Abendausgabe
Nr. 307 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 151
Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: S. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292- 297 Tel- breffe: Sozialdemokrat Berlio
Vorwärts
NO
Berliner Volksblaff
10 Pfennig
Freitag
1. Juli 1927
Berlag und Anzeigen obteilungs Gefchäftszett 8 bts 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin Sm 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Donhoff 292-297
Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Arensdorf vor dem Landtag.
Deutschnationale Provokateure.- Großer Tumult.- Unterbrechung der Situng.
Der Preußische Landtag trat am Freitag um 10 Uhr zu seiner letzten Sizung vor den Sommerferien zusammen und überwies zunächst den Antrag auf Vereinigung von Nowawes und Neubabelsberg dem Gemeindeausschuß.
Hierauf begann die Beratung der sozialdemokratischen großen Anfrage über die Bluttat in Arensdorf.
Zu ihrer Begründung erhielt das Wort:
Abg. Krüger- Brandenburg( Soz.)
Das blutige Ereignis von Arensdorf am Sonnabend, 25. Juni, ist nur ein Bild aus der großen Tragödie, die unter dem Namen politischer Mord über die deutsche Bühne geht. Ein junger Mann im blühenden Alter von 19 Jahren ist das Opfer fana. tisierter Banden geworden, die teine andere Lebensaufgabe tennen, als gegen die Republit mit allen Waffen Krieg zu führen. Der Mord ist nicht das Wert eines halbblöden Bauernjohnes, nicht die Tat einiger junger Menschen, die mit den friedlich dahin fahrenden Reichsbannerleuten Händel anfingen, seine Ursachen Tiegen tiefer.
Der Junker Udo von Alvensleben , der Führer des Werwolfs im dorfigen Bezirt, ist uns längst berüchtigt aus den Berhandlungen des Fememordprozesses. Wochenlang hat er zusammen mit dem Vater des eigentlichen Mörders, dem Stahlhelmführer Paul Schmelzer. Roßbachleute in Arensdorf beherbergt, und auf dem Land, das er für die Siedlungen friedlich und freiheitlich gesinnfer Bauern verweigert, hat er die Schießstände angelegt, auf denen er die Mordbuben einübt.
Dort wird nicht Sport getrieben, um Geist und Muskeln zu stählen, dort werden die Sturmtolonnen gegen das neue Deutschland eineɣerziert.( Sehr wahr! bei den Soz.) Der Geist der Ehrhardt, Ludendorf, Roßbach, Seldte und Düsterberg ist es, in dem der Waffengang gegen die Republit vorbereitet wird. Die Junkertaste, die bis zum Jahre 1918 in Preußen unumschränkt regiert hat, die in ihrem Uebermut die Stimme des Volkes als die Stimme des Rindviehs bezeichnet hat, will und kann nicht anerkennen, daß sie abgewirtschaftet hat. Aus ihrer ohnmächtigen But gegen die Republik hat sie die Reihe der Mordtaten erzeugt, denen Erzberger, Rathenau und in gewissem Sinne auch Friedrich Ebert zum Opfer gefallen sind und an die fich jetzt der Mord von Arensdorf anschließt, der troß der flammenden Em pörung des arbeitenden Boltes vielleicht noch nicht der letzte gewesen jein wird.( hört, hört! bei den Soz.) Denn die Rechtspreffe hat den Mörder ja verherrlicht und es begrüßt, daß die Landbevölkerung fich gegen die„ Ausbreitung der roten Best" jo tatkräftig zur Behr setzt. Ber selbst in Frankfurt gewesen ist, weiß wie leidenschaftlich die Massen danach verlangt haben, die Mördernester vom Stahlhelm, Werwolf und Reiterverein auszunehmen. Aber wie stets haben unsere Massen Disziplin gewahrt. Wir haben seit 1918 unter Zurück stellung aller Parteiintereffen nur ein 3iel getannt: Deutschland und den deutschen Staat zu retten und im Innern sichere zu. stände zu schaffen. Sie aber, die Sie die Namen deutsch und national und vaterländisch monopolisieren möchten, Sie tragen die Schuld an dem vergoffenen Blut. In jedem Moment der Geschichte haben Sie sich als zu feige erwiesen, um zu Baterland und Ueberzeu. gung zu stehen.( Sehr wahr! b. d. Soz.) Streichen Sie ruhig das Wort vaterländisch aus Ihrem Namen. Es ist ein sträflicher Mißbrauch des deutschen Namens, wenn Sie ihn als Parteischild führen. Abg. Wiedemann( Dnat.) ruft: Unverschämter Rerl! Der Präsident bittet um Ruhe.
