Reine Anerkennung des Sowjetsystems.
Die russische Delegation bleibt trotzdem. Genf , 20. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Der vielbesprochene Antrag der Swjetdelegation, die Konferenz jolle das Nebeneinanderbestehen der beiden Wirtschaftssysteme anettennen, ist in der Koordinationsfommiffion zur Sprache gekommen und furzweg abgelehnt worden, weil die Wirtschaftskonferenz absolut auf dem Boden der Wirtschaftsfreiheit stehe und unmöglich das sowjetistische Wirtschaftssystem mit dem Außenhandelsmonopol prinzipiell anerkennen könne. Der russische Delegierte erklärte dazu: Wenn ihr Antrag abgelehnt werde, müffe die Wirtschaftskonferenz von der Sowjetregierung als ergebnislo's betrachtet werden. Jedoch soll er dabei keinerlei Drohungen, daß die Sowjetdelegation an der Konferenz nicht mehr mitarbeiten werde, ausgesprochen haben.
Die Industrietommiffion berät zur Stunde den Entfchließungsentwurf über die internationalen Kartelle. Bon verschiedenen Arbeitgebervertretern von kleinen Ländern sind dagegen Berwahrungen und Ablehnungsanträge vorgebracht worden. Namens der Arbeitergruppen kritisierte Genosse Jouhaug die Mängel der Resolution in starten Worten. Insbesondere unterftrich er, daß die Bestimmungen über die Koatrollen und die Publizität der internationalen Kartelle den Erwartungen der Arbeiterschaft nicht entsprechen und ihre Vertreter deshalb der Resolution nicht zustimmen fönnen.
Der Sowjetdelegierte Sotolnikom erklärte ebenfalls, daß et die Resolution ablehnen müsse, weil durch einen zu starten Musbau der internationalen Kartelle die ganze Weltwirtschaft unter ihre Willkür gelangen würde. Dagegen wird die Sowjetregiezung die Wirksamkeit von internationalen Kartellen auch in Sowjetrußland zulaffen, sofern sie die Interessen der Arbeiterschaft und der Konsumenten nicht verlegen. Als ausreichenden Schuh für die legteren betrachtet Sokolnikom im übrigen nur die Preisfestjegung für alle Verbrauchsgegenstände durch staatliche Organifationen. Die Diskussion geht weiter.
Beitrag zur heilpädagogischen Woche.
Hilfe den körperlich behinderten Kindern!
statistit selbst führen noch eine berebbere Sprache. Am 1. Januar 1927 waren im Bezirk Treptow 1256 Kinder von der Krüppelfürforge erfaßt bei 11 781 Schultindern. Demnach entfallen auf 10 000 Einwohner 135 Krüppel. Profeffor Biesalfti, der Borkämpfer der Krüppelfürsorge, hat im Jahre 1906 15 Fälle auf 10 000 in. wohner berechnet. Dieser Bergleich zeigt einmal den Rückgang des förperlichen Zustandes unserer Jugend und zum anderen aber auch die Entwicklung des Begriffs Krüppel überhaupt. Er wird heute wesentlich weiter gezogen als damals. In jener Zeit verstand man unter Krüppel nur die schweren Fälle, die in der Regel operative Eingriffe erforderten. Die heutige Heilwissenschaft will in erster Linie vorbeugend wirken. Und in der Tat fann durch recht=
hoben oder zum mindesten in ihren weiteren Fortschritten gehemmt werden. Zu diesem Zwede ist klinisches Turnen( mit Apparaten) sowie das Schulsonderturnen( rhythmische Gymnafiif) in den ver schy edensten Bezirken durchgeführt. Diese Einrichtungen haben sich
