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Abendausgabe

Nr. 252 44. Jahrgang

Ausgabe B Nr. 124

10 Pfennig

30. Mai 1927

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Der Kieler   Parteitag.

Eine Stimme aus dem Lager des Befitbürgerblocks. Zum Kieler   Parteitag schreibt die Deutsche All­gemeine Zeitung":

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Der sozialdemokratische Parteitag in Riel hat erkennen lassen, daß die Sozialdemokratische Partei   zwar selbstverständlich Gegen säge in sich birgt, daß sie aber trotzdem als festgefügte poli­tische Bewegung in den Wahlkampf geht. Wenn der Vor­märts" meint, der Parteitag habe gezeigt, daß Männer da sind, die zu führen verstehen, und Massen, die ihnen vertrauensvoll folgen" so hat er im wesentlichen recht. Wir sprechen das aus, weil es immer ein Fehler ist, den Gegner zu unterschäßen und weil dieser Fehler vom Bürgertum gerade der Sozialdemokratie gegenüter lange Jahre gemacht worden ist. Manche Leute aus dem bürgerlichen Lager unterliegen auch heute wieder der gleichen Läuschung wie die Kommunisten: wie diese, glauben sie, daß mur der Gegner zu fürchten sei, der sich radikal gebärdet; sie meinen etwa, daß die sozialdemokratischen Führer und Wähler zu Klein­bürgern geworden seien und daß man mit ihnen schon fertig werden würde. Das letztere ist aber ein verhängnis voller Irrtum. Der Kieler   Parteitag hat ausgesprochen, daß die Sozialdemokratie den Willen zur macht hat, und daß ihr Endziel nach wie vor ist, die sozialistische Arbeiterbewegung zur ausschlaggebenden politischen Macht zu erheben. Das Bürgertum muß sich darüber flar werden, daß der sozialistische Gegner nicht mehr der gleiche ist wie in den Jahren nach dem Kriege, als er in drei Gruppen zerfiel. Mit einem Wort: die sozialistische Bewegung iff so gefährlich wie faum jemals zuvor. In zehn Jahren Anteil an der Staatsmacht haben ihre Führer manches gelernt, was sie 1913 noch nicht wußten. Sie haben vor allem gelernt, was diese Staatsmacht bedeutet.

Das Blatt erklärt dann, das Bürgertum müsse den Kampf aufnehmen, und meint zum Schluß, die Chancen der Deutschnationalen gegen die Sozialdemokratie ständen wie 1: 1 ,,, nicht beffer, aber auch nicht schlechter". Damit ist klar ausgesprochen, daß das Befihbürgertum di Deutschnationale Partei heute als seinen Preisfechter betrachtet.

Flaggenschändung in München  .

Neuer Schandstreich der Hakenkreuzler. München  , 30. mai.( Eigener Drahtbericht.) Staff des ver­

Moskaus Antwortnote.

Schärffte Tonart.

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Polemik gegen die Konservativen.

Mostan, 30. Mai.  ( Telegraphenagentur der Sowjetunion  .) Die Regierung hat dem englischen Geschäftsträger Peters eine von Lit­winow unterzeichnete Antwortnote überreichen lassen. Die Sowjetregierung weist nochmals entschieden alle Beschuldigungen, daß sie jemals das Abkommen von 1921 verlegt hätte, als

vollkommen unerwiesen und durchaus unbegründet

zurück. Die einzige Quelle dieser Beschuldigungen ist, wie dies mehr­mals vollkommen unwiderlegbar erwiesen wurde, eine gewissen lose Information, die aus den anrüchigsten Quellen weiß russischer Emigranten geschöpft wurde, und gefälschte Dofu mente, mit denen die britische   Regierung während der ganzen Dauer der Aufrechterhaltung der Beziehungen zur Somjetregierung gern zu operieren pflegte.

