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Nr. 302 44. Jahrgang
1« Seilage ües vorwärts
Mittwoch, 20. Juni 1027
Um das Nesse  - und Ausstellungsgelände. Eine arbeitsreiche Stadtberordnetenfitzung.
Die Berliner   Stadtverordnetenversammlung hatte gestern eine ungewöhnlich lange Sitzung, die noch nicht die letzte vor den Sommerferien war. Aus der reichlichen Tagesordnung wurden die wichtigsten Sachen erledigt, aber mit allem fertig zu werden, war nicht möglich. Gestritten wurde um die aus dem Ausschuh zu- rückkommende Magistratsvorlage über das Messe- und Aus- stellungsgelände, durch dessen Erweiterung die Leistungs- fähigkeit des Unternehmens beträchtlich gesteigert werden soll. Die rechtsstehenden Parteien brachten noch Bedenken vor, weil die frische Tatkraft, mit der im Rathause diese Pro- jekte angefaßt werden, ihnen auf die Nerven fällt. Ihnen antwortete unser Genosse Mendt, daß sie es offenbar verdrießt, sehen zu müssen, wie der Magistrat ohne sie auskommt und bei seinen Plänen von den links st ehenden Parteien u n t e r st ü tz t wird. Sie konnten die Annahme der Vorlage nicht vechindern. * Die gestern abgehaltene Sitzung der Stadtverordneten erledigte eine reichhaltige Tagesordnung, bei der die Aussprache und der Beschluß über die Erweiterung und die verkehrliche Erschließung des Messe- und Ausstellungsgeländes das größere Interesse in Anspruch nahmen. Bekanntlich will der Magistrat die beiden Automobil- hallen ankaufen, das Gelände bis nach chalensee hin erweitern und den Ausbau der am Gelände vorbeiführenden Eisenbahn st recke zu einem Personenbahnhof, ver- Kunden mit einem Gütergleisanschluß betreiben. Stadt- verordneter panschow berichtete aus dem Ausschuß, daß dieser die Annahme der Vorlage empfehle. Die Deutschnationalen wandten sich durch ihren Redner, Stadtverordneten Fabian gegen die Absichten des Magistrats. Sie brachten zunächst einen Antrag ein. der die Zurückverweisung der Vorlage an den Ausschuß und vom Magistrat eine spezialisierte Kostenaufstellung forderte. Fabian erklärte, daß der ursprüngliche Plan, nur Fachmessen abzuhalten, durchaus a\i dem vorhandenen Gelände in den bereitstehenden Hallen dureygefllhrt werden könne. Der Magistrat treibe Geheimniskrämerei und hätte noch keine Antwort darauf geben können, wozu dos ganze große Gelände dienen solle. In das Projekt werde viel Geld hineingesteckt, so daß schon allein die Verwaltung ein Vermögen kost«. Stadwer- ordneter Easpari(D. Vp.) erklärte die Zustimmung seiner Fraktion zu dem Antrag der Deutschnationalen. Der Redner sah in den großen Vrojekten, die der Magistrat vorhat, eine Gefahr für die städtischen Finanzen, und fragte, wo denn der Magistrat das viele Geld dafür herzunehmen gedenke. Die großen Projekte macht der Magistrat stets mit den Sozialdemokraten und den Kommunisten, klagte Cafpari. ob- wohl die letzteren niemals für die Bewilligung des Haushaltplanes zu haben sind. Die Deutsche Volkspartei   müsse das Projekt sehr ein- gehend prüfen, ehe sie sich zur Zustimmung entschließe. Der Wirt- schastsparteiler Scholler trat ebenfalls für den Antrag auf Zurückver- Weisung an den Ausschuh ein. Für die sozialdemokratische Fraktion sprach Genosse Mendt: Mir wundern uns nicht über die Haltung der Deutsch  - nationalen und ihren Anhang. Seitdem die Rechtsparteien nicht mehr die Mehrheit in der Stadt- Verwaltung haben, laufen sie gegen solche weitsichtigen Pläne Sturm. Sie zeigen dabei ihren alten konservativen Standpunkt, indem sie am Alten festhalten und sich gegen alles Neue stemmen, selbst wenn dieses Neue so stark im Interesse der Bevölkerung liegt wie die Magistrats- vorläge. Die Sozialdemokraten sehen in dem Projekt nur eine Rahmenvorlage, die notwendig ist, um der ungeheuer aus- st rebenden Stadtgemeinde Berlin   Entwicklungs- Möglichkeiten zu sichern. Die Sozialdemokraten stimmen selbstredend der Vorlage bei, sind allerdings auch der Meinung, daß der Magistrat vor Abschluß solcher Projekte der Stadtverordnetenver- sammlung Mitteilung machen sollte. Mir erwarten vom Ausbau des
