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Abendausgabe

Nr. 28344. Jahrgang Ausgabe B Nr. 139

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Vorwärts

SW

Berliner Volksblaff

10 Pfennig

Freitag

17. Juni 1927

Berlag und Anzeigenabteilungs Geschäftszeit 8% bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   Sm. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Danzig vor dem Völkerbund.

Eine Debatte über das polnische Munitionsdepot auf der Westerplatte.

W. S. Genf  , 17. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) In der heutigen Ratssitzung verabschiedete sich der nach Japan   zurückkehrende Botschafter Ishii von dem Rat. Nansen   richtete einen ver­geblichen Appell an die Ratsmächte, ihre früheren Zu­sicherungen an die armenischen Flüchtlinge einzulösen. Sein Bericht über den traurigen Stand der armenischen Flüchtlinge wurde mit wohlwollender Aufmerksamkeit" diesen überwiesen.

Vandervelde berichtete über das Hilfswerk für die bulgarischen Flüchtlinge und bezeichnete die Ansiedlungs­verhältnisse als durchaus unzureichend. Das Gelände, auf dem die bulgarischen Flüchtlinge angefiedelt werden sollen, ist noch nicht vermessen und noch nicht im Staatsbesiz. Bielfach herrsche die Malaria auf dem für die Ansiedlung in Aussicht genommenen Ge= lände. Es sind internationale Mittel für die Trockenlegung dieser Gelände notwendig.

Der Bericht über den finnländischen Antrag auf finanzielle Unterstügung im Kriegsfalle wurde nicht beraten, sondern nur den Regierungen zur Prüfung überwiesen, ebenso wurde der Bericht über das polnische Munitionsdepot auf der Danziger   Westerplatte vertagt. Der Danziger Staatspräsident Sahm erklärte hierzu, daß ein Munitionsdepot auf Danziger   Ge­biet überhaupt nicht mehr notwendig sei, da die Polen   auf eigenem Territorium den Kriegs- und Handelshafen Dingen so weit fertig­gestellt haben, daß es für Polen   ohne Schwierigkeit möglich sein müsse, den Umschlag von Kriegsmaterial auf eigene m Gebiete in diesem Hafen vorzunehmen.

Der Berichterstatter über das Munitionslager auf Westernplatte hatte die Bertagung beantragt. Daraufhin wollte der Senatspräsident Sahm eine Erklärung abgeben.

Chamberlain entfesselte darauf eine Geschäftsordnungsdebatte, in der Stresemann ihm erwiderte, daß er darauf bestehe, daß auf die Substanz der Angelegenheit eingegangen werden müsse, um dem Bertagungsantrag widersprechen zu fönnen.

Der Senatspräsident Sahm wies auf die Gefahren des Munitionslagers auf Westernplatte hin, es müßten besondere Maßnahmen getroffent werden, um die Gefahren in der Zwischen. zeit nicht vergrößern zu laffeft.

Schließlich wurde die Entscheidung vertagt mit der Maßgabe, daß durch die jetzt bestehenden Berhältnisse teine Bindung für die Zukunft geschaffen werde und Danzig   wie Polen   das Recht haben, ihre Wünsche dem Berichterstatter über die Frage. vorzu­

tragen.

Briand   war durch Kabinettsbeschluß gehemmt.

Paris  , 17. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Außenminister Briand   ist am Donnerstag abend furz vor 11 Uhr in Paris   wieder eingetroffen. Er erklärte zu seinen Freunden und Mitarbeitern, die zu seinem Empfang am Bahnhof anwesend waren, daß seine Er. frantung fidh wesentlich gebessert habe und er hoffe, wahrschein lich in etwa zehn Tagen wieder völlig hergestellt zu sein.

Die verfrühte Abreise Briands aus Genf   wird von der ge­famten Pariser   Bresse   aufrichtig bedauert, da damit die so hoffnungsvoll begonnenen Verhandlungen, namentlich mit Strefe mann, einen jähen Abschluß gefunden haben. Dabei gibt die Presse deutlich dem Verdachte Ausdrud, daß Briand   nicht nur durch seine Erkrankung, sondern

auch durch einen bindenden Beschluß des Kabinetts Poincaré  gehemmt worden sei. Namentlich die Bolonté" erklärt, wenn nicht der ver­hängnisvolle Widerstand des Pensionsministers Marin vorhanden wäre, wäre die herabjegung der Truppenstärte im Rheinland bereits eine vollzogene Tatsache geworden. So aber glaubt man in gut unterrichteten Pariser   Kreisen, daß es noch einiger Zeit und langwieriger diplomatischer Verhandlungen bedürfen wird, bis die in Locarno   versprochene und jetzt in Genf   von Briand  erneuerte Zusage einer beträchtlichen Verminderung der Besatzungs­truppen im Rheinland   durchgeführt werden kann.

Der Tauschhandel zusammengebrochen." London  , 17. Juni.  ( WTB.) Der Reuter forrespondent in Genf  erfährt, daß die Besprechungen zwischen Briand   und Stresemann   am 14. und 15. d. M. eine beträchtliche Annäherung der An­fichten über die die beiden Länder berührenden Hauptfragen ge­zeigt hätten, und daß diese Tatsache von den anderen Außenministern in Genf   sehr begrüßt werde.

Dagegen berichtet Times" aus Genf  : Die Ansicht gewinnt an Boden, daß kein endgültiger Abschluß bezüglich der Mei­nungsverschiedenheiten zwischen den Mächten und Deutschland   über die Frage der Ostbefestigungen oder den fünftigen Status des Rhein­landes erzielt worden ist. Weder die Frage der früheren Zurück­ziehung der Besatzungstruppen noch ihre Verminderung wurde ge­regelt, und die deutsche Delegation ist gezwungen, von neuem heim­zukehren, oh ne positive Ergebnisse erzielt zu haben, die allein bei den Gegnern Stresemanns in Deutschland   zu zählen fcheinen. Das ausgearbeitete Gefüge von Tauschhändeln, das so sorgfältig im voraus vorbereitet worden war, ist anscheinend wieder zusammengebrochen. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß die Erörterungen zu einer Lösung der beiden erwähnten Fragen zu einem nahen Zeitpunkt und in einer weniger schwierigen Gestalt führen werden.

Für Abbau der Zollmauern.

Weltwirtschaftskonferenz und Bürgerblockpläne. die Zollparteien.

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Die Sozialdemokratie stellt

Der Auswärtige, der Handelspolitische und der Volkswirtschaft| tungen mit dem Hinweis, daß sie nichts anderes sein sollen, als Fest­liche Ausschuß des Reichstages traten heute vormittag zu einer ge- ftellungen zur Beachtung der Regierung, nicht aber bindende Be­meinsamen Sigung zusammen, um einen Bericht über den Verlauf schlüsse, warnte jedoch die Regierung vor einer nicht. und die Ergebnisse der Weltwirtschaftstonferenz von beachtung der Beschlüsse, da das die Situation jedes Landes Genf   entgegenzunehmen. Bon den sozialdemokratischen international verschlechtern müsse. Mitgliedern der Ausschüsse wurde folgender Antrag vorgelegt:

Der Ausschuß wolle beschließen, der Reichstag wolle be­schließen, die Reichsregierung zu ersuchen, bei der bevorstehenden Berlängerung des provisorischen Zolltarifs von jeder Er­höhung einzelner Positionen abzusehen und für den Herbst eine Vorlage vorzubereifen, durch die in Uebereinffim­mung mit den Beschlüssen der Weltwirtschaftskonferenz eine allgemeine Ermäßigung der deutschen   Zollsätze fest­

gesetzt wird."

Als erster Berichterstatter behandelte Abg. Lammers die allge meine Organisation der Konferenz und ging im besonderen auf die Ergebnisse der Industriekommission ein. Er schloß seine Betrach

Als zweiter Berichterstatter sprach Staatssekretär Trendelenburg über die Ergebnisse der handespolitischen Kommission. Referate von Dr. Hermes und Eggert, sowie die Diskussion sollen Die Sigung wurde gegen 12 Uhr 30 abgebrochen. Weitere am Montag stattfinden.

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Die Beschlüsse der Weltwirtschaftskonferenz und die Stellungnahme Stresemanns in Genf   stehen in völligem Widerspruch zu den Zollerhöhungen, die die Bürger­blodfraktionen gestern untereinander vereinbart haben. Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion zwingt mit ihrem An­trag den Bürgerblod, aus dieser 3weideutigkeit herauszu­gehen und offen Farbe zu bekennen.

Reichspost und Portoerhöhung.

Schätzel droht mit Arbeiterentlassungen.

behalten.

Der Verwaltungsrat der Reichs post trat heute in| nehmen will. Hierauf werde ich mir die Stellungnahmepor die Beratung der Postgebührenvorlage ein. Zu Beginn der Sizung gab Reichspostminister Dr. Schäßel folgende Erklärung ab: Vorgestern hat der Reichstag   beschlossen, den Herrn Reichspost­minister zu ersuchen, die Vorlage an den Verwaltungsrat der Reichspoft auf Erhöhung der Postgebühren zurückzuziehen. Ich halte mich als politischer Minister verpflichtet, der in dem Beschlusse des Reichstages zum Ausdrud gebrachten Willens­meinung des Reichstages Rechnung zu fragen.

Ich kann indes zu dem Beschlusse des Reichstags nach den Be­ſtimmungen des Reichspostfinanzgesetzes nicht Stellung nehmen, ohne post, der für die Führung der Wirtschaft, des Haushalts und für die die Entschließung des Verwaltungsrats der Reichs­Finanzgebarung der Reichspost letzten Endes entscheidenden und ver­antwortlichen Stelle, eingeholt zu haben. Dies um so mehr, als nicht mehr eine bloße Vorlage der Reichspost in Frage kommt, sondern bereits Beschlüsse des Arbeitsausschusses des Berwaltungsrats vor liegen auf Grund eingehender Brüfung der Angelegenheit und nach fiebentägigen Verhandlungen. Um Ihnen die Möglichkeit zu geben, über die Sach- und Rechtslage sich ein Urteil zu bilden, halte ich es für geboten, daß Sie vor allem von dem Stande und den Zielen der Borlage sich unterrichten. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, daß Sie außer den Vorschlägen der Reichspoft selbst und den Sigungsberichten des Arbeitsausschusses die Referate des Herrn Be­richterstatters des Arbeitsausschusses entgegennehmen und sodann Ihre Willensmeinung darüber zum Ausdruck bringen, welche Stellung der Verwaltungsrat gegenüber den Beschlüssen des Reichstags ein­

Der Pfarrer von Perlach.

"

Das Urteil im Vorwärts"-Prozeß. Schwere Geld­ftrafen, aber die Berechtigung der Kritik anerkannt. München  , 17. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) In dem Be­leidungsprozeß des Pfarrers Hell wurde am Freitag vormittag folgendes Urteil verkündet:

1. Schübinger und Schitowsti find schuldig je eines Bergehens der üblen Nachrede und werden zu je 2000 Mart Geldstrafe bzw. 100 Tagen Gefängnis verurteilt.

2. Wendel und Hallupp find schuldig je eines Bergehens der üblen Nachrede und werden zu je 1000 Mark Geld­strafe bzw. 50 Tagen Gefängnis verurteilt.

3. Schühinger, Schikowski, Wendel und Hallupp haben außer­dem die auf sie entfallenden Kosten zu tragen.

zu tragen.

4. Alfringhaus und Holh werden freigesprochen. Pfarrer Hell hat die auf diese beiden entfallenden Kosten selbst 5. Der Privatfläger erhält die Befugnis, das Urteil in den Zeitungen Münchener Poft, Borwärts", Fränkische Tagespoft" und Cachen links" zu veröffentlichen.

Der Urteilsbegründung ist folgendes zu entnehmen: Es sei festgestellt, daß der Privatkiäger mit seinen Angaben die zu verhaftenden Arbeiter belastet hat. Pfarrer Hell habe es auch abgelehnt, auf die Mitteilung des Zeugen Keil hin einzugreifen, wodurch die zwölf Arbeiter vor ihrem Schicksal vielleicht bewahrt worden wären. Eine ruhige und fachliche Würdigung dieses Ver­haltens des Pfarrers Hell darf aber nicht außer acht lassen, daß die damalige Zeit eine außerordentlich aufgeregte, stürmische und ge­fährliche war, und daß der Privatkläger auf Grund einer bei Ludwig gefundenen Liste sich als eine zu verhaftende Geisel fühlen mochte. Es fönne teine Rede davon sein, daß der Pfarrer Hell in Wirklichkeit der Schuldige an der Erschießung der zwölf Ar­beiter sei. Die Auslegung, das Berhalten des Pfarrers ftehe mit der von ihm vertretenen Morallehre im Widerspruch, sei eine über das zuläffige Maß felbft für eine Satire weit hinausgehende Ueber treibung.

Borweg bin ich verpflichtet, festzustellen, daß, wenn den Be­schlüffen des Reichstags entsprochen wird, der Deutschen Reichs­post heute schon die Mittel fehlen, um die Ausgaben zu bestreiten, die durch die Gebührenvorlage Dedung finden follen. Ungebedt bleiben hiernach bis auf weiteres die laufenden Beschaffun gen im Betrage von 150 Millionen Mark. Es müssen daher zur Vermeidung haushaltsmäßiger Haftungen der beteiligten Beamten alle laufenden Bestellungen für Bauten, technische Einrichtungen, sprechend abgestellt werden. Betriebseinrichtungen, Kraftwagen und sonstige Betriebsmittel ent­Weitere Bestellungen tönnen von heute ab weder an die beteiligte Industrie noch an das Bauhand­werf oder-gewerbe erteilt werden. Einzustellen sind ferner alle Be­triebs- und Verkehrsverbesserungen, einzustellen ist endlich der Aus­bau der Berkehrseinrichtungen.

Ich mache hierbei zur Vermeidung späterer Berufungen darauf aufmerksam, daß die von den Herren Abgeordneten Torgler   und Taubadel in der vorgestrigen Reichstagssigung geforderte. Ab­drosselung der Ausgaben für den Ausbau der Betriebs- und tech­nischen Einrichtungen schon in der nächsten Zeit

die Entlaffung von etwa 12 000 Arbeitern zur Folge haben wird. Endlich fehlen der Deutschen   Reichspoft die Mittel, um sich an der Erhöhung der Beamtenbesoldung zu be teiligen. Ohne Bewilligung der vorgeschlagenen Gebührenerhöhung ist nach der pflichtgemäßen Ueberzeugung der Reichspost die Be streitung der Beamtenbesoldungserhöhung für das Postpersonal schlechterdings ein Ding der Unmöglichkeit. Die Erhöhung der Post­gebühren ist auch nach den Prüfungen und Beschlüssen des Arbeits­ausschusses nicht mehr zu umgehen. Wenn sie jetzt nicht erfolgt, muß fie in einiger Zeit vorgenommen werden, nur, daß inzwischen der Verwaltung namhafte, vordringlich erforderliche Mehreinnahmen ent­gangen find, die für den Monat etwa 20 millionen betragen. des Berichterstatters zur Gebührenverlage entgegen.

Der Verwaltungsrat nahm darauf zunächst die Ausführungen

Sodann soll über die vorliegenden Anträge auf Zurückziehung der Vorlage abgestimmt werden, worauf der Reichspoftminister au der Entschließung des Reichstags Stellung nehmen wird.

Moskau   nach dem Kowerda- Urteil. Entrüfteter Artikel der Jsweftija". Mostau, 17. Juni.  ( Telegr.- Agentur der Sowjetunion  .) Jswestija" weist darauf hin, daß das Urteil des Warschauer  außerordentlichen Gerichtshofes gegen Kowerda in der Oeffentlichkeit der Sowjetunion   berechtigte Entrüffung hervorrufen werde. Das beschleunigte Gerichtsverfahren, jo erklärt das Blatt, hat die polnische Regierung zur rafcheften und sichersten Berbergung aller Fäden des Verbrechens benötigt. Die von der Sowjetregierung in ihrer Note gestellte Forderung hinsichtlich der Untersuchung des Verbrechens und der strengen Bestrafung des Mörders ist von der polnischen Regierung fattisch abgelehnt.worden. Die Sowjet­regierung wartet nunmehr die Stellungnahme Polens   zur dritten Forderung, der Liquidierung der weißgardistischen terroristischen Organisationen in Polen   ab, um ihre endgültigen Schlüsse zu ziehen, inwieweit die Erklärungen der polnischen Regierung über den Wunsch, die freundnachbarlichen Beziehungen zur Sowjetunion  zu wahren und zu beffern, den Tatsachen entsprechen.

Einstweilen keine dritte Ruffennote. Mostau, 17. Juni.  ( WEB.) Der Telegraphenagentur der Sowjetunion   wird offiziell mitgeteilt, daß die Meldung, wonach die Sowjetregierung beabsichtige, an die polnische Regierung eine neue Note abzusenden, ohne die Antwort der polnischen Regierung auf die jüngste Sowjetnote abzuwarten, nicht der Wahrheit entspricht.