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Heute Neuwahlen in Finnland  .

Unter der sozialdemokratischen Regierung Tanner.

Am 1. und 2. Juli finden in Finnland   nach Ablauf der regel­mäßigen dreijährigen Wahlperiode Neuwahlen zum Reichs­ tag   statt. Von ihrem Ergebnis wird es abhängen, ob das seit Dezember vorigen Jahres regierende sozialdemokratische Kabinett Tanner allein am Ruder verbleiben kann oder sich mit anderen Parteien zu einer Regierung zusammenfinden wird. An eine rein bürgerliche Regierung oder Koalition ist kaum zu denken. Seit Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1906 ist die Sozial demokratie immer die stärkste Partei des Landes gewesen; sie ist es auch jetzt noch, nachdem sich im Jahre 1922 eine fommu­nistisch gerichtete Fraktion unter dem Namen Sozialistische Arbeiter­ partei  " gebildet hat.

Die bürgerlichen Parteien Finnlands   sind die folgenden: 1. die ,, Schwedische Volkspartei", die Vertreterin der ehemals herrschenden Klasse, jetzt eine nationale Minderheit, die etwa ein Zwölftel der Gesamtbevölkerung beträgt, wesentlich national betont ist, jedoch kein bestimmtes soziales Programm hat; 2. der ,, Land­ bund  ", eine Bauernpartei mit rein agrarischen Interessen, ohne Rückhalt in den Städten, nationalistischer Richtung und ohne jede verbindende Tendenz mit dem Ausland, sei es mit Schweden  , mit Skandinavien  , mit Deutschland   oder mit Westeuropa  ; 3. die ,, Fort= schrittsparte i"( Demokraten  ), vertritt die Intelligenz und die freien Berufe, besitzt das Sprachrohr der großen Presse, hat jedoch geringen Anhang; und 4. schließlich die Sammlungspartei", eine fonservative Partei, aus den Kreisen der Intelligenz, des Handels und der Industrie bestehend, mit militaristischen und mon­archistischen Tendenzen. Diese Sammlungspartei ist die Trägerin aller ausgesprochenen arbeiterfeindlichen Tendenzen, die als Rückschlag gegen den von Kommunisten und Sozialdemokraten ge­meinsam geführten sogenannten roten Aufruhr" vom Jahre 1918 jahrelang Geltung behalten durfte. Sie hatte mit dem Landbund zu­sammen unter dem Agrarier Kallio ein Minderheitskabinett gebildet, das schließlich, durch gewisse Munitionslieferungsstandale tompro­mittiert, zu Fall kam nud durch das rein sozialdemokratische Minder­heitskabinett Tanner abgelöst wurde. Dieses ist das zweite sozial­demokratische Kabinett, das unter den fünfzehn seit der 1917 er= reichten Selbständigkeit Finnlands   zustande fam.

Lustmord in einem Hotel.

Eine unbekannte Frau gedrosselt und erwürgt.

Ein Kapitalverbrechen ist heute morgen in einem Privathotel| Schlinge gebraucht hat. Auf dem Tische lag eine braunlederne ab­in der Rosenthaler Straße 65 verübt und bald entdeckt worden. In der Nacht gegen 1 Uhr fehrte dort ein Paar ein, daß sich als Erich Lehmann und Frau, geb. Riemann" einschrieb. Es er­hielt ein Zimmer im 2. Stod, der vom 1. Stod abgetrennt und ab­geschlossen ist. Der Wirt pflegt seine Gäste jeden Morgen um 7 Uhr durch Klopfen zu weden. So geschah es auch heute. Aus dem Zimmer des Paares antwortete eine weibliche Stimme erst, nach­dem er zunächst nichts gehört und dann die Tür ein wenig geöffnet und hineingerufen hatte. Sie sagte jetzt Ja, ja, wir kommen schon". Seitdem blieb alles ruhig.

