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Einheitsstaat, Schutzpolizei, Reichsbanner. Im Dienst der Republik  . Wie stark die Bestrebungen für den Einheitsstaat im Volke wurzeln, bewies die legte Mitgliederversammlung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Oold" der Kameradschaft Lichterselde-Lankwitz. Der Saal war trotz des schönen Sommerabends vor Eröffnung der Ver- fammlung überfüllt. Ueber den Einheitsstaat und die Wege zu ihm sprach Ministerialdirektor Dr. C. F a l ck, der etwa folgendes ausführte: Die Errichtung der großdeutschen Einheit?- r e p u b l i k   sei das Ideal, das dem Reichsbanner vorschwebe. Aus dem Wege zu dem Einheitsstaat sei unser deutsches Volk seit Ansang des vorigen Jahrhunderts ein gut Stück vorwärts gekommen. Ueber löOO selbständige Staaten seien durch den Reichsdeputationsbeschluß vom Jahre 1892 beseitigt worden. Auf dem Wiener Kongreß   sei dann der Deutsche Bund   von 3S Staaten gebildet worden, und die kleindeutsche Lösung des deutschen Staatsproblems durch den Fürsten Bismarck habe mit Einschluß von Elsah-Lothringen   25 deutsche  Bundesstaaten in dem deutschen Kaiserreich zusammengeführt. Heute seien noch 18 Staaten vorhanden, nachdem Koburg   in Bayern   auf- gegangen und die Thüringischen   Kleinstaaten sich zu einem Gesamt- Thüringischen«taat zusammengeschlossen hatten. Aber auch die innere Entwicklung des Deutschen Reiches sei auf den Einheitsstaat gerichtet. Der größte und stärkste Schritt in dieser Richtung sei nach der Weimarischen Verfassung im Dezember 1919 erfolgt, als der große republikanische Staatsmann, der Reichsfinanzminister Erz- berger, die einheitliche Reichsfinanzvenvaltung geschaffen habe. Sie habe sich in den Tagen der Inflation als eine der stärksten Klammern zur Aufrechtcrhaltung der Reichseinheit erwiesen. Heute verfügten die Länder über die allgemeine Staatsverwaltung, die Polizei, die Justiz und die Schule. Daneben stände ihnen die selb- ständige Regelung der Rechtsverhältnisse ihrer Beamten zu. Dr. Falck besprach dann eingehend die Bedeutung, die der Reichs- r a t und in ihm die preußischen Provinz ialoertreter auf die staatsrechtliche Entwicklung in Deutschland   haben, und wie die Einstellung der Reichsratsbevollmächtigten auf die weitere Ent- wicklung zum Einheitsstaate einwirke. Zum Schluß erörterte der Redner die Maßnahmen, die schon heute zur Vorbereitung des Anschlusses vonDeutsch-Oe st erreich ergriffen werden müssen. In der Diskussion sprach zustimmend Ministerial- direktor K n ö n e r. Zur Versammlung waren eingeladen neben den Reichsbannermitgliedern und deren Angehörigen interessierte Re- xublikaner. Der Einladung waren auch mehrere Polizeioffi- ziere und etwa 59 Polizeiwachtmeister der Inspektion Steglitz  -Lichterfelde  , zum Teil mit ihren Angehörigen, gefolgt. Po­lizeihauptmann Lemke dankte namens der Schupobeamten dem Reichsbanner für die freundliche Ausnahme und den gebotenen aus- gezeichneten Vortrag. Er bezeichnete es als Selbstverständlichkeit, daß die Schupobeamten aus innerer Ueberzeugung Dien st an der Republik tun. Als Staatsbeamte und Polizei- beamte sind sie an der Durchsetzung der Einheitsstaatsbestrebungeu besonders interessiert. Die Versammlung zeigte wieder einmal, wie das Reichsbanner die Bestrebungen zum Ausbau unseres demokratischen Staatswesens zum Wohle des Volksganzen fördern kann.