Abg. Wiedemann wiederholt seinen Zuruf. Bräsident Bartels: Ich bitte dringend, beleidigende Ausdrücke zu unterlassen.
Abg. Wiedemann: Er ist doch ein frecher, unverschämter Kerl! Allgemeiner Tumult.
=
In diesem Augenblick springt der Abg. Meier- Berlin auf und stürzt unter dem Ruf„ Schamloser Provokateur" auf den Abg. Wiede Mehrere Abgeordnete der Deutschnationalen Boltspartei treten dazwischen und stoßen ihn zurück. Es entsteht eine längere heftige Brügelei, die schließlich von den Abgg. Severing und Bied auseinandergebracht wird. Der Präsident hat inzwischen seinen Stuhl verlassen und den Weltestenrat einberufen.-
Der Weltestenrat beschloß nach längerer Beratung, dem Präfidenten zu empfehlen, den Abgg. Wiedemann und Otto Meier ( Berlin ) einen scharfen Ordnungsruf zu erteilen, Don weiteren Maßnahmen aber zunächst abzusehen.
Ordnungsrufe nach beiden Seiten.
Um 12.50 Uhr eröffnet Landtagspräsident Bartels wieder die Sigung. Die Abgeordneten find fast vollzählig zur Stelle, die Tribünen sind überfüllt Nachdem der Weltestenausschuß in fast zweistündiger Beratung über die Vorkommnisse debattiert hat, stellt Landtagspräsident Bartels feft, es hatte sich leider nicht genau ermitteln lassen, von welchem Abgeordneten die Vorgänge provoziert worden sind und welche Abgeordnete geschlagen haben. Die Vorgänge, die sich abgespielt haben, sind einer Parlaments. Deriretung unwürdig. Präsident Bartels richtete an alle Parteien das Ersuchen, die Verhandlungen in strenger Sach.
-
lichkeit fortzuführen. Der Abg. Wiedemann erhielt für seine beleidigenden Zwischenrufe vom Präsidenten einen Ordnungs. ruf. Der Abgeordnete Meyer Berlin erhielt einen Ordnungsruf, weil er sich auf die rechte Seite des Hauses begeben und erregte Diskussionen entfesselt hat. Es ist nicht festgestellt und wird von mehreren Zeugen bestritten, daß Abg. Meier geschlagen hat.
Die Deutschnationalen machten bei den Ausführungen des Präfidenten fortwährend Zwischenrufe und verließen, als Abg. Genosse Krüger seine Ausführungen fortsette, den Saal.
dern nach Müncheberg eingeliefert worden und dort freigelassen worden seien, ungeachtet der unleugbaren Verdunkelungsgefahr. Der Minister des Innern müsse dafür sorgen, daß die Republikaner nicht Freiwild werden. Er dürfe nicht vergessen, daß wir fanatisierte Horden haben, denen ein Menschenleben gar nichts bedeutet. Der Redner verliest ein 3irkular des Stahlhelms in Schneidemühl , der zur Einweihung des dortigen Stadions am letzten Sonntag Befehl an den Kern Stahlhelm gegeben hat, den Festzug unauffällig zu begleiten: Anzug: Zivil mit angelegten Abzeichen und Stod."
