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Abendausgabe

Nr. 23944. Jahrgang Ausgabe B Nr. 118

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292- 292 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

palan sisdade( 10 Pfennig

Sonnabend

21. Mai 1927

Vorwärts=

Berliner Volksblatt

Berlag und Anzeigenabteilungs Geschäftszeit 8% bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag Gmb. Berlin S. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher:

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Verhandlungen bei der AEG.

Zunahme der Streifbewegung.

Die B. S.- Korrespondenz berichtet:

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Die AEG. fündigt Aussperrungen an.

Der Streif der Werkzeugmacher bei der AEG. hat, wie wir von der Fabritoberleitung des Werkes erfahren, bisher an Umfang nicht zugenommen. Gegenüber der Meldung, daß bei der AEG. eine Stillegung der Betriebe drohe und etwa 50 000 Arbeiter vor der Aussperrung ftänden, wird uns mitgeteilt, daß lediglich in den von den Werkzeugmachern bestreiften Betrieben in der Kolonie straße, in Treptow und in der Rheinstraße in Friedenau durch An­Schlag bekanntgegeben worden ist,

daß diese Fabriken geschloffen würden,

wenn nicht bis zum Montag die Arbeit wieder aufgenommen würde. Diese Maßnahme wird damit begründet, daß die Aufrechterhaltung der Betriebe infolge des Streits der etwa 160 Werkzeugmacher auf die Dauer nicht durchzuführen sei. Am heutigen Tage wird es sich entscheiden, ob die Differenzen etwa auf dem Berhandlungs wege beigelegt werden fönnen."

Das ist ein sehr merkwürdiges Dementi. Also es droht teine Stillegung der Betriebe. Lediglich" die Werke, wo die Werkzeug­macher streiten, werden still gelegt. Da aber der Streit der Werkzeugmacher immer größere Kreise zieht und droht, sich auf die gesamten Berte auszudehnen, so folgt daraus, daß dann auch gesamten Werte auszudehnen, so folgt daraus, daß dann auch jämtliche Betriebe stillgelegt und 50 000 Arbeiter und Arbeite­rinnen ausgesperrt

werden. Die Direktion bestätigt also unsere Mitteilung, ob­wohl sie sich den Anschein geben möchte, als bestreite sie deren Richtigkeit.

Sehr bezeichnend ist das Schweigen der Direktion zu den von uns angeführten Tatsachen. Kein Wort weiß sie zu sagen zu dem Lohnabbau, der z. B. die Stundenverdienste der Facharbeiter während der letzten zwei Jahre um 25 Pf. fürzte, während gleich­zeitig die Produttivität außerordentlich gesteigert wurde und die Lebenshaltungskosten sich wesentlich verteuerten. Rein Bort, daß die Direktion selbst die Streitbewegung verschuldet hat, weil sie nach dieser systematischen, brutalen Berelendungspolitik sich weigerte, mit dem Deutschen Metallarbeiterverband auch nur zu

verhandeln.

Erst als die Werkzeugmacher in den Streit traten, bequemte sich die Direktion zu lächerlichen Zugeständnissen von 3 Pf. die Stunde, wovon aber die Maschinenschlosser und die anderen Grup­pen ausgeschlossen bleiben sollten.

Der amerikanische Ozeanflug. Lindbergh über dem Atlantik .

Paris , 21. Mai. ( WTB.) Hauptmann Lindbergh, der gestern früh um 7.52 Uhr( amerikanische Sommerzeit) vom Flugplatz Curtiß­field bei New Yort gestartet ist wird heute abend gegen 8 oder 9 Uhr in Le Bourget erwartet. Gestern wurden in Anwesenheit des Attachés für das Flugwefen bei der amerikani­ schen Botschaft Borkehrungen getroffen für die Beleuchtung des Flug­plakes, die die ganze Nacht durchgeführt werden foll. Aehnliche Borkehrungen find auch auf den übrigen großen Flugplätzen Frant­reichs angeordnet worden. Der Veranstalter des von Byrd ge­planten Ozeanfluges, Wanamaker, hat die amerikanischen Bot­schafter in London und Paris gebeten, die französische Regierung zu

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erfuchen, alle Vorkehrungen zu treffen, um den Flug Byrds zu er­leichtern. Besonders sollen dauernd meteorologische Beobachtungen mitgeteilt werden und die französischen Funkstationen mit dem Flug­zeug in Verbindung bleiben.

