Die Arbeitslosenversicherung. Erste Lesung im Ausschutz beendet.
Der Reichstagiiausschuß für soziale Angelegenheiten führte am Sonnabend die Beratung des Gesetzentwurfs über die Arbeitslosen- Versicherung bei den Paragraphen fort, die die Ueberaangs- bestimmungen behandeln. Abweichend von der Fassung der Regierungsvorlage wurde§ 155 mit folgendem Wortlaut beschlossen: „Arbeitslosen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes Erwerbslosen - Unterstützung auf Grund der Verordnung über Erwerbslosenfürsorge oder Krisenunterstützung beziehen, wird zunächst Arbeitslosen- Unterstützung fortgewährt, ohne datz es des im§ 90 vor. geschriebenen Antrages bedarf. Der Arbeitsnachweis prüft unverzüglich, ob die Arbeitslosenunterstützung nach dem gegen- wärtigen Gesetze fortgewährt werden kann. Arbeitslose, denen die Unterstützung nach diesen Bestimmungen fortgewährt wird, erhalten sie bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes in der Höhe, in der sie sie erhalten würden, wenn die Vorschriften über Erwerbslosenfürsorge und Krisenfürsorge in Kraft geblieben wären. Von diesem Tage an bemißt sich die Höhe der Unterstützung nach anderen Vorschriften im Gesetz. Jedoch dürfen die Arbeitslosen, die bisher die Erwerbslosenunter- stützung bezogen haben, in bezug auf die Anwartschaft nicht schlechter gestellt werden als bisher. Arbeitslos«, denen die Unterstützung auf Grund der Erwerbslosenfürsorgeoerordnung versagt worden ist, können sie nach diesem Gesetz erneut beantragen. Das Arbeitsamt prüft unverzüglich, ob dem Antrag Folge gegeben werden kann." Die Behandlung der Antrage. § 156 wurde ebenfalls, abweichend von der Regierungsvorlage, mit folgendem Wortlaut angenommen: Anträge, die auf Er- werbslosenunterstützunq oder Krisenunterstützung nach den bisherigen Vorschriften gerichtet sind, gelten für die Zeit nach Inkrafttreten dieses Gesetzes als Anträge auf Arbeitslosenunterstützung. Finanzielle Regelung. Weiter wurde beschlossen, das B e i t r a g s m i tt e l, die auf Grund der Verordnung über Erwerbslosenfürsorge erhoben, aber bei Inkrafttreten dieses Gesetzes noch nicht verausgabt find, der
Reichsanstalt zuzuführen sind. Sind für die unterstützende Erwerbslosenfürsorge Darlehen aufgenommen worden, die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht zurückgezahlt sind, so bestimmt der Reichsarbeitsminister, bis zu welchem Zeitpunkt diese Darlehen zu tilgen sind. Er hat hierbei gleichzeitig anzuordnen, daß die Ä e r- sicherungspflichtigen des betreffenden Gebiets für die Ver- zinsung und Tilgung der Darlehen einen Zuschlag zum Ver- sicherungsbeitrage zu entrichten haben. Der Versicherungs- beitrag darf jedoch auch in diesem Fall den vorgesehenen chöwftsatz nicht überschreiten. Was wird aus der Produktiven Fürsorge? Reu eingefügt in die Regierungsvorlage wurden ferner durch Beschluß des Ausschusses die W 157a und 158a mit folgendem Wort- laut: Der Reichsarbeitsminister kann Vorschriften darüber erlassen. in welcher Welse Maßnahmen der produktiven Er- werbslosenfürsorge zum Abschluß zu bringen sind, die nach den bisherigen Vorschriften gefördert wurden. Sind danach Mahnahmen über den Zejtpunkt hinaus fortzuführen, an dem dieses Gesetz in Kraft tritt, so behalten Bewilligungen von Förderungs- betrögen über diesen Zeitpunkt hinaus Gültigkeit. Dabei tritt an die Stelle der Grundförderung aus Mitteln der Erwerbslofenfür- sorg« die Förderung aus Mitteln der Reichsanstalt. Vor Erlaß der Vorschristen hat der Reichsarbeitsminister den Ver- waltungsrat der Reichsanstalt zu hören. Die Beitragsregelnng. Bis der Rotstock der Versicherung erstmals die Höhe erreicht hat, die das Gesetz vorsieht, beträgt der Beitrag zur Reichsanstatt für das Reichsgebiet einheitlich 3 P r o z. des für die Be- Messung maßgebenden Arbeitsentgelts. Die Uebergangsbestimmungen waren hierdurch erledigt. Roch- dem noch die Abschnitte über Strasbestimmungen, Arbeitsvermitt- lung und Berufsberatung beraten worden waren, war die erst« Lesung des Gesetzentwurfs für Arbeitslosenversicherung abge- schlössen, und der Ausschuß oertagte sich.
