crnft. Daß auch Frankreich mit Rußland nicht brechen wird. scheint sogar der englischen Regierung wahrscheinlich. Wohl ist der antikommunistische Feldzug in Frankreich stärker ge- worden, als er noch vor kurzem gewesen ist, aber die Gründe dafür liegen mehr auf innenpolitischem als auf außen- politischem Gebiet. Von einer unmittelbaren Bedrohung des Weltfriedens kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden. Da- mit ist nicht gesagt, daß uns die Verschärfung des englisch - russischen Gegensatzes gleichgültig sein könnte. Ein ständige Entspannung der Gegensätze zwischen den Staaten liegt im Interesse der Konsolidierung des Friedens, und alles, was diesen von der deutschen Sozialdemokratie und der Sozialisti- schen Arbeiterinternationale erstrebten Entwicklungsprozeß zu stören geeignet ist, muß beklagt, und nicht nur beklagt, son- dern auch bekämpft werden. Darum ist das nervöse, übereilte Vorgehen der englischen konservativen Regierung auf das schärfste zu verurteilen. Man soll uns aber auf der anderen Seite doch nicht die Dinge so darstellen, als ob Rußland e i n L a m m wäre, das kein Wässerchen trübt. Die russischen Spionage- und Verschwörermethoden sind eine Weltplage. Und wenn Genosse Elynes jüngst im Unterhaus gesagt hat, diese Methoden richteten sich in erster Linie gegen die englische Arbeiterpartei, so brauchen wir für unsere Leser nicht erst umständlich hinzuzufügen, daß das gleiche auch für die So- zialdemokratie gilt, die ja erst jetzt wieder aus Anlaß des englisch -ruisischen Konfliktes von den Kommunisten in der . blödsinnigsten Weise verleumdet wird. Die deutsche Sozial- demokratie wird darüber wackln, daß die deutsche Zlußenpolitik der Neutralität treu bleibt und sich weder von den Londoner Diehards noch von den Moskauer Bolschewiki um Haares- breite von diesem Weg abdrängen läßt. So wirkt die deutsche Sozialdemokratie und die Sozialistische Arbeiterinternationale gegen alle Heber und Treiber von hüben und drüben als wirkliche Hüterin des Weltfriedens.
Neue kommunistische Politik. Kommunisten und Republikaner . Es lohnt schon, von Zeit zu Zeit die schönen Ergüsse der deut- schen Sowjetpropaganda festzuhalten. In München wurde bekannt- lich von der reaktionären Regierung der Reichsbannertag verboten — aus deutschnationalcs Geheiß. Alle Republikaner find darüber entrüstet— nur der„Roten Fahne" dient das diktatorische A u f t r e t en der Münchener Hitlerbeschüßer zur Hefte. Gegen wen? Run natürlich gegen die Demokratie und gegen die Sozialdemokraten. Es ist noch nicht drei Wochen her, seit die kommunistische Presse sich gegenseitig überboten hat in dem systematischen Gekreisch, der Stahlhelm aufmorsch in Berlin müsse oerhindert werden. Gar zu groß war das Interesse der Moskauer Drahtzieher, den Re- aktionären ihre moralische Niederlage zu ersparen. Jetzt zetern die Kommunisten über das Münchener Verbot und beschmutzen mit ihrer Parteinohme für die demokratischen Rechte die gute Sache der Republikaner . Denn die Münchener Bürger- blockregierunq kann sich aus die kommunistischen Forderungen in Berlin beruscn, wenn sie dos Perbot der Demonstration der Republikaner mit derselben Begründung ausspricht, die die Berliner Prawda und ihre Freunde für die Verhinderung der Stahlhelm- kundgebung geltend machten. Kommunisten und Stresemann. Für die Kommunisten ist Stresemann der Außenminister der deutschen Faschisten.„Die deutsche Bürgerblockregierung wird sich in die antisowjetistische Einheitsfront einreihen." Di« Politik Strese- manns, die Politik des neuen deutschen Imperialsmus, läuft darauf hinaus, Deutschlands Beteiligung an dieser Einheitsfront möglichst teuer zu erkaufen. Inzwischen ober hat die russische Regierung, also immer- hin Kommunisten reinsten Wassers, das deutsche Auswärtige Amt mit der Wahrung der fowjetrussischsn Interessen in England beauftragt. Der„Obersaschist" Stresemann soll die Hinter-