Ein wirtschaftlich wie sozial gleich wichtiges Teilgebiet der Heilpädagogik ist die Krüppelfürsorge, die das förperlich be. hinderte Kind zur späteren Erwerbsarbeit fähig machen will. Ein durchgreifender Erfolg auf diesem Gebiete ist eigentlich nur in Preußen und auch hier erst seit dem Bestehen des preußischen Ge. fezes vom 6. Mai 1926 zu verzeichnen. Denn so anerkennenswert die Leistungen verschiedener charitativer Verbände und weitausschauender Sozialhygieniker im einzelnen auch sein mögen, sie muß ten doch nur Stückwert bleiben, da die Masse der in Frage kommenden hilfsbedürftigen Kinder von ihnen nicht erfaßt werden konnte. Nach dem preußischen Krüppelfürsorgegesetzeitiges Eingreifen manche Anormalie des Körpers bevom 6. Mai 1926 find die Landarmenverbände verpflichtet,„ für Bewahrung, Kur und Pflege der hilfsbedürftigen Geistesfranken, Idioten, Epileptischen, Taubstummen, Blinden und Krüppel, soweit sie der Anstaltspflege bedürfen, in geeigneten Anstalten Für forge zu treffen." Die Fürsorge umfaßt beim Minderjährigen auch liche Bedeutung dieses Gesetzes liegt. Aerzte, Hebammen, Lehrer die Erziehung und Erwerbsbefähigung, worin die große wirtschaftund Lehrerinnen, die in Ausübung ihres Berufes bei Kindern Ber früppelungen beobachten, find verpflichtet, dem zuständigen Jugendamt Anzeige zu erstatten. Die Auffassungen darüber, ob ein Krüppelfall vorliegt, werden oft und nicht nur unter Laien auseinandergehen. Der Gefeßgeber hat versucht(§ 9), eine Definition des Begriffs„ Krüppel" zu geben. Danach liegt eine Verkrüppelung im angeborenen oder erworbenen Knochen, Gelent, Muskel- oder Sinne des Gesetzes vor, wenn eine Person( Krüppel) infolge eines Nervenleidens oder Fehlens eines wichtigen Gliedes oder von Teilen eines solchen in dem Gebrauch ihres Rumpfes oder ihrer Gliedeines solchen in dem Gebrauch ihres Rumpfes oder ihrer Blied. maßen nicht nur vorübergehend derart behindert ist, daß ihre Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkte voraussichtlich wesentlich beeinträchtigt wird".
Ist diese Begriffsbestimmung auch nicht sehr flar, so zeigt sie doch deutlich die Absichten des Gefeßes, die dahin gehen, alle förper lich behinderten Kinder durch rechtzeitige heilpädagogische Behand lung zur Schaffung irgendeiner wirtschaftlichen Eristenz zu be. fähigen.
Condon, 20. Mai. ( WTB.) Im Unterhause wurde an Chamberlain die Anfrage gerichtet, ob er von dem deutschen Minister des Auswärtigen den Wunsch übermittelt erhalten habe, daß einer Person deutscher Nationalität in der Mandats fommission des Bölkerbundes ein Siz zugeteilt werde, und wenn dies der Fall sei, in welcher Weise er geantwortet habe oder zu antworten beabsichtige. Chamberlain erwiderte: Ich bin unterrichtet worden, daß die deutsche Regierung die Absicht hat, diese Angelegenheit in der Junitagung des Völkerbundsrates vorzubringen. Eine direkte Antwort meinerseits tommt dabei nicht in Frage. Ich kann auch noch vorher über die Stellungnahme des Rats etwas sagen, von dem die Frage freimütig erörtert werden muß, falls fie ihm Keine Steuererhöhungen. Keine Mietsteigerung. vorgelegt werden sollte.
Die 3 ahl der als Krüppel im Sinne des Gesetzes zu bezeichnenden Kinder ist erschredend groß. Sicherlich hat viel dazu der durch die wirtschaftliche Not entstandene schlechte Ernährungs. zustand der Kinder beigetragen. Im Bezirk Treptow haben die Schulärzte ein Drittel aller Kinder als muskelschwach bezeichnet. 46 Proz. der im Offober zur Schulenflaffung gekommenen Knaben und als berufsunfähig bezeichnet worden und bedürfen einer besonberen förperlichen Kräftigung. Die Zahlen der Krüppelfürsorge
Keine Begeisterung!