Starkstrom im Müllwagen. Ein eigenartiger Unfall ereignete sich gestern nachmittag kurz nach 3 Uhr an der Kreuzung Scharnweber- und General Bae'by-Straße in Reinickendors-West. Aus den Schienen der Straßenbahn fuhr ein großer eiserner Kastenwagen der Müllabfuhr- gesellschast, als plötzlich aus bisher noch nicht geklärter Ursache der Waggn inst, der S t a r k st r o in l e i t u.n g in Berührung kam. Ein gl-oaUlger Funk« sprang über und setzte den Wagen unter Strom. Die beiden Pferde wurden aus der Stelle getötet. Der Kut- scher wurde vom Bock geschleudert und kam wie durch ein Wunder mit leichteren Verletzungen davon. Er mußte jedoch, da er einen schweren Nervenansall bekam, in das Paul-Gerhard-Stift überführt werden. Es dauerte längere Zeit» bis der schwere Wagen unter größter Vorsicht von den Schienen geschoben werden konnte. Es ent- stand«ine empfindliche Verkehrsstörung von etwa ein- halbstündiger Dauer. Der Straßenbahnoerkehr ruhte in beiden Richtungen. SO Jahre Reichspatentamt. Aus Anlaß seines Zlljährigen Bestehens veranstaltete das Reichspatentamt eine Festsitzung, an der außer den Ange- hörigen des Reichspatentamtes unter anderen Reichsminister der Justiz Dr. H e r g t und Reichswirtschaftsminister Dr. C u r t i u s teil­nahmen. Reichsjustizminister Dr. H e r g t verbreitete sich in längerer Rede über die Ziele und Aufgaben des Patentamtes. Kommunistische Ausschreitungen. Zu schweren Ausschreitungen kommunistisckier Straßendemon- stranten kam es gestern abend gegen 8 Uhr in der Lessingstraße zu Lichtenberg  . Ein etwa 1999 Mann starker kommunistischer Demon- strationszug bewegte sich durch die Lessingstraße,.als plötzlich wie auf ein Kommando sich etwa 199 Rote Frontkämpfer aus das Be- eitkommando von drei Schupobeamten stürzte und einschlug. Den eamten gelang es, sich durch die Menge zu dem Kraftwagen durchzuschlagen. Ein Beamter gab in höchster Bedrängnis mehrere Schreckschüsse ab, worauf zahlreiche Teilnehmer des Zuges in die anliegenden Häuser flüchteten. Ein Teil des Zuges marschierte jedoch richig und unbehelligt weiter. Von der Polizei wurde Ver- stärkung herangezogen. Fünf der Hauptangreifer wurden ver- haftet und der Abteilung In im Polizeipräsidium zugeführt. Drei Schutzpolizeibeamte haben durch Schläge leichte Kopfverletzungen davongetragen. Der Zwischenfall soll dadurch entstanden sein, daß einer der Polizeibeamten einen Demonstranten von der Straße ge- wiesen hatte. Oeffentliche Gesanqskonzcrte. Im Rahmen einer W'.rbcwoche sür den Chovgesang veranstaltet der Gau Berlin   des Deutschen Arbeiter sängerbundes durch seine Bezirke in Groß-Berlin vom 4. bis 9. Juli auch eine Reihe von öffentlichen Gesangslonzerten, die an den Abenden auf den nachstehenden Plätzen stattfinden. Es kommen in Einzel- und Gruppenchören Lieder für Frauen, Männer und gemischten Ehor zum Vortrag. Montag, 4. Juli: 7 Uhr Reuterplatz in Neukölln: 71e Uhr Bosepark in Tempelhos. D i e n s t a g, 5. I u l i: 7 Uhr Körner­park und Reuterxlatz, Neukölln: 7� Uhr Ottopark, Moabit  , und Schillerpark  . Mittwoch, 6. Juli: 7l4 Uhr Küstriner Platz, Ost- bahnhof: Park am Friedrichshain  : Körnerpark, Neukölln: Stadtpark in Steglitz  : auf dem Luther  - und Metzer Platz in Spandau  . Don- nerstag, 7. Juli: 7Vi Uhr Neuer Volkspark Wuhlheide, Ober- schöneweide: Kranoldplatz, Neukölln  . Freitag, 8. Juli: 7� Uhr Schillerpromenade, Neukölln: Lausitzer Platz: Bürgergarten in Pankow  : Stadtpark in Schöneberg  : an der Schule Sommerfelder Straße in Borsigwalde  . Sonnabend, 9. Juli: 7 Ubr Parkaue m Lichtenberg: 6� Uhr am Seebad in Reinickendorf  -O. �Karakus" in der Tripolisschau. K a r a t u s. diese uralten orientalischen Schattenspiele werden seit einiger Zeit, allerdings gegen ein besonderes Entgelt, in der Tripolis  -Schau im Zoo gezeigt. Karakus, der Hanswurst, gilt in vielen Kreisen als typisch türkisch« Figur, die freilich in der Türkei   den Namen kara gös,(deutsch  : schwarzes Aug«), trägt. Als unter der jungtürtischen Herrschaft der Versuch der Politisierung de« Voltes gemacht wurde, tryq ein Witzblatt, die einzige Zeitung, die dislang im volkstümlichen Türkisch herausgebracht wurde, den Namen JUffi. gös/ Im Orient sind die Schattenspiele zumeist derartig park
erotisch, daß sie das europäische Anstandsgefühl verletzen. Der tripolitanische Karakus-Dorsührer im Zoo hat ein Repertoir von 89 Märchen, die ober auf den europäischen   Geschmack zugeschnitten wurden. Folglich ist jetzt der Karakus ein saufender, randalierender Hanswurst, der tüchtige Prügel bezieht und dann von der Bühne verschwindet. Die Vorführungen sind sehr interessant, wenn auch hier das stark pantominische Mitgehen der Zuschauer, wie man es im Orient kennt, fehlt._
Das Massengrab im Staütbahnbogen. keine Cpfcc der Revolutionszeit. Der bekannte Berliner   Gerichtsarzt Prof. Dr. Strauch hat im Laufe des gestrigen Freitagnachmittags die bei den Gleis- umbauten am Lehrter Bahnhof   aufgefundenen Skelett« einer ein- gehenden Untersuchung unterzogen. Er ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich nicht, wie zuerst angenommen, um ein Massengrab aus der Spartakistenzeit, sondern zweifellos um eine viel allere Vegräbnis- stelle handelt, da die Knochen mindestens 59 Jahre in der Erde ge- legen haben. Das Alter der Schädel und Skeleiie kann sich aber auch auf 199. 159. ja sogar 299 Jahre beziffern, da ein Teil bereits durch und durch von Wurzelwerk durchwachsen war. Die Frage, ob sich dort vor langer Zeit eine Begräbnisstätte, möglicherweise ein Mili- tärfriedhof besunden hat, oder ob die Knochen bereits bei dem vor etwa 59 Iahren erfolgten Bau der Stadtbahn ausgefunden und wieder zusammengeschüttet und neu bestattet worden sind, läßt sich jetzt nicht mehr mit Sicherheit ohne weiteres feststellen. Aus dem Gelände sollen früher Wiesen, nach einer anderen Vermutung auch ein Friedhof gewesen sein. Man will, einer Anregung von Pro- fessor Strauch folgend, durch Ermittlungen beim Märkischen Museum oder beim Verein für die Geschichte Berlins   feststellen, welchen Zwecken das Gelände am Lehrter Bahnhof   vor der Anlage der Stadt- hahnbögen gedient hat._