Gleich nach 8 Uhr flingelte es aus diesem Zimmer. Das Zimmermädchen nahm an, daß die Gäste ausgehen wollten und eilte hinauf, um den Verschlag zwischen dem 1. und 2. Stock auf zuschließen. Kaum hatte sie aufgedrückt, da stieß der angebliche ,, Erich Lehmann" die Tür von innen so heftig auf, daß das Mäd­chen taumelte und an die Wand flog. Der Mann eilte mit dem Hut in der Hand die Treppe hinunter und zum Hause hin­aus. Die Zimmertür stand jetzt auf und das Mädchen sah die an­gebliche Frau Lehman regungslos im Bett liegen. Der Wirt stellte fest, daß sie tot war, entdeckte verdächtige Spuren am Halse und benachrichtigte die Polizei. Der stellvertretende Chef der Kriminal­polizei, Regierungsrat Scholz, entsandte sofort Kriminalfommissar Pippo in Vertretung des Leiters der Mordinspektion und die Mord­fommission, die Kommissare Lobbes und Zapfe, mit ihren Beamten und den Erkennungsdienst. Die Aufnahme des Befundes, der photo­graphisch festgelegt wurde, ergab folgende Bild:

Die Frau lag in ihrer vollen Kleidung fot im Bett. 11 Sie ist ohne 3 weifel erwürgt worden. Am Halse zeigen sich Würgemale und scharfe Eindrücke von Fingernägeln. Aus Mund aussieht als ob der Mörder nicht nur seine Hände, sondern auch eine und Nase war etwas Blut geflossen. Die Male sind so start, daß es

Ursprünglich hatte die Sozialdemokratie die Absicht, die Regie­rung zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu übernehmen, sondern die jetzigen Neuwahlen abzuwarten. Der Rücktritt des Kabinetts Kallio awang sie jedoch dazu, nachdem auch eine Verbindung mit bürgerlich lichen Parteien sich nicht hatte erreichen lassen.

Die Stärke der Parteien nach den Wahlen von 1924 war bis­her die folgende:

Nationale Sammlungspartei  Fortschrittspartei

Landbund  .

Abgegebene Stimmen Abgeordnete 166 630 83 232

Schwedische Volkspartei

Sozialdemokraten

Soz. Arbeiterpartei( Kommunisten)

Summa:

174 275

874869

38

17

44

105 223

23

254 672

60

18

91 664 875 696

200

Die Wahl aussichten für ein neues sozialdemokratisches Kabinett sind nicht ungünstig, auch wenn sich die Anzahl der sozialdemokratischen Mandate nicht wesentlich erhöhen sollte. Mit dem vorstehenden Programm kann die Sozialdemokratie im Gegen­faz zu den meisten anderen Ländern auf die Unterstützung der Kommunisten und auch auf die der Schwedischen Volkspartei rechnen, deren fulturelle Selbständigkeit unter dem Kabinett Kallio schwer bedrängt würde.

Um ein neues Muttergottesbildnis einzuweihen, find Pilsudski  , ber polnische Staatspräsident, die ganze Warschauer   Regierung sowie Bertreter aller polnischen Staatsbehörden, ebenso die Spigen der fatholischen Kirche von ganz Polen  , Erzbischöfe, Bischöfe, Raplane usw. in Wilna   eingetroffen. Staat und Kirche Polens   versuchen Hand in Hand die Einwohner des von Litauen   durch einen militäri­schen Handstreich losgerissenen Wilnagebietes durch religiöse Mittel für Polen   zu gewinnen!

Julius Elias  , der bekannte Kunst- und Literarhistoriker, ist heute früh an den Folgen einer Operation im 66. Lebensjahr gestorben. Elias gehörte vor einem Menschenalter zu den temperamentvollsten und tenntnisreichsten Borkämpfern des damals modernen Naturalis­mus. Er war in München   in persönlichen Verkehr mit Ibsen   ge= treten, dessen Werke er zusammen mit Baul Schlenther und Georg Brandes   in deutscher Sprache veröffentlichte. Daneben bemühte er fich mit Erfolg um die Anerkennung der impressionistischen Malerei, die er in Paris   zu emer Zeit kennengelernt hatte, als man in Deutsch­ land   noch nicht viel von ihr wußte und nichts von ihr wissen wollte. Mit Mar Liebermann und Otto Brahm   verband ihn eine intime Freundschaft. Obwohl ursprünglich im Naturalismus wurzelnd, hat Elias auch für die allerjüngsten Strömungen, namentlich in der deut­ schen   dramatischen Literatur, Herz und Verständnis gehabt.

