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Manchestermann und Sozialreform.

Entgleisungen des Abgeordneten Erkelenz auf dem Kongreß für Sozialreform. Seine Theorie nur von Unternehmern unterstützt.

Hamburg , 29. Juni. ( Eigener Drahtbericht.)

Am zweiten Verhandlungstag des Kongreffes der Gesell­fchaften für Sozialreform fam es beim Thema Selbst verwaltung in der Sozialpolitit zu einer lebhaften und temperamentvollen Diskussion, die weit über den Kreis der unmittel­bar Beteiligten hinaus Beachtung finden wird. Der Referent, Reichs­tagsabgeordneter und demokratischer Arbeiterführer Erkelenz , be= handelte in geradezu überraschender Weise das Thema vom manchesterlichen Standpunkt aus. Erkelenz hatte sich vor­genommen, für eine größere Selbstverwaltung in der Sozialversiche rung und ihre Befreiung von staatlicher Beeinflussung zu plädieren. Durch die Art seiner Begründungsrede wußte er aber auch den berechtigten Teil seiner Forderung derart in den Hintergrund zu stellen, daß Zweifel auftauchten, ob er überhaupt für die soziale Versicherung eintrete, so daß sich auf dem Kongreß anhaltender Widerspruch gegen seine Argumentation geltend machte.

na politik des Glaubens an eine neue Aera

Er führte u. a. aus: Die staatspolitischen Beweggründe für die Sozialpolitit im Kaiserreich waren, durch Staatshilfe die Bewegung der unteren Volksschichten zu unterbinden. Vom Standpunkt des Royalismus und Altkonservatismus gesehen, ist das auch richtig. Die Staatshilfe ist aber falsch gewesen vom Standpunkt der unver­meidlichen Entwicklung zur Demokratie aus. Kann und darf, so fragte Erkelenz , der demokratische Staat von heute dieselben Wege beschreiten? Nein! Selbsthilfe ist wichtiger als Staatshilfe. Es dient nicht dem modernen Staatsgedanken der Selbstverant­wortung und Selbstverwaltung, wenn der Bürger vom Staate ein­geengt und bevormundet wird. Der Bürger, der sich selbst helfen fann, muß dazu die Möglichkeit haben. Die gesunden und er­wachsenen Arbeiter und Angestellten sind durch ihre Organisationen heute start genug, sich selbst zu helfen. Sozialpolitit ist nötig zum Schuße der Jugendlichen, zum Schuße der schwangeren Frauen. Nötig ist auch die soziale Fürsorge für die Schwachen, die zur Selbsthilfe unfähig sind. Alle anderen muß man auf die Selbst­hilfe verweisen, wenn der demokratische Staat nicht ersticken soll in einer Unzahl von Einrichtungen der sozialen Bureaukratie. Bon allen Industrieländern hat Deutschland die niedrigsten Löhne und die niedrigste Kauftraft und zwar gerechnet Lohn zuzüglich Sozial leistungen der Kranken- und Invalidenversicheruna. Die Sozial versicherung hilft, die Löhne niedrig zu halten. Die Entwicklung der Sozialversicherung hemmt und hindert die Erhöhung der Kaufkraft der Bevölkerung.

Stresemanns Friedenspreis- Nede in Oslo .

Oslo , 29. Juni. ( WTB.) In seiner Rede im Festsaal der| Tagespolitit, Schwierigkeiten bestehender Koalitionen ändern nichts Universität gab Reichsminister des Auswärtigen, Dr. Streje mann, zunächst seinem Dant für die Verleihung des Nobel- Preises Ausdrud und sprach dann in etwa einstündiger Rede über folgende Gedankengänge: Diese Auszeichnung bildet eine Einheit in bezug auf die Politik anderer Länder, die denselben Weg gegangen sind. Somit gilt fie auch für Deutschland , nicht einer einzelnen Ber­sönlichkeit allein. Wenn es sich um große Ideen handelt, braucht der einzelne die Unterstützung seiner Nation. Gerade in Deutschland ist teilweise ein harter Kampf um die deutsche Außenpolitik geführt worden. Deshalb bin ich vielleicht am ehesten in der Lage, die Frage nach der

