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Dienstag

21. Juni 1927

Unterhaltung und Wissen

Terranova di Sicilia.

Ein Abenteuer aus der Inflationszeit Bon Frederit Poulsen( übersetzt von D. Luschnaf). Auf der Eisenbahnfahrt durch Süddeutschland hatte ich ein menig gehungert und während der langen Tagesfahrt durch Sizilien fühlte ich von neuem Hunger. Bereits eine Stunde nach der Abfahrt von Palermo trafen wir auf das erste Eisenbahnbüfett. In großer Gemütsruhe hatte ich zugesehen, wie die Reisenden dort aufräumten. Ich selbst war noch nicht hungrig gewesen, aber mit steigendem Schrecken entdeckte ich im Laufe des Tages, daß es feine andere Gelegenheit zur Berproviantierung gab. Gegen Abend hielten wir sehr lange mitten auf der Bahnstrecke und die Passagiere benutzten den Aufenthalt, auszusteigen um ein Erbsenfeld zu plündern. Ein Sizilianer in meinem Abteil fam zurück, alle Hände und Taschen voll und bot auch mir eine Handvoll Erbsen an. Das blieb die einzige Mahlzeit des Tages.

Wir tamen ins Gespräch. Der Sizilianer war ein träftiger Mann mit gesunder Gesichtsfarbe und massivem Unterkiefer, der fowohl auf Energie wie auf Brutalität hindeuten konnte. Er mar mit einem andern Mann zusammen, mit dem er eine ausgeprägte Familienähnlichkeit hatte, nur war der andere weicher im Ausdruck. Ich verriet, daß mein Reiseziel Terranova an der Südküste Siziliens mar. Sie erröteten beide vor lokalpatriotischer Freude und stellten sich als Vettern vor, Giacomo und Jacopo Ventura, Bürger von Terranova und Großerporteure in Stangen, die sie hauptsächlich nach Malta sandten. Das Gespräch wurde lebhaft und ich fragte so nebenher, ob es in Terranova Privatsammlungen gäbe.

Wollen Sie vielleicht kaufen, Signore?"

Ich antwortete meder ja noch nein und bat sie jedenfalls, mich nicht als Käufer vorzustellen, nur als Kunstintereffent. Sie gelobten es. Sie waren sehr interessiert und erboten sich, mir die wichtigsten Privatsammlungen der Stadt zu zeigen.

,, Haben die Herren Zeit?" fragte ich.

Natürlich hatten sie Zeit, und es war ihnen eine Freude, einem Fremden Gastfreundschaft zu erweisen. Das Gespräch glitt über die Politik zur Landwirtschaft, zu den elenden Ernteaussichten durch den Streik in Norditalien und die Dürre hier in Sizilien , die die Kornfelder geradezu abgefengt hatte. Sie waren verständige Patrioten und wir schieden auf der Station als die besten Freunde.

Ein zerlumpter Junge trug meinen Handkoffer und krabbelte zum Rutscher auf den Bock. Dann jagten mir den Berg hinauf zu dem elenden Hotel der kleinen, schmuzigen Stadt, Albergo Trinacria, mo ich den Hauptraum mietete: il salotto für 6 Lire pro Nacht. Ich hatte fein Kleingeld und gab daher dem Jungen nach Gutdünken ein Lira für das Herauftragen des Koffers. Er nahm den Schein und gurgelte, als ob ihn jemand an der Kehle gepackt hätte. Dann setzte er sich und fragte mit schweißbedeckter Stirn:

,, Wann reisen Sie wieder, Signore? Oh, lassen Sie mich immer Ihren Koffer tragen!"

Als ich später auf die Straße hinunterging, war er belagert von einem Dugend schmutziger Jungen, deren Augen sich alle mit strahlendem Ausdruck auf mich richteten. Es tat mir nur leid, daß ich mich selbst nicht mit den Augen dieser Ragazzi sehen konnte. Besonders anhaltend starrten sie auf einen Delfled auf meinen Hojen. Ob der wohl von den Goldhaufen stammte, in denen ich täglich watete?

Vom Leben keineswegs getötet!

TAUENTZIENSTR

Zyx

Beilage des Vorwärts

Nu ja, die Kolomak. Kann unsereinem gar nicht passieren. Was bei' ner Schustersfrau Kuppelei heißt, heißt bei' ner kommerzienrätin moderne Erziehung."