Neue Forschungen über die Entstehung der Epidemien. Die näheren Ursachen der ansteckenden Seuchen, die von Zeit zu Zeit einen Kontinent oder die ganze Welt durchrasen, sind immer noch in Dunkel gehüllt, und doch ist eine durchgreifende Bekämpfung nur bei genauerer Kenntnis der Zusammenhänge möglich. Aus diesem Grunde haben jetzt eine Anzahl Aerzte in den Hygienischen Labora torien der Universität Manchester umfassende Versuche angestellt, die dem Abschluß nahe sind. Jedes gesunde Individuum ist zu Die Ba manchen Zeiten ein Träger" bestimmter Krankheiten. zillen, die für die Entstehung der Lungenentzündung, der Influenza und anderer Krankheiten entscheidend find, befinden sich tatsächlich in jeder Mundhöhle, freilich in sehr verschiedenen Mengen. Aus der Zahl dieser Bakterien zu bestimmten Zeiten hofft man nun in Man­ chester   Anhaltepunkte für die Entstehung der großen Influenza­epidemie von 1918 und ähnlicher Seuchen zu gewinnen. Dazu war es notwendig, daß die Mundhöhle einer größeren Anzahl von Per­fonen allmonatlich über ein Jahr oder noch mehr hin bakteriologisch untersucht wurde. Dies ist geschehen, indem sich die Angestellten einer großen Firma freiwillig zur Verfügung stellten. Die einzelnen Befunde werden genau registriert und gesammelt, und schon jetzt läßt das gewonnene Material den Schluß zu, daß eine Krankheit, bevor sie den Charakter einer Epidemie annehmen kann, in ihren Bazillen unter den gesunden Menschen soweit verbreitet sein muß, daß tatsächlich jedes Mitglied der Bevölkerung Träger dieser Krant. heitsteime ist.

Erstaufführungen der Woche. Mont. Rose Th.: Bater werden ist nicht schwer." Dienst. Renaissanceth.: Wenn auen reisen." Der Bund Deutscher Gebrauchsgraphifer wählte auf dem Bundestag in Dresden   feinen bisherigen Vorstand wieder. Er setzt sich zusammen aus: Baul Winkler- Leers, Berlin  ( 1. Vorsitzender), Waiter Riemer, Berlin  ( 2. Vor fizender) und den Beisitzern: A. M. Cah, Berlin  , Hanns Thadäus Hoyer, Berlin  , Gerhard Marggraff  , Berlin  , Egon Juda, Berlin  , Generalsekretär Dr. Eberhard Hölscher, Berlin  .

Internationaler Kongreß der Tabafgegner In Brag beginnt am 2. Juli der V. Internationale Rongreß der Tabakgegner, an dem eine große Anzahl von Professoren, Pädagogen und Aerzten feilnehmen werden. Besonders flark ist die Teilnahme aus den Vereinigten Staaten  .

Eleonora Duses Tagebuch. Die vor drei Jahren im Alter von 65 Jahren in Amerika   berstorbene große italienische   Tragödin hat ein durch etwa dreißig Sabre geführtes Tagebuch hinterlassen. Das Tagebuch soll im tommenden inter zugleich in italienischer und deutscher Sprache veröffentlicht werden

Ein Mensch aus der Feuersteinzeit."

Die Psychiater im Prozeß Böttcher.

Die Entscheidung über das abnorme Segual- und Seelenleben Böttchers, das seine Verbrechen ermöglicht hat, mußte selbstverständ bei den psychiatrischen Gutachten des Professors Strauch und des Medizinalrats Dr. Dyrenfurth liegen. Vor diesen tamen aber noch Dr. Straßmann, der die Leiche der kleinen Senta obduziert hat, und der Schießsachverständige Schmuderer von der Reichsversuchsanstalt zu Worte.