London , 20. Mai. ( WIB.) Wie der Daily Telegraph " meldet, ruft das Ersuchen der deutschen Regierung um Gewährung eines Sizes in der ständigen Mandatskommission feine Begeisterung in Paris , Brüssel , London oder Tofio hervor.
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In der Mandatskommission des Bölkerbundes sind Kolonialfachverständige verschiedener Staaten tätig. Zurzeit gehören ihr vier Angehörige von Staaten an, die Mandate verwalten( England, Frankreich , Belgien , Japan ) und fünf, die feine Mandate haben( Niederlande , Portugal , Spanien , Italien , Schweden ). Der Wunsch, daß auch ein Deutscher Mitglied der Mandatskommission wird, ist grundsäglich um so mehr berechtigt, als eine große Zahl von Kolonialmandaten des Bölkerbundes aus den ehemaligen deutschen Kolonien besteht. Daß der deutsche Wunsch, in der Mandatskommission vertreten zu sein, feine Begeisterung erregt, ist verständlich: wird doch vermutet, daß dieser Deutsche den Mandatsregierungen im Interesse der Eingeborenen Schwierigkeiten bereiten werde. Wieweit diese Besorgnis berechtigt ist, hängt durchaus von der Persönlich keit ab, die der Völkerbundsrat aus den Kreisen der deutschen Kolonialfachleute auswählen würde.
Immer wieder Oberschlesien - Terror. Die Polizei erprent Erklärungen. - Beschlagnahme deutscher Zeitungen.
kattowih, 19. Mai. ( WTB.) Die polnische Preffe brachte heute eine Meldung, der zufolge der am Sonntag in Rybnit schwer mißhandelte Redakteur des Oberschlesischen Kurier Herger freiwillig bei den polnischen Behörden erschienen sei und zu Protokoll gegeben habe, daß die von der deutschen Presse über seine Mißhandlung gebrachte Mitteilung tendenziös und übertrieben sei. Von zuständiger deutscher Seite in PolnischOberschlesien wird demgegenüber mitgeteilt, daß die amtlichen polnifchen Erklärungen über die Vorgänge in Rybnik nicht zutreffen. Auch Redakteur Herger stellt fest, 1. daß er seine Angaben nicht freiwillig gemacht habe, und daß 2. Form und Inhalt der amtlichen Darstellung des Ueberfalles feinen vor der Untersuchungstommiffion gemachten Angaben nicht entsprechen.
Deutsche Zeitungen, die den Sachverhalt bringen, werden rüdfichtslos beschlagnahmt. Die deutsche Presse in Polnisch- Oberfchlesien kann die Erklärung Hergers nicht veröffentlichen. Auch die heutigen Ausgaben des Oberschlesischen Kuriers und der aftowizer Zeitung, die das Telegramm des Abgeordneten Pannt im Namen fämtlicher deutschen Parlamentarier des polnischen Sejm an Pilsudski veröffentlichen, in dem um Schutz der deutschen Bevölkerung gebeten wird, sind der Beschlagnahme anheim gefallen.
Gestern nacht haben sich in Rohiantau erneuf Ueberfälle auf deutsche Bürger ereignet.
Streichholz auch in Frankreich verfchachert. Sozialistischer Gegenentwurf.
Paris , 20. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Am nächsten Dienstag foll in der Kammer die Debatte über die Veräußerung des Streich holzmonopols beginnen. Die Sozialistische Partei wird einen Gegenentwurf einbringen, in welchem ein Kredit von 30 Mil lionen verlangt wird, um die gegenwärtige staatliche Berwaltung des Monopols zu modernisieren und auf auf männischer Grundlage aufzubauen. Im 2. Artikel des Gegen entwurfes wird die Ernennung einer Kommission von 24 Mitgliedern verlangt, wovon ein Biertel Parlamentarier und ein Biertel Mitglieder der Gewerkschaften und des Personals der staat lichen Manufakturen und der Rest Sachverständige sind, die die Modernisierung der Berwaltung vornehmen sollen.