tür nach England offen halten, zu dessen vorderer Tür die russische Gesandtschaft eben hinausgeflogen ist. Es geht eben nichts über kommunistische„Gcradlinigkeit". Kommunistische und kapitalistische Einheitsfront. Drei Meldungen: 1. In N i m e s ist am 28. Mai der Kongreß der inter - nationalen Konsumgenossenschaften zusairnnenge- treten. Es kam gleich in der ersten Sitzung zu einein schweren Zwischenfall. Nachdem der sozialistische Delegierte Poisson den Bericht über die Geschäftstätigkeit der Konsumgenossenschaften seit 1924 bis heute erstattet hatte, oersuchten verschiedene komm»- nistische Delegierte einen Gegenbericht anzubringen. Da jedoch die Verlesung desselben von der Versammlung abgelehnt wurde, stimmten Kommunisten die Internationale an, so daß die Sitzung abgebrochen werden mußte. 2. Am 9. Juni wird in Luxemburg eine neue Sitzung des Vorstandes des Internationalen Stahlkartells statt- finden. Es soll die Produktionsquote für das dritte Vierteljahr festgesetzt und die Frage der Einrichtung von Verkaufskontoren für den Handel zur Steigerung der Preise erneut' beraten werden. 3. Wie die„Journee industrielle" mitzuteilen weiß, ist das Internationale Moschine ndrahtkartell sozusagen fertig- gestellt. Die Statuten seien festgelegt, ihre Ratifizierung soll in der neuen Generalversammlung am 19. Juni in Luxemburg er- folgen. Das Kartell hat vorläufig den Inlandspreis unverändert auf 959 belgische Franken für die Tonne gelassen. Dagegen ist der Exportpreis wesentlich erhöht worden, und zwar aus 5,76 Pfund für Lieferungen bis zu 1999 Tonnen und darüber und auf 5,19 Pfund für kleinere Mengen. Die Quoten wurden auf die einzelnen Länder wie folgt verteilt: Deutschland 1 Million, Frankreich 499 999, Luxemburg 129 999 und Belgien 279 999 Tonnen, Das internationale Berbraucherkortell wird von den Kommunisten arbeitsunfähig gemacht mit dem Absingen des Hochgesangs auf die internationale Solidarität. Die Nationalisten oller Länder oereinigen sich inzwischen in aller Gemütsruhe und setzen die Preise herauf. Denn die Kommunisten sorgen ja dafür, daß dos Preisdiktot der einheitlich organisierten Unternehmer nicht durch eine Einheitsfront der verbrauchenden Massen gestört wird. "unistische Politk!
Nationalisten vor Gericht. Mahraun gegen Sodenstern. Die am 19. Mai vertagte Auseinandersetzung zwischen M a h« raun und Soden st«rn konnte endlich heute morgen vor dem Amtsgericht Berlin-Mitte zu Ende geführt werden. Neben dem Fürstenonwalt Herrn E v e r l i n g als Vertreter de» Beklagten waren auch diese selbst, nämlich der Herr von Sodenstern als ver- antwortlichcr Redakteur der„Deutschen Treue" und die Herren Generalleutnant a. D- von Wächter und von Jena , die Mit- glieder des Vorstandes des Nationalverbandes Deutscher Offiziere, im Gerichtssaal vertreten. Der Gegenstand der Privatklage ist noch in Erinnerung. In dem Organ hatte die Perbandsleitung des Nationalverbandes Deutscher Offiziere eine Erklärung veröffentlicht, in der sie Mahrauns Einverständnis nüt einem militärischen Bünd- nis zwischen Deutschland und Frankreich scharf angriff. Schon die