Mesiewesens und von der geplanten Weltausstellung«inen steigen- den Einfluß der Weltstadt Berlin   im Wirtfchafts- leben Deutschlands  . Stadtrat Busch erläuterte die Vorlage eingehend und betonte dabei, daß es sich um eine Grund st ücksangelegen- h e i t und um ein Verkehrsprojekt handle. Die Zahlungs- bedingungen für den Grundstückserwerb feien vom Fiskus sehr günstig festgesetzt worden, nur bitte er, heute noch die Verabschiedung der Vorlage vorzunehmen, da sonst die gestellte Frist ablaufe. Die Vorlage wurde schließlich mit großer Mehrheit angenom- m e n, nachdem der deutschnotionale Antrag auf Zurückoerweisung abgelehnt war. Der Mogistrotsvorlage wegen der Uebernahme einer Zins­garantie für die Vollendung des Miltelland-Kanals wurde ebenfalls mit großer Mehrheit z u g e st i m m t. Dagegen stimmten wiederum die Deutschnationalen. Der vorberatende Ausschuß hatte die Vor- läge dahingehend abgeändert, daß das Reich die Ufer- und die Schleusenbauten bei dem auf Berliner   Gebiet entfallenden Teil des Mittelland-Kanals auszuführen habe, hingegen die Stadt die Grund- stücke überläßt und die Brücken baut. Die imVorwärts" vom Dienstag morgen eingehend be- sprochene Aenderung der Linienführung der AEG.-Bahn, weiter die Verlängerung der Untergrundbahn über Station Stadion hinaus bis zur Spandauer   Chaussee und die Weiterführung der Nordringlinie nach Pankow   wurden ohne Aussprache angenommen. In später Stunde wandte sich dann die Ver- sammlung noch der Beratung einer ganzen Reihe Grundstücks- angelegenheiten zu. Darunter befindet sich auch der in letzter Zeit in Verbindung mit dem amerikanischen   Wohnungsbauprojekt vielgenannte Ankauf des Südgeländes in Schöneberg  , der mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Genosse Loewy erklärte sich namens unserer Fraktion für die Vor- läge. Trotz mancher Bedenken, die beständen, trete aber die Sozial- demokratische Fraktion unter allen Umständen dafür ein, daß das Gelände nicht der privaten Spekulation über- lassen wird. Die Deutschnationalen versuchten hier, Obstruktion zu treiben, indem sie gegen die zweite Lesung waren. Es half ihnen aber nichts. Schließlich stimmte die Linke des Hauses noch der E n t- fernung des H o h« n z o l l e r n- D e n k m o l s in Reu- kölln zu. Am kommenden Donnerstag findet die letzte Sitzung vor den Ferien statt._ 1 Nach Kuba   oder nach Zinnlanö! Ein.Hilfspostschaffner mit 33 OVO M. durchgebrannt. Eine große Veruntreuung beschäftigt die Oberpostdirettion und die Kriminalpolizei. Der am 16. November 1894 in Kalenzitz ge- borene Hilfspostschaffner Fritz Wehlitz, ein Kriegsbeschädigter, hatte den Austrag, vom Postamt 18 nach dem Postamt C. 1 Brief- schaften und Geld zu befördern. Er erhielt zwei Beutel, von denen der«ine 17 966 und der andere 16666 Mark in großen und vielen kleinen Scheinen enthielt. Statt sie abzuliefern, bracht« er sie nach seiner Wohnung in die Georgenkirchstraße 12, leerte sie dort, legte seine Postuniforn, ab, zog einen blauen Anzug mit Strohhut an, verließ Wohnung und Haus und nahm eine Aktenmappe mit, in die er das erbeutete Geld hineingetan hatte. Die P o st b e u t e l lieh er leer in der Wohnung liegen. Wie die Ermittlungen ergaben, muß Wehlitz einen Fluchtplan von langer Hand vorbereitet und nur auf die Gelegenheit gewartet haben, um einen größeren Betrag in die Hände zu bekommen. Seiner Frau, die sich in Küstrin   aufhielt, schrieb er, daß er sie in den nächsten 'Tagen besuchen werde. Hier in Berlin   sprach er ebenfalls von diesem bevorstehenden Besuche. Als er in Küstrin   nicht eintraf, kam seine Frau in Sorge nach Berlin  , um zu sehen, was vorgefallen sei. Bald nach ihrer Ankunft erschien auch schon die Kriminalpolizei
in der Wohnung, um sie zu durchsuchen. Nachträglich wurde noch ermittelt, daß Wehlitz sich schon öfter mit dem Gedanken getragen hatte, ins Ausland zu gehen. Er hatte sich auch«inen Paß nach Kuba   besorgt, dann ober wieder geäußert, daß er nach F t n n- l a n d möchte. Alle Inlands-, Grenz- und Auslandsbehö.rden sind sofort benachrichtigt worden.