Abg. Krüger- Brandenburg( Soz.) fortfahrend: Mein letzter Satz ist vielleicht in dem Tumult nicht allgemein gehört worden. Ich bots, das für Berlin erlassen ist, auf ganz Breußen. Weiter verRedner verlangt die Ausdehnung des Stockver wiederhole deshalb meine Aufforderung an die Rechtsparteien: Streichen Sie die Worte national und vaterliest der Redner Inserate des Stahlhelms, in denen zum Handländisch aus Ihrem Sprachschatz und ihrer Parteibezeichnung, auch zum erlaubten Sport gehöre. In Landsberg a. d. B. hätte der granatenziel werfen eingeladen wird und fragt, ob das denn Sie schädigen damit den ehrlichen Namen der arbeitenden Be- Stahlhelm fich am legten Sonntag angemaßt, die Straße räumen zu pölkerung Deutschlands und beeinträchtigen das Ansehen der deut dürfen. Dieses Brigantentum müsse endlich unterbunden schen Nation vor dem Auslande.( Große Unruhe rechts. Die Rechts: werden. parteien verlassen geschlossen den Sizungssaal.) Der Redner geht dann auf die Einzelheiten der Mordtat von Arensdorf ein. Der Bater des Mörders, Gutsbefizer Paul Schmelzer, hat am Sonntag nach dem Ueberfall auf das Reichsbanner- Auto
öffentlich gefagt, leider feien viel zu wenig von der Bande erschoffen worden. Eigentlich müßten sie alle totgeschlagen werden. ( Große Bewegung.)
Der Justizminister müsse aufklären, warum die beiden verhafteten Anstifter des Zusammenstoßes nicht nach Frankfurt , son
Bei Schluß des Blattes spricht der Redner weiter.
Veränderungen in der Staatsverwaltung.
Neue Staatssekretäre.
Das preußische Staatsministerium hat in seiner lehten Sigung beschlossen, an Stelle des bisherigen Staatssekretärs im Justizminifterium Fritze den Abg. Hölscher( 3.), an Stelle des Staatssekretärs Ramm im Landwirtschaftsministerium den
Notlandung ins Meer!
Byrd 200 Meter vor der Küste bei Bayeux niedergegangen. an Strand geschwommen.
-
Die Flieger
, America" ist bereits angenommen worden. So werden sie mit Chamberlin und Levine zusammen am Samstag beim Empfang des französischen Aeroklubs anwesend sein, ferner an einem vom Marineattachee der Vereinigten Staaten gegebenen Früh stück, und am 4. Juli an dem Diner der amerikanischen Handelstammt teilnehmen. Byrd beabsichtigt, einige Wochen in Paris zu bleib wo er bereits früher furze Zeit meilte.
Paris , 1. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Offiziell| mafers sein. Eine Reihe von Einladungen für die Besatzung der wird mitgeteilt, daß das Flugzeug ,, America" am Freitagmorgen um 5.45 Uhr etwa 200 Meter von der tüste bei Ver sur Mer, nordöstlich von Baheug im Departement Calvados ( zwischen Le Havre und Cher bourg) eine Notlandung vorgenommen hat, indem es auf das Wasser niederging. Für die Nachricht, daß das Flugzeug gegen 3 Uhr morgens bereits in der Gegend von Paris war, liegt keine Bestätigung vor. Infolge des starken Regens, der während der Nacht niederging, fand sich das Flugzeug nicht mehr zurecht und verfehlte Paris . Byrd und seine Mannschaft erreichten schwimmend das Ufer.
Der Apparat erheblich beschädigt. Paris , 1. Jult.( WTB.) Havas meldet aus Caen : Das Flugzeug des Majors Byrd wurde heute vormittag 11 Uhr an mehreren Schiffen befestigt, da es während der Flut nicht an den Strand gebracht werden kann. Erst bei Einsehen der Ebbe gegen 2 Uhr nach mittags wird es an Land geschleppt werden können. Byrd erwartet an Ort und Stelle die Bergung seines Apparates, um ihn dann zu untersuchen. Sierauf wird er sich nach Caen begeben. Schon jekt steht fest, daß der Apparat ziemlich erhebliche Beschädigungen erlitten hat.