willp tzitche wieder auf Tour. Bei einem neuen Betrugsversuch verhaftet. Der berüchttgte Schwindler Willy H i n tz e, der, wie erinner- lich, mehrer« Monate lang Berliner   Familien durch seine ersun-- denen Meldungen, Angehörige seien schwer oder gar tödlich ver- unglückt, in großen Schrecken versetzte und dann die Aufregung benutzte, um größere Summen zu erschwindeln, wurde seinerzeit nach seiner Freisprechung wiederum in Fürsorgeerziehung gegeben. Er entfloh aber sehr bald und beging neue Schwindeleien. Gestern wurde er wieder festgenommen. H. wandte schon damals einen ganz eigenartigen Trick an. Telephonisch teill« er seinen Opfern mit, daß ein Angehöriger verunglückt sei. Kurze Zeit darauf erschien er dann in der Woh- nung und forderte eine bestimmte Summe für Transportkosten usw. In den meisten Fällen fielen die Verängstigten auch auf den ras- sintert angelegten Schwindel hinein, bis es dann im Mai d. I. durch die Aufmerksamkeit eines Gastwirts gelang, den Betruger fest- zunehmen. H. kam vor die Schranken des Jugendgerichtes in Neukölln, mutzte aber freigesprochen werden und kam wieder in die Fürsorge- anstatt Struveshof  , aus der er schon einmal entwichen war. Am letzten Sonntag gelang es Hintze, während der Besuchsstunden aber- mals auszubrechen. Die Kriminalpolizei nahm sofort sein« Verfolgung auf. Gestern nachmittag hat er in einer Wohnung in der Rheinbabenallee zu Dahlem   seinen alten Trick. wieder versucht, der aber an der Vorsicht einer Hausangestellten scheiterte. Als Hintze bemerkte, daß man ihn durchschaut hatte, ergriff er die Flucht, konnte jedoch nach ausregender Jagd durch die Straßen ergriffen werden. Er behauptet, daß die, der erste B e- t r u g s v e r s u ch sei, den er. nach seiner Flucht aus Struveshof   ver- übt habe._
Die städtische Bierfteuer. Mit dem 1. Juli 1927 trat die neue städtische Bier st euer- ordnung in Kraft, die in Anpassung an die neuen Bestimmungen des Finanzousgleichsgesetzes als Steuermaßstab den Her- stellerpreis zugrunde legt. Da aber der Begriff des Herstellerpreises noch nicht festgelegt und verschiedener Auslegung sähig ist und zu einer Menge von Streitigkeiten und Prozessen Anlaß geben kann, und da ferner auch die Feststellung des Herstellerpreises im einzelnen nicht leicht ist und schwierige Ermittelungen und Nachprüfungen verlangt, so haben die städtischen Körperschaften die Steuerbehörde ermächtigt, mit den Brauereien Vereinbarungen über die Berechnung der Steuer zu schließen. Auf Grund dieser Ermächtigung ist die Steuer- behörde mit den Brauereien übereingekommen, daß bis zur Klärung des Begriffs des Herstellerpreises, zunächst bis zum 39. September d. Js., die Steuer wiebisher berechnet wird und daß bis auf weiteres die alten Steuersätze von 1 Pfg. für 1 Ltr. Einfachbier. VA Pfg. für 1 Ltr. Schankbier, 2 Psg. sür 1 Ltr. Vollbier, 3 Pfg. für 1 Ltr. Starkbier erhoben werden. Hiernach wird sich an dem bis- hcrigen Verfahren für die nächsten 3 Monate n i ch t's ä n d e r n. An- Meldung, Abrechnung, Zahlung und Verbuchung ersolgen in der bisherigen Weise. Nur ist insofern eine Erleichterung für die Steuerpflichtigen eingetreten, als zugelassen ist, daß die bisher halb- monatliche Abrechnung und Zahlung monatlich erfolgen kann.