Geistesverfassung des heufigen Deutschland

zu beantworten. Das alte Deutschland ist vielfach nach Aeußerlich­feiten beurteilt worden. Der Gedanke des Stifters des Nobel­Friedenspreises war, den von ihm selbst mit genialem Erfinderblick entfesselten Naturkräften die bändigende Macht des Menschengeistes entgegenzusetzen. Daß die heutige Entwicklung des deutschen Boltes sich in solcher Richtung bewegt, ergibt sich daraus, daß die deutsche erständigungspolitit nicht möglich gewesen wäre, wenn sie nicht einem

tiefen Sehnen der deutschen Boltsfeele entsprochen hätte. Dabei freuzen sich die Ideen des nationalen und des inter­nationalen Zusammenwirtens. Wer das Höchste in sich entwickelt, was die Blutströme des eigenen Volkes ihm zu geben vermögen, der wird über das seinem Volk Eigene die große Linie des allgemeinen Empfindens so fühlen, daß auf dem erdgewachsenen Boden seiner Anschauung das große Menschliche die Wölbung über dem Dom der vaterländischen Empfindung ist. Man muß, wie Minister Herriot in Frankfurt fürzlich ausführte, national empfinden, um international wirfen zu können. Dem deutschen Bolt ist es nach dem militärischen Zusammenbruch nicht leichtgemacht worden, die nationale. Idee in diesem Sinne zu verstehen. In London sah das verwundete Bolt zum ersten Male seine Vertreter nicht als Objekt, sondern an einem Tisch mit den Vertretern einst feindlicher Nationen. Im September 1926 tam jener Eintritt Deutschlands in den Völkerbund, bei dem Herr Briand in einer Rede davon sprach, daß die Zeit der Kanonen und Mitrailleusen vorbei sein müsse, und in der er

Dort, wo der gesunde Mann nicht in einer Sozialversicherung ist, muß er sich viel mehr anstrengen, muß er darauf bedacht sein, mehr zurückzulegen, zu sparen, um gegen spätere Schicksalsfälle gesichert zu sein. Der riesige Apparat der staatlichen Zwangsversicherung muß in die freie Selbsthilfe übergeführt und die freie Selbsthilfe in enge Verbindung mit dem Staat gebracht werden. Das System unserer Riesentrantenfaffen ist falich. Für die neue Reichsarbeits­losenversicherung wäre die gewerbliche Gliederung das zweckmäßigste.beeren im Krieg auf den Schlachtfeldern gegenseitig errungen Das Schlichtungswesen tötet sowohl bei den Gewerkschaften wie bei den Unternehmerverbänden die Freude an der Berant­wortung und legt alle Last dem staatlichen Schlichter auf. Der Weg der Demokratie verlangt den Weg der Selbstverantwortung, Selbst­bestimmung und Selbstverwaltung.

Wie sehr Erkelenz mit seinen Ausführungen

dem Streben der Arbeitgeberverbände Vorschub geleistet hat, zeigte sich sofort, als der Korreferent, Regierungspräsident 3. D. Brauweiler, der leitende Geschäftsführer der deutschen Arbeitgeber verbände, das Wort nahm und erklärte, er könne den Aus= führungen des Herrn Hauptreferenten in weitem Umfang zustimmen! Gegen die Heberspannung der Gänge lung durch den Staat müsse Stellung genommen werden. Den Organen der Selbstverwaltung müsse möglichste Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit in dem ihnen zugewiesenen Wirkungsfreis ge­laffen werden. Auch gegen die Verbindlichkeitserklärung von Schiedssprüchen als einem st a atlichen Lohn diktat müsse man fich wenden.