Die heutige Sonnenfinsternis. Zwischen 6 und 7 Uhr früh bei uns sichtbar. Die bereits mehrfach angekündigte totale Sonnenfinsternis, die heute früh auf der nördlichen Erdhalbkugel eintrat, begann um 4,59 Uhr morgens nach mitteleuropäischer Zeit an der afrikanischen Küste und endet nach fast vierstündiger Dauer um 9,46 Uhr im fernen Osten. Die Zone ihrer Sichtbarkeit ist diesmal außerordentlich groß. Der Streifen allerdings, der eine totale Sonnenfinsternis, d, h. eine ge- naue und völlige Verfinsterung der Sonnenscheibe durch den da- zwischentretenden Mond sehen kann, ist ziemlich schmal, erreicht mit 66 Kilometer Breite den südlichen Teil Irlands   über das nördliche England, durchquert ganz Skandinavien   fast in seiner Längsachse, läuft dann zu einem großen Teil durch das nördliche Eismeer und kreuzt das nördliche Sibirien   noch nördlich von der Halbinsel Kamtschatka  . In den übrigen Gebieten tritt keine totale Versinste- r u n g der Sonne ein, doch ist die Verdunkelung auch in Deutschland  noch so groß, daß der weitaus größte Teil der Srnne durch den Mond verfinstert wird. Mindestens 86 Proz. der Sonnen- scheide werden in Deutschland   am 29. Juni ver- d e ck t s e i n. In B e r l i n beträgt die Verfinsterung 86 Proz., in Hamburg   sogar 91 Proz., der Höhepunkt der Sonnenfinsternis liegt für die deutschen   Beobachter zwischen 6 und Uhr früh- morgens. Die Dauer der Totalität oder der größten Verfin- sterung wird allerdings nur 56 Sekunden im Höchstfalle betragen.
Schönes Wetter in Sicht! Es soll von Mitte Juli bis Mitte September warm sein. Wie wir von einem hervorragenden Meteorologen hören, dürfte das schlechte Wetter, das im Gegensatz zu Süddeutsch- land in Norddeutschland jetzt schon seit zwei Monaten anhält, voraussichtlich bald sein Ende finden. Eine längere Wärmeperiode steht bevor. Die Wissenschaft bietet zwar noch keine zuverlässige Handhabe, Wetterprognosen auf längere Zeit zu stellen, aber der Wahrscheinlichkeit nach dürfte, ähnlich wie es früher öfter beobachtet wurde, auf einen kalten und regnerischen Vorsommer «in warmer Hochsommer folgen. Etwas weiter in seinen Voraus- sagungen geht der in den Kreisen der Wissenschaft angesehene Lenin  - grader Meteorologe Professor M u l t a n o w s k i, der auf Grund besonderer, von ihm angestellter Berechnungen Wetterprognosen auf lange Sicht stellt. Nach der Meinung dieses Forschers soll am 15. Juli eine Wärmeperiode beginnen, die sich bis zum 15. September er- strecken wird. Da in der letzten Zeit in Rußland   eine ähnliche Witte- rung wie in Deutschland   herrschte, dürften diese Berechnungen wie uns der Berliner   Forscher mitteilte einen gewissen Anhalt   für die Witterungsverhältnisse in Deutschland   geben. Es erscheine nicht ausgeschlossen, daß die Besserung der Wetterlage bereits in der nächsten Woche eintrete. Pech eines Juwelendiebes. Das überaus dreiste Vorgehen eines Iuwelendiebes wurde diesem gestern nachmittag in einem Juweliergeschäft in der Friedrich. straß« 69 zum Verhängnis. In der fünften Nachmittagsstunde er- schien bei der Firma R. ein jüngerer Mann, der sich Juwelen im Werte von etwa 866 M. vorlegen ließ, sich aber zu einem Kauf nicht recht entschließen konnte. Der Inhaber wurde argwöhnisch und erkannte plötzlich an Hand eines Laufzettels den zögernden