Die Ozeanflieger wohlbehalten.
Paris , 1. Juli. ( TU.) Wie der Kommandant des Flughafens Le Bourget mitteilt, befinden sich Byrd und seine Begleiter wohlauf. Wie weiter bekannt wird, ist die„ America" über 200 Meter Don der Küste entfernt auf dem Wasser niedergegangen. Ueber die Gründe der späten Landung und des Niedergehens auf dem Waffer liegen bis zum Augenblick noch keine genauen Nachrichten vor.
ENGLAND Mengen
OCEAN
ATLANT.
Quessant
Der Canal
Bayeux
Le Bourget
St Brieur
17711
Die Flieger werden sich nun nach Paris begeben, der Zeitpunkt ihrer Ankunft steht jedoch noch nicht fest. Während ihres Pariser Aufenthalts werden Byrd und seine Begleiter Gäste Wana
Paris in Erwartung/ Gerüchte und Falschmeldungen
Paris , 1. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Der amerikanische Flieger Byrd, der am Mittwoch vormittag 10.45 Uhr zum Ozeanflug startete, hat am Donnerstag abend 8.30 Uhr nach einem schwierigen Flug durch dichten Nebel und Regen die französische Küste bei der Hafenstadt Brest erreicht und den Flug in der Richtung Paris fortgefeht. Die Flieger und die Hafenbehörden tauschten funkentelegraphische Grüße aus und bis% 1 Uhr nachts blieb der Flieger in ständiger funtentelegraphischer Verbindung mit verschiedenen französischen Funkstationen der Hafenstädte und der Umgebung von Paris .
Gegen 12.50 Uhr wurden plöhlich die funkentelegraphischen Mitteilungen verwirrt und zusammenhanglos. Man entnahm aus ihnen nur, daß die Flieger sich verirrt hätten und die franzöfifchen Funtftationen erfuchten, ihnen einen Ort außerhalb von Paris anzugeben, wo fie niedergehen könnten. Die französischen Antworten auf diese Anrufe sind aber ohne weitere Antwort geblieben. Von 1 Uhr nachts an hatten sämtliche französischen Funkstationen die Spur der Flieger verloren.
Gegen 3 Uhr morgens verbreitete sich auf dem Flugplatz von Le Bourget, wo eine Menschenmenge von über 10000 Personen froß des Regens bis in die Morgenstunden ausharrte. das Gerücht, daß die Flieger auf dem Flugplatz von Iffy bei Paris niedergegangen feien. Es stellte sich heraus, daß dies eine Falschmeldung war, aber auch die Behörden des Flugplahes von Le Bourget schenkten ihr Glauben und stellten die Scheinwerfer ab und sämtliche Polizeikräfte, gefolgt von den Menschenmassen, strömten nach dem Flugplah von Issy, südwestlich von Paris . Nach einer halben Stunde stellte man fest, daß der in 3ffy niedergegangene Flieger nicht der Ozeanflieger fei.
Einige fleinere Radiostationen wollen bis 3 Uhr SOS- Rufe von der„ America" vernommen haben. Um 3.15 Uhr erklärte man, nicht behaupten zu können, daß SOS- Rufe feitens der America" gegeben worden find. Um 3,20 Uhr verfuchte die Funkstation von Le Bourget, mit dem Flugzeug in Verbindung zu treten, erhielt aber feine Antwort. Wegen des andauernden Regens fonnte auch fein Flugzeug aufsteigen, um nach der„ America" zu suchen.
Gegen 4.45 Uhr morgens verbreitete fich von neuem das Gerücht, die Flieger feien in der Gegend von Chartes zur Notlandung gezwungen worden. Aber auch diese Meldung erwies sich als unrichtig.
Um 5.30 Uhr lagen bei Havas über den Flug der„ America" noch keine zuverlässigen Nachrichten vor.