Nr. 248+44. Jahrgang
Beilage des Vorwärts
Das Städtchen Friesad in Westhavelland feiert in diesen Tagen| duldet, ehe die schwarzweißroten aufgebraucht sind. Schwarzroigold ein Sechshundertjahrjubiläum. Die älteste der Geschichtsforschung be- sieht man an den öffentlichen Gebäuden der Stadt und außerdem Pannte Urkunde, in der Friesad als Stadt erwähnt wird, ist aus nur noch an einigen Privathäusern, deren Bewohner ihre republitanische Gesinnung zu befunden sich nicht fürchten. Die Billa des dem Jahre 1327. Noch etwas früher, in einer Urkunde von 1318, Bürgermeisters ist ohne Festschmud geblieben, was immerhin auf wird die Burg Friesad erwähnt, neben der die Stadt sich entwickelte. fallen muß, da es sich ja um ein Jubiläum der von ihm geleiteten Wenn man hiernach 1327 als das Gründungsjahr der Stadt handelt. Zu dem Stadt annehmen will, hat die Stadt Friesac jetzt ein Alter von fechshundert Jahren erreicht.
Die Sechshundertjahrseier,
die aus diesem Anlaß in Friesac veranstaltet wird, ist ein Ereignis für das stille Landstädtchen. Vom 21. Mai bis zum 29. Mai folgen die Festlichkeiten einander, die Rennveranstaltungen der Reiter vereine von Westhavelland , das Schüßenfeft von Friesad, ein Festatt vor dem Rathaus, ein historischer Festzug, ein Schulkinderfest, Turn- und Sportfeste. Der fleine Drt hat in diesen Tagen eine ungewöhnlich große Zahl Gäste aufnehmen müssen, ehemalige Friefader, die ihre Baterstadt zum Stadtjubiläum besuchen wollen, aber auch viele Fremde, die daran teilnehmen. Die sauberen Straßen sind geschmüdt mit Girlanden, und auf den Häusern flattern Fahnen in brandenburgischem Rotweiß, in preußischem Schwarzweiß, in faiserlich- deutschem Schwarzweißrot und in republikanisch deutschem Schwarzrotgold. Daß die schwarzweißroten Fahnen am zahlreichsten sind und das Straßenbild be= herrschen, ist sicherlich nicht nur aus einer Sparsamkeit zu erflären, die noch feine schwarzrotgoldenen Fahnen anzuschaffen
Reichsbannertag in Eberswalde . Stahlhelm provoziert- Polizei gegen Reichsbanner. Am Mittwoch und Donnerstag fand in Eberswalde ein Republitanertag statt, zu dem die Berliner und Stettiner Rame= raden teils mit dem Auto, teils mit der Bahn eintrafen. Die Stadt selbst hatte nur an einigen Stellen schwarzrotgold geflaggt. Am Donnerstag trafen faste alle Berliner Kreisvereine mit ihren Tambourtorps ein. Schon in den früheren Morgenstunden beherrschte das Reichsbanner das ganze Leben der Stadt. Mittags um 2 Uhr begann der offizielle Aufmarsch, an dem 5000 Rame= raden teilnahmen. Der Aufmarsch dauerte eine Stunde. Auf dem Alfenplatz fand der offizielle Festakt statt. Die Berliner und pommerschen Kameraden wurden durch den Kreisleiter Kameraden Kähne begrüßt. Polizeioberst Lange hielt die Festrede. Er wandte fich in scharfen Worten gegen die Eidesauffassung der deutschnationalen minister. Graf West arp und seine Jünger gehen heute hinaus ins Land und machen ihren Mitgliedern das Bekenntnis zur Republik auf ihre Weise schmackhaft. Die Deutsch nationalen haben als Oppositionspartei den Boden geschaffen, durch den die Morde an Erzberger und Rathenau erst möglich wurden. Zum Schluß verlangte der Redner vom Reichsbanner, daß es sich mit aller Araft für seinen Bundesvorsigenden Hör fing einsetzen solle. Der Vertreter des Zentrums wandte sich gleich falls in scharfen Worten gegen die Maßnahmen der jezigen Regie rung. Nach Schluß der offiziellen Veranstaltung tam es durch das provolatorische Auftreten einer Gruppe des Stahlhelms zu Schläge reien zwischen Jungdeutschen und Reichsbannerleuten. Das Verhalten der Polizei gegen das Reichsbanner war recht eigenartig. Die Polizei fchlug wahllos auf die Reichsbannerkameraden mit dem Gummifnüppel ein. Es wird einer späteren Untersuchung überlassen bleiben, festzustellen, wer die schuldigen Schußpolizeibeamten sind.
