Die auswärtige Debatte. MiittrauenSantrag gegen Ttresetncmn abgelehnt. Die Sozialdemokratie enthält fich. Die Sitzung wird um 14 Uhr vom Präsidenten Löbe eröffnet. Das Haus fetzt die außenpolitische Debatte' fort. Abg. Graf Bernstorss(Dem.) erklärt: Wir unterstützen die gegenwärtige Außenpolitik, auch wenn wir nicht in der Regierung vertreten sind. Wir dürfen nur dann Opposition machen, wenn von der heutigen auswärtigen Politik abgegangen würde. Für uns war die Erklärung Strefemanns eine große Be- r u h i jj u n g, daß sich die Beziehungen zwischen England und Ruh- land nicht mehr verschlechtern, sondern eher verbessern und daß wir in Genf beschwichtigend eingegriffen haben. Für uns ist der Völker- bund die Grundlage der ganzen auswärtigen Politik. Wir find gar nicht in der Lage, Machtpolitik zu treiben. Etwas anderes als Neutralität ist deshalb für uns gar nicht denkbar. Der alte Imperia- lismus führt gegenwärtig in China feine Rückzugsgefechte.(Wider- spruch bei den Kommunisten.) Wir begrüßen auch die deutschen Bemühungen, den albanisch- jugoslawischen Konflikt zu lösen und das Eintreten für die Beschlüsse der Weltwirtschaftskonferenz. Daß militärische Sachver- st ä n d i g e stets die Abrüstung sabotierten, ist nicht richtig. Ich kann bezeugen, daß wenigstens innerhalb der deutschen Delegation auf der Abrüstungskonferenz Militär und Zivil sich stets und voll- kommen einig waren, wir müssen noch einmal an die Weltöffentlichkeit appellieren, damit in jedem Lande die Regierungen stärker angetrieben werden, die große Aufgabe der Abrüstung endlich einen Schritt weiterzubringen. Das stärkste Hindernis ist die vielleicht unbegründete Furcht v o r R u ß l o n d. Die ReichsrMerung sollte deshalb der Sowjet- regierung den freundschaftlichen Rat geben, an der Abrüstungskonse- renz teilzunehmen und auch in den Völkerbund einzutreren. Ich verstehe nicht, wie man unseren Eintritt in die Kolonialman- datskommission bekämpfen kann. Ehe wir ein neues Kolonial- reich bekommen, wird noch viel Wasser den Rhein hinablausen. Wir müssen aber in der Kommission mitarbeiten, weil wir ein Interefse an der Stärkung des Völkerbundes haben. Die Rheinlandsbesetzung ist nach allem, was geschehen ist, eine Unmöglichkeit. Abg. v. Dr. Bredt(Wirtsch. Dgg.) meint, wenn jetzt das Zentrum auch in die schärfere Trompete stoße, so zeige das, daß auch das Zentrum enttäuscht sei. In der Tak stünde« wir an einem Wendepunkt in der Außenpolitik. Di« Räumung des Ruhrgebiets haben wir erkaust mit der Annahme des Dawes-Plans , die der ersten Zone mit dem Locarnovertrag. Wir fürchten, daß auch die Räumung der zweiten Zone gekaust werden soll, und lehnen alle iolche Verhandlungen ab. Die deutschen Warnungen in Moskau wegen der Erschießungen scheinen mir n i ch i ganz angebracht, die Einmischung in Albanien sogar g e- s ä h r l i ch. Die Erfüllung der von uns geforderten ungeheuren Reparationsleistungen wäre nur möglich bei einer Exportsteigerung, wie sie angesichts der Lage der Weltwirtschaft kaum denkbar erscheint. Die vollständige Rheinlandräumung muß selbstverständlich als not- wendige Folge der Locarnoabmachungen gefordert werden. Von den Kommunisten ist inzwischen ein Mißtrauensantrag gegen den Reichsaußenminister Dr. Stresemann eingegangen. Abg. Graf zu Reventlow(Natk-Soz.) bezeichnet das Ergebnis der Genfer Verhandlungen als eine vollständige Niederlage Deutsch - lands. Die Entente habe ihre Politik nicht geändert. Ein ver- trauensvolles, gleichberechtigtes Arbeiten mit Frankreich sei einfach unmöglich. Dr. Stresemann werbe schon verschämt um die Gunst Poincares. Er sollt« zu ihm den bewährten Mittelsmann Litwin- Finkelstein schicken, der Dr. Stresemann das Darlehen für die Deutsche Dolkspartei unter Konto„S. Gustav" gegeben habe.