysieren und die Grundfäße der abenteuer­Eisbildung das Flugzeug besonders gefährden könne. Beim Bublifum ist die Enttäuschung über das Nichteintreffen der unterwerfen, hat sich das Haupt der Sowjetregierung mit, lichen, ostasiatischen Politit einer radikalen Umwertung zu Flieger sehr groß und die Zeitungen werden mit Anfragen nach einer kleinlichen Bolemit gegen Chamberlain begnügt, in der die Frage behandelt wurde, ob die russische Regierung, als eine Arbeiterregierung", das Recht besitze, mit den eng­lifchen Bergleuten zu fympathifieren" und ob der bekannte Borodin ,, das Recht habe, als Privatmann der Kantoner Re­gierung als Ratgeber behilflich zu sein".

ihrem Berbleib bestürmt.

Naturkatastrophe in Amerika .

100 Personen getötet, 250 verlegt. New Yort, 10. Mai. ( WTB.) Ein Zyklon zerstörte gestern abend fast alle Gebäude im Geschäftsviertel der Stadt Poplar Bluff( Missouri ). Rund hundert Personen wurden ge­tötet und 250 verlegt. Der Sachschaden wird auf mehr als eine Million Dollar geschätzt. Die Stadt ift infolge der Unter­brechung der Stromversorgung ganz in Dunkelheit gehüllt.

der europäischen Industriegebiete. Sie sei bedingt durch die Rüd­wirkungen, die die Minderung der wirtschaftlichen Produktivität Osteuropas auf die Industrie ausübe, ferner durch die wirtschaftliche Bersplitterung Europas und den gegenseitigen handelspolitischen Abschluß der Agrarerporthändler und schließlich durch die Belastung Europas mit unproduktiven Ausgaben.

Eine wirkliche Heilung der weltwirtschaftlichen Depression fann nach Prof. Sering nur gefunden werden durch Beseitigung ihrer letzten Ursachen. An die Herabsetzung der Schutzölle müßten die Hauptträger der wirtschaftlichen Macht, an ihrer Spize die Ver­einigten Staaten Amerikas , herangehen. In ihrer Macht liege es, die europäische Lebenshaltung zu erhöhen, den Fluch der Arbeits­lofigkeit zu bannen und damit die Not ihrer eigenen Farmer zu beseitigen. Dies seße voraus ,, daß politische Zahlungsverpflichtun­gen der Völker bald eine Regelung finden, die für alle Teile zu ertragen ist.

Die Räumungsfrage.

Briand wird im Senat befragt.

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Rytom versuchte die traurige Tatsache der wachsen den folierung Rußlands mit dem Hinweis auf die Erfolge der Sowjetdiplomatie in bezug auf den Abschluß von Neutralitäts- und Nichtangriffsverträgen mit einigen fleinen Nachbarstaaten und mit dem Liebäugeln mit dem poincaristi­schen Frankreich zu vertuschen. Zwar waren die Erklärungen in bezug auf den Bölkerbund nicht so fategorisch ablehnend wie bisher, jedoch flangen fie feinewegs ermutigend und zu­stimmend. Richtig ist nur, daß der Zusammenbruch der Sowjetpolitif in Asien die Sowjetdiplomatie zur Rüd­fehr nach Europa " zwingt. Daher auch der ziemlich unerwartete Beschluß der Sowjetregierung, an der Welt­wirtschaftstonferenz teilzunehmen.

Die friedfertigen Versicherungen Rytows laffen sich leider schwer mit der Tatsache in Einklang bringen, daß auf die Tagesordnung des Kongresses ausgerechnet der Bericht des Kriegskommissars- mit unverkennbar demonstra­tiven Absichten- gesetzt wurde. Freilich trug dieser Bericht. wie auch die angenommene Refolution über die Rote Armee und über die notwendigen Abwehrmaßnahmen, nicht mehr so sehr den früheren Charakter des energischen Gäbelraffelns. Aber auch diese friedfertige" Demonstration der militärischen „ Bereitschaft" fann nur als tattlos und schädlich bezeichnet

werden.

Von den inner politischen Fragen wurden diesmal vorwiegend die Wirtschaftsprobleme behandelt. Auch auf diesem Gebiet stand der Rätefongreß unter dem Zeichen der Verlegenheit, die durch den offiziellen Optimismus faum zu verbergen war. Bei der Erörterung der Ergebnisse des

Paris , 10. Mai. ( WTB.) Wie der sozialistische Populaire" berichtet, wird der radikale Senator Lemery bei Wiederzusammen- Kongresses führte die Prawda" aus, daß jeßt der ,, Rubikon tritt des Senats am 17. Mai Briand interpellieren und ihn fragen, welche Haltung die französische Regierung angesichts der These Stresemanns, die Räumung des linken Rheinufers ohne Gegen leistung zu fordern, einnehmen werde.

Die Gegenleistung besteht nach oftmals erklärter deutscher Re­gierungsanficht darin, daß die Abrüftungsforderungen auch nach An­erkennung durch die Entente erfüllt seien.

Sozialistischer Wahlerfolg in Polen ..

Niederlage der Rechten. Warschau , 10. Mai. ( Tul.) Bei den Stadtvertretungswahlen in Radom , Ostrowie und Siedlowjet haben die Rechts. parteien überall Niederlagen erlitten. Einen großen Erfolg haben die sozialistischen Listen zu verzeichnen.

des Vorkriegsniveaus überschritten" sei und daß die sozia­liftische" Wirtschaft jezt das Niveau der kapitalistischen Länder einholen und überflügeln müsse. Die Schwierigkeiten der Wiederherstellung seien überwunden: jetzt handle es sich um etwas weit Schwierigeres, um die Industrialisierung des Landes, die aus eigenen Kräften und im beschleunigten Tempo vor sich gehen müsse, damit man sich ,, von der Abhängigkeit von dem Weltfapitalismus befreie".

Nach den vorläufigen, offiziellen Angaben wird die In­dustrie im Jahre 1926/27 103 Broz. und die Zahl der in der Industrie Beschäftigten sogar 106 Proz. des Borkriegsniveaus erreichen. Aber hier reitet die Sowjetwirtschaft in eine Sadgasse hinein. Das Grundfapital, das von der ent­eigneten Bourgeoisie geerbt" wurde, ist fast gänzlich aus­genutzt. Die weitere Entwicklung tann nur durch neue In­Am Sonntag wurden in einem Teil Polnisch - Oberschlesiens Neu- peftierungen, durch neuen Kapitalzustrom erfolgen. Der Ber wahlen für die Gemeinderäte vorgenommen. Die polnischen Besuch, die Industriealisierung durch eine Inflation zu beschleu­hörden hatten vorher eine Anzahl deutscher Kandidaten nigen, hat im vorigen Jahre zu einer gefährlichen verhaftet, die polnischen Nationalisten übten mit behördlicher Finanzkrise geführt, die den Tscherwonez ins Schwanken Unterſtügung argen Terror aus. Kein Wunder, daß die Deutschen gebracht hat. Die Politik der Höchstpreise, die die Staats Einbußen erlitten haben, die aber trotz alledem nur gering find, industrie, trog aller Forderungen des Preisabbaus, ununter