Leider störte das Gewitter die besten Vorträge. Das Referat Ludwig Spitzers über das Kinderhotel in der Scharnhorststraße wird beim Witzlebener Sender oft durch akustische Störungen unter- brachen. Gerade diesem interessanten Thema hätte man einen schlackenlosen Empfang gewünscht. Eine eingehende und scharfsin- nige Analyse gibt Adele Schreiber   über die Psyche der Schweizerin. Sie unterscheidet scharf zwischen dem französischen   und deutschen   Elc- ment in der Schweiz  . Die französischen   Schweizerinnen um Genf  herum sind eleganter, unkomplizierter und leichtlebiger, trotzdem arbeiten sie mit schwerfälligen deutjchschweizer Frauen in den Völker- bundssitzungen in Genf   zusammen. Mit dem Wunsch, daß der Völkerbund   tatsächlich einmal der Sitz von Humanität, einem wirk­lichen Gefühl für die Gleichheit der Völker sein möchte, schließt Adele Schreiber   ihre Ausführungen. Zwei Dichtern, die hcntc noch leben, und doch beinahe als tot gelten können, ist der Nmhmittag und der erste Teil der Abendveranstallung gewidmet. Wer ist Kurt Waller Goldschmidt? Man kennt diesen Namen aus einigen sehr gut und klug geschriebenen Essays, ober seine Lyrik und Novellistik ist den meisten unbekannt geblieben. Vielleicht ist es ein Verdienst der Funkstunde, daß sie diesen zart besaiteten Dichter aus Anlaß seines 59. Geburtstags einem größeren Publikum durch die Rezi- totion Ferdinand Gregorys bekanntmacht. Und vielleicht ist es mög­lich, daß dadurch der Dichter, der in einer glücklicheren und ruhigeren Zeit bessere Figur gemacht hätte,«in paar neue Freunde gewinnt. Anders verhält es sich mit Ehrenstein. Früher in den Jahren kurz narl) dem Kriege einer der Führenden, ist er heute unberechtigterweise in den Hintergrund gedrängt worden. Wir haben heute kein Gefühl mchr für den' verkrampften Schrei und sür die Ekstasen der Lyriker jener Zeit. Aber in der Prosa Ehren st eins man erinnere sich an die groteske NovelleFubutsch"_ liegen Entwicklungsmög- lichkeiten, die die moderne Sachlichkeit nicht vergessen sollte. Dos Abendprogramm beschließt eine unterhaltende Veranstaltung des Symphonischen Blasorchesters Berlin   unter Leitung des Kapell- Meisters Arthur Lander, F. S.
weibliche Hochstapler vor Gericht. Eine falsche Gräfin. Zwei Schwindlerinnen, die nach dem atterprobten Rezept arbei- tetcn, standen jetzt an verschiedenen Stellen vor dem Strafrichter in Moabit  . Erstaunlich war bei beiden, welche suggestive Kraft diese unscheinbaren Persönlichkeiten auf eine Menge Leute ausgeübt haben. Vor dem Schöffengericht Schöneberg   hatte sich die »Gräfin Kinski*, mit ihrem richttgen Namen Anna Kinski, wegen Betruges zu verantworten. Die falsche Gräfin reiste unter dieser Maske schon seit Iahren herum, und hat auch schon häusig mit dem Gefängnis Bekanntschaft gemacht. Aus ihrer bewegten Vergangenheit ist nur das Wahrheit, daß sie als Kind von ihren Eltern an einen Wanderzirkus abgegeben worden war und bis zum 17. Lebensjahre als Schulreiterin herumreiste. Auf ihren Wanderfahrten machte sie in Monte Carlo   die Bekannt- schaft eines Grafen Kinski  , mit dem sie bis zu dessem Tode mehrere Jahre in wilder Ehe zusammenlebte. Seitdem aber trat sie alsFrau Gräfin  * auf. Ueberall erzählte sie, daß sie Reit- pferde habe, Edelsteine in einem Safe bei der Reichsbank, Güter in Holstein