(Der Redner erhält einen Ordnungsruf.) Abg. Frau Gohlke(Ruth Fischer ) glaubt trotz der gegenteiligen Ausführungen der bisherigen Redner an eine drohende Kriegsgesahr/ In Gens sei es Stresemann noch nicht gelungen, den Zigeuneryandel abzuschließen, aber wenn die deutschnational« Presse Herrn Strese- mann heute lobt, so sind wir nicht so töricht wie die beiden sozialdemokratischen Redner Breitscheid und S t ö ck e r(Heiterkeit) anzunehmen, daß die Deutschnationalen ihre Grundsätze verraten haben. Die Deutschnotionalen sind viel klüger als die Sozialdemokraten Breitscheid und Stöcker(Heiterkeit), sie wissen, daß die deutsch « Bourgeoisie jetzt«ine glänzend« weltpomlsch« Situation habe. Das Resultat der Verhandlungen mit Frankreich und England werde sein, daß das Geschäft doch endlich zujtanve kommt. Die deutsche Bourgeoisie wird den Kaufpreis in Form von Kolonien oder ähnlichem erhalten. Die Freundschaftsbe- zeugungen Stresemanns seien nicht einen Pfennig wert, und schließlich werde die Sowjetregierung rufen: Stresemann , Stresemann. warum hast du uns verlassen. (Stürmische Heiterkeit.) Die Sozialdemokratie nehme Rußland gegenüber eine zwei- deutige Stellung«in. Das habe der Parteitag in Kiel gezeigt. Die Kommunistische Partei schwätze viel von Kriegsgesahr, aber sie tue nichts Ernsthaftes gegen den Krieg. Sie lassen die Roten Frontkämpfer heute schon unter Thälmanns Generalität schwören, daß sie in die Armeen der Bourgeoisie eintreten sollen.(Hört, hört!) In der Sache stimmen Breitscheid und Stöcker völlig überein, das habe auch der kommunistische Parteitag in Essen ' gezeigt. Das schlimmste sei aber, daß man jetzt Rußland Nachgiebigkeit gegenüber den Westmächten empfehle, trotzdem man mit Tschiangkaischek in China so schlechte Ersahrungen gemacht habe. Schämt euch(zu den Kommunisten), daß jetzt auch Trotzki als Agent Chamberlains bezeichnet wird. Wir wissen, daß wir die einzigen Freunde Sowjetrußlands sind. Aber um der Annäherung an die Sozialdemokratie willen hat man uns aus der KPD. heraus- gedrängt. Wir werden die Fahne des Kommunismus aufrecht halten. Abg. v. Graese(Dölk.) nennt es bezeichnend, daß die Deutsch - nationalen sich nicht durch einen eigenen Redner an der Debatte beteiligt haben. Sie fürchten sich wohl durch die Billigung der Stresemaun-Politik in Widerspruch zu setzen, zu dem,' was sie draußen im Lande predigen. Abg. Korsch(Link. Komm.) beschäftigt sich unter lebhaster Un- ruhe des Hauses mit dem Terror in Sowjetrußland. Er empfiehlt sich als Vertreter einer dritten kommunistischen Richtung, die im Kriegsfall Desertion, Sabotage und Bürgerkrieg predigen will.