In stark für dies Leben. 4s Von Iwan heilbuk. Grahl hörte noch seine festen Schritt«, wie er über den Flur in das Zimmer hinüberging, wo Gertrud lag und wahr- scheinlich noch wachte. Dann ging er selb«r behutsam ins Nebenzimmer. Dort, in dem Bette neben dem seinen, bei einem Lämpchen, das neben der Uhr stand, mit festverschlos- sencm Munde lag Anna, von ergrauendem haar das glühende Gesicht umrahmt, aber ohne Bewegung und unhörbar atmend. Viertes Kapitel. Am nächsten Morgen beim Kaffeetrinken saß Anna im Sofa. Grahl begann, wie in den letzten Tagen gewohnt, eine Unterhaltung von nebensächlichen Dingen, auf welche Anna mit kargen Worten, dazu mit ihrem beständigen Lächeln ein- ging. Grahl fühlte die Zeiger weiterrücken, er vergewisserte sich, daß seine Zeit schon knapp überschritten war aber er wollte seine Frau nicht verlassen, ohne ein bestimmtes Wort gefunden zu haben. Er suchte danach- Wie jeden Morgen empfand er es als Unmöglichkeit, Anna in ihrem einsamen Unglück für sich zu lassen. An diesem, dem entscheidenden Tage, erschien ihm das als Verrat, als den Bruch einer Pflicht. Er faß und blickte vor sich in die Tasse bis Anna aufstand und schweigend die Stube verließ. Der Morgen war dunkel. Regen sprang auf den blanken Straßen, an den Sielen schäumten die Strudel. Bei der Haltestelle, die in der Nähe der Wohnung gelegen war, hielt Grahl im Laufen inne. Aber die Trambahnen waren bei solchem Wetter kurz vor Beginn der Geschäftszeit so über- laden, daß sie die Stationen ohne zu halten durchfuhren. Und Grahl, unfähig auf einem Ort zu verharren, begann zu laufe? aus Furcht vor versäumter Zeit und aus dem Bedürfnis. das Denken in seinem Gehirn zu zerstreuen in einem Tempo, wie es ein eiliger Schuljunge anschlägt. Er hätte bei tücktigem Schritt weit länger als eine halbe Stunde für seinen Wea gebraucht nun lief er mit langen Beinen über die Straße der Schmutz des Pflasters spritzte an seinen Hosen hinauf.' und die Füße, in undichten Stiefeln, wurden vom Wasser aebadet. Er kämpfte um jede Sekundp und erledigte seinen Laus in siebenundzwanzig Minuten aber es war mithin doch dreizehn Minuten nach neun geworden. Als Grahl in die Nähe des Kontorhauses kam. zog er den Hut sehr tief ins Gesicht und ging nahe an den Häusern Er türchtete nichts so sehr, als seinem Chef, der selber erst eine Viertelstunde nach neun zu kommen pstegte�hier zu begegnen. Er wußte bereits aus Erfahrung, daß Wmters Automobil
von der anderen Seite auffuhr daher hielt er das Auge spähend vorwärts gerichtet, indem er mit kleinen Anläufen dem großen Portal näher kam. Aber noch etwa zehn Schritt vom Eingang entfernt, bemerkte er das blaue Automobil, wie es hielt... und schon erschien die zum Aussteigen etwas gebückte Gestalt seines Chefs. Grahl, überrascht von diesem Ereignis, stand einen Augenblick still, wie an die Stelle ge- zwungen. Er wollte zurück. Aber die Vorstellung: wie Winter an seinem leeren Pulte vorbeischreitend, stutzen würde und fragen... trieb ihn auf's Geratewohl vorwärts. Wäre er blind gewesen genauer hätte er nicht ins Verderben hineintappen können. Am Portal war er seinem Chef um einige Schritte voraus, er stieß die Türe auf, aber nur einen schmalen Spalt, durch welchen er selber allein hindurchschlüpfen konnte.... Daß Winter, der nun vor der zugefallenen ltür stand, schon allein wegen der Unhöflichkeit auf den vor ihm Gekommenen aufmerksam werden mußte, sagte Grahl sich nicht. Er kämpfte nur, wie ein Sterbender, um den Augen- blick, und wollte nichts weiter denken. Er jagte mit ein- gezogenem Kopf, an der Kontrolle vorbei, die Treppen hinauf. Indessen fuhr Winter, vom Hauswart höflich bedient, in einem nur für Chefs und höhere Angestellte bestimmten Aus- zug die höhe dreier Etagen aufwärts. Als er durch die Pultreihen kam, langsamen Schritts, um alle Plätze ein- gehend zu mustern, war Grahl, noch im Straßenjackett, statt wie nmohnt in der schwarzen Lüsterjacke, mit einer Rechnung beschäftigt Grahls Stirne war dunkelrot Winter blieb neben >hm stehen... so lange, bis Grahl seine Augen hob. Und Sie schämen sich nicht?" schrie Winter so laut, daß alle Köpfe im Nacken zuckten. Grahl starrte