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Keine Tariferhöhung.
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Nach faft zwei Monate langer Beratung hat der Haushaltungsausschuß heute mittag den Berliner Etat in erster Cefung verabfchiedet. Schon die Länge der Zeit zeigt, welche ganz außerordentlichen Schwierigteiten dabei zu überwinden waren, nachdem die Hoffnung auf einen für Berlin günstigeren Finanzausgleich endgültig begraben werden mußte.
Die Sozialdemokratie hat von Anfang an betont, daß sie wohl angesichts der allgemeinen finanziellen Lage eine sparsame Wirtschaft als notwendig anficht, daß aber alle dringenden Wirtschaft als notwendig ansieht, daß aber alle dringenden Ausgaben insbesondere auf den Gebieten der Wohlfahrts pflege, der Schulen, des Krankenhauswesens mie endlich des Wohnungsbaus und des Verkehrs unter allen Umständen geleistet werden müffen. Sie hat sich dabei nicht den wohlmeinenden" Ratschlag westdeutscher Oberbürgermeister zu eigen gemacht, daß die Stadt Berlin gefälligst ihre Steuern und Tarife( die allerdings zu den niedrigsten in allen deutschen Groß Städten zählen) erhöhen möge, wenn sie ihren sozialen und fulturellen Berpflichtungen nachtonimen wolle. Unsere Fraktion ist vielmehr mit allen Mitteln bestrebt gewesen, diese Aufgabe ohne neue Belastungen der breiten Masse zu erfüllen, weil sie weiß, daß die Not diefer Massen in Berlin auch so schon groß genug ist und daß der schematische Bergleich mit anderen Städten ein völlig schiefes Bild ergibt. Das ist ihr erfreulicherweije nun gelungen. Manch wünschenswertes Projekt muß freilich dabei vorläufig aufgeschoben werden, manche wertvolle Anregung fann in diesem Jahre noch nicht in die Tat umgesetzt werden. Hatte doch der Magistrat bereits über 80 Millionen von den Anforderungen der Bezirke abgesetzt. Aber der Ausschuß hat doch wesentliche Verbesserungen des Haushaltsplanes erreicht, die viele Millionen ausmachen. Erwähnt sei nur der Bau des Moabiter Krantenhauses, die Schaffung des Lichtenberger Entbindungsheims nimmt man dazu die Erhöhungen der Beamtengehälter und der sowie die völlige Reorganisation des Obdachwesens. Unterſtügungsrichtfäße, so wird man es verstehen, daß sich der Etat trotz aller sonstigen Sparsamkeit doch um fast 5 Millionen gegenüber dem Boranschlag auf der Ausgaben seite erhöht hat. Dieser Voranschlag sah aber eine Erhöhung der Ge werbesteuer, der Grundsteuer wie der Hundesteuer vor. Die Sozialdemokratie hat bereits bei Beginn der Beratungen erflärt, daß fie diese Erhöhungen nicht mitmachen würde, weil sie auf die breiten Massen abwälzbar seien und weil sie andere Möglichkeiten der Deckung sähe. Der Erfolg hat ihr recht ge
geben.