Diskussion eines solchen Vorschlage? setzt bei deutschen Männern einen Mangel jeglichen Charakters vor- aus. Mahraun fühlte sich durch diese Erklärung beleidigt und strengt« gegen seinen alten Widersacher Sodenstern und gegen die Autoren dieser Erklärung von Wächter und von Jena die Privat- klag- an. In der heutigen Verhandlung behauptete von Sodenstern, daß er diese Erklärung nicht gelesen habe, und daß ihn auch eine stros- rechtliche Verantwortung selbst aus dem Gesichtspunkt der Fahrlässigkeit nicht tresse, sosern er die Autoren dieser Erklär- rung namhaft gemacht habe. Herr von Wächter schilderte bei seiner Vernehmung ausführ- lich die Gegensätze zwischen dem Nationaloerband Deutscher Offiziere und dem Nebenkläger Mahraun, die in einer ganzen Reihe von Polemiken austraten. Als schließlich der Leitung des Verbandes der Artikel der„Vossischen Zeitung" eingesandt worden sei, habe er sich
genötigt gesehen, die Erklönmg gegen Mahraun abzugeben. Gin Interesse, Mahraun zu beleidigen, habe nicht vorgelegen. Sich von der Verantwortung zu drücken, sei nicht beabsichtigt. Er, Wächter, habe an den General von Walzenberg, in einem Brief ertlärt.'daß er es nicht verstehe, wie jemand angegriffen werden tonne, der den Artikel nicht geschrieben habe. Zum Inhalt der Erklärung könne er nur soviel sagen, daß auch seiner Ansicht nach ein mili- tärisches Bündnis mit Frankreich eine Auslieferung des deutschen Volkes an das sranzösische Heer bedeuten würde. Der dritte Beklagte, Leo von I e n a, erklärte, daß die Leitung des Verbandes nicht in der Lage gewesen sei, sich die Broschüre selbst zu verschaffen, aus der die„Bossische Zeitung" ihr Zitat gebracht hatte, da die„Deutsche Treue" kurz vor Redaktionsschluß gestanden habe. Im übrigen könne der Vorwurf des Mangels jeglichen Cha- raktcrs sich nicht auf Mahraun bezogen hoben, da die Er- klärmig nur diejenigen im Auge gehabt habe, die an die'Aus- f ü h r u n g des Planes herantreten würden. Mahraun äußert sich dahin, daß er in der Erklärung den Vorwurf des Landesverrats erblickt, und daß dieser eine schwere Aechtung-für ihn zur Folge gehabt habe. Seine Freunde im ganzen Lande seien der Ueberzeugung gewesen, daß der Nationalvcrband Deutscher Offiziere eine falsche Vehauphing nicht hätte aufstellen können. Erst die Lektüre seiner Broschüre hätte seine Freunde überzeugt, daß die Erklärung eine Unwahrheit enthalte. Im übrigen Hab« er in feinen zahlreichen Besprechungen init sranzö- fischen Politikern stets den Standpunkt vertreten, daß eine Ver- ständigung zwischen Deutschland und Frankreich die Aufhebung des Acrsailler Friedensvertrages zur unbedingten Voraus- s e tz u n g haben müsse. Daraufhin seien verschiedentlich Franzosen nach Berlin gekommen und hatten den Vorschlag gemacht, die Heeres- stärke 5: 3 oder gleich zu gleich sestzustellen. Der Gedanke der Verständigung sei auch von nationalen Männern, wie etwa von dem Grasen von Goltz oertreten worden. Die Verlesung der Broschüre ergibt die Richtigkeit der Mahrounschen BeHaliptung. Die Beweisausnahme brachte keine wesentlichen Einzelheiten. Während des Plaidoyers hatte man im Gerichtssaal den Eindruck, als säße man in einer nationalistischen Versammlung. Das Urteil lautete auf F r e i s p r u ch für den verantwortlichen Redakteur Soden st er n. Die beiden anderen Angeklagten erhielten j- 59 Mark Geld st rase. Den Verurteilten wurde die Pflicht zur Beröffentlichung des Urteil» in der„Deutschen Treue" und in der Zeitung des Jungdeutschen Ordens auferlegt.