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Dampferzufammenstoß bei Spandau . Am Mittwoch nachmittag gegen 9,20 Uhr wurde in der Nähe Eiswerderbrücke und Gasanstalt Spandau der Schleppdampfer Gerhard" von dem Perfonendampfer, hansa" geram mt. Der Schleppdampfer konnte noch das Ufer erreichen, wo er verfadte. Bei dem Anrall fiel der Maschinist des Schleppdampfers ins Wasser, konnte aber sofort
Des Dichters Frühling.
Bon Emil Rath.
Auch wenn es nicht die Schwalben wären, die vor seinem Fenster unter dem Dach ein- und ausfliegen, der Dichter hätte doch gemerkt, daß Frühling war. Bis in die letzten Wochen hinein noch hatte ihn seine Frau sanft ermahnt:
„ Schatz, fchreib wieder ein lyrisches Gedicht! Die Kohlen im Keller find alle!" Oder: Mann, du mußt unbedingt beim „ Satirischen Mohren" anfragen, ob er deine Groteste angenommen hat oder nicht. Unsere Kartoffeln gehen zur Neige."
Jetzt begann es schüchtern:„ Du, wir hatten heute schon 15 Grab Wärme in der Sonne. Draußen ist alles in lichtes Grün gekleidet. Wie wär es denn mit so einem kleinen Zwölfzeiler? Ich muß mir dieses Jahr unbedingt einen anderen Hut faufen."
Und der Dichter setzt sich hin und besingt die Zärtlichkeit der Schwalbe unter dem Dache, und seine Frau trägt bald den erbetenen neuen Hut. Oder aber: fie arbeitet ein wenig verdrossen den Hut Dom vorigen Jahre um, weil diese oder jene Redaktion von Schwalben nicht wissen wollte, sondern sich auf die Wiederkehr der Störche eingestellt hatte.
So schreibt der Dichter langsam, mit unendlicher 3ähigkeit, mit vier Tinte und Rüdporio den Frühlingsbedarf seiner Familie zufammen. Denn er muß arbeiten. Unerbitterlich. Das, was fich abends im Größenwahnsinn" zusammenfindet, ist nicht Spiegel des wahrhaft Tätigen. Das da find die offensichtlich Geschäftigen, benen Nimbus und Schlaraffia Bedürfnis ist.
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Er aber legt um die Dämmerstunde, wenn die Augen zu schmerzen beginnen, Feder und Papier beiseite, behnt ben zusammengeschrumpften Rüden blidt hinaus in das finfende Blau. Für die Lampe ist es zu früh. Ein fleiner Spaziergang nur
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Da steht er vor der Haustür. Kühle Mailuft läßt die Nasen flügel befeligt erzittern, mit Verachtung stößt die Lunge die legte Stubenluft aus, faugt sich voll bis in die feinsten Verästelungen Er Wie ein Rausch tommt es über den Dichter. mit Mailuft. wandert ziellos durch die flüsternden Gtraßen, in denen Bogen. lampen und Laternen aufflammen. Er sieht vor sich helle Kleider wehen, Mädchenbeine laufen scheinbar nadt durch die Dämmerung. Mädchenladen flingt aus geheimnisvollen Partanlagen, hinter denen verschlafen ein Wasser rount und rauscht. Eine Drossel flötet
im Traum.