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Die Steuereingänge des verflossenen Jahres beweisen, daß der Voranschlag des Magistrats zu niedrig war, daß das laufende Jahr noch dazu im Zeichen einer sich langsam bessernden Wirtfchaftsfonjunttur höhere Steuerbeträge erwarten läßt. Wenn man das berücksichtigt und wenn man dazu die Ueberschüsse des ersten wertſtabilen Jahres 1924 auf diesen Haushalt verrechnet, so läßt sich das scheinbare Defizit von rund 22 Millionen, das sich aus dem Fortfall der geplanten Steuerhöhungen ergeben würde, zu einem großen Teile de den. Der Rest muß dadurch aufgebracht werden, daß Straßenbahn und Wasserwerte noch soviel von ihren Einnahmen abgeben, wie sie ohne eine Er. höhung ihrer Tarife gerade noch erübrigen fönnen. Es ist zu erwarten, daß auf dieser Basis sich eine große schiebung des Etats zusammenfinden wird. Man darf nur gespannt mehrheit der Stadtverordnetenversammlung für die Verab fein, wie fich die unentwegten" Flügelparteien des Parla. ments, die sich bisher in der strupellosen Betämpfung der Sozialbemo fratie ebenso einig waren wie in der Ab. lehnung des Etats, zu diesem Ergebnis stellen werden. Sie hatten allzu deutlich schon die Walze Steuererhöhungen" auf das und nun hat ihnen die Grammophon ihrer Agitation aufgelegt Der Etat böse Sozialdemokratie diesen Gefallen nicht getan! Und die auch ohne Seuererhöhungen. dringendsten Aufgaben fozialer und fultureller Konumunalpolitit tönnen auch erfüllt werden. Reine Gewerbesteuersteigerung aljo teine Belastung des Konfums durch die Schuld der Stadt. Keine Grundsteuererhöhung also feine weitere Mietfteigerung durch die Reine Erhöhung der Hundesteuer. Und das Schuld der Stadt. alles hat die Sozialdemokratie durch ihre ziel und ver. antwortungsbewußte Arbeit im Rathause in erster Linie zustande gebracht. Hilf, heilige Demagogie wo ist noch ein Grund für die Ablanung des Etats? Bo eine Bafie zum Kanipf gegen rote Mißwirtschaft" oder gegen Arbeiterverräter"?
balanciert
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Die Wahrheit marschiert. Und die Sozialdemokratie mit ihr.
als außerordentlich wertvoll erwiesen.
Bon Eltern wie insbesondere auch von Aerzten, Hebammen und Lehrern muß gefordert werden, daß sie ein scharfes Augenmer? auf die Rörperhaltung der Kinder richten und jede, selbst scheinbar nur unbedeutende Anomalie dem zuständigen Jugendamt welden. Je eher durch entsprechende Seilerziehung eingegriffen wird, um so eher tann das lebel be. hoben oder zum mindesten eine weitere Entwid lung gehemmt werden. Insofern tragen neben den Schulärzten insbesondere auch die Lehrer ein hohes Maß von Berantwortung für die förperfche Entwicklung dieser Kinder. Freilich muß neben dieser speziellen flinischen Behandlung förperlich behinderter Kinder eine besondere Erziehung und Kräftigung des allgemeinen Rörper zustandes einhergehen. Denn in sehr vielen Fällen ist das förperliche Leiden auf einen allgemeinen förperlichen Schwächezustand zurückzuführen. Auch durch Stär. fung des Willens fann das Kind viel zur Ueberwindung des Leidens beitragen. In dieser Hinsicht hat bekanntlich Dr. Würt im Ostar- Helene- Heim zu Dahlem Hervorragendes geleistet. Aerzte und Erzieher haben hier gemeinsam zu arbeiten. Die harmonische Ergänzung ihrer Leistungen tann Tausenden von Kindern zum Segen gereichen. Für den Staat bilden die gewiß nicht unerheblichen Ausgaben dieser Fürsorge eine gute Rapitalanlage. Sie rettet der Wirtschaft Produktivkräfte, die bisher unbenutt blieben. Sie macht Personen, die sonst der Gesellschaft zur Last Stadtrat Peters. gefallen wären, erwerbsfähig.
Nun erst recht!
Nationalsozialistische Provokationen.