St. Johns( Reufundland), 20. Mai. ( WTB.) Hauptmann Lindbergh überflog St. Johns um 8.45 Uhr örtlicher Zeit. Das Flugzeug ilog fehr tief und sehr rasch in Richtung irische Küste. Der Motor schien gut zu arbeiten.

St. Johns( Reufundland), 21. mai.( WTB.) Wie die Marinebehörden mitteilen, wehte gestern abend ein starker Wind, der geeignet ist, Lindberghs Flug beträchtlich zu be­günstigen. Man erwartet, daß Lindberg heute mittag die irische Küfte erreichen wird.

Washington, 21. Mai. ( TU.) Wie der Amtliche amerika­ nische Funtspruch meldet, wird von den auf hoher See befindlichen Schiffen, die das Lindbergh- Flugzeug sichteten, gefunkt, daß das Flugzeug in gutem Flug bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 100 Meilen beobachtet wurde.

New Yort, 21. Mai. ( WIB.) Der Start des Bellanca­Flugzeugs Columbia zum Transozeanflug ist durch schlechtes Wetter verzögert. Der Führer des Flugzeugs, Chamberlain, erklärte, daß er, falls das Wetter günstig ist, am Sonntag in aller Frühe abzu­fliegen plant.

Also die im Gelde schwimmende AEG. will von den 25 Pf., die sie den Arbeitern an ihren Stundenlöhnen abgeknapft hat, gnädigst

einem kleinen Bruchteil der Arbeiter ganze drei Pfennige zurückerstatten- natürlich nicht für die zurückliegende Zeit. Wenn die Direktion der AEG. schließlich mitteilt, daß heute Berhandlungen zur Beilegung des Konflikts stattfinden, so leitet die Direktion diese Verhandlungen mit folgender Mitteilung des literarischen Bureaus" der AEG. ein, die uns um die Mittagsstunde zuging:

wir von informierter Seite, daß nicht damit zu rechnen ist, daß ,, Ueber den Stand der Arbeiterbewegung in der AEG. hören die Werkzeugmacher der Aufforderung der Direktion nachkommen und die Arbeit am Montag wieder aufnehmen werden. Infolge dessen wird in den drei Fabrikabteilungen für Apparate- und Instrumentenbau

die angekündigte Schließung erfolgen müssen, da mit Rücksicht auf die Eigenart dieser Teilbetriebe eine Fortführung der Arbeit für die übrigen Arbeitnehmer auf die Dauer nicht angängig ist. Die Zahl der hiervon betroffenen Ar­beiter wird sich auf 2500 belaufen. Wir hören ferner, daß am Montag nachmittag Verhandlungen in dieser Sache ſtatt: finden sollen zwischen dem Berband Berliner Metallindustrieller und

dem Deutschen Metallarbeiterverband ."

Also während die Unterhändler des Deutschen Metallarbeiter: verbandes mit den Vertretern der AEG. verhandeln, läßt die Direks tion mitteilen, daß die Betriebe geschlossen und 2500 Ar­beiter zunächst ausgesperrt werden. Die Zahl der Streifenden und Ausgesperrten würde sich damit zunächst auf etwa 4000 erhöhen. Für den Geist in der Direktion der AEG. ist die Mitteilung des literarischen Bureaus" bezeichnend.

Ausdehnung der Streitbewegung.

Wie wir furz vor Redaktionsschluß erfahren, haben heute mittag 12 Uhr auch die Werkzeugmacher der Werke in der Brunnenstraße und in der Aderstraße die Arbeit niedergelegt. Die Verhandlungen, die heute vormittag 11 Uhr begonnen haben, sind bei Redaktionsschluß noch nicht beendet. Obwohl die Aussperrung in den erstgenannten Werken durchgeführt wird, scheinen die Verhandlungen keinen ungünstigen Verlauf zu

nehmen.

Englisches Kabinett für Bruch mit Moskau ? Der Abbruch der Beziehungen soll die Haussuchung bei Arcos" rechtfertigen.