Und die so vor ihm gehen, unbefümmert, eng aneinandergelehnt, als wollten sie zusammenwachsen in ein Großes, Untrenn bares, Niezuerschütterndes. Durch alle Adern rinnt ihm Berstehen. Einst
Er durchkostet alle Wollust entschwundener Frühlingsnächte som ersten scheuen Ruß bis zur unlöschbaren Flamme der Leidenschaft. Was dehnt die Brust in diesem fieghaften Gefühl? Fehlt die baldende Enge ber Stube? Siegt ber Ranch in ber föflichen
Festakt vor dem Rathaus,
der am Mittwoch stattfand, hatte Bürgermeister Brasse die Festrede beizusteuern. Er vermied es, die politischen Ereignisse der neuesten Zeit zu berühren, und er sagte fein Wort vom Sturz der Monarchie. Aber der vor fünfhundert Jahren ausgefochtene Streit, bei dem im Jahre 1414 Dietrich von Quigom auf Burg Friesac dem nach der Mart Brandenburg fommenden Hohenzollern Friedrich I. unterlag, fonnte nicht mit Stillschweigen übergangen werden. Bürgermeister Braffe glaubte hervorheben zu sollen, daß jener Kampf zum Segen nicht nur der engeren Heimat, sondern des ganzen deutschen Vaterlandes entschieden worden sei. Diese halbversteckte Huldigung für den ersten brandenburgischen Hohenzollern mußte sonderbar wirken, nachdem die fünfhundertjährige brandenburgisch preußisch- deutsche Hohenzollerherrlichkeit im Zusammenbruch geendet hat und Wilhelm der Legte ins Ausland defer= tiert ist.,
Das Programm dieses Sechshundertjahrjubiläums der Stadt Friesad zeigt auch noch an mancher anderen Stelle eine merklich schwarzweißrote Färbung.
durch Angehörige des Personendampfers gerettet werden. lleber die Ursache des Zusammenstoßes sind die näheren Ermittlungen im Gange.
Der Brillantenangler am Warenhausschaufenster.
Mit ungewöhnlicher Dreiftigkeit ging am Freitag früh ein Schaufenstereinbrecher beim Warenhaus Wertheim in der Leipziger Straße vor. Die Schaufenster des Hauses werden abends durch eine Rolljalousie gesichert und die Nacht hindurch auch noch besonders bewacht. Heute früh um 4% Uhr war der Wächter an der Seite des Leipziger Plages und stach dort eine Kontrolluhr. Inzwischen fletterte ein Mann in der Leipziger Straße vor dem Fenster, hinter dem Jumelen ausgelegt sind, an der Jalousie empor, stieß oben das Schaufenster ein und angelte mit einem Stod, an deffen einem Ende er eine geeignete Klammer angebracht hatte, nach Brillantringen. Wie sich später ergab, hatte er zunächst das Bech, daß ihm schöne große Ringe von der Angel wieder abrutschten und sich in der Auslage verstreuten. Er arbeitete aber unverbroffen weiter und hörte erst auf, als er den Wächter vom Leipziger Blak herankommen fah. Jezt ergriff er die Flucht nach der Wilhelmstraße zu. Da begegnete ihm aber bald ein Oberwachtmeister. Rasch wandte er sich um, schlug die entgegengesetzte Richtung ein und rannte über den Leipziger und Potsdamer Blazz nach der Köthener Straße. die ihn verfolgten, sahen noch, wie er etwas in eine der Röhren, Der Schupobeamte und der Wächter, die die Telegraphenverwaltung dort liegen hat, hineinsteckte und dann erheblich langfamer weiterging. Ais fie ihn fakten, erklärte er mit der harmlosesten Miene, sie hätten einen Mißgriff gemacht,
er wisse nichts von einem Einbruch. Aus der Röhre aber wurden bald die Angelrute und Brillantringe im Werte von 1500 m. hervorgezogen. Der Ertappte wurde festgestellt als ein gewisser Hermann Kunze, ein Spezialist auf dem Gebiete des Geschäfts- und besonders des Schaufenstereinbruches. Er trieb sich wohnungslos in Berlin umher und wurde der Kriminalpolizei übergeben. Diese stellte fest, daß er erst vor furzer Zeit das Zuchthaus verlassen hatte.