Die Ergebnislosigkeit der Durchsuchung der Handels­delegation, die mit größter Sorgfalt einige Tage lang ausgeführt wurde, ist der beredteste Beweis für die Loyalität und die Korrektheit der offiziellen Agenten der Sowjetunion  . Die Sowjetregierung übergeht die Unterstellungen britischer Minister über eine Spio nage der Handelsdelegation mit Berachtung und hält es für unter ihrer Würde, auf sie zu antworten. Die Sowjetregierung stellt fest, daß die britische Regierung sowohl für die erste Verlegung des Handelsabkommens von 1921, die ihren Ausdruck fand in einem Ueberfall der Polizei auf exterritoriale Räume der offiziellen Agenten der Sowjetunion  , wie auch für die zweite Verletzung, die in der Auf­hebung dieser Abmachung ohne die vorgesehene sechsmonatige Ründi­gung besteht, feine rechtmäßige Veranlassung hatte. Es ist der ganzen Welt vollkommen flar, daß der Hauptgrund für den Bruch das Fiasto der Politit der tonserva tipen Regierung in China   ist und der Versuch, dieses Fiasko durch eine Diversion gegenüber der Sowjetunion   zu verschleiern. Ferner, daß der unmittelbare Anlaß der Wunsch der britischen   Regierung ist, die öffentliche Meinung von der Ergebnis verschleiern. Ferner, daß der unmittelbare Anlaß der Wunsch der Losigkeit des unsinnigen lleberfalls der Polizei auf die Arcos und die Handelsdelegation abzulenten und dem britischen Minister des Innern aus der standalösen Lage herauszuhelfen, in die er

Modigliani   in Berlin  .

botenen Reichsbannertages fand am Sonntag eine Zusammenkunft Alle SPD.  - Funktionäre Dienstag im Lehrervereinshaus!

der Bezirks- und kameradschaftsführer des ober. bayerischen Reichsbanners ftalt, an der u. a. Oberpräsident Hör­fiag und Reichskanzler a. D. Wirth teilnahmen. Um Gewert. schaftshaus war aus diesem Anlaß eine große ich war3zrot. goldene Flagge gehißt worden, die bis zum 1. Stodwerk herunterhing. Gegen 10 Uhr abends ging plöglich die Straßen­beleuchtung aus und im selben Augenblid brannte die schwarzrofgoldene Flagge und wurde der Raub einer gewaltigen Flamme. Gleich darauf brannte die Straßenbeleuchtung wieder. Die Polizei erschien erst, als die Flaggenschändung vorbei war. Der Haupttäter, der in einem jungen Mann mit Windjacke vermutet wird, ist allem Anschein nach am Hauptportal empor­geklettert, hat die Fahne mit Benzin besprigt und sie dann ange­zündet. Ein Bezinfläschchen wurde vorgefunden. Hand in Hand mit ihm müſſen jedoch Leute die Straßenbeleuchtung aus- und wieder eingeschaltet haben, wozu fie im Besitz der erforderlichen Schlüffel sein

mußten.

Münchener   Rückzug.

München  , 30. Mai.  ( TU.) Wie die Polizeidirektion München, erklärt, steht die Bluttat am vergangenen Mittwoch, der ein Menschen­leben zum Opfer fiel, mit dem Verbot anderer politischer Veranstal tungen nur insoweit in Verbindung, als ihr ruhiger Verlauf durch die Erregung über jenen Borfall in Frage ge­stellt war. Die Behauptung, daß die Täter in den Reihen des Reichsbanners zu suchen sind, sei von der Polizei nie mals aufgefteilt worden. Die Untersuchung sei noch nicht ab­geschlossen und eine amtliche Berlautbarung erst für Mitte nächster Woche zu erwarten.

Schule und Völkerbund. Ein Erlaß des preußischen Kultusministers. Der preußische Kultusminister Dr. Beder hat an die Schul. behörden einen dienstlichen Erlaß gerichtet, der den Unterricht über den Bölkerbund betrifft.

Wenn auch zahlreiche Hinweise in den Richtlinien für den Unterricht an den preußischen Schulen schon bisher dazu aufforderten, die Frage des Böllerbunds im Unterricht zu behandeln, so muß es, wie der Erlaß betont, jetzt, nachdem Deutschland   dem Bölferbund beigetreten ist, noch mehr Aufgabe der Schule sein sich im Unter­richt eingehend mit Wesen, Arbeit und 3ielen des Bölfer: bundes zu befaffen.

Aus dem Wesen des Völkerbundes ergibt sich, daß jeder Unter­richt über ihn getragen sein muß vom Gefühl für die Würde des eigenen Boltes, und verständnisvoller Achtung vor dem fremden Bolte und von der Einsicht, daß die Entwicklung eines jeden Boltes gestärkt wird durch die Zugehörigkeit zur einer um­fassenden Gemeinschaft aller Bölker.

