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Nr. 274 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 140

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Der Bormärts" mit der illustrier. ten Sonntagsbeilage Bolt und Zeit" somie den Beilagen Unterhaltung und Wissen", Aus der Filmwelt", Frauenftimme", Dar Rinder. freund", Jugend- Bormärts"," Blid in die Büchermelt" und Kultur arbeit" erscheint mochentäglich zmei mal, Sonntags und Montags einmal

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Sozialdemokrat Berlin *

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Sonntag, den 12. Juni 1927

Standgericht gegen Wojkows Mörder.

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Was tut der Völkerbund?

Machtlos inmitten aller Welthändel!

inszenieren. Es sei festgestellt, daß die Hülle der beim Leningrader der schmerfällige Mechanismus dieses Parlaments der Regie Attentat geworfenen Bombe englischer Herkunft sei.

Die russische Antwortnote an Polen überreicht. Warfchau, 11. Juni. ( Polnische Telegr.- Agentur.) Die Unterfuchung gegen den Mörder des Gesandten Woifow, Komerda, ist bereits abgeschloffen. Die Staatsanwaltschaft hat heute entschieden, daß Komerda vor das Standgericht gestellt werden soll. Es droht ihm die Todesstrafe

Moskaus Antwort an Polen überreicht. Moskau , 11. Juni( WIB.) Wie verlaufet, wird die wort der Sowjet regierung auf die polnische Note heute abend dem polnischen Gesandten Patek übergeben.

Fiebertage in Moskau .

Das äußere Bild Moskaus iff unruhig. Die Stadt ist voll von den wildesten Gerüchten über neue Attentate, Explosionen und dergleichen. Selbst die Prawda" schreibt, daß Gerüchte wie ein feuchter Nebel alles bedecken und die Atmosphäre mit großer Unruhe erfüllen". Unaufhörlich Ant- fchen Gesandtschaft wird durch einen dreifachen Polizei- und Truppen finden Demonstrationszüge statt. Das Gebäude ber polni fordon geschützt. Mehrfach versuchten Demonstranten die Ab­sperrungstetten zu durchbrechen, wurden aber immer wieder durch berittene Bolizei zurüdgetrieben. In allen Fabriten finden Ar­beiterversammlungen statt, auf denen die Regierung zum rücksichts­losen Vorgehen gegen die inneren und äußeren Feirde aufgefordert Die Nervosität wird durch die bevorstehende o

Bon den Zuständen in Mostau gibt der Ost- Expreß" folgendes wird. Stimmungsbild:

Moskau steht ganz im Zeichen des.

Wiederauflebens des roten Terrors.

Die Somjetpreffe hat jede Faffung verloren und die Leitartikel der ,, Ismestija" und der Prawda" sind ein hemmungsloser Strom von Schimpfworten gegen die Weißgardisten und ihre aus­ländischen Gönner. Die Hinrichtung der zwanzig Gegenrevolutionäre wird jubelnd begrüßt. Während noch bis zuletzt die russischen Emigranten und ihre Organisationen als ,, lebende Leichname" mit Sohn und Spott überschüttet wurden, fragt jezt die, Bram da, ,, ob man nicht allzu früh das Bort Gegenrevolution" vergessen habe. Die Gegenrevolution seze. fich zum Ziel, nicht nur die physische Bernichtung der Träger der Sowjetmacht, sondern auch die Zerstörung der materiellen Grundlage der proletarischen Diktatur. Im Zusammenhang damit stünden die in letzter Zeit zahlreichen Brandstiftungen und Sabotageakte, in den Fabriken, Werften und anderen Betrieben. Die Weißgardisten wollten damit der Welt das Borhandensein realer sowjetfeindlicher Kräfte in Rußland vor spiegeln, auf die sich die ausländischen Feinde der Sowjetregierung bei einem Angriff auf die Sowjetunion stügen tönnten. Die Atten tate in Leningrad und Minst seien nach einem einheitlichen Opera­tionsplan verübt worden. Mit größter Schärfe erklären die Moskauer Blätter, daß die schwere Hand der Regierung das Schwert der proletarischeri Diktatur mit voller Bucht auf die Häupter der Verschwörer niederschmettern" laffen werde. Das meiße Ungeziefer wird erbarmungslos zertreten werden", schreibt die Prawda". Die Presse warnt auch England, dessen Haß Rußland wohl verdient habe", weitere Terroratte gegen Sowjetführer zu