In der Debatte ergriff als erster der greise Professor Tönnies- Kiel das Wort, um sehr energisch gegen Erkelenz Stellung zu nehmen. Er erflärte, das Schauspiel, das sich hier geboten habe, entbehre einer gewissen Bifanterie nicht. Die Gesell­fchaft für foziale Reform habe ursprünglich eine sozialistische Ten­denz gehabt. Katheder- und Staatssozialismus hätten bei der Gründung Bale geffanden. Die Gesellschaft solle dem praf­tischen Arbeiterschuh dienen. Heute aber hätten beide Referenten betont liberale Gedankengänge vertreten. Konsequent wäre es gewesen, wenn Herr Erkelenz zu der Forderung gekommen wäre, die Zwangsversicherung ganz abzubauen, Tönnies warnte davor, Amerika als Vergleich oder gar als Vorbild heranzuziehen. Amerita sei ein liberaler,

im Laffalleschen Sinne ein Nachtwächterstaat und durch und durch plutokratischer Staat. Mit dem eindringlichen Appell an die Gesellschaft für Soziale Reform, sich nicht davon ab bringen zu lassen, den Arbeiterschutz zu propagieren, schloß Professor

Tönnies.

die Worte sprach, die über diesem Jahrhundert stehen sollten, daß die beiden großen Völker, Deutsche und Franzosen , soviel Lor­hätten, daß die Zukunft sie sehen sollte nur im Wettbewerb um die großen idealen Ziele der Menschheit. Wer diese Stun den in Genf erlebt hat, der wird sie niemals vergessen. Die Zeiten, die seitdem gekommen sind, waren ein Auf und Ab, zeigten Wellen­berge und tiefe Täler, zeigten keimendes Vertrauen, auf das der Schnee des Mißtrauens und der Kriegspsychose folgte, zeigen gegenwärtig mehr eine Krisis des Vertrauens in die ganze Entwicklung des Friedens als eine einmütige Bejahung von allen Völkern der Erde. Und so kann heute gesagt werden Die letzten Reichstagsverhandlungen haben es bewiesen - daß in dem Willen nach Frieden und Verständigung die überwältis gende Mehrheit des deutschen Volkes sich einig ist. Wenn ein Bolt, dessen Umschichtung so gewaltsam war wie die unserige, des Bolschewismus nach rechts und links Herr geworden ist, so zeigt dies zunächst den Sieg des Realpolitischen über das Imaginäre und über den Illufionismus. Im neuen Deutschland hat

die Arbeiterklasse,

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gleichgültig welche politische Vertretung fie fich gab, sich fest an das Reich und den Staat gebunden. Tagesereignisse und

Lehmann vom Hauptverband der Krankenkassen erklärte die So Problemstellung des Abg. Erkelenz für vollkommen falsch. primitiv wie er dürfe man die Demokratie doch nicht auffassen. Die großen Krankenkassen haben ja erst die Sachleistungen ausbauen

fönnen.

In seinem Schlußwort verwahrte sich Erkelenz dagegen, daß das, was er vertreten habe, die Auffassung der Arbeitgeber­schaft sei. Er habe nicht alles so gemeint, wie man es aus seiner Rede schließen mußte. Die Forderung, die Zwangsver sicherung abzuschaffen, habe er nicht erhoben. 3wangsversicherung, aber gegen die 3wangs tassen. ( Hört, hört!)

Er sei für

Damit war die Tagung beendet und der Präsident von Noftiz schloß mit einem Dant an alle Teilnehmer den Kongreß.

Erfolgreiche Landtagsabstimmungen. Elbeingemeindungen, Elektrowirtschaft und Polizei­beamtengesetz mit sicherer Mehrheit verabschiedet.