(Gelächter.) Damit ist die Aussprache geschlossen. In der Abstimmung beantragt die sozialdemokratische Fraktion, den kommunistischen Antrag gegen den Eintritt Deutsch- lands in die koloniale Mandatskommission des Völkerbundes dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Das wird von den Regierungsparteien abgelehnt. Gegen die Stimmen ser Kommunisten wird dann auch der Antrag selbst abgelehnt. Gegen die sofortige Abstimmung über das von den Kommunisten eingebrachte Mißtrauensvotum gegen den Reichsaußen- minister Stresemann erhebt sich kein Widersprüch. Der ZNißlrouens- ontraq wird gegen die Stimmen der Kommunisten und DSNischen abgelehnt. Die sozialdemokratische Fraktion üb» StimmenlhaNung. Der von den Sozialdemokraten und den Demokraten einge- brachte Gesetzentwurf zur Verlängerung des Sperrgesetzes wird dem Rechtsausfchuß überwiesen. Gegen 17� Uhr vertagt sich das Haus aufMontaglSUhr. Auf der Tagesordnung steht u. a. die zweite und dritte Beratung des Gesetzes über Kriegsgerät, die Vorlage über dos Vergleichs- und Schiedsgerichtsverfahren, Pachtschutzgesetz, der sozialdemokratische Antrag betreffend A u f s i ch t s r a t s p o st e n der Reichsiagsabge- ordneten. Berichte der Ausschüffe über Anträge zur Erwerbs- losenfürsorge._ Die französische Kammer hat gestern, entsprechend der hier schon gemeldeten Vereinbarung zwischen Leon Blum und Poincare , in ihrer gestrigen Sitzung debattelos die außenpolitische-Interpellation bis«uh Erledigung der Wahlreform oerlagt.
Sürgerblockmeüerlage im Reichsrat. Mieterfeindliche Absichten der Reichsregierung abgelehnt.
Der Reichsrat hielt am- Freitagmittag eine öffentliche Voll- sitzung ab. Auf der Tagesordnung standen der Gesetzentwurf zur Aenderung des Mieterschutzgesetzes und der Gesetzentwurs zur Abänderung des Reichsmietengesetzes. In das Mieterschutzgesetz, das bis zum 1. Juli 1929 verlängert werden soll, war von der Regierung ein« neue Bestimmung aufgenommen worden, wonach die jetzige Borschrift, daß Miets- Verhältnisse nur gelöst werden können durch Klage beim ordentlichen Gericht, ersetzt werden sollte durch Borfchristen, wonach aus be- stimmten Gründen der Vennieter kündigen kann, derart, daß der Mieter innerhalb einer Woche Widerspruch erheben kann, worauf die Klage an die ordentlichen Gerichte geht. Versäumt der Mieter den Widerspruch, so wird ein Ränmungs- besehl erlassen, und dagegen können weitere sachliche Einwendungen von dem Mieter nicht mehr vorgebrocht werden. falls nicht etwa das Versäumen auf unverschuldete Gründe zurück- zuführen ist. In den Ausschüssen trat, wie der Berichterstatter hervorhob, die Meinung stark hervor, daß das mehr als eine pro- zesiuale Vorschrift wäre. Viel« Mieter würden die Erhebung des Widerspruchs versäumen und sich nachher in mißlicher Lage befinden. Nur in den seltensten Fällen würde noch eine fach- 'liche Verteidigung gegen einen Räumungsbefehl möglich sein. In den Ausschüssen wurde aus diesen Erwägungen heraus und unter der Begründung, daß es sich m dem jetzigen Augenblick nicht emp- fehl«, zu den sonstigen Lockerungen der Zwangswirtschaft diese Be- stimmungen hinzuzufügen, der ganze betressende Abschnitt abge- lehnt. Der zweite Abschnitt dagegen, der nur Bestimmungen zu- gunsten der Mieter enthält, für solche Räume, die aus dem Mieterschutz herausgenommen sind, indem er den Mietern gewisie
Erleichterungen und milder« Uebergangsvorschristen gewährt, wittde mit Mehrheit in den Ausschüssen angenommen. In der Dollversammlung erklärte die Regierung, daß sie Wert lege auf die Wiederherstellung des ersten Teils. In namentlicher Abstimmung wurden aber mit 45 gegen 22 Stimmen die Ausschußbeschlüsse angenommen. Der die Kündigung betreffende neue Teil des Gesetzes ist also ab- gelehnt. Der andere Teil wurde mit Mehrheit a n g e n o in m e n, also auch die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Gesetzes