Ostseefahrt der britischen Flotte

noch weiter gesteigert. Die Zeitungen bringen eingehende Berichte über die Zusammensetzung des englischen Geschwaders. Danach werden 4 Kreuzer des Typs C, darunter Curaçao " und Canter bury", die Ostseehäfen besuchen. Die Kreuzer sind mit Kriegsflug zeugen versehen. Die Presse erinnert baran, daß der Kreuzer Curaçao" feinerzeit im Jahre 1918, als die englische Flotte die weißen Armeen unterstüßte, durch die Mine eines ruffischen Torpedo­bootes erhebliche Beschädigungen erfitten habe. Ferner gehören zu dem englischen Geschbader die 5. und 6. Torpedobootsflottille mit je 9 Torpedobooten, schließlich zahlreiche Interféeboote des L.nps. Die Sprache der Sowjetpreffe gegen Polen mird immer schärfer. Um die Berantwortlichkeit der polni schen Regierung festzulegen, mind erklärt, daß der Mörder des Ge­fandten Boikom, Kowerda, nicht nur polnischer Staatsangehöriger, fondern auch polnischer Nationalität sei. Der Herr ist für seine Hunde verantwortlich!" schreibt die Prawda". Die Beileids: telegramme und Kondolenzbesuche der polnischen Minister und Würdenträger feien selbstverständliche diplomatische Flosfeln", die die schwere Bluttat nicht fühnen könnten. Die polnische Regierung, die eine beispiellose Sorglosigkeit an den Tag gelegt und durch ihr grenzenloses Gewährenlassen den Weißgardisten die Ausführung der Mordiat ermöglicht hat", habe alle Vorauslegungen für die Er mordung des Gesandten selbst geschaffen. Die Freilaffung der nach dem Morde in Warschau , Wilna und Bialystok verhafteten russischen

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Emigranten hat in leitenden Sowjettreisen einen ungünstigen Ein­druck gemacht.

Macdonald gegen die Konservativen.

Regelung des Oftens eingebaut? Ich möchte einen 3 weifel darüber herrschen lassen, daß irgendein politischer Gesamt plan besteht."

Deutschland und Polen .

Die Regierung hat das Vertrauen des Landes verloren." London , 11. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) In einem, in der Wochenschrift Forward"( Glasgow ) erschienenen Artikel, dem ersten seit seiner Erkrankung, setzt sich der Führer der britischen Arbeiterpartei Ramsay Macdonald mit der gegenwärtigen innen- und außenpolitischen Situation auseinander. Macdonald analysiert eingangs die Ergebnisse der jüngsten Nachwahlen und stellt fest, daß zwar ein Teil der Konservativen den liberalen Kandidaten ihre Stimme gegeben hätten, daß es jedoch nur die Arbeiterpartei sei, die einen absoluten Fortschritt aufzuweisen habe. Die Regierung", stellt Macdonald fest, hat das Bertrauen des Landes verloren; die von ihr ergriffenen Maßnahmen werden von der Nation nicht gewünscht; die Wählerschaft würde die denkbar größte Erleichterung empfinden, wenn fie hören würden, daß die Regierung abgedankt hat."