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London , 21. mai.( TU.) Während es gestern noch den Anschein hatte, daß die Möglichkeit eines vollständigen Bruches mit Rußland nur von einem verhältnismäßig kleinen Teil der poli­tischen Kreise Englands erwogen werde, find die heutigen Morgenblätter fa ft durchweg auf den Ton gestimmt, daß so­wohl im kabinett wie innerhalb der konservativen Partei die Auf­faffung immer mehr an Boden gewinne, daß ein Brudh mit Moskau 3 wed mäßig erscheine. Die verschiedenen diploma­fifchen und militärischen Instanzen beraten fortgesetzt über die mit einem Abbruch der Beziehungen zusammenhängenden Fragen. Das Reichsverteidigungskomitee hat gestern im Zimmer des Ministerpräsidenten im Unterhaus fonferiert. Bereits am Montag wird eine Sonderjihung des kabinetts zu dem ganzen Fragenfomplex Stellung nehmen. Es verlautet, daß das auswärtige Umt im Befih von Unterlagen jei, wonach die Sowjet delegation in Condon eine vollständige bolfchemistische Organisation unterhalte.

Die Umfturzorganisation der Sowjets. London , 21. Mai. ( W. T. B.) Heute verfündet auch Daily Mail" in Fettdruck, daß ein vollständiger Bruch der Be ziehungen zwischen Großbritannien und der Moskauer Regierung jetzt vom Kabinett für unvermeidlich angesehen werde. Es verlaute, das Foreign Office sei im Besiz unwiderlegbarer Beweise, daß in Großbritannien eine Organisation mit der Sow. jetvertretung als Spike bestehe, deren Ziel der Um Sturz der britischen Verfassung sei. In ministeriellen Kreisen werde betont, daß die öffentliche Enthüllung dieser Verschwörung in allen ihren Einzelheiten politisch nur von größtem Vorteil für die Regierung sein fönne.

Angst vor der Sowjetpropaganda. Es muß unbedingt verhaftet werden. Paris , 21. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Die Regierung Boin­caré läßt sich durch die höfliche Ablehnung, die ihre Absicht, die vier kommunistischen Abgeordneten wegen angeblicher antifranzö­fischer Propaganda zu verfolgen, beim Parlament gefunden hat, nicht abschrecken. Justizminister Barthou verlangt nach wie vor, vor der parlamentarischen Immunitätsfommission gehört zu werden. Auch Briand hat, dem Matin" zufolge, im Ministerrat am Freitag mitgeteilt, daß bei seinen Besprechungen mit Chamber­lain in London das Vorhandensein eines großen russischen Propagandasystems auf dem europäischen Festlande fest­gestellt worden sei.

Donhoff

292-297

Der Londoner Präsidentenbesuch

Truppenverminderung.

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Rheinlandräumung.

Wie vor der Abreise des Präsidenten der französischen Republik ist man auch nach seiner Rüdkehr von London in Frankreich und England eifrig um die Feststellung bemüht, daß sein und Herrn Briands Besuch an der Themse nichts an den Beziehungen zwischen den beiden Ländern und an ihrer Politik ganz all gemein geändert habe. Im großen und ganzen sind diese Versicherungen zweifellos glaubwürdig. Der Sinn der Fahrt war im wesentlichsten der, daß die Entente zwischen Parisund London , deren Glanz im Laufe der Jahre einige Trübungen erfahren hatte, wieder auf= gefrischt wurde. Seit dem Abschluß des Weltkrieges zeln in Meinungsverschiedenheiten über die Behandlung hatte es allerlei Differenzen gegeben. Sie hatten ihre Wur Deutschlands , in dem Verhältnis der beiden Kabinette zu Italien und in anderen Dingen. Sie sprengten das Einver­nehmen nicht, aber sie lockerten hier und da seine Schrauben und Nieten, und der Welt sollte nun gezeigt werden, daß alles wieder in Ordnung sei unter gleichzeitiger Betonung des absolut friedlichen Charakters der Freundschaft, die sich an den Prinzipien von Locarno und Genf orientiere. In diesem Sinne hat jezt auch der französische Außenminister die Pariser Presse informiert. Die Unterhaltung zwischen ihm und Chamberlain habe volle Einmütigkeit über alle Fragen ergeben, die Entente sei gestärkt aus der Aussprache hervorgegangen, ihr einziges Ziel sei die Sicherung und Befestigung des Frieden.