um zwei Jahre. Auch das Reichsmietcngeseh soll bis zum 1. Juli 1929 ver. längert werden. Neu ist hier die Bestimmung, daß für Mietsver- Hältnisse, die durch die Landeszentralbehörden aus dem Gesetz heraus- genommen sind, für die aber die gesetzliche Miete zunächst weiter gelten soll, auch eine Regelung nach dem früheren Vertrag möglich sein soll. Die Ausschüsse haben hierzu bestimmt, daß in diesen Fällen stets ein angemessener Zinssatz festgesetzt werden soll. Die Umrechnung nach dem Aufwertungsgcsetz wurde abgelehnt. Ferner haben die Ausschüsse eine Aenderung dahin getroffen, daß die Möglichkeit der Vornahme von Jnstandsehungsorbeiten durch die Wohnungsämter unter Einbehaltung eines bestimmten Teiles des Mietzinses für solche Mume, die aus dem Gesetz heraus- genommen sind, nicht mehr ohne weitere» gelten soll, sondern es den obersten Landesbehörden überlassen ist, ob sie nach den Bsp hältnissen des Landes die Fortdauer dieser Bestimmungen für die betreffenden Räume für notwendig halten oder nicht. Das Gesetz wurde von der Vollversammlung nach den Be- schlüsien der Ausschüsse angenommen. Die Reichsregierung ließ erklären, daß sie gegen diese Beschlüsie kein« grundsätzlichen Be- denken zu erheben habe.
Der sanktionierte Sparerbetrug. Winzige Zugeständnisse der Rechtsblockparteien. Der Rechtsausschuß des Reichstags nahm am Freitag die zweite Lesung der Vorlage über die Verzinsung aufgewerteter Hypotheken und der in Verbindung damit gestellten Antröge auf Aenderung des Aufwertungsgesetzes vor. Vor Eintritt in die Beratung gab Abg. Keil(Soz.) die Erklärung ab, daß die Sozial- demokraten nach dem völlig ergebnislosen Verlauf der ersten Lesung darauf verzichten, ihre abgelehnten Anträge zu wiederholen. Sie gebe ihre Verbesserungsanträge, die auf der sorgfältigen Erwägung beruhen, keine wirtschaftlichen, juristischen und verwalwngstechnischen Schwie- rigkeiten hervorzurufen, natürlich nicht preis. Die Regierungs- Parteien hätten bei der ersten Lesung das Gebot des Reichsjustiz- Ministers, an den Grundlogen des Aufwertungsgesetzes nicht zu rütteln, streng befolgt und sie würden sicherlich auch in der zweiten Lesung jeden ernsthaften Berbefferungsantrag ablehnen. Das ergebe sich aus den winzigen Zugeständnissen, die nach langem Feilschen aus den internen Verhandlungen der Regierungsparteien hervorgegangen feien. Eine kritisch« Beleuchtung des Verhaltene der Regierungsparteien müsse für das Plenum vorbehalten werden. Di« Regierungsparteien sollten sich im klaren darüber sein, daß wir an einem.> entscheidenden Wendepunkt im Kamps um die Auswertung angelangt seien. Wer die schlimmsten Härten des Auswertungsge- setzes noch beseitigen wolle, müsse es jetzt tun. Je weiter die Zeit voranschreite, desto schwieriger werde ein nochmaliger Eingriff. Bleibe das Auswertungsunrecht aber unbeschränkt fortbestehen, so würden es die vielen Tausende enteigneter Sparer voll innerer Verbitterung mit ins Grab nehmen. In der Einzelberatung wurde sodann der in erster Lesung gefaßte Beschluß, daß der Auswertungsbetrag in allen Fällen vom 1. Januar 1926 zu verzinsen ist, auf Antrag der Regierungsparteien dahin verschlechtert, daß statt des 1. Januar der 1. April gesetzt wurde. Zwei Vertreter des Zentrums und der der Bayerischen Bolkspartei, die in der ersten Lesung mit der Linken für die Bcrbesserung gestimmt hatten, fielen um. Als wichtigst« Frucht der langwierigen geheimen