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Macdonald wendet sich dann der außenpolitischen Situation und insbesondere den ägyptischen Ereignissen zu und erklärt nach drücklich und ohne Einschränkung, daß die Entsendung von Kriegs­schiffen zum Zwecke der Teilnahme oder Beeinflussung von politischen Berhandlungen im höchsten Grade verhängnisvoll sei. Eine reaktionäre Regierung fönne offenbar unter Sicherheit lediglich Machtanmendung verstehen. Sich den übrigen Problemen der Welt­politik zumendend, fagt Macdonald: Ich habe eben von dem ruffi schen Geschäftsträger die übliche Verständigung seiner Abreise er­halten. Damit ist dieses Rapitel Friedenspolitik ge­schlossen. Man fragt sich angesichts all dieser stod reattio­nären Schachzüge und Befürchtungen verwundert, welch welt politischer Blan hinter dieser Regierungspolitik stedt. Sind alle unsere Freundschaftsbezeugungen gegenüber Italien , Frankreich und dem Bölkerbund lediglich Flid mert oder find fie Teile einer grundsäglichen britischen Bolitif des europäischen Friedens und der Berständigung? Ist unsere Handlungsmeise in China und Aegypten in irgendeinen gedanklichen Gesamtplan für eine neue

Zaleski über die polnische Außenpolitik. Paris , 11. Juni. ( WTB.) Der hier meilende polnische Minister des Aeußern, 3alesti, hat heute vormittag Vertretern der fran­zöfifchen Bresse Erklärungen über schwebende politische Fragen ab­gegeben. Zur Ermordung des Warschauer Sowjetgesandten Woi tom führte Zalesti aus: Bolen hat, so wie es feinerzeit die Schweiz im Falle Boromsti getan hat, sich bereit erklärt, der Familie eine finanzielle Beihilfe zu gewähren, jedoch nicht eine Entschädigung an die Sowjetregierung zu zahlen. Woitom hat offenbar in voller Aufrichtigkeit an der polnisch russischen Annäherung gearbeitet, ohne allerdings zu erheblichen Er­gebnissen zu kommen. Die Fragen, die einer Annäherung noch im Wege stehen, sind die Weigerung Rußlands , die von Bolen gegenüber dem Bölferbund eingegangenen Verpflichtungen, sowie den Grundjag der Schiedsgerichtsbarkeit anzuerkennen, der von uns als wesentlicher Bestandteil eines Nichtangriffsvertrages betrachtet wird.

Die Verhandlungen mit Deutschland . Die Berhandlungen mit Deutschland geftalten sich immer noch schwierig. Es ist uns unmöglich, mit dem Reich ein Abkommen zu treffen, das der deutschen 3ndu­ft rie geftatten würde, ihre Erzeugniffe nach Polen auszuführen, während unfere Landwirtschaft nicht das Recht hätte, nach Deutschland auszuführen. Diese Frage tann erst gelöst werden, wenn sich die preußischen Agrarier und die deutschen Juduftriellen geeinigt haben

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In der nächsten Woche wird in Genf der Völkers bundsrat tagen. Er tritt viermal im Jahr zusammen, um laufende Angelegenheiten zu erledigen. Dabei bringt es rungsvertreter mit sich, daß offiziell meist nur Angelegen­heiten dritten und vierten Ranges erledigt werden, so daß die Tagesordnung in einem auffälligen Mißverhältnis ur Forderung des Tages steht. Man hat sich daher längst daran gewöhnt, die nichtoffiziellen Besprechungen zwischen den Außenministern als das Wichtigste dieser Ber anstaltungen zu betrachten.

sehen als die Regierungen selbst. Es ist jetzt sehr schlecht zu Das Parlament der Regierungen fann nicht anders auss sehen als die Regierungen selbst. Es ist jetzt sehr schlecht zu­fammengefeßt, denn in Italien herrscht der Faschismus, in Frankreich der Blod Poincarés, in England der konservative Nationalismus, in Deutschland der Bürgerblock. Der Völker­ bund wäre ein weit befferes Instrument des Friedens, wenn in allen maßgebenden Ländern die sozialistische Ar-­beiterschaft den entscheidenden Einfluß besäße und seine Tagungen Zusammenfünfte sozialistischer Außenminister mären. Man kann den politischen Lehrfaz prägen, daß die friedenserhaltende Kraft des Bölkerbundes in dem gleichen Maß zunimmt oder abnimmt, in dem der Einfluß der sozias liftischen Arbeiterbewegung auf die Regierungen steigt oder finft. Wenn auf dem Kieler Parteitag die Parole ausgegeben wurbe Mehr Macht!", so heißt das, ins Außenpolitische übertragen: Beffere Sicherung des Weltfriedens."