Freitag, 27. Mai 1927
vermieden werden, die Berzögerungen zur Folge haben tönnen. Est empfiehlt sich, die Pakete gut zu verpaden, die Aufschrift haltbar anzubringen und den Bestimmungsort unter näherer Bezeichnung der Lage besonders deutlich niederzuschreiben. Ferner darf nicht unterlassen merden, auf dem Paket die vollständige Anschrift des Absenders, auch Hausnummer, Gebäudeteil und Stockwert, anzugeben sowie in das Palet obenauf ein Doppel der Aufschrift zu legen. Die Berufungsverhandlung gegen v. Kähne jun., die, wie wir mitteilten, am Sonnabendmorgen in Potsdam stattfinden sollte, iſt
vertagt worden.
Schwere Auto- und Flugzeugunfälle.
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64 Unfälle beim Badberg- Biered- Rennen.
Chemnik, 27. Mai. ( TU) Bei dem sogenannten Badberg: Biered Rennen, das am Himmelsfahrtstage zum erstenmal stattfand, ereigneten fich 64 Unglücksfälle, bei denen es sich allerdings zum größten Teil um leichte Stürze von Fahrern und weniger schwere Unfälle des Publikums handelt. Bei dem Rennen der 1000- ccm- Motorräder murde ein neunjähriger Knabe, der über die abgesperrte Straße lief, von einem Motorrad erfaßt und getötet. Der Fahrer wurde vom Rade geschleudert und er= litt ebenfalls ernste Verlegungen.
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Köln , 27. Mai. TU.) Von dem aus sechs Doppelbedern bestehenden Luftgeschwader des in Köln gastierenden 3irfus Stoch Sarrafani stürzte am Donnerstag mittag ein Flugzeug nach Ausführung von Schauflügen infolge plößlichen Verfagens des Motors aus einer Höhe von 220 Metern in eine Baumgruppe ab. Der Apparat murde zertrümmert. Der Pi [ ot tam mit einer Berlegung des Nasenbeins davon. Der aufregende Borfall ereignete sich in unmittelbarer Nähe der Sarrajani- Schau, in der Tausende von Menschen versammelt maren. Paris , 27. Mai. ( TU.) Ueber Le Bourget stießen zwei Militärflugzeuge zusammen. Der Führer des einen Apparates wurde getötet, während der andere fich mit Hilfe feines Fallschirmes retten konnte.
Schwere Explosion auf Wintershall.
Heeringen a. d. Werra , 27. Mai. ( TU.) Donnerstag nachmittag explodierte auf dem Kalimert Wintershall die Schweißaniage. Zwei Schweißer wurden sofort getötet, mehrere Schmiede schwer, teils leichter verlegt. Die Anlage und sämtliche Nebenräume wurden zertrümmert. Schutt und Steine wurden bis auf den Bahnförper geschleudert.
De Pinedo auf einem italienischen Dampfer.
Rom , 27. Mai.„ Agenzia Stefani" meldet aus Horta , daß nach
mehreren Stunden banger Erwartung wegen des Fehlens jeder ges nauen Nachricht über das Flugzeug ,, Santa Maria" heute um 16,40 Uhr endlich gemeldet wurde, daß der italienije Dampfer Superga" fich dem portugiesischen Schoner, der das Flugzeug im Schlepptau hatte, nähern fonnte und de Pinedo bei 40,07 nörd licher Breite und 30,03 westlicher Länge an Bord nahm. Sturmkatastrophe in Amerika .
New York , 27. Mai. ( TU.) Sm Staate Birginia hat eine plöglich niedergehende Windhose die Städte Norfolk und Porth muth sehr start mitgenommen. Viele Häuser und größere Streden bebauten Geländes wurden zerstört. Sechs Tote und etwa 30 Berlegte werden gemeldet.
„ Der Kinderfreund" liegen der heutigen Bostauflage bei „ Volk und Zeit", unsere illustrierte Wochenschrift, und
Geschäftliche Mitteilungen.