Kultusminister Dr. Becker hat angeordnet, daß in den oberen Klaffen der Boltsschulen, in den Mittelschulen, den höheren Lehr. anstalten, den pädagogischen Akademien sowie bei der Ausbildung der Studienreferendare der Gegenstand in diefem Sime an ge eigneter Stelle behandelt wird.

Der im Eril lebende Führer der italienischen Sozialisten, Genosse Modigliani  , spricht, wie wir schon mehrfach an­gefündigt haben, morgen, Dienstag abend, vor den Berliner  Funktionären über das Thema: Die faschistische Gefahr":

Nicht nur aus Solidarität mit den grausam unter drückten italienischen Arbeitermassen fordern wir alle Funktionäre der Berliner   Parteiorganisation auf, dieser Ver­anstaltung beizuwohnen, sondern auch im eigenen Inter­esse: denn die faschistische Gefahr ist in der gegenwärtigen 3eit eins der wichtigsten Probleme für die Arbeiterschaft aller Länder. Allein die Geschichte seiner Entstehung ist für jeden Arbeiter überaus lehrreich und gerade darüber wird Genoffe Modigliani   manches aus den Erfahrungen der italienischen Partei zu sagen haben, was auch von der deut­ schen   Sozialdemokratie zu beherzigen sein wird.

Die antifaschistische Konzentration. Kampfansage gegen Mussolini  .

Lindenstraße 3

infolge dieses Ueberfalls geraten ist. Die Bölker der Sowjetunion  und ihre Regierung hegen teine Feindschaft gegen die Völker des britischen   Reiches, mit denen fie normale und freundschaftliche Beziehungen unterhalten wollten. Dies ist zweifelsohne auch der Wunsch der Völker des britischen  Reiches. Diese normalen Beziehungen wünscht und wünschte die gegenwärtige britische   Regierung jedoch nicht, die vom ersten Tage ihres Bestehens bestrebt war, die Beziehungen zur Sowjet­ union   im Zustande stetiger Spannung zu erhalten und sie weiter zuzufpizen. Die britische   Regierung zieht dem System normaler Beziehungen das

System der Gewaltätigkeit und der Feindschaft

vor. Sie hat sich zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen, für den sie die ganze Verantwortung übernehmen muß, im vollen Be­wußtsein der Erschütterung entschlossen, die dieser Bruch under­meidlich in den bestehenden politischen und wirtschaftlichen inter­nationalen Beziehungen hervorrufen wird. Sie mußte wissen, daß der Bruch das wirtschaftliche Chaos, das Europa   nach dem Weltkrieg noch nicht überwunden hat, verstärken und der Sache des Friedens einen schweren Schlag versehen wird. Sie hat fich jedoch zu dieser Handlung entschlossen, indem sie die Interessen breiter Massen des britischen Reiches und selbst der britischen In­duftrie opferte. Die Sowjetregierung nimmt von diesem Aft in der vollen Ueberzeugung Kenntnis, daß er nicht allein von den werf­tätigen, sondern auch von allen fortschrittlichen Elementen der ganzen Welt verurteilt werden wird. Sie spricht zugleich die Ueberzeugung aus, daß die Zeit nahe ist, wo das britische Volk die Möglichkeit finden wird, sein Streben nach Frieden und Wieder­herstellung der normalen freundschaftlichen Beziehungen zu den Völkern der Sowjetunion   unbehindert zu verwirklichen. 200- Millionen- Sowjetanleihe.

Mostau, 30. Mai.  ( WTB.) Der Rat des Bolfskommiffars hat beschlossen, eine innere 12 prozentige Staatsanleihe von 200 Millionen Rubel auf zehn Jahre zu begeben.

mird begründet mit der ausgesprochen tapitalistischen Politik der Regierung, den von ihr angewandten politischen Repressiv­Minderheitsfrage zu lösen. In einer weiteren Resolution

maßnahmen und dem Mangel jeglicher Initiative, um die sprechen fich die Sozialdemokraten für Neuwahlen auf Grund

des jetzt gültigen Wahlrechts aus. Endlich wird noch unter Hinweis auf die Angelegenheit der weißrussischen Hromada und die An­gelegenheit des Abgeordneten Wojewudski festgestellt, daß die Sozial­demokratie politische Verfolgungen und das System der Provof tienen   als demoralisierend und zersetzend verurteilt.

die

Dreimächtekonferenz am 20. Juni. Japan  .