Derhandlun- gen der Regierungsparteien wurde hierauf von ihnen der folgende, neue 8 14a beantragt: „In den Fällen des ß IV Abf. 1 Ziffer 5 des Aufwertungs- gesetzes(Reftkaufforderungen) und bei Gutsüberlassungsverträgen kann die Aufwertungsstello auf Antrag den Aufwertungsbetrag im Jahre 1921 begründeter Forderungen auf ü b e r Ivv Proz. des Goldmarkbetrages festsetzen, wenn dieses zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit erförderlich ist. Hierbei darf der Satz von iOO Proz. des Goldmarkbetrages und, wenn die Forderungen nach dem 30. September 1921 begründet ist. der Satz von 600 Proz. des Goldmarkbetrages nicht überschritten werden. Der Antrag kann bei der Ausweriungsstelle nur bis zum 1. Oktober 1927 gestellt werden." Der deutschnationale Abgeordnete Dr. Rode macher ver- suchte bei Begründung des Antrags sofort wieder eine E i n s ch r ä n- k u n g durchzusetzen, indem er ihn dahin interpretiert«, daß die Auswertung in den genannten Fällen mehr als 2Z Proz. des berichtigten W e h r b e i tr a g s w e r t e s nicht betragen dürfe. Er stieß aber damit auf den Widerspruch seiner Koalitions- genossen, die ihm bedeuteten, daß er zu dieser Auslegung nicht beauftragt fei., Abg. K eil(Soz.) wies hieraus den Antragstellern nach, daß auch ohne die Rademachersche Interpretation in der Regel die 25 Proz. des berichtigten Wehrbeitragswertes durch den Antrag nicht ein- mal erreicht würden. Im Jahre 1921 standen die Kaufpreis« im krasse st e» Mißverhältnis zum Friedenswert der Objekte. Gegen Ende des Jahres hatte die Papiermart noch einen Göldmarkwert von etwa 2 Proz. Die Aufwertung dieser 2 Proz. bis zu 600 Proz. habe zur Folge, daß der Glaubiger einer Restkaufforderung etwa 12 Proz. des Goldmarkwortes bekomme, falls er in Papiermark zum Friedenspreis verkauft habe. Und selbst wenn er den doppelten Friedenspreis m Papiermark erzielt habe, so bedeute die Aufwertung.bis z» 600 Proz. nur eine Aufwertung bis zu 24 Proz. des Vorkriegs- wertes. Wolle man die berechtigte Forderungen der Gläubiger aus der Inflationszeit erfüllen, so müsse sede Beschränkung m der Aufwertung der persönlichen Forderung fallen, wie es die Sozialdemokratie in erster Lesung beantragt habe. Dieser An- trag sei aber abgelebnt worden. Nach weiterer Debatte wurde der Antrag der Regierungs- Parteien angenommen und einige Berbesserungsoorschläge des Abgeordneten Best gegen die Stimmen der Linke» abgelehnt.
Weiter hatten die Regierungsparteien einem sozialdemokratischen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Ver- säumung der Fristen für Anmeldung von Aufwertungson- sprüchen ein Zugeständnis zu machen versucht. Sie blieben aber auch hier auf halbem Wege stehen. Während der sozialdemo- tratische Antrag die Wiedereinsetzung nur unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit beurteilt wissen wollte, schreibt der Antrag der Regierungspareiten vor, daß der Gläubiger den Nachweis führen muß, daß die Anmeldung des Anspruchs ohne sein Ver- schulden unterblieben ist. Abg. Dr. Landsberg legte eingehend dar. wie ungeheuer schwer es in den meisten Fällen dem Gläubiger sein werde, den Nachweis zu erbringen, daß ihn kein Verschulden treffe. Die Ver- treter der Regierungsparteien hielten aber mit juristischen Spitz- findigkeiten an ihrer Einschränkung fest und lehnten den sozialdemokratischen Antrag ab. Der verschlechterte Antrag der Regierungsparteien wurde hierauf angenommen.