Bon den weiteren 13 Diskussionsrednern wurde fast ohne Aus­nahme den Ausführungen von Erkelenz entgegengetreten und be­tont, daß er die Bedeutung der staatlichen Sozialversicherung für das deutsche Bolt verkenne und mit seiner Begründung den Geg nern Material geboten habe. Ministerialdirektor Griefer, der Leiter der Sozialpolitischen Abteilung des Reichsarbeitsministeriums, fragte Herrn Erkelenz mit feiner Ironie, ob er, was aus seinen Ausführungen nicht ersichtlich war, von Hause aus ein Anhänger der Zwangsversicherung sei oder sich nur auf den gegebenen Boden der Tatsachen gestellt habe. Unter wiederholter starter Zustimmung der Versammlung stellte er fest, daß die Sozialversicherungsträger in Deutschland der hauptsächlichste Träger der sozialen Hygiene überhaupt feien. Für die deutsche Boltsgesundheit seien die Leistungen der Krankenkassen und der übrigen Versicherungen von ausschlaggebender Bedeutung. Die Sozialversicherung zerstöre nicht den Sparfinn, sondern sei im Gegenteil eine Schule zur Erziehung des Sparfinns. Sie sei ein wirtschaftlicher, hygienischer und ethidungen im Unterelbegebiet hatten die Deutschnationalen scher Gewinn. Sie fei auch für die Arbeitgeber eine Schule für Die pflegliche Behandlung der Arbeitskraft und der Gesundheit ihrer Arbeiter.

Genosse Spliedt vom ADGB. unterstrich diese Ausführungen und fragte, wie es möglich sei, daß ein Sozialpolitiker wie Erte­lenz überhaupt nur die Frage habe aufwerfen tönnen, ob wir nicht zu viel Sozialpolitik hätten. Es fann feine Rede davon sein, daß wir zu viel Sozialpolitik haben, im Gegenteil, weiterer Ausbau ist

notwendig.

Der Präsident des Reichsversicherungsamtes, Dr. Scheffer, nahm ganz entschieden Stellung gegen die in den letzten Jahren gegen die Krankenkassen betriebene Hehe und stellte fest, daß das, was die Krankenkassen für die förperliche und seelische Entwicklung des deutschen Boltes geleistet hätten, nicht hoch genug veranschlagt werden fönne.( Lebhaftes Bravo!) Abg. Giesberis gab Herrn Erkelenz den freundlichen Rat, sich das Stenogramm feiner Rede noch einmal genau, durchzusehen daraufhin, ob er nicht in der Eile Formulierungen getroffen habe, die von bestimmter Seite gegen die Sozialpolitit ausgenügt werden fönnten. Denn sie ähnelten doch zu sehr den Gedankengängen, die immer wieder von gewisser Arbeitgeberseite vertreten würden. Dr. Brauweiler habe geklagt über das zu starte Eingreifen des Staates in die Wirtschaft. Dabei sei es die

Wirtschaft selbst, die fortdauernd nach Staatshilfe schreit.

70 Broz. aller Besuche und Briefe, die er als Abgeordneter emp­fange, beträfen Hilfegesuche von Wirtschaftlern an ben Staat

Der Landtag überwies am Mittwoch zunächst eine Reihe fleinerer Vorlagen an die zuständigen Ausschüsse und erledigte die Eingabenberichte der Ausschüsse für Beamtenfragen, Bevölkerungs­politit, Siedlungswesen und Verkehrsintereffen.

Zur dritten Cefung der Gesehentwürfe über die Eingemein. und Volksparteiler ihre Anträge auf namentliche Ab­ftimmung wiederholt. Die Eingemeindung von Blankenese nach Altona wird mit 239 gegen 144 Stimmen beschlossen, des­gleichen die von Nienstedten mit 240 gegen 121 Stimmen und die weiteren Eingemeindungen mit 250 gegen 133 Stimmen.

Schließlich wird das ganze Eingemeindungsgefeh in namentlicher Abstimmung mit 248 gegen 131 Stimmen unter lebhaften Bravorufen der Sozialdemokratie endgültig beschlossen.

Mit großer Mehrheit werden sodann die Gesetze über den Aus­bau des preußischen Hafengebiets an der unteren Elbe und über den Sonderfinanzausgleich zugunsten der preußischen Gemeinden bei Hamburg und Bremen in dritter Lesung angenommen. bezirte wird mit Zustimmung der Kommunisten an den Ausschuß Der fommunistische Urantrag auf Beseitigung der Guts für die Städte- und Landgemeindeordnung überwiesen.