und in Böhmen   besitze. Aber nicht nur auf großen Raub ging die Gaunerin aus, sondern sie scheute sich auch nicht, kleine Leute, wie Friseure, Plätterinnen und Hand wer- ker, zu schädigen. Unter der Vorspiegelung, Erbin von 2�j Millionen Mark zu sein, hatte sie eine Angestellte um ihre Spargelder geprellt, indem sie vorgab, ein Kaffee- haus erwerben zu wollen, und dem armen Mädchen eine gute An- stellung versprach. Zum Schein trat sie auch in Kaufverhondlungen und bestellte in einem Warenhaus Teppiche und Gardinen für das Cafe. Da sie aber immer wieder neues Geld verlangte, und dos Mädchen nichts mehr besaß, wandte sich die Zeugin an ihre Schwester um Hilfe. Diese aber war schlauer und durchschaute die Schwindlerin, deren Verhaftung sie oeranlaßte. Nach dem ärztlichen Gutachten ist die Angeklagte eine phantastische Lügnerin, die von einem Geltungszwang beseelt ist und sich schließlich selbst einredet, was sie andern vorschwindelt. In Uebereinstimmung mit dem Staatsanwalt erblickte das Schöffengericht in den Betrugs­fällen der Angeklagten ein planmäßiges Vorgehen. Die Strafe lautete auf ein Jahr Gefängnis. Der zweite Fall betrifft die 27jährige Elfriede Krüger. die seit Jahren als Pfarrerstochter auftritt und dafür bereits mehr- fach im Gefängnis gewesen ist. Wie die Leute auf die phantastischen Märchen dieser ziemlich blöden und plump aussehenden Person hineinfallen konnten, bleibt ein Rätsel. Gelegentlich gab sie sich auch als Studentin aus. Natürlich war sie eine reiche Erbin, aus dem Baterhause verstoßen und von ihrem Vormund aus Gewinnsucht verfolgt. Ueberall fand sie Hilfe. Einer einfachen Frau schwindelte sie zur Bestreitung ihres Millionenprozesses vor dem Reichsgericht 1399 Mark ob, anderen geringere Summen. Verschiedentlich erzählte sie auch, daß sie einem Hofprediger 5999 M. geliehen habe. Auch dos wurde ihr geglaubt. Gegen die Krüger, die von Berus  Kindermädchen ist, schweben eine Reihe von Strafverfahren anläß. lich ihrer Kastspielreisen nach pommerschen Bädern und nach Ost- preußen. Ueberall trat sie als Pfarrerstochter auf. Wegen der Berliner   Schwindeleien war sie vom Schöffengericht zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Dieses Urteil hatte Reckitsanwott Dr. Mendel mit der Begründung angefochten, daß die Angeklagte geistig nicht verantwortlich fei. Tatsäch- lich hatte auch der Gefängnisarzt Dr. Hirsch in einer früheren Ver- Handlung vor der Strafkammer den starken Verdacht geäußert, daß bei der Angeklagten ein Fall des Jugendirrsinns in Frage kommen könnte, zur Sicherheit hatte er aber die klinische Untersuchung in der Eharite beantragt. Nunmehr log das Ergebnis aus der Nerven- abteilung der Charit« dem Gericht vor. Danach ist die An- geklagt« zwar eine-phantastische Lügnerin, die das Bedürfnis hat. sich aufzuspielen, aber ihr« religiösen Halluzinationen waren den Sachverständigen doch zu systematisch erschienen, als daß man an ihre Echtheit glauben konnte. Deshalb wurde auch der 8 51 bei ihr verneint. Ihre Berustmg wurde verworfen. Es wurde der An» geklagten aber die Untersuchungshaft in Höhe von fünf Monaten angerechnet eine Haftentlassung erfolgte nicht, da gegen die An- geklagte noch weitere Haftbefehle von anderen Gerichten vorliegen. Ein geheimnisvoller Todesfall. Unberechtigter Mordverdachts Ein verdächtiger