Wer sich über den Wandel der Mode unterrichten und zugleich einen guten Rat darüber hören will, wie weit es für seine besonderen Bedürfnisse zweckmäßig ist. fich den anzupassen oder tonfervativ, dem Alten treuzubleiben, der gehe zu Bernward Seineweber in das große Ronfektionshaus der Herrenmode, Berlin C., am Köllnischen Fischmarkt 4-6, das in feinen fich durch fünf Stodwerfer fredenden Lagern alles bie: et, was den neuen Forderungen entspricht, und trotzdem autch allen denen gerecht wird, die wohl gut und zeitgemäß, aber nicht unbedingt nach den allerlegten Schrei der Mode getleidet fein wollen. Wer noch nicht fe Sommertleidung vorgeforgt hat, der wird sich gerade bei Leinemeber in fürzeffer irtschaftlichen Lage am besten angepaßt find.
Pfingstpatetnerfehr. Die Deutsche Reichspost Sittet, mit der Versendung der Pfingstpakete möglichst frühzeitig zu be ginnen, damit Anhäufungen in den legten Tagen vor dem Fest Fit mit den Kleidungsstüden versehen können, die feinem Bedarf und ſe per
Maifrische? Der Dichter erwacht- ein abgestreiftes Wesen liegt hinter ihm: der Stlave des Lebens, der sich müht und plagt wie die anderen alle, die im Glutschein der Hochöfen stehen, deren Ohr taub wird vom Gefreisch der Maschinen, deren Rücken sich frümmt über emig toten Zahlenreihen er, Proletarier des Geistes. Ein ab: geriffenes Dichterwort huscht ihm durch den Sinn:. Schädel und mit Hirn hungernd pflügt..."
Hungernd pflügt? Hunger gewiß, oft war es mehr als farg, aber man fonnte leben. Man schuf Werte für den Tag. Der andere Hunger bliebt ungeftillt. Der Hunger nach dem Großen, den Er: lebnis: der Hunger nach Freiheit. Klares Wasser löscht den Durst. Aber einmal sehnt sich die Seele nach weinhaftem Rausch, der hinwegträgt über Kieselsteine und Strohhalme alltäglichen Lebens, der vergessen macht, daß man Eflave ist.
In immer heißere Sehnsucht denkt sich der Dichter hinein. Er fommt an eine hellerleuchtete Auslage mit vielen, vielen Schuhen in allen Größen und Farben. Da fällt es ihm ein: er muß noch das vor acht Tagen begonnene Gedicht über Dingsda beenden. Frau braucht ebenso ein Paar Schuhe wie jene dort, klein, zierlich, sauber gearbeitet.
Seine
Bald sizt er wieder daheim vor dem grünen Lampenschirm. Gewaltsam zwingt er seinen Blick auf das meiße Papier, daß er nicht abirrt zum Firmament, von dem die Myriaden Sterne aus blauem Sammet herabflimmern.
Boshaftes Lächeln der Natur über sich selbstDichter, wo bleibt dein Frühling?"
Männerftolz vor Königsthronen.
Eine Kulturtat der Berliner Funtstunde. Welches Gedränge von bedeutenden Bersönlichkeiten auf knapp einhundertundfünfzig Seiten. Die erlauchtesten Federn sind gewegt worden, und daneben findet ein begnadeter Wortbildner sogar medizinische Novitäten wie Funt herz und Funktopf. Die Berliner Funkstunde hat die besten Namen der Journalistik zusammen mit zweitrangigen erworben, um ihren Künstlern einen würdigen Leichenstein zu errichten. Und ein Kritiker untersucht messerscharf die Unterschiede zwischen Schauspieler und Sprechspieler, entbedt fie fogar, aber feiner der anderen Verfasser scheint sich darum zu fümmern, denn der Rundfunk wird nur in einem feuschen Nebensaß gestreift, sonst aber wird in denunt. föpfen" mit entschiedener Unentwegtheit vom Theater geschrieben. Man hat vergessen festzustellen, wie sich die Schauspieler vor dem Mikrophon benehmen. Ganz fleine Leute werden erwähnt, während man Steinrüd heimtüdisch vergessen hat. Wo bleibt da die sonst fo geschäßte Sachlichkeit? Es sieht so aus, als ob die Verfasser oft im Rundfunk gesprochen, doch im Drange der Geschäfte das Rundfunfhören vergessen haben.
Doch das ist nicht schlimm. Die Funkstunde wollte sich ihren Sprechern und Schauspielern gegenüber dankbar erweisen und den Beweis liefern, daß fic, Gott sei Dant, in der finanziellen Lage ist, jeden für sich schreiben zu laffen. Ber hat, der hat! Aber Kortner ober Deutsch müfen fich mit ein paar Selles begnügen, während
andere gewichtigere Bersönlichkeiten gleich zwei ausgemachsene Gijars verabfolgt erhalten, an denen zwei Literaten ihre Federn zerfpittern. Da ist beispielsweise der Rundfunkdirektor Knöpffe, der die Funt hörer mit geistiger oft betreuen läßt, und er wird gefeiert wie eine umschwärmte Brimadonna. Ei, ei, mo bleibt da der Männerstalz? Noch tiefer dringt die Untersuchung über die Berknüpfung der modernen Kultur mit Martin Wagner, und selbstverständlich erhält Alfred Braun zwei Oden, über die selbst ein Klopfftod grün vor Neid werden würde. Alfred foll tatsächlich einen sechsten Sinn aufgestöbert haben und dazu seiner Stimme Klang" Guftan Freytags Schmod ist eben unsterblich!
Ach, jeder Mensch hat halt a' Sehnsucht. Da siht man nun, das Telephon schrillt," man ist ein Dittator in Westentaschenformat, und fein Mensch weiß das, man blüht wie ein befcheidenes Briemelchen im Verborgenen. Warum soll man für sich nicht erfaucht geschriebene Reklame machen lassen? Für sich und ein paar andere? Gleichzeitig ist das auch für die Funkstunde eine gute Reflame. Per aspera ad astra. Die Honorare find bezahlt, und vielleicht ist das Buch außerdem noch ein Geschäft und eine Kulturtat obendrein! Und Weihrauch benebelt so angenehm die Sinne. F. S.
Schallplattenaufnahmen niederdeutscher Sprachproben. Unter Leitung von Professor Doegen, dem Schöpfer des Schallplattenarchivs der Preußischen Staatsbibliothet, war eine Kommission von Sprachgelehrten jezt mehrere Wochen in Holland unterwegs, um Auf alte niederdeutsche Mundarten auf Schallplatten festzuhalten. der Rückreise wurden in der oldenburgischen Stadt Barel zahlreiche Aufnahmen der ostfriesischen Sprache und ihrer einzelnen Mundarten, so des Saterländischen und des Altwangeroogischen, gemacht. Die Aufnahmen wurden geleitet von Professor Siebs- Breslau, einem gebürtigen Friesen.
Kunffwolle aus Fichtennadeln. Wie englische Blätter, berichten, beabsichtigen britische Rapitalisten, ein von deutschen und italienischen Gelehrten angegebenes Verfahren zur Herstellung von Kunstwolle im großen auszubeuten. So wie man die Kunstseide aus Holzfajern gewinnt, so soll die Kunstwolle aus Fichtennadeln hergestellt werden, und dafür bieten sich in Britisch- Kolumbien , dessen Wälder zu 88 Proz. das geeignete Material liefern, besonders günstige Bedingungen. Man erwartet, daß die Kunstmolle- Industrie allmählich eine ebensolche Bedeutung gewinnen wird, wie die Kunstseide Fabrikation.
Borfräge. Der Professor für Gynäkologie an der Universität in Buenos. Aires, Dr. Josué A. Beruti, spricht Connabend, 8%, Uhr, im Sörfaal 123 der Universität über Die Förderung des fulturellen Austausches zwischen Deutschland und Argentinien . Eintritt frei. Gäste willkommen. Mag Slevogt hat den Auftrag erhalten, den Bremer Ratskeller ausgumalen.
Osfar Frieb in der Pariser Oper. In der Bariser Dper gab der deutsche Kabelfmeister Ostar Fried am Himmelfahrtstage ein Dirigentengaitspiel. Beethovens Reunte" und Stravinsfis Frühlingsmeihe wurden zu Behör gebracht. Dem deutschen Mufiler brachten die Zuhörer, unter denen sich auch die Minister Herriot , Bainlené und Barthou befanden, begeisterten Beifall Pirandello erhält den Nobelpreis für Literatur ? Dem Giornale d'Italie zufolge foll ber Robelpreis für Literatur Pirambello zugesprochen werben