Es folgen die Abstimmungen zu dem Gefeßentwurf über die unternehmungen Preußens in eine Aktiengesellschaft. Der 3usammenfassung der elettromirtschaftlichen Gefeßentwurf wird in zweiter Lesung nach den Ausschußbeschlüssen angenommen.

Der Antrag, den Sitz der Gesellschaft nach Kassel zu verlegen, wird gegen 3enirum und Deutschnationale Volkspartei und einzelne Abgeordnete der Linken abgelehnt, desgleichen Hannover gegen die Stimmen des Zentrums und einzelner Sozialdemokraten. Der Siz der Gefell dhaft bleibt also Berlin .

In dritter Lesung wird das Elektrowirtschaftsgesetz en bloc angenommen.

an der geschichtlichen Tatsache, daß alle Parteien heute am neuen Deutschland mitarbeiten, denn schließlich siegte über alle Ver. schiedenheit der Anschauungen doch der Gedanke, daß alle Hände notwendig waren zum Aufbau, daß die Söhne und Enkel, die einst zurückblicken werden auf diese Zeit, die Palme der Anerkennung nur denen reichen, die in dieser schweren Zeit nicht beiseite stan den, sondern Hand mit anlegten, um das zusammengestürzte Haus wieder aufzubauen. Gegenüber der Idee ,, aites oder neues Deutsch­ land " fand sich die Synthese der Verbindung des alten mit dem neuen. Diese Synthese sieht das deutsche Volk verkörpert in der Persönlichkeit seines Reichspräsidenten . Er war dem Mann gefolgt, der, hervorgegangen aus den Kreisen der alten grundsätzlichen Opposition,

als erster Präsident des Deutschen Reiches mit großem Taft, mit politischer Weisheit und mit starter Baterlandsliebe den Weg vom drohenden Chaos

zur Konstitution, von der Konstitution zum Wiederaufbau mit ge­ebnet hat. In dem vom Volt gewählten Reichspräsidenten von Hindenburg sieht das deutsche Bolt die Persönlichkeit, in der sich die Idee der Volksgemeinschaft verförpert. Ich bin so sicher wie Briand , daß gerade diejenigen, die an der Front den Weltkrieg erlebt haben in all seiner Größe und in all seinem Grauen, die Träger einer neuen Zukunft des Friedens sein werden. Europa wurde zerstampft durch den Krieg wie faum ein anderer Erdteil. Warum sollte nicht bei uns, die unter allen Mächten am meisten unter dem Kriege gelitten haben, der Drang nach Frieden am größten sein? Die Einleitung der Politik von Locarno war ein Wendepunkt in der Entwicklung der europäis Deffentlichkeit das Problem nur unter dem Gesichtspunkt der Aus­schen Nachkriegszeit. Es ist irrig, zu glauben, daß die deutsche wirkungen für Deutschland allein ansieht.

Locarno bedeutet viel mehr.

Es ist einmal der Zustand des dauernden Friedens am Rhein gewährleistet durch feierlichen Berzicht der beiden großen Nachbarnationen auf Anwendung von Gewalt, gewährleistet durch die Verpflichtung anderer Mächte, demjenigen Hilfe zu leihen, der entgegen dieser seferlichen Vereinbarung Opfer der Gewalt wird.

Das ist die treuga dei , der Gottesfriede, der dort herrschen soll. Er fann und soll weiter die Unterlage sein für ein Zusammen­wirken dieser Mächte, um Frieden zu verbreiten, wohin immer ihre moralische und materielle Macht und ihr Einfluß reicht. Für diesen Gedanken steht heute die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes ein. Aber mit diesem Gedanken wäre es nicht vereinbar, wenn auf dem Boden eines Landes, das als unterlegenes Land der Revanche abschwört und dem Frieden sich bietet, auf Jahre hinaus fremde Bajonette stehen sollten. Die Politik von Locarno ist unvereinbar mit Politik des Mißtrauens, mit Politik der Gewalt, mit Politik der Unterdrückung. Sie ist Politik der Ver­ständigung, Politif des freien Willens, sie ist die

Politik des Glaubens an eine neue Aera .