Nach Artikel 11 der Bölferbundsfagung ist jeder Krieg und jede Bedrohung mit Krieg" ,, eine Angelegenheit des ganzen Bundes" Tritt ein solcher Fall ein, so beruft der Generalsekretär unverzüglich auf Antrag jedes Bundesmit­gliedes den Rat.

Nún fann man sich auf den Standpunkt stellen, daß meder im jugoslawisch albanischen Konflikt, der in Wirklichkeit ein jugoslawisch- italienischer ist, noch auch im russisch - englischen eine Bedrohung mit Krieg" ge geben ist. Der Artikel 11 sagt aber dann auch weiter:

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Es mird weiter festgestellt, daß jedes Bundesmitglied das Recht hat, in freundschaftlicher Weise die Aufmerksamkeit der Bundesver sammlung oder des Rates auf jeden Umstand zu lenken, der von Einfluß auf die internationalen Beziehungen sein kann und daher den Frieden oder das gute Einvernehmen zwischen den Nationen, vou dem der Friede abhängt, zu stören droht.

Nun gehören der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Jugoslawien und Albanien sowie amischen England und Rußland zweifellos zu den Umständen, die von Einfluß auf die internationalen Beziehungen sein fönnen und daher den Frieden oder das gute Einvernhmn

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zu stören drohen." Bird sich ein Bundesmitglied finden, bas die Aufmerksamkeit, in freundlicher Weise" auf diese Umstände lenten wird? Wir glauben es nicht, und wenn sich ein solches fände, mürde ihm hinter den Kulissen frampf­haft abgeminkt werden. Denn weder England, noch Italien , noch Rußland , das gar nicht Mitglied ist, zeigen Neigung, fich der Autorität des Bundes zu unterwerfen. Der Völkerbumb fann sich in seinem heutigen Zustand an die großen und mirklich kritischen Probleme gar nicht heranwagen, ohne seine Ohnmacht zu offenbaren und ohne die Gefahr, eben wegen dieser Ohnmacht durch ein öffentliches Aufrühren der Gegen­fäße ihre Berschärfung, statt ihre Milderung herbeizuführen.

Als wahrscheinlich aber fann es gelten, daß man über alle diese Dinge aus Anlaß der Zusammenkunft der Außen­minifter inoffiziell sprechen wird. Von dem Geist, in dem das geschieht, hängt viel für die weitere Entwicklung ab.

Nur ein faschistisches Italien konnte durch seine aggressive Ausdehnungspolitik auf dem Balkan zu einer Gefahr für den Frieden werden, nur ein fonservatives England fonnte den verhängnisvollen Fehler begehen, nach dem theatralischen Vorspiel der Haussuchung bei den ,, Arcos" die diplomatischen Beziehungen zu Rußland abzubrechen. hätten wir einen Bölkerbund, wie er sein soll, so würde er dem Faschismus seine außenpolitischen Allüren abgewöhnen. Hätten wir einen Völkerbund, wie er sein soll, so müßte es ihm gelingen, die unheilvolle Entwicklung, die die russisch­englischen Beziehungen genommen haben, aufzuhalten und wieder rüdgängig zu machen.

Weil mir aber einen solchen Bölkerbund nicht haben, wachsen die Aufgaben der Sozialistischen Arbeiter internationale ins Unermeßliche. Sie mitz für die Erhalting der Friedens fämpfen und sie muß sich, vermöge des Einflusses, den sie auf die Massen ausübt, durchsetzen gegen nationalistische und tommunistische Machtpolitiker, die, mollend oder nicht, wissend oder nicht, neue blutige Ausein anderſegungen vorbereiten.

Die tonfervatine Regierung Englands versichert, baß fie feinen Strieg mit Rußland wolle, ja baß nicht ein­