Todesfall rief gestern die Mordkommission nach Lichtenberg  . Hier erschien aui dem zuständigen Revier der Schlächtermeister Stark aus der Berliner Straße 127 und zeigte an. daß sich seine Frau erschossen habe. Kriminalkommissar Habermann begab sich in die Wohnung und fand Frau Stark tot im Bett. Sie lag auf dem Gesicht und hatte eine Schuhwunde in der rechten Schläfe. Bekannt war schon, daß Stark, der vor dem Kriege ein gutgehendes Geschäft hatte, mit seiner Frau in ständigem Unfrieden lebte. Die Frau hatte einmal schon angezeigt, daß ihr Mann sie erschießen wollte. Diese Verhältnisse eregten bei dem Kommissar und den Aerzten Verdacht. Daraufhin wurde die Mordkommission gerufen, und Kriminalkommissar D r a e g e r begab sich mit dem Gerichrsarzt Prof. Dr. S t r a u ch nach der Woh­nung. Dieser kam, ebenso wie die Kriminalpolizei, zu dem Ergeb- nis, daß doch wahrscheinlich Selbstmord vorliecst. Der Verdacht war auch dadurch noch rege geworden, daß a ich die erste Frau s i ch erschossen hat. Stark, ein Mann, der schon in einer Anstalt gewesen ist, gibt an, daß seine Frau zur Pistole gegriffen habe, während er sich im Badezimmer gewaschen habe. Die gefährlichen Obstrest«. Einen schweren Unfall erlitt durch Ausgleiten auf der Haustreppe der seit über 27 Iahren in der Film- und Kinobranche tätige Otto Deders check vor seiner Privat- wohnung. Er glitt aus einer Bcinonenschale aus und stürzte so unglücklich die treppe hinunter, daß er sich außer einer Gehirn- erschütterung einen schweren Schädelbruch zuzog. Infolge des sehr bedenklichen Zustandcs mußte er in ein Krankenhaus über- rührt werden. Die Unsitte, Obstschalen achtlos wegzuwerfen, hat, wie schon so oft, ein neues Opfer gefordert. Volksfest in vlahlsdors. DieGemeinnützigeSiedlungs- genossenschast in Berlin  -Mahlsorf veranstaltet am Sonn- tag. dem 3. Juli, auf dem Sportplatz der Siedlung Berlin- Mahlsdorf, Mclanchtonstrahe, ein Volksfest. Unter Mitwirkung des GesangvereinsFreiheit*, des TurnoereinsEintracht", des Arbeiterradfahrervereins und des Fußballklubs ist ein ausgezeichnetes Programm zusammengestellt. Neben turnerischen Vorführungen werden Gesangsvorträge. Kinderbelustigunaen und Volkstänze in bunter Reihenfolge für ein gutes Gelingen des Volksfestes Sorge tragen. Als Abschluß der Feier veranstaltet die Siedlerschast einen Fackelzug. Einsam geslorbeu ist die 63 Jahre alte Händlerin Hulda Hoff- mann in der Lothringer Straße 12, die Märkte mit Spitzen und dergleichen besuchte. Gestern wurden ihre Wirtsleute durch starken Geruch auf ihre Stube aufmerksam und holten die Polizei. Die Be­amten fanden die Frau tot un Bette liegen.' Di« Leiche wurde zur Obduktion nach dem Schauhause gebracht. Neue Fluglinien. In Genf   ist gestern die Luftverbindung zwischen Genf   und Marseille   erösfnct worden. Die Strecke wird von der Deutschen Lufthansa in Gemeinschaft mit der Schweiz  «- rischen Luftgesellschaft Balair betrieben und mit Dornier-Merkur- Apparaten beslogen. Gleichzeitig wurde in Wien   der Flugverkehr oonWiennachMarseille eröffnet. Die Linie wird im Anschluß an die von der Deutschen Lufthansa betriebene Luftverkehrsstrecke Wien   München   Zürich   betrieben. Fleischvergiftungen in Pole«. 899 polnische Soldaten der Garnison Wreschen   sind an einer schweren Fleischver» giftung ertrankt.