Berstehe ich Sie recht, dann war es Ihr Volt, das, in mehr als hundertjährigem Frieden lebend, diese Idee bekräftigen wollte durch die Entscheidung des Nobel- Komitees, das den Männern von Locarno den Preis zuerkannte für ihr Streben. Ich freue mich, in der Haupt­stadt Ihres Landes heute den Dant aussprechen zu dürfen für diese Ehrung. Ich verbinde mit diesem Dank die Hoffnung, daß die Ideen, die Ihrer Ehrung zugrunde lagen, Gemeingut werden möchten der ringenden Nationen der Gegenwart, auf daß, wenn dieses Ziel erreicht wird, das Wort wahr werden möge, daß der große Deutsche, der am meisten über die Völker hinaus wirkte, einst aussprach: Wir bekennen uns zu dem Geschlecht, das aus dem Dunkel ins Helle strebt."

Das Polizeibeamtengefeh wird in dritter Lesung mit den Stimmen aller Parteien gegen die Kommunisten an­genommen.( heiterfeit bei den koalitionsparteien.)

Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sigung Donners­tag mittag, 12 Uhr: Kleinere Vorlagen, Berichte des" Hauptaus­schusses über Staatshilfe bei Ueberschwemmungs- und Sturmschäden.

Daudet bleibt verschwunden.

Der Chefredakteur der Action Française" verhaftet. Paris , 29. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Nach einer neuen Haussuchung bei der Action française" ist am Mittwoch der Haupt­schriftleiter des Blattes und Präsident der nationalistischen Jugend­verbände Pujo in seiner Wohnung verhaftet und in das Ge­fängnis eingeliefert worden. Die Verhaftung erfolgte, weil Bujo in seinem Blatte die ganze Verantwortung für das Befreiungs­programm Daudets übernommen hatte.

Die Nachforschungen nach Daudet find bisher ergebnis. los verlaufen. Man vermutet, daß er sich überhaupt nicht ins Ausland begeben hat, sondern noch in Paris versteckt aufhält. Eine belgische Meldung will wissen, daß Daudet in Namur an­gekommen ist.

Die Urteilsvollstreckung verschoben. Die Nachprüfung der Todesurteile gegen Sacco und Banzetti noch nicht fertig. London , 29. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Der Gouverneur von Massachusetts hat die Urteilsvollstreďung gegen Sacco und Vanzetti, welche am 10. Juli stattfinden sollte, aufgeschoben. Wie gemeldet wird, ist hierfür maßgebend, daß der Bericht der vom Gouverneur zum Studium des Falles eingesetzten Kommiffion nicht rechtzeitig fertiggestellt werden konnte.

Das Ende der Siffenpolizei. Am 1. Oftober, mit Infrafttreten des Reichsgesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, hören die Reglementierung der Prostitution und die Sittenpolizei auf. Um Wohlfahrtsministerium wesentliche Erleichterungen der einen Uebergang zu schaffen, haben das preußische Innen- und das bestehenden Bestimmungen angeordnet. Die Wohnungsbeschränkungen werden aufgehoben, wohnungswirtschaftliche und bauliche Maß­bürgerliche Leben erleichtert werden. nahmen anempfohlen. Den Prostituierten soll die Rückkehr ins

Personalveränderungen in Preußen. Reg.- Rat Dr. Röhm ist des preußischen Staatskommissars für die Regelung der Wohlfahrts­an Stelle des Ministerialdirigenten Peters zum dritten Stellvertreter Pflege ernannt worden.

3wei polnische Spione, die auf dem Gebiet der Sowjetunion Spionage zugunsten des polnischen Generalstabs trieben, wurden, mie Moskau meldet, in Schitomir in Wolhynien zum Tode verurteilt. Das Urteil ist bereits vollstreckt.