Der Zoll Zloel. DerufungSurteile der Weimarer Strafkammer. Weimar , 28. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Bor der Straf- kammer in Weimar fanden am Freitag zwei Berufungsverhand- lungen gegen den Schriftleiter Konrad Finkelmeyer vom .Volk" in Jena statt. Finkelmeyer war in erster Instanz vom Amtsgericht in Jena wegen Beleidigung des Staatsanwaltschafts- rats F lo e l zu vier Monaten Gefängnis verurteilt worden. Nachdem alle Versuche fehlgeschlagen waren, Regierung und Staatsanwaltschaft zu einem Vorgehen gegen den Ttaatsan- waltschaftsrat Floel zu veranlassen, dem das„Dqlk" Aktenveniich- tung und andere schwere Vergehen im Amte nachgewiesen hatte, hatte unsere Jenaer Parteizeitung sich einmal mit dem Privatleben Floels beschäftigt. In der Bcrhandlung in Weimar wurde die B e- r u f u n g des Angeklagten und des Staatsanwalts ve r w o r f e n. Genosse L e v i, der als Verteidiger fungierte, stellte am Schluß seines Plädoyers fest, daß der Staatsanwaltschafterat Floel in dem ersten Finkelmeyerprozeß einen Meineid geleistet hat und ver- langte von der Staatsanwaltschaft, daß endlich gegen Floel Anklage erhoben werde. In der zweiten Verhandlung wurde die Strase von sechs Wochen auf einen Monat Gefängnis ermäßigt. Finkel- meyer hatte diese Strafe erhalten wegen Beleidigung der Weimarer Gerichte, weil er mit Bezug aus da, Urteil gegen den früheren Oberstaatsanwalt Dr. Frieders erklärt hatte, in weiten Kreisen der Bevölkerung bestehe die Auffassung, daß im Fall« Frieders ein« klare Rechtsbeugung vorliege.
Alfred Holzbock ist. fast 79 Jahre alt, in Berlin gestorben. Cr gehörte zu den Epigonen der Theaterreportage, die einst von Witz und Geist belebt war. aber unter ihm zu einer Mischung von Ball- bcricht und Personenkult degeneriert war.„Kein Vergnügen ohne Holzbock— hieß es einstmals in Berlin . Aber später beschränkte er sich aus die großen Gelegenheiten. Wilhelm, der die Kritik in seinem Theaterbetrieb nicht siebte,(der„Vorwärts" konnte damals keine Karten für seine Opernprunkstücke unter Hülsen bekommen). protegierte ihn, und so schrieb A. Holzbock zum Entsetzen aller Kenner über die kaiserlich« Oper. Man soll den kleinen Mann mit dem großen Haarkranz(er war aus Posen) nicht dafür tadeln, wohl ober die Lokalanzeigerpresse, die sich im Byzantinertum nicht genug tun konnte. Plseators Gründungen. Piscator wird, wie eine Korrespondenz meldet, seine erst« Spielzeit als eigener Theaterdirektor mit einer großen politischen Revue im„Theater am NoUendorfplatz" beginnen. Diese Revue wird starken revolutionären Einschlag haben, zu deren Bearbeitung eine Anzahl linksgerichteter Autoren herangezogen werden. Gleichzeitig wird Piscator , hinter dem«in„bekannter Finanzmann neuerer Zeit" steht, sein Theater mit den modernste» Errungenschaften der Bühnentechnik bauen. Wie bei allen neuen Theaterprojekten, weiß man nicht, was an den Meldungen ist. Wünsche, Pläne, Reklame— alles geht zumeist darin durcheinander Seltsam mutet es nur an, daß ausgerechnet ein bekannter Finanzmann«in kommunistisches Propagnndathealsr finanziert. Oder sollte Piscator bereits Konzessionen machen? Was jagen die 37 oder 41 Literaten dazu, die sich dauernd im Frontmachen üben? Eine neue Volksoper in Verlin? Wie ein Berliner Presie- bureau erfährt, sind von Berliner Finanzkrcisen Verhandlungen mit Max von Schillings eingeleitet worden, die ihn wieder an das Berliner Musiklebe» zu fesseln versuchen. Es handelt sich hierbei um ein Opernunternehmen im Stile der ehemaligen großen Volks- oper. Max von Schillings soll die künstlerische Opernleitung über- nehmen. Sollte Herr Lang«, der frühere Direktor der Dolksoper, seine bereits einmal mißlungenen Versuch« wieder ausnehmen wollen?