Amerika

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England

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Genf, 30. Mai.  ( Eigener Drahtbericht.) Die amerikanische  

Gesandtschaft in Bern   hat dem Bölkerbundssekretariat mitgeteilt, daß Marinemächte( Bereinigte Staaten, Großbritannien   und Japan  ) am Dreimächteabrüstungstonferenz der großen 20. Juni nachmittags 4 Uhr in Genf   beginnen wird.

Für die weltliche Schule.

wahlen in Leipzig  .

Leipzig  , 30. Mai.  ( Eigener Drahtbericht.) Die Elternbeirats­wahlen in Leipzig  , die bei einer Wahlbeteiligung von faft 70 Broz. stattfanden, endeten mit einem großen Sieg der weltlichen Liste. Für die sozialdemokratischen Kandidaten wurden abgegeben 23 024 Stimmen( im Vorjahr: 19 804), für die KPD  . 5243( 5791), für die neutrale Elternvereinigung 299( 818), für die christlichen Eltern­vereine 24 698( 24 331). Die weltliche Schule erhielt 353( 334) Size, davon stellt 304 die Liste der SPD.  ; die Christlichen blieben mit 311( 319) Sigen in der Minderheit. Die Sozial= demokratie hat 50 Gige gewonnen.

Paris  , 30. Mai.  ( Eigener Drahtbericht.) Das Zentralkomitee Großer Sieg der weltlichen Listen bei den Elternbeirats­der Antifaschistischen Konzentration" trat am Sonn­tag in Paris   unter dem Vorsiz des italienischen Sozialistenführers Turati zusammen, um in einem Manifest eine Antwort auf die letzte Rede Mussolinis zu erlassen. Es heißt darin: Wenn Mussolini   in seiner Rede zugibt, daß sich das Proletariat immer noch dem Faschismus gegenüber fernhält, so bedeute dies ein Ein­geständnis, daß es ihm noch nicht gelungen sei, trotz aller Brutalitäten, Bedrückungen und politischen Verfolgungen die Sympathie der Werftätigen für den Faschismus zu erlangen. Wenn Mussolini   ferner erflärt, noch lange Jahre an der Regierung bleiben zu wollen, weil sein Nachfolger noch nicht geboren sei, so sei dies eine Verlegung des Wahlrechts und der Kron­rechte. Wenn Mussolini   die Locarnopolitit mit so ab­sichtlicher Ironie behandele und dem erschöpften Italien   große Rüstungen auferlege, bedeute das, daß der Faschismus nur den Krieg anstrebe. Die faschistische Diktatur ftrebe, wie alle Diktaturen, nach dem Kriege, fie unterliegt ihrem Instinkt nach Rampf und Brutalität. Sie suche nach Borwänden, um dem italieni­schen Imperialismus auf brutalen Wegen zum Siege zu verhelfen und die in den Massen steckende Revolte dagegen zu ersticken."

pps. gegen Pilsudski  .

Beschluß des Parteiausschusses. Für Neuwahle auf Grund des jetzt gültigen Wahlrechts. Warschau  , 30. Mai.  ( WTB.) Der oberste Rat der polnischen sozialbemokratischen Partei hat unter dem Borsiz des 2bgeordneten Dazyasli den Beschluß gefaßt, gegen die gegen wärtige Regierung in Opposition zu treten. Dieser Schritt

Friedrich- Ebert- Denkmal.

- Stahlhelmhaß gegen Republik  . Feierliche Enthüllung. Hannover  , 30. Mai.  ( Eigener Drahtbericht.) Ein Denkmal für den ersten Reichspräsidenten   Friedrich Ebert   wurde am Sonntag nachmittag in Groß- Bülten bei Peine   enthüllt, wo die Arbeiter des Ilseder   Hütten- und Erzbaubetriebes wohnen. Zahl= reiche Abordnungen des Reichsbanners aus dem Bezirk und Ber­treter der verschiedensten Behörden, darunter auch Oberpräsident Roske und Regierungspräsident v. Höhnen Hildesheim   waren zu der Feier erschienen. Der frühere braunschweigische Staats­tommissar Genosse Foerster Hildesheim hielt die Weiherede. Es Sprachen ferner Regierungspräsident v. Höhnen und Landrat Berlin­Beine. Die Beteiligung der Bevölkerung am Weiheaft war überaus start. Die Stahlhelmer gaben ihrem Haß gegen die Republik   dadurch Ausdruck, daß fie in der Nacht vorher Chrenpfarten beschädigten und zwei Fahnen mit schwarzrotgoldenen Farben mitgehen ließen.