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Die nationalsozialistischen Abgeordneten Dietrich und Ha a te veranstalteten gestern abend eine Wählerversammlung, in der auch Dr. Goebbels eine volle Stunde als Diskussionsredner sprach. Im Anschluß an die Versammlung veranstalteten die Versammlungsteilnehmer einen Umzug. Bon der Landsberger Straße zog ein Trupp von zirka 50 Mann zum Alexanderplag. Unterwegs pöbelten die meist jugendlichen Demonstranten das Publikum mehrfach an, ohne daß die Polizei einschritt. In der Königstraße fielen die Rowdys über den Kassierer des Reichsbanners Gau Beriins Brandenburg, Genoffen Martin Schneider, her und schlugen auf ihn ein Durch das Zwischentreten beherzter Bassanten wurde Ge noffe Schneider geschützt. Das herbeigerufene Ueberfallfomando fonnte die Rowdys, die längst das Weite gesucht hatten, nicht mehr ergreifen. Genosse Schneider hat glücklicherweise feine ernften Verlegungen erhalten. Unerträglich für die Bewohner des Straßen bezirfs am Alexanderplatz ist, daß das Ueberfallauto immer erst von der Polizeiinspektion Friedrichshain geholt werden muß, da am Alleganderplag fein Ueberfallauto stationiert ist. Bezeichnend ist auch, daß die Demonstranten wohl in 3ivil waren, aber ihre Abzeichen trugen, teilweise mit der Inschrift Nun erst recht". Sollte diese Parole ein Mahnung an die Republik sein, nun erst recht gegen völlische Rowdys vorzugehen? Nötig scheint die Mahnung nach den gestrigen Borgängen in der Tat zu sein.
Der Radau um Pfarrer Stude.
Die bei den Tumultszenen in der gestrigen Reichsbannerversammlung verhafteten Nationalsozialisten find heute vormittag vernommen worden Da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, bleiben die 30 Nationalsozialisten bis morgen in Haft. So. weit den einzelnen Straftaten nachgewiesen sind. werden sie morgen dem Schnellrichter zugeführt und abgeurteilt.
Der Polizeipräsident teilt zu diesen Borgängen folgendes mit: Die Kameradschaft Hansa" des Reichsbanners Schwarz Rota Gold hatte am gestrigen Donnerstag in der Menzel- Realschule, Schleswiger Ufer 13, eine öffentliche Bersammlung einberufen, zu der etwa 100 Mitglieder der aufgelösten Berliner Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Deutfchen Arbeiterpartei erschienen waren. Als Pfarrer Stude über das Thema„ Eine halbe Stunde unter Dr. Göbbels Nationalsozialisten" sprach, wurde er
durch lärmende Zwischenrufe aus den Reihen der Nationalsozia listischen Arbeiterpartei unterbrochen, deren Anhänger auch durch tätliche Angriffe auf die übrigen Versammlungsteilnehmer die Fortsegung der Veriammlung zu verhindern versuchten. Es wurden insgesamt 32 Nationalsozialisten, darunter eine Frau, wegen Bersuchs der Versammlungssprengung polizeilich fe ft genommen und in die Abteilung IA eingeliefert. Bei ihnen wurden zwei Dietriche, ein feststehendes Messer, ein Schlagring und ein Schraubenschlüssel beschlagnahmt. Die Festgenommenen, von denen ein Teil der Polizei bereits aus früheren Vorfällen ähnlicher Art betannt ist, werden nach ihrer Vernehmung dem Richter vorgeführt werden.
Das Kaffeler Unglück.
Die Untersuchung.
Kaffel, 20. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die Untersuchung des schweren Straßenbahnunglücks erstreckt sich jetzt vor allem auf die Frage, ob es einem Knaben möglich war, die Sperrtlinke der mit aller Kraft angezogenen Bremse zu lösen. Interessant ist ferner bie Tatsache, daß es bisher noch nicht gelungen ist, den angeblichen Berursacher dieser Katastrophe zu finden. Der Zustand der Berletzten gibt heute zu Besorgnissen feinen Anlaß mehr. Im übrigen wird berichtet, daß dem Fahrpersonal an den Haltestellen nur vier Minuten 3eit gestattet sind, in denen sie ihre persön. lichen Bedürfnisse erledigen, aber auch rangieren sollen. Es ist durchaus möglich, daß diese furze Zeitspanne die beiden in Frage tommenden Beamten veranlaßt hat, auf die Bestimmung, daß die Bagen an den Haltestellen nicht ohne Aufsicht geloffen werden dürfen, nicht beachtet haben. Auch diese Frage wird in den Kreis der Untersuchung einbezogen werden.