Von Dr. Straßmann erfuhr man nichts Neues; das Gutachten Schmuderers fann aber unter Umständen für den Ausgang des Prozesses ausschlaggebend sein. War es nicht doch möglich, daß der Schuß von selbst losgegangen ist, als die Gräfin Lambsdorf angeb lich mit beiden Händen die Hand des Angeklagten umflammert hat, in der er den Revolver hielt? Der Schießsachverständige fagt nein. Die Gräfin hätte bei ihrer Abwehrbewegung die Waffe nicht an fich gezogen, sondern sie von sich gestoßen. Der Angeklagte widerspricht diesem Gutachten: Die Gräfin habe den Revolver nicht weg gestoßen, sondern heruntergedrückt. Die Verteidigung ist ihrerseits bemüht, nachzuweisen, daß die Entsicherung sich selbst bei dem leisesten Streifen mit dem Finger oder bei einem Schlag ent­spannen läßt. Die Waffe habe deshalb beim Zufassen durch die Gräfin sich von selbst entsichern fönnen. Dr. Dyrenfurth er­stattet als erster psychiatrischer Sachverständiger sein Gutachten. Er schildert ausführlich den Entwicklungsgang des An= geklagten und stellt fest, daß sein wirklicher Vater Alkoholiker gewesen sei. Bei dem Angeklagten fällt seine ungeheure Gemüts: fälte auf. Die nähere Erforschung seiner Persönlichkeit hat jedoch ergeben, daß von einer Schiezophremie, d. h. einer krankhaften Spaltung der Persönlichkeit oder einer epileptischen Erkrankung feine Rede sein könne. Ebensowenig fann von etwaigen pathologi: schen Ausnahmezuständen gesprochen werden. Die vorzügliche Er­innerung, die er an alle Einzelheiten während seines Verbrechens an der kleinen Senta hat, schließen einen pathologischen Alkohol­rauschzustand oder Dämmerzustand aus. Es handelt sich bei Bött. cher nur um eine im höchsten Grade disharmonische Persönlichkeit, der jedes Berständnis für Einordnung in soziale formen und für das Wohl und Wehe seiner Mitmenschen abgeht. Er lebt eben so, wie es ihm gut dünkt. Diese Disharmonie erklärt auch, daß er ein vorzüglicher Tierpfleger fein fonnte und gleichzeitig ein Mörder geworden ist, daß er einerseits den Kavalier spielte und andererseits die Frauen überfiel, daß Dinge bei ihm enorm betont sind, wie dies bei Menschen mit einer glücklicheren gleichmäßigen Anlage nicht der Fall ist. Er stellt eine primitive Persönlichkeit vor, etwa wie die Menschen um die Zeit des Feuersteingebrauchs waren. Von Schwachsinn fann dagegen teine Rede sein. Seine übertriebene Sexualität macht ihn zu starken Affekten geneigt. Sadistische Elemente fehlen jedoch vollkommen bei ihm. Man hat es hier mit einem Hypersexuellen zu tun, dessen freie Willensbestimmung jedoch nicht ausgeschlossen war und auf den der§ 51 nicht Anwendung finden kann.

Professor Strauch betonte mehr die feruelle Seite der Per­fönlichkeit Böttchers. Er kann nur aus der abnormen Steigerung feines Geschlechtstriebes heraus verstanden werden, einer Steige­rung, die die Wissenschaft als Satyriasis bezeichnet. Diese ab­norme Steigerung zeigte sich bereits während seiner Pubertätsjahre und fam in besonders hohem Maße in den späteren Jahren zum Ausdruck. Es ist ihm ganz aleich, in welcher Weise er seinen Ge­schlechtstrieb befriedigt. Er führt ein rein vegetatives Leben. Da zu braucht er aber Geld; so tommt er zu seinen Raubüberfällen. Aber auch diese waren bei ihm mit intensiven Luftgefühlen ver= bunden. Satyriasis ist ein Leiden, aber keine Geisteskrankheit. Wie weit jedoch diese abnorm gesteigerte Sexualtät Hemmungen möglich mache, müsse dem Gericht überlassen werden. Zweifelsohne steht jedoch fest, daß die Uebersekretierung des Gehirns durch Hormone der Geschlechtsdrüsen, die den ganzen Blutkreislauf beherrschen, zwangsläufig zu Serualverbrechen führen können. Man hat in diesem Falle mit Erfolg die Kastration angewandt. Es sind jedoch feine Anhaltspunkte in diesem Falle gegeben, daß die freie Willens bestimmung bei Böttcher ausgeschlossen gewesen sei. Er ist ein eigenartiger Mensch, der von der Satyriasis vollkommen beherrscht

war.

Damit ist die Beweisaufnahme gefchloffen. Das Wort erhält der Staatsanwalt.

Wieder ein nächtlicher Ueberfall.