die neue Ratstagung. \ Keine interessante Tagesordnung, doch wichtige Zusammenkünfte. Die ordentliche Tagung des Völkerbundsrates, die am Montag vormittag in Genf beginnt, wird turnusmäßig vom Vertreter Englands, Chamberlain, geleitet werden. Es werden an den Beratungen wieder einmal nicht weniger als sechs Außenmini st er teilnehmen und zwar Strese- mann, Briand , Chamberlain, Vandervelde , Benesch und Zaleski. Wenn es nach der Wichtigkeit der eigentlichen Tagesordnung allein ginge, würde aber vielleicht kein einziger dieser Außenminister"die Reise angetreten haben. Denn selten war das Arbeitsprogramm des Rates von so relativ untergeordneter Bedeutung wie diesmal. Daß die Tagesordnung 35 Punkte umfaßt, hat nicht viel zu sagen. Das ist gewissermaßen die normale Zahl von Punkten, die alle Vierteljahre auf der Ratstagung zur Erledigung ge- langen. Im März waren es deren sogar vierzig, aber davon nahmen nur etwa vier oder fünf besonderes Interesse längere Zeit in Anspruch. Auch diesmal sind fast alle Punkte der Tagesordnung lediglich solche laufenden Angelegenheiten, die im Schnellzugstempo unter allgemeiner Teilnahmslosigkeit ihre formale Erledigung finden. Was übrig bleibt, sind zumeist Fragen, deren aktuelle Bedeutung besonders für Deutschland bei weitem nicht die gleiche ist, wie z. B. das Saarproblem, das das Kernstück der letzten Tagung bildete und den Anlaß zu einem mehrtägigen Ringen hinter den Kulissen und schließlich sogar zu einer spannenden öffentlichen Kontra- verse gab. Die einzige Frage, die diesmal stärkeres Interesse beansprucht, ist die von Deutschland unterstützte B e- schwerde des M e m e l l ä n d i s ch e n Landtages gegen die vertragswidrigen Maßnahmen der faschistischen Regierung Litauens . Der litauische Ministerpräsident Woldemaras hat aus fadenscheinigen Gründen die. Vertagung der Behandlung dieser Beschwerde bis zur Septembertagung beantragt, und wird diesen Antrag in Genf persönlich vertreten. Stresemann will dagegen mit Recht auf der sofortigen Behandlung beharren und da kann es zu einer interessanten Debatte und Kraftprobe kommen. Das ist aber noch keineswegs sicher. Denn in der Genfer Kompromißatmosphäre werden stets alle Kompromiß- Möglichkeiten erschöpft, alle denkbaren Auswege in privaten Konferenzen erörtert, ehe man es auf eine öffentliche Diskussion oder gar auf eine Mehrheitsentscheidung ankom- men läßt. So ist man auch im Falle der Memelbeschwerde bereits auf die Idee gekommen, die Angelegenheit vorerst an den Haager Schiedsgerichtshof zu überweisen, da es sich nicht nur um eine politische, sondern auch um eine juristische Frage handelt. Darüber wird wohl schon in der Geheimsitzung am Montagvormittag gesprochen werden, mit der jede Tagung des Rates eingeleitet wird. Von völkerrechtlichem Interesse dürste der Bericht sein, den Chamberlain, Jshii(Vertreter Japans ) und Villegas(Ver- treter Chiles ) als Unterkommission, die im März vom Rat eingesetzt wurde, über den rumänisch -ungarischen Konflikt bezüglich der Klagen madjarischer Optanten in Rumänien ausgearbeitet haben. Es wirst vor allem darüber entschieden werden müssen, ob es einein Staate gestattet sein kann, aus. politischen Gründen ein Schiedsgericht prak- tisch dadurch lahmzulegen, daß or seine Beisitzer aus ihm zurückzieht. Der Bericht über die Weltwirtschaftskonfe» renz, den Stresemann erstattet, dürfte kaum mehr als eine abschließende Formalität dieser Konserenz darstellen. Und was den Bericht über die Arbeiten der vorbereitenden A b- rüstungskommission betrifft, so sind diese Arbeiten leider noch nicht so weit gediehen, daß ein Beschluß über den Termin der Allgemeinen Abrüstungskonferenz auf dieser Ratstagung gefaßt werden kann. Die Frage der Hinterlegung der Listen der deutschen Zivilflugzeug- piloten beim Völkerbundssekretariat, die auf der letzten Tagung des Rates einiges Kopfzerbrechen verursachte, konnte glücklicherweise von der Tagesordnung abgesetzt werden, da inzwischen eine direkte Verständigung zwischen der Wilhelmstraße und der Botschafterkonferenz darüber erfolgt ist. Endlich sollen die verschiedenen Danziger Beschwer- den bis zur Septembertagung zurückgestellt werden. Alles in allem ist, wie man sieht, das offizielle Arbeitsprogramm ziemlich nebensächlich und. wenn auch Ueberraschungen in Genf immer möglich sind, so ist es wenig wahrscheinlich, daß sich das Interesse der Welt auf die eigent- liche Ratstagung konzentrieren wird. Um so mehr verdienen die persönlichen Zusammenkünfte zwischen den Außenministern gerade dieses Mal Beachtung, von denen die erste schon am Sonntagnachmittag zwischen Briand , Strese- mann und Chamberlain vereinbart ist. Nicht etwa, daß die Rheinland r ä u m u n g dort ernsthaft besprochen werden dürfte. Davon sind wir leider noch weiter entfernt als im März, geschweige denn als im Dezember oder gar als im September vorigen Jahres. Es wird sich, was die Besetzungs- frage anbelangt, bestenfalls um eins Verständigung über eine geringe Herabsetzung der Truppenzahl handeln. Vor- erst wird aber noch eine Einigung über die Art der Kon- trolle der Zerstörungen der ostdeutschen Festungen erfolgen müssen. An dieser Einigung ist nicht mehr zu zweifeln, nachdem sogar die dcutschnationale Presse an- gedeutet hat, daß man eine Besichtigung durch alliierte Militärattaches nicht wird oermeiden können. Es war wieder einmal ein s ch w e r e r F e h l e r der Reichsregierung, den sie nur mit Rücksicht auf die d e u t s ch n a t i o n a l e n Minister begangen hat, daß sie die unvermeidbare Lösung nicht schon längst und geräuschlos akzeptiert hat. Im Vordergrund der diplomitischen Gespräche werden ganz andere Fragen stehen: der Konflikt zwischen I u g o- s l a w i e n auf der einen und Albanien sowie Italien auf der anderen Seite soll durch direkte Vermittlung der Mächte unter Ausschaltung des Völkerbundes beigelegt wer- den. Auch das Problem China hat für die Mächte an Aktualität nicht verloren, wenn auch Deutschland nicht so un- mittelbar daran interessiert ist. Am wichtigsten ist natürlich zurzeit der Konflikt zwischen Sowjetrußland und Polen sowie zwischen Sowjetrußland und Eng- l a n d. Stresemann hat erst vor wenigen Tagen mit Tschitscherin in Baden -Daden konferiert. Wenn überhaupt gegenwärtig eine Chance zur Beilegung dieser Konflikte besteht, so liegt sie in einer deutschen Vermittlung. die von Frankreich sicherlich unterstützt werden würde. Aller- dings hat es den Anschein, als ob im Augenblick nicht die iowjetrusfische Diplomatie, sondern die Tscheka und die Exekutive der Kommunistischen Internationale das große
Wort führen. Unter diesen Umständen dürfte sich die Ver- mittlertätigkeit Stresemanns und Briands, die wir im Inter- esse des Friedens ersehnen, bestenfalls darauf beschränken, eine weitere Verschlimmerung der ohnedies schon genug gefährlichen Gegensätze zu verhindern. Pariser Skepsis. Varl». 11. Juni. (Eigener Drahtbericht.) In Pariser diplo- malischen Kreisen sieht man den bevorstehenden Genfer VerHand- lungen mit ausgesprochener Skepsis entgegen. Man erwartet weder in der Rußlandfrage noch in der Rheinlandfrage Ergebnisse von größerer Bedeutung, da in beiden Fragen dis Interessen- gegensätze zu groß sind. Der englische Wunsch nach einer europäischen Einheitsfront gegenüber Rußland scheitert an der unbe- dingten Neutralität Deutschlands und der Wunsch Frank- reichs, es mit Rußland nicht zum Bruche kommen zu lassen daran, daß ihm im Ernstsalle der endgültige Verlust seiner finanziellen und wirtschaftlichen Interessen in Rußland droht. Was nun die Rhein - landfrage anlangt, so glaubt man in Paris , daß Stresemann einen R ä u m u n g sä n t r a g ni'ch t stellen wird, zumal er sich damit eine gla�t-s- ÄM-a-g e holen- wurden Eine Trvppenver- minderungsei Deutschland von Briand zwar versi�ochen worden, doch sei angesichts des starken Widerstandes, den Briand beim Kabinett sowohl wie beim Generalstab und Militärkomitee dagegen findet, wieder nur mtt dem Rückzug einiger Tausend Mann zu rechnen: wenn man in Deutschland die Zahl 10000 an- gebe, so sei das s ch o n z u h o ch gegriffen. Washington zu ewigem Frieden mit Frankreich bereit. Washington , 11. Zun!.(MTB.) Das Staalsdepar- tcment hat der französischen Regierung mitgeteilt, dos die Der. einigten Staaten bereit wären, in diplomatische Verhandlungen über eine mögliche Verständigung wegen eines verlrage« für ewigen Frieden zwischen den beiden Ländern einzutreten.
Vouöet hält Sie Regierung in Schach . Unglanblkche Langmut des Kabinetts gegen den Royalistenführer. pari». 11. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Der Ministerrat beschäftigte sich am Sonnabend unter dem Vorsitz des Ministerprä- sidenten Poincarö«ingehend mit dem Fall Daudet . Auf der einen Seite verfolgt da« Kabinett eine überscharse Antitvmmu- n i st e n p o l t t i t— erst am Freitag wurde der Sekretär der Kam- munsstischen Partei Semard nach seiner Rückkehr aus Moskau ver- haftet—.auf der anderen Seite aber zeigt die Regierung«ine schwäch- liche Langmut gegenüber dem Royalistenführer Daudet , der, um eine fällige Freiheitsstrafe nicht abzusitzen, sich in dem zur Festung ausgebauten Gebäude der„Action franyaise" oerschanzt hat, der Regierung spottet und der Oeffentlichkeit jetzt schon seit vielen Stun- den ein Schauspiel gibt. Scharen von Polizisten mußten am Sonn- abend aufgeboten werden, um den Verkehr in der Straße, in der sich das Gebäude der„Action franeaise" befindet, aufrechtzuerhalten, da dort Hunderte von Camelots herumlungern und darauf warten, daß Daudet lyis dem Balkon erscheint und ein« Ansprache hält. Trotz dieser Zustände konnte sich dos Kabinett am Sonnabend zu keinem Beschluß aufraffen. Es vertagte die Entschei- dung auf nächsten Dienstag. Ernste Krawalle vor dem Zeitungsgebäudc. pari«, 11. Juni. (WTB.) Dar dem Gebäude der.Action fron- yaise" kam es heute abend zu lärmenden Kundgebungen und Zwischenfällen. Eine Gruppe von Manifestanten, die unter Hochrufen auf Leon Daudet und Schmähungen gegen die Regierung nach der.Action fran�aise" zog, stieß mit einer gegnerischen Gruppe zusammen. Dabei entstand eine Prügelei, in deren Lcrlauf zahl- reiche Personen verletzt wurden. Auch eine Reihe von Polizisten wurde durch Schläge mit Spazierstöcken und Gummiknüppeln ver- wundet. Erst noch dem Cintresfen von Verstärkungen gelang es der Polizei, den Platz vor dem Redoktionsgebäud« zu räumen. Es wurden etwa 20 Verhaftungen vorgenommen.
pilsuüskis Stellung erschwert. Tie radikale Bauernpartei iseht zur Opposition überWarschau, 11. Juni. (Eigener Drahlbericht.) Der Vorstand der radikalen Bauernpartei, die bisher noch dt« Regierung unterstützte, hat nunmehr beschlossen, in die Opposition zu treten. In hiesigen Kreisen wird diesem Beschluß angesichts der bevorstehenden Sejmsession besondere Wichtigkeit beigemessen. Die Regierung steht sich jedenfalls einer stetie wachsenden oppositionellen Mehr- heit gegenüber, so daß auf die Dauer heftige Konflikte zwischen ihr und dem Sejm kaum ausbleiben dürften.
IS�ahre Einzelhaft für Lucetti! Schreckensurteil gegen die Mussolini -Attentäter. R o m. 11. Zunl.(wTv.) Da» Sondergericht zum Schuhe des Staates verurteilte dem Antrag des Geueralstaaksanwalles gemäß Lucetti zu dreißig. Sorio zu zwanzig und valteroni zu achtzehn Zahren neuu Monaten Einzelhaft. Den ver- urteilten werden außerdem die bürgerlichen Rechte lebenslänglich aberkannt. Byzanz+ Dalldorf= Rom . Zorli. 11. Juni. (Stefan!.) Mussolini begab stch nach seinem kleinen Gut Carpena. Er will als Oberbefehlshaber in der Getreideschlacht(!l) einige Stunden in der Mitte der Schnitter verbringen und selber mähen. Er wird dann den Anwesenden die Vorteile erklären, die sie haben können, wenn sie als Saatgut Frühkorn gebrauchen.
Paris feiert Matteotti . Er fiel ähnlich Jaurss. pari». 11. Juni(Eigener Drahtbericht). Die Liga für Menschen. rechte hat zusammen mit der sozialistischen Partei am Freitag eine große Kundgebung zur Feier des Gedächtnisses Matte- ottis veranstaltet. Eine Reihe von Rednern ergriffen das Wort. vor allem der italienische Sozialistensührer T u r a t i. Cr schloß seine Ausführungen mit den Worten:„Wie der Weltkrieg über die Leiche Jean Iaurös hinweggehen mußte, so mußte auch der Faschismus in Italien , um zum Siege zu kommen, über die Leiche Matteottis hinweggehen!" Als Redner der französischen Sozialisten sprach Z y r o m s k i.
Eine Sotfthast Nlafarpks. WaS sie sagt und was sie nicht sagt. Prag , 11. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Am Sonnabend empfing der Präsident der Republik, M a s a r y k, auf der Prager Burg die Präsidenten beidex Kammern und richtete an sie in Gegenwart des Ministerpräsidenten Swehla eine Botschaft, die anläßlich der Wiederwahl Masaryks zum Präsidenten zu erwarten war. Die umfangreiche Kundgebung enthält nach einer interessanten geschichtsphilosophischen und kulturhistorischen Einleitung eine Er- löuterung des demokratisch- republikanischen Ge- dankens, zu dem sich Masaryk , wie das ja seinem politischen Wirken während seines ganzen Lebens entspricht, grundsätzlich be- kennt. Gleichzeitig spricht er sich scharf gegen alle faschistischen Elemente aus. Die übrigen aktuellen politischen Probleme der Tschechoslowakei werden jedoch in der Botschaft ebensoweriig berührt wie die brennenden wirtschaftlichen und sozialen Fragen. die insbesondere die Arbeiterschaft beschäftigen. Auch dem n a t l o- n a l e n Problem, das Masaryk selbst einmal als das Hauptproblem des Staates bezeichnete, wird kein einziges Wort gewidmet. Alles dos läßt erkennen, ws« bedeütungslos für die Lösung des nationalen Problems in der Tschechoslowakei der Eintritt der deutschen bürgerlichen Parteien in die Regierung ist. Dies« Mit- arbeit wird in der Botschaft überlzaupt vollkommen ignoriert. �_ Zrieürich Paper$0 Jahre alt. Der ehemalige Führer der Demokraten und Vizekanzler im Kabinett Hcrtling. Friedrich Payer , begeht heute, zurückgezogen vom politischen Tageskampf, seinen 80. Geburtstag. Payer , der als Württemberg « von Jugend an in der schwäbischen Demokratie seine geistige Heimat gesunden hatte, war im Reichstag, m den er schon 1877 zum ersten Male gewählt wurde, neben den Brüdern Hauß- mann Führer der„Süddeutschen Volkspartei", die neben der»Fort- jchrittlichen Volkspartei" Eugen Richters und der«Freisinnigen Ver- einigung" Theodor Borths eine der drei Splittergruppen de» Links- liberalismus bitdete. Erst ihre Vereinigung macht« ihn zum Führer eines Ganzen, dessen Zahl nie überwältigend, dessen Einfluß dbtt zeitweilig nicht unbeträchtlich war. Freilich reicht« er mcht dazu au«, die Macht des persönlichen Regiments und der preußischen Junker zu brechen—, dazu waren stärkere Kräfte notwendig, die erst durch den Krieg entfesselt wurden. An der folgenden Entwick- lung hat dann Payer, der noch der Nationalversammlung onge- hörte, oerständnisvall Anteil genommen. Waren seine polttsschen Wege sonst auch oft nicht die unseren, so hat er doch als ein vor- nehmer und unbedingt zuverlässiger Charakter sich auch in den Reihen der Sozialdemokratischen Partei hohe Achtung und zahl- reiche persönliche Freunde erworben, die sich heute mit seinen engeren Kampfgesährten zu den herzlichsten Glückwünschen für ihn ver- einigen.