ErstaustShrvngen der Woche, vtont Krolloper:.Troubadour".—. Dienst,.tzeniraltp.:.Die Eunuchenbraul*.— ZINttw. Lclsingtb.: .Die Menschenfreunde-.— Bonn . Rcnaifsanceth.:»A c n st c r"— Kreit. LustfpiclhauZ:.Der Apfel". Komödiendaus:„D i e weihe irr acht-.— GiZdlilche Oper:„HanneleS Himmelsahrl".— Sonnab Neues Th. am Zoo:„Tumult der Herzen". DI« Vevölkervng der Tschechoslowakei . Wie eine Praaer Koirespondenz erfährt, schätz! man die Zahl der Emwohnerschast in der Tschechoslowakischen Republik am I. Januar 1327 im ganzen aus 11 298 860 Personen. Von dieser Zahl entsallen aus Böhmen rund 6 900 000. Mähren rund S 800 00O, Schlesien rund 730000, Slowakei rund ii ZOO 000, Karpathonchland runtz 675 000 Einwohner.
Spannung über alles. Wer die Strömungen der Gegenwart geschärften Auges oerfolgt, dem kann es nicht entgehen, daß die heutige Literatur in„geistige" Höhen emporstrebt. Man liebt wieder die Sensation. Von neuem erobert sich die spannunggcladene Detektiokomödie Film und Theater. Diesem Zug zur Intensivierung der Bühuenkunst trägt der Sommer- direktor der Reinhardt-Theater Emil Lind Rechnung. Er führt das Kriminalstück„Der Hexer" von Edgar W a l l a c e aus Eng- land ein und im Deutschen Theater auf. Der erste Akt spielt im Londoner Polizeipräsidium, dessen Ehes sich, seine Beamten und da» Publikum mit der Frage abmüht, ob, wieso und wo im großen Lon- don der berühmte und.geheimnisumwobene Verbrecher Milton, der Hexer genannt, sein Unwesen treibt. Der Mord, auf den wir in solchen Stücken nur ungern verzichten, passiert erst im fünften von den sechs Bildern. Das ist ein schwacher Punkt in Wallaces Kunstwerk. Wäre er schon im ersten erfolgt, dann hätten wir wenigstens gewußt, warum wir uns so mit dein Zweifel abmühen, wer nun eigentlich der Verbrecher ist. Auf einen Mord mehr oder weniger kommt es hierbei ohnehin nicht an. Trotzdem gelingt es dem Autor, die Spannung des Zuschauers auf die Spitze zu treiben. Im Stück spielen im ganzen 14 Personen, von denen fünf als Hexer von vornherein nicht in Betracht kommen. In der ersten Pause bildeten sich klein« Debattiertlubs, in denen aufgeregt auf einen der übrigen neun getippt wurde. Am meisten Anspruch daraus. der Hexer zu sein, hatte der Polizeiinspektor Blitz, der in allen Szenen wie ein böser Geist herumschleicht. Die Fäden werden dann auch vom Autor, je weiter es zum Schluß geht, immer mehr auf diesen Inspektor Bliß zusammengeführt. Und als im letzten Bild der richtige Hexer gefaßt wird, merken die Zuschauer zu ihrer Ver- blüsfung, daß er sich als der entpuppt, auf den sie gm wenigsten gewettet hätten. Die Linienführung des Verfassers erinnert an einen alten Witz. A. und B. unterhalten sich mit Rätselraten. A.: Es hat gelbes Gefieder, einen Schnabel, piept und man kann sich die Hände daran abtrocknen. B.:? A.: Das ist ein Kanarienvogel. B.: Ka- narienoogel und Hände abtrocknen? A.: Ich wollte es bloß ein bißchen schwer machen. Im übrigen sieht man auf der Bühne gruselig« Dinge. Lampen blitzen geheimnisvoll auf. Wände per- schieben sich, es schießt mehrmals, und was sonst so im Leben eines Detektivs vorzukommen pflegt. Da der Regisseur Heinz Hilpert eine Schar trefflicher Dar- steller leitet, ist der Abend nicht verloren. Oskar H o m o l k a spielt einen taprigen, pfissig schlauen Polizeiarzt. Mit weinfreudiger Nase und torkelndem Geruder der Arme und Beine. Sehr spaßig. Alhert Steinrück gibt«inen verkommen«» Rechtsanwalt, der zugleich Wüstling und Morphinist ist. Ucberzeugend und gruselig. In den