Bon vier unbekannten Burschen, die es wahr scheinlich auf einen Raub abgesehen hatten, wurde heute früh gegen 5 Uhr der 42 Jahre alte Arbeiter Heinrich Steiger aus der Wiesenstraße 23 auf dem Heimwege vor dem Hause Seestraße 65 angerempelt. Als er sich das verbat, fielen die Wegelagerer über ihn her und mißhandelten ihn schwer. Auf seine Hilferufe ergriffen sie die Flucht und entkamen, bevor die herbei­eilenden Polizeibeamten zur Stelle waren. Der Ueberfallene er­hielt mehrere Messerstiche in das Gesicht und den rechten Arm.

Zu der Festnahme Willy Hinges erfahren wir noch folgendes: Hinge war nach seiner Freisprechung wieder in die Fürsorgeanstalt Struweshof gebracht worden. Schon bei seiner Festnahme erflärte er, daß er bald wieder auf freien Fuß tommen werde. Das gelang ihm denn auch am vergangenen Sonntag, als in der Anstalt reger Verkehr herrschte. Bei seinen vielen Schwindeleien hatte der

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gegriffene Bügelhandtasche, in der sich ein Porte­monnaie mit etwas über 10 Mart befand. Papiere, aus denen man die Persönlichkeit hätte feststellen können, enthielt sie nicht. Sie wurden auch sonst bisher bei der Toten nicht gefunden. und trug ein dunkelblaues Kleid mit fleinen Fältchen und Knopf­Die Unbekannte ist etwa 35 Jahre alt, hat einen dunklen Bubenkopf besaß, einen schwarzen Topfhut, weiße Wäsche und schwarze Schuhe. Der flüchtige Täter steht etwa in der Mitte der zwanziger Jahre, macht den Eindruck eines bessergestellten Mannes und trägt einen grauen Anzug. Sein Hut fann nicht beschrieben werden, weil er ihn sowohl beim Kommen als beim Verlassen des Hotels in der Hand trug. Er sprach ein dialektfreies Deutsch. Die Leiche der Ermordeten wurde zunächst am Tatort vom Gerichtsarzt Prof. Dr. Strauch untersucht und dann ins Schauhaus gebracht. Die Mord­tommiffion hat sofort Fahndungsmaßnahmen nach allen Richtungen eingeleitet.

Die Annahme, daß der Mörder nicht allein mit den Hän= den gewürgt habe, wurde durch das Gutachten von Professor Strauch bestätigt.

Die Frau ist gedroffelt und erwürgt worden,

und zwar mit einem mehrfach gefnoteten, wahrscheinlich von einem Bettlaken abgerissenen Leinenstreifen. Bevor er das Zimmer ver­ließ, hat der Mörder dieses Werkzeug vom Halse des Opfers wieder entfernt und es am Fußende zwischen die Beine gelegt. Hier wurde es beim Aufdecken gefunden. Es ist anzunehmen, daß der Mörder sein Opfer in der Gegend auf der Straße getroffen hat, furz bevor er mit ihm das Hotel aufsuchte. Auf einen Raub hat er es wohl nicht abgesehen gehabt, weil er sonst wohl auch den Inhalt des Portemonnaies an sich genommen hätte. Mitteilungen zur Fest­stellung der Person der Toten und zur Aufspürung des Mörders richten. find an die Kommissare Lobbes und 3apfe im Polizeipräsidium zu

Bursche früher erhebliche Beträge erbeutet. Er erklärte bamals prahlend, er habe soviel versteckt, daß er später längere Zeit gut leben könne. Das scheint aber nicht der Fall zu sein, sonst hätte er nicht sich gleich wieder auf einen neuen Schwindel zu legen gekommen und abgerissen aus, daß man annehmen muß, er habe brauchen, bei dem er gestern ertappt wurde. Er sieht so herunter­feine ordentliche Unterkunft gehabt. Er selbst will über seinen Schlupfwinkel nichts sagen. Wahrscheinlich hat er nur auf Haus= böden und Treppen genächtigt.

Wie Byrd Paris verfehlte.

Die Lehren für die Zukunft.

Ozeanflieger Byrd und feine Kameraden sind am Freitag auf der Paris  , 2. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Die amerikanischen  Präfettur von Calvados in Caen  ( Normandie  ) feierlich emp­fangen worden. Sie haben die Nacht auf der