Das ist zwar das bei solchen Gelegenheiten übliche Klischee, aber diesmal wird es um so mehr zutreffen, als ja schließlich Briand und Chamberlain oft genug die Möglich­feit befizen, ihre Meinungen persönlich auszutauschen und daher ihre Londoner Konferenz nicht mit viel neuen Pro­blemen belastet war. Nur wäre es interessant zu erfahren, ob die volle Einmütigkeit schließlich auch zu gemeinsamen Beschlüssen geführt hat, und was namentlich, um von den anderen Fragen zu schweigen, Deutschland von ihr er­warten fann.

Es fehlt bei uns bekanntlich nicht an Leuten, die von der erneuerten britisch- französischen Freundschaft unan­genehme Rüdwirtungen für Deutschland erwarten. Wir halten solche Befürchtungen für grundlos. Aus der geringeren Intimität der letzten Jahre sind uns keine besonderen Vorteile erwachsen. Eng­land hat die Annäherung zwischen Frankreich und uns immer gern gesehen, aber es hat nie einen Druck auf das Pariser Kabinett ausgeübt, um es wider seinen Wunsch und willen zu Zugeständnissen zu veranlassen, die das Tempo der Verständigung hätten beschleunigen fönnen. So wird es nach aller Wahrscheinlichkeit auch heute bleiben, und was die im Vordergrund stehenden Fragen der Verminderung der Besagungstruppen und der Räumung des Rheinlandes betrifft, so mag zwar Chamberlain seinem Kollegen möglich­ftes Entgegenkommen angeraten haben, aber im einzelnen wird doch Frankreich das entscheidende Wort behalten.

letzten diplomatischen Schritte des Auswärtigen Amtes er­ Der Bescheid , den Briand in der nächsten Zeit auf die teilen wird, erfolgt diesmal freilich in vollem und ausdrüd­lichen Einvernehmen mit England, doch wir glauben nicht, daß er anders ausgefallen wäre, wenn die beiden Minister sich in diesen Tagen nicht ausgesprochen hätten. Man wird die Entscheidung über die Truppenzahl, die übrigens, was man nicht ganz vergessen soll, seit Locarno doch nicht ganz unbeträchtlich reduziert sind, auf die Zeit nach der Erledigung der geforderten Zerstörungen an den Ostfestungen vertagen. Wenn hier alles in Ordnung befunden ist, und wenn die beiden Regierungen ihren Etikettenstreit über die Art der Kontrolle der ausgeführten Arbeiten ausgetragen haben, dann werden innerhalb der allgemeinen mit der französischen Heeresreform zusammenhängenden Um= gruppierung eine Reihe von Einheiten es wird im ganzen von etwa 10 000 Mann gesprochen zurückgezogen werden. Dabei wird man es sich angelegen sein lassen, jeden Anschein zu vermeiden, als folge man einem Druck der deutschen Regierung oder gar ihrer deutschnationalen Mitglieder.

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Und die vollständige Räumung? An sie ist in absehbarer Zeit nicht zu denken. Die zutreffende deutsche Rechtsauffassung, die sich auf den Art. 431 des Versailler Vertrages stüßt, wird vorläufig fich nicht durchsetzen. Die von der französischen Rechten mitbestimmte auswärtige Bolitik Frankreichs will einer deutschen Rechtsregierung die Räumung nicht bewilligen. Sie fürchtet durchaus zu un­recht von der Rheinräumung eine Stärfung des deutschen Nationalismus. Sie glaubt fälschlicherweise, daß ein Ent­gegenkommen an die Wünsche des ganzen deutschen Volkes den Rechtsparteien in Deutschland zugute kommen würde, während gerade umgekehrt ein Sieg der Verständigungspolitik dem Geifte der Verständigung in Deutschland zum vollen Sieg verhelfen würde. So wird die Politik der Freunde des Grafen Westarps, die Politik der starken Hand, nicht die Gelegenheit erhalten, einen Sieg zu feiern. Wobei die Frage offen bleiben kann, ob die Deutschnationalen selbst noch an ihre starke Hand glauben. Ihre Presse redet zwar von einer neuen breiten nationalen Basis, und sie verlangt neue außen­politische Ziele. Aber das sind Phrasen, bei denen sich selbst der Berliner Lokal- Anzeiger" nichts denkt.