Saperns kommender§inanzminifter. Föderalist und Nationalist. München . 24. Juni. (Eigener Drohtbericht.) Als Nachfolger de» verunglückten bayerischen Finonzministers Dr. K r a u s n e ck ist der Staatsrat im Ministerium des Aeußeren Dr. S ch m e l z l e in Ans- ficht genommen. Seiner Bestätigung im Landtag dürfte kein Hindernis im Wege stehen, nachdem die Koalitionsparteien sich ge- einigt haben. Schmelzte ist seit 1920 die rechte Hand jedes bayeri- scheu Ministerpräsidenten gewesen und in dieser Eigen- schaft in hohem Maße verantwortlich für alles, was seit jener Zeit in Bayern geschehen ist. Seine innerpolitische Einstellung ist ge- kennzeichnet durch die berüchtigte bayerische Denk- schrift von 1924 zur Revision der Weimarer Verfassung , die ihn zum Verfasser hat, während er als Staatsrat im Ministerium des Aeußeren der Inspirator der Antivölkerbunds- und AntiVerständigungspolitik gewesen ist, die der Reichs- regierung jahrelang Knüppel zwischen die Beine geworfen hat.
Wilhelm unü öle belgische Neutralität. Er hatte den Bau der belgischen Maasfcstigungcn veranlaßt. Wie uns aus Brüssel gemeldet wird, hat Genosse Van- dervelde als Minister des Aeußern einem Ausschuß der Kannner einen Bericht zu den Entschließungen des deutschen Reichstagsausschusses überreicht, der sich mit den Völker- rechllichen Fragen des Krieges beschäftigt hat. Dieser deutsche Be- richt spricht auch von der Neutralität Belgiens und von den Maasfestungen. Der deutsche Ausschuß war zu dem Schluß ge- kommen, daß Belgien durch den Bau dieser Forts dem Verlangen Frankreichs nachgekommen sei und dadurch seine Neutralität nicht gewahrt habe. Der belgische Bericht weist durch diplomatische Dokumente nach, daß die Forts an der Maas aus verlangen Deutsch- lands gebaut worden sind und gibt einen Auszug aus einem Schreiben Wilhelms l. an König Leopold II., in dem der deutsche Kaiser aus den Lau der Forts besteht. Weitere Berichte, die sich vor allem auf die Deportation belgischer Arbeiter beziehen, sind in Vorbereitung. Dies« Enthüllung ist geeignet, das größte Aufsehen zu erregen, denn die kaiserliche Regierung, hatte nach Kriegsausbruch stets die Dinge so dargestellt, als hätte Belgien seine Neutralität dadurch aus- gegeben, daß es sich zum eifrigen Werkzeug franzäsischer und englischer militärischer Pläne gemacht hätte. Dieser nachträg- liche Rechtfertigungsversuch des deutschen Einmarsches war an sich illoyal und hob den relativ günstigen Eindruck wieder auf, den das osfene Eingeständnis des begangenen Unrechts durch den Reichskanz- ler von Bechmann-Hollweg pemacht hatte. Wie unehrlich erscheinen nun dies« deutschen Beschönigungsversuche angesichts der Tatsache, daß es der deutsche Kaiser gewesen war, der die strategischen Maßnahmen Belgiens beeinfluß hatte— und daß die kaiserliche Re- gierung diese Beeinflussung stets verschwiegen hat! Sollte das ein Zufall sein? Die„Deutjchuationale Togesvosr", das Publikationsorgan der Deutschnationalen Partei von Groß- Berlin, bringt im Ünterhaltungsteil seiner Nummer vom 25. Juni das Bild eines Chamäleons und dazu solgenden Text:„Es macht mit seiner sehr weit vorschnellbaren Zunge auf kleine Fliegen Jagd.... Auch der sprichwörtliche Farbwechsel der sich übrigens nicht nach der Umgebung, sondern nach Erregung?- zuständen, Wärme und Kälte richtet, ist vorhanden."— Am Tage nach der Abstimmung der Deutschnotionalen für Stresemann ein Bild des Chamäleons in einem deutschnationalen Blatt? Sollte das ein Zu- fall sein?. Rein, das kamt kein Zujall feint