netten humoristischen Einschiebseln tun sich Paul H ö r b i g e r und Hans D e p p e hervor. Außerdem sind zu nennen Hanna Ralph , Hilde Körber , Mathias Wiemann , Werner Schott , Heinrich Schroth und Ernst Gronau . Dgr. „Das stärkere Vand." Die Deutschen sind wirklich gutmütige Leute oder besser gesagt Gemütstrottel. Im neunten Jahr« der Republik kann man ihnen dieses.sentimentale Schmachtstück noch zu- muten, in dem Felix Sölten anno 1912 aus„Alt-Hcidelbcrg" und „Anne-Liese von Dessau " alle Rührszenen vereinte. Die Fürsten- liebschost nahmen doch die Franzosen bereits unterm zweiten Kaiser - reich als Possenthema, die braven Deutschen behandeln sie bis heut« noch als ernsthaftes Problem, an dem sich Untertanenherzen er- wärmen. Die einzige Entschuldigung, daß diese Antiquität im „Kleinen Theater" noch Beifall fand, liegt allenfalls in den sanften satyrischen Anspielungen, vor allem aber in der Qualität der Darstellung. Adele S a n d r o ck als Herzogin zu sehen und hören, ist wirklich ein Genuß. Eine wahrhaft köstliche Sercnissima in ihrer Unnahbarkeit, ihrer kapitalen Borniertheit, die zuweilen ins Gegen- teil umschlägt, ihrem ewigen Widerspruchsgeist, ihrer Kälte, die doch in Ällie sich löst. Der Herzog, der das Regieren satt hat, wurde durch Erich Kaiser- Titz fast zu viel vermenschlicht. Franz Fiedler bestach als Erbprinz durch feine Jugend und Aonia Kook, die Geliebte, die zur linken Hand getraut wird, durch ihre blonde Holdheit. Herz was willst du noch mehr? Die Spielleitung hatte Oskar K a n e h l, dessen Hingabe an diese Monarchisterei um so mehr zu bewundern ist, da er sonst Edelkommunist zu sein pflegte.— r. Stockholmer Generalprobe für den Zukunstskrieg. Di« Ein- wohner von Stockholm hatten am vorigen Sonntag Gelegenheit, einem ungewöhnlichen und recht aufregenden Schauspiel beizu- wohnen. Am frühen Vormittag ertönten plötzlich in der ganzen Stadt Alarmsignal«, während der Rundfunksender folgende Meldung abgab:„Zehn'feindliche Flieger mit Richtung Stockholm in Sicht. Gasangriff zu erwarten." Die nichtsahnende' Meng« sammelte sich auf den Straßen und auf den Plätzen. Man sah ängstliche Gesichter. In einigen Minuten hörte man das Surren der Motoren der heran- nahenden Flugzeuge. Kanonenschüsse donnerten, Maschinengewehre knatterten, Rauchbomben wurden herabgeschlcudert, Sanitätsmann- schosten trugen auf einer Bahre eine verwundete Frau, Krankenautos und Feuerwehrwagen sausten durch die Straßen. Was hotte da» alles zu bedeuten? 599 Rauchbomben enthielten Flugschriften, aus denen man erfahren konnte, daß die Bombe, falls sie, wie im Ernst- fall üblich,«ine Sprengstoffüllung von 59 Kilo gehabt hätte, ein ganze; Wohnhaus zerstört hoben würde. Eine 399-Kilo-Bombe würde ein ganzes Wohnviertel zerstört haben, während mit noch schwereren Geschossen ein ganzer Stadtteil vergast und in Trümmer gelegt hätte. Das Ganze erwies sich also als eine Probe, die von dem Luftabwehr-Departcment veranstaltet worden war, um der Be- völkerung di« Gefahren des Luft, und Gaskrieges der Zukunft an- schaulich zu machen und�durch diese Propaganda für ein« moderne Luftabwchrorganijaticm Stimmung zu machen._