ihn an. Winter ging um den Bock herum, blickte unter das Pult, zog mit den Händen Mantel und Hut hervor, die Grahl dort in Eile verborgen hatte, schleuderte sie zur Erde und schrie noch ein- mal:.Sie schämen sich nicht?" Grahl, der bis in den Vorderkopf, wo seine dünnen haare klebten, erbleicht war, machte eine Bewegung mit Daumen und Zeigesinger zum Brillenglas aber diese Bewegung war so, als griff er sich an das herz. Winter betrachtete ihn mit seegrünen, zynisch lachenden Augen. Warum demütigt er mich dermaßen? dachte Grahl, wofern es Denken zu nennen war, was in ihm vorging. Endlich, endlich ging Winter weiter. Er ging langsam wie stets. Einem Lehrling befahl er, den Personalchef Herrn Karst zu rufen, der am anderen Ende des Ganges   in einem mit Glas- wänden geschlossenen Baum die Abteilung ganz überblicken konnte. Wenige Augenblicke später schon sah man Karst, eine große breitschulterige Erscheinung, den Gang zum Privat- kontor durchschreiten. Sein Gesicht, in dem nach Muster der
alten Militärs ein Schnurrbart stand, war voll und breit, von gesunder Farbe, wie das eines Landmanns. Der Aus- druck der Augen, wenngleich nicht Klugheit, so doch,, ein Geschick zur Diplomatie verratend, dazu der wiegend elastische Gang dies alles in einem verriet die Brutalität eines Mannes, der sich vom Pult des Kontokorrentbuchhalters bis in denGlaskasten" hinaufgearbeitet, und nun nicht ver- qessen hatte, wie schwer der Aufstieg gewesen wäre, und wie leicht nun der Borteil an Macht zu ziehen.... Jetzt betrat Karst   mit einer Verbeugung und klingendemGuten Morgen, Herr Winter," den Raum seines Prinzipals, um gleich darauf die Tür zu schließen. In der folgenden Stunde versuchte Grahl, sich zur Arbeit zu sammeln. Aber er raschelte nur unter Fakturen, blätterte in dem Journal hin und her. Seine Hände zitterten, hinter der Stirn führten zwei Stimmen Fiebergespräche. Als der Personalchef nach mehr als dreiviertel Stunden zurück'durch den Gang gekommen war, um in seinem Glasraum die Morgenpost zu sichten, bemühte sich Grahl, den Augenblick zu bemerken, wenn Karst  , mit dem Lesen des letzten Briefes zu Ende, für eine kurze Pause, die zwischen dieser und seiner nächsten Beschäftigung eintreten mußte, müßig am Schreib- tisch saß. Als dieser Zeitpunkt gekommen war, ging Grahl in denGlastasten", verbeugte sich, wünschte Guten Morgen, und bat mit leiser Stimme um Urlaub für einige Stunden, von halb zwölf gerechnet bis etwa um zwei. Karst, der nie den Ausdruck der Mienen veränderte, fragte nach einer Begründung. Grahl gab einen nicht aufzusparenden Weg, eine Altersversorgung betreffend, vor. Karst   konnte ein leises Lächeln nicht unterdrücken als er nach einer Pause erwiderte, Grahl möge diese Besorgung seiner Interessen noch um einige Zeit verschieben, später sei ihm der Urlaub gerne gestattet. Bei dieser Antwort erbleichte Grahl. Zusammen mit dem verschwiegenen Lächeln drückten die Wort« aus, was seinen Herzschlag stocken machte. Er betonte noch einmal die Dring- lichkeit seines Weges aber nun eigentlich nur noch zur Entschuldigung seiner Bitte. Er war ganz verwirrt. Dazu fragte Karst  , in dessen Augen nun keine Spur mehr von Lächeln lag, noch dem Stande der Arbeit. Und Grahl konnte nicht anders, als die Wahrheit gestehen. Karst   nickte er hätte nicht grausamer antworten können als ob ihm dies und nichts anderes erwartet käme. Doch, ergänzte Grahl, hoffte er durch vermehrte Stunden der Tagesarbeit mit der Prüfung seiner Fakturen noch bis zum rechten Termine fertig zu werden. Das hoffe er auch, sagte Karst, indem er nun auch den Ton zu dem vorigen Lächeln fand. Damit wandte er sich einer Liste zu, die inzwischen von einem Lehrling gebracht worden war,(Fortsetzung folgt.)