Wir setzen unsere Besuche in den Privathäusern fort. An einer Stelle finde ich ein paar niedliche Bajen, aber der Eigentümer ist verrückt: 100 000 Lire und nicht ein Centesimo weniger." Der Sohn ist betrübt und bietet mir draußen auf der Treppe an, dem Alten die Basen zu stehlen und sie mir für 10 000 Lire zu verkaufen. Aber ich sehe die Folgen voraus: eine Stunde später würde Papa mit zwei Karabinieri fommen und die Basen konfiszieren, und dann sehe ich das Geld nicht wieder.

Endlich ist ein feiner Mann da, ein alter commendatore Rocera, der schmucke Basen zu verkaufen hat; ich stelle nach genauer Prüfung eine Sammlung auf und biete 10 000, während der andere an 20 000 festhält.

Unter weitläufigem Geschmäß und eifriger Vermittlung der Venturamänner nähern wir uns der Mitte 15 000. Da fällt mir ein, daß ich nicht genug bares Geld bei mir habe; infolge des Bankstreifs wollte man mir neulich in Palermo nur 10 000 Lire auszahlen, und ich habe 7000 schon beim Einkauf am Vormittag verbraucht. Ich sage gerade heraus, daß ich die Basen mitnehmen muß, daß ich jedoch die Restsumme von Palermo aus umgehend per Sched senden werde. Doch jetzt wird der alte Sizilianer finster: Ich zeige meine Papiere, die für 50 000 Lire gut sind und meinen Baß, aber nichts beruhigt ihn. Da macht Giacomo Ventura den Borschlag, daß der Konsul Garantie leistet, und um dies zu er­reichen, begeben wir uns wieder zum Hause da Mellias.

Das Untersuchungsobjekt der Soziologie ist das gesellschaftliche Zusammenwirken der Menschen. Darin zeigt sich das Neue, Bedeut fame und Wichtige. Goethe hat den Ausspruch des englischen Boeten Pope fich zu eigen gemacht: das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch". Diese Erkenntnis ging auf die Zeit der alten Griechen zurück, die den Menschen die Lehre gaben, erfenne dich selbst. Aber über diese individualistische Auffassung geht weit hinaus die Auffassung der Soziologie, die nicht das einzelne Individuum, sondern die gesellschaftlichen Erscheinungen der Menschheit unter­sucht und zu erkennen bemüht und dem politischen Denken die Wege zu weisen sucht. Boraussetzungen für dieses noch lange nicht er­reichte Ziel hat mohl schon in seinen Jugendarbeiten der nimmer müde Jubilar gegeben. Zu seinem 70. Geburtstag brachten ihm die Kieler Arbeiter einen Fadelzug. Wir wissen, daß er sich viel und bewundernd mit Marr beschäftigt hat. Wir wissen, daß er ein zwar fleines, aber sehr inhaltsreiches Büchlein in der Sammlung Göschen über die soziale Frage veröffentlicht hat. Wir haben ihn zuletzt in Riel gesehen und seine geistige Frische bewundert. Glückwünsche entgegennehmen, Möçe er zu dem seltenen Feste, das er nun feiert, auch unsere dise

oben und ich rief fofort nach Licht und Essen. Der Koch fam herbei. Das fennen mir schon, dafür sind wir hier auf der Insel zu flug. Die Tanzknaben von Turkestan ...

Das Restaurant, das zu dem schmutzigen Hotel gehörte, mar eine Plattform hinter einem Höferladen. Es mar grabesdunkel da und versprach mit Mattaroni mit Erbsen, aber Licht fönnte ich nicht vor halbneun bekommen, denn vorher lieferte das Elet­trizitätsmert feinen Strom.

Ich speiste meine Spaghetti con piselli im Dunkeln, aber zum Fisch verlangte ich wütend Licht. Ein kleines Mädchen wurde aus­gefandt, eine Talgterze herbeizuschaffen, fam jedoch unverrichteter Sache zurück.

Ein junger Mann jagte davon zum Elektrizitätsmert, und siehe da, kurz darauf, eine Viertelstunde vor der Zeit, strahlten die Lampen zu meiner Ehre.

Jetzt, als es hell wurde, sah ich eine größere Gesellschaft um meinen Tisch stehen, außer dem Oberfellner zwei junge Lapse aus ter Stadt mit dem Hut im Nacken, einen Kutscher, zmei fette Damen und das kleine Mädchen, das die Talgferze nicht hatte herbeischaffen fönnen. Sofort begann der Oberfellner ein Kreuzverhör, und obwohl ich mir einbildete, in verständlichem Italienisch zu antworten, verkündete er jede Antwort mit kräftiger, rollender Stimme den

andern.

..Dieser Herr ist Albanese( Danese mißverstanden) und aus einem Land, das noch weiter nördlich liegt als die Lombardei !" ..Dieser Herr hat nie zuvor Maffaroni mit Erbsen gegessen." ., Dieser Herr will am Abend nicht unser Theater besuchen, da er sich nicht für Bauchredner. interessiert."

Dieser Herr glaubt an Italiens Zufunft, aber er findet, daß die Reinlichkeit größer sein fönnte."

Soweit waren wir gekommen, als der Hotelwirt sich einfand und alles hinwegfegte, außer dem kleinen Mädchen, das mir feine Kerze hatte beschaffen können und deshalb ein Recht zu haben schien, dazubleiben.

Der Wirt setzte sich zu mir und berichtete mit geheimnisvoller Stimme von heimlichen Ausgrabungen und wertvollen Altertümern, menn ich mich nur seiner Obhut anvertrauen wollte. Ich lächelte und dachte an meine beiden zuverlässigen Vertrauensmänner.

Die Nacht im Salotto war entfeßlich und meine Handgelenke trugen noch lange ihre Erinnerungszeichen. Aber am nächsten Morgen nahm ich mich zusammen und trat mit Giacomo Ventura und seinem Better die Wanderung an.

In den ersten beiden Häusern faufte ich nichts, im dritten da= gegen drei Vasen nach endlosem Feilschen und Vermitteln Giacomo Benturas, der mit Schweißperlen auf der Stirn daran arbeitete, daß der Handel in Ordnung fam.

Es wurde mir flar, daß die beiden Gastfreunde Prozente am Berkauf hatten. Das enttäuschte mich ein wenig, aber menn ich die Sachen zu dem Preis befam, den ich anlegen wollte, so fonnte es mir ja gleichgültig sein, wieviele die Beute teilten.

Aber beim Frühstück glitten die beiden Großerporteure", die ich als Gleichgestellte behandelt und mit Lei" angeredet hatte, auf eine tiefere Ebene, zur Anredeform Voi", herab. Und nach dem Frühstück verlangte ich zum dänischen Konsul geführt zu werden, an den ich eine fräftige Empfehlung vom Generalfonful in Palermo hatte. Giacomo begleitete mich.

Der Konsul Marchese da Mellia wohnte in einem fleinen alten Palazzo auf der Hauptstraße der Stadt, und wir wurden in einen hübschen Salon mit Möbeln aus dem 18. Jahrhundert geführt. Kurz darauf kam ein Mann heraus, etwa ein halbes Jahrhundert -alt und stellte sich als den Sohn vor, Chevallerie da Mellia, bedauerte, daß der Vater frant und bettlägerig sei, bat mich jedoch mit vielen anmutigen Worten, ihn als Repräsentanten meines Landes zu betrachten. Er wollte alles, einfach alles für mich tun. Aber im übrigen wäre das ja nicht notwendig hier legte er den Arm um Giacomo Venturas Nacken denn ich hätte ja bereits den zu Derlässigsten Führer, den ich mir in Terranova wünschen könne, gefunden. Giacomo war sein Freund.

Ich sah ein, daß mein Mißtrauen unbegründet gewesen war und für den Rest des Tages redete ich die Venturamänner wieder mit Lei" an

Ferdinand Tönnies .

( Schluß folgt.)

Zu seinem fünfzigsten Doftorjubiläum.

Von Adolf Braun .

Ferdinand Tönnies feiert am 21. Juni das so überaus seltene Fest des 50. Doftorjubiläums.

Mit 22 Jahren hat er seine afademischen Studien abgeschlossen und bald das Werk geschrieben, das einen Abschnitt in der Geschichte der deutschen Soziologie bildet, das Buch Gemeinschaft und Gesell­ schaft ". Man spricht in der deutschen Soziologie von einem Abschnitt vor Tönnies und nach Tönnies , besser gesagt, vor dem Erscheinen seines Werkes über Gemeinschaft und Gesellschaft " und nach dem Erscheinen des Buches, das so viele Anregungen verbreitet hat.

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Er fam auf ganz anderem Wege und sehr ähnlichen Schlüssen wie Karl Marg. Er fam auf dem Wege der philosophischen Schlüsse und nicht der politisch- historischen und der ökonomischen Untersuchung zu Ergebnissen, wie sie sich auch im Kapital" von Marg finden. nicht bloß das weite Gebiet aller Nachbarwissenschaften beherrschte, Er ist ein Mann von einer bewunderungswürdigen Vielseitigkeit, der sondern der auch auf vielen wissenschaftlichen Gebieten neben der Philosophie und der Soziologie auf denen der Statistik und Geschichte Bedeutsames geleistet hat.

Die Wissenschaft der Soziologie ist älter als ihr Name. Sie ist Anthropologie und anderen Wissenschaften. Es gibt zahlreiche Be aufs innigste verknüpft mit der Nationalökonomie, Psychologie, griffserklärungen über die Soziologie, und mancher Streit ist über die Umgrenzung dieser Wissenschaft noch nicht ausgetragen. Sicher ist, daß unter allen Deutschen , die sich mit der Soziologie befassen, am fräftigsten Tönnies Richtung gab. Lassen wir an dem Er­innerungstage aus der Rede, mit der der erste deutsche Soziologentag vor 17 Jahren in Frankfurt a. M. eröffnet wurde, einige wichtige Säße folgen:

,, Wir wollen als Soziologen uns nur beschäftigen mit dem, was ist und nicht mit dem, mas nach irgendwelcher Ansicht, aus irgendwelchen Gründen sein soll. Unser nächstes Objekt ist die gegen­wärtige Wirklichkeit des sozialen Lebens in ihrer unausmeßbaren Mannigfaltigkeit; von ihr aus führt der Blick notwendig zurück in die Vergangenheit, bis zu den Anfängen und Keimen der noch be= stehenden wie der untergegangenen Institutionen und der Ideen= welten; tastet der Blick auch voraus in die Zukunft, aber nicht um sie zu gestalten, um ihr etwas vorzuschreiben, sondern lediglich als Prognose, um die wahrscheinliche fernere Entwicklung der bestehen­den Zustände, Ordnungen, Anschauungen nach Möglichkeit voraus­zubestimmen, wobei dann die etwa vorauszusehenden Rückmirfungen solcher Erfenntnis auf die Handlung der Menschen, auch in unseren eigenen Handlungen, einer der mitwirkenden Faktoren ist, der in die Rechnung einzusehen ist und die Prognose selbst modifizieren. Ich bin von dem Sage ausgegangen, daß die Soziologie in erster Linie eine philosophische Lehre ist. Als solche hat sie es wesentlich mit Begriffen zu tun, mit den Begriffen des sozialen Lebens, mit den Begriffen sozialer Kenntnisse, sozialer Willensformen und so­zialer Werte, sozialer Verbindungen, also mit den Begriffen der Sitte und des Rechts, der Religion und der öffentlichen Meinung, der Kirche und des Staates; fie muß diese Begriffe bilden, d. h. fie für den Gebrauch zurechtmachen, sie schmieden und behauen, um die Tatsachen der Erfahrung mie an Nägel heranzuhängen oder in Klammern zu ergreifen; sie hat in diesem Bereich nicht sowohl direkt die Erkenntnis der Tatsachen, sondern die zweckmäßigsten tauglichen die Erkenntnis der Tatsachen, sondern die zweckmäßigsten tauglichen Geräte für solche Erkenntnis herzustellen.

Von Dr. H. v. Rosen.

Als im Mittelalter die türkischen Nomadenstämme. unter Dschingis Chan das heutige Turkestan eroberten und die ansässigen arischen Ureinwohner unterjochten, brachten sie dem Lande feine Kultur mit, sondern unterlagen vielmehr dem kulturellen Einfluß fremder Rassen und Glaubenslehren, indem sie sich den Sitten und Lebensgewohnheiten dieser höheren Rassen mehr oder weniger an paßten. Maßgebend ist in Turkestan bis heute die islamitische, arabisch- persische Kulturüberlieferung geblieben, die dem Lande das Gepräge gibt und die Einführung des sowjetistischen Systems er­schwert. Neben vielen Grundzügen der islamitischen Kultur haben fich hier auch manche allgemeinorientalische Sitten erhalten, die wohl seit Jahrtausenden eingewurzelt sind und mit dem Islam an sich nichts zu tun haben. Hierzu gehört die Zunft der Batscha" genannten, in ganz Turkestan bekannten Tanzknaben.

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Die städtischen Einwohner, die Sarten", sind ein türkisch­persisches Mischvolt, in dessen Adern auch arabisches Blut fließt, von den Nachkommen der früher eingewanderten Araber. Sie sind oft sehr schön, namentlich die Frauen von Buchara zählen zu den schönsten der Welt. Das gleiche gilt von den halbwüchsigen Knaben, deren mandelformige schmachtende Glutaugen und zierliche Hände und Füße mit denen der Frauen wohl wetteifern fönnen.

Zu Tanzfnaben werden nur die schönsten ausgesucht und aus­gebildet, um dann an allen Festtagen, bei Hochzeiten und Festgelagen mit ihrer Tanzfunft ein stets mit größter Begeisterung aufgenomme­nes Schauspiel zu bieten. Die Häuser der Reichen, ebenso wie alle großen Kaffeehäuser in Taschkent und Samarkand , haben große, geschlossene, von hohen Lehmmauern umgebene Höfe, auf denen diese Tänze vor einer geschlossenen Gesellschaft vorgeführt werden können. Die in prächtige, farbige Seidengewänder gefleideten Knaben tragen Rosenkränze auf dem Kopfe und reichen Schmuck. Ihre Tanzfunft ist eine echt orientalische. Sie besteht, ganz wie bei der Devedaschi,

der Bajadere Indiens , oder der Almeh Aegyptens , im wesentlichen in graziösen Biegungen des Körpers und Bewegungen der Arme. Die Batscha tanzen sowohl in weiblicher wie in männlicher Tracht, gleichen aber auch in letzterer mit ihren schmiegsamen, dabei oft merk­würdig üppigen Leibern durchaus verkleideten Mädchen.

Wenn es bei Jesus Sirach heißt: Hüte dich vor der Sängerin, daß sie dich nicht fahe mit ihren Reizen!", so fönnte ein glaubens. harter Sittenprediger die gleiche Warnung in bezug auf die Tanz­fnaben an die Eingeborenen Turkestans richten.

Doch nicht die ästhetisch sehr anziehenden Knabentänze, sondern mas hinter den Kulissen geschieht, bildet den Hauptpunkt im orien­talischen Liebesleben, besonders, in Turkestan und Persien . Der russische Maler Wereschtschagin, der längere Zeit in Turkestan ver­brachte, gibt in seinen Lebenserinnerungen interessante Schilderungen von diesen Batscha. So fonnte er in Taschfent einmal beobachten, wie ein solcher Knabe von 13 bis 14 Jahren, der als Mädchen ver­fleidet war, vor dem Tanz Toilette machte. Er saß auf einem Diwan, schminkte sein sehr hübsches Gesicht weiß und rot, und zog dann mit Kohol schwarze Striche unter seine Augen, um ihr Feuer zu erhöhen. Einer der Würdenträger der Stadt stand dabei vor ihm und hielt ihm den Spiegel, während ein anderer ihm friend goldgestickte Samtpantöffelchen anzog.

Wohl alle diese Knaben, die viel zur Zersegung des ohnehin nicht hochstehenden Familienlebens beigetragen haben, find eitel, fofett, geldgierig, frech und in allen Verführungs- und Belehrungs­fünften bewandert. 3mar hat der Zentralsomjet in Taschtent im vorigen Jahre sehr strenge Strafbestimmungen gegen den gleichfalls uralten orientalischen Brauch des Brautraubes erlassen, der mit Ge­fängnis bis zu 10 Jahren bestraft wird; aber gegen die Batscha fann er ebensowenig norgehen, wie früher die 3arenregierung oder die mohammedanische Geistlichkeit. Ueberhaupt vermeidet die Somjet regierung noch ängstlicher als die frühere russische Regierung, in das innere Leben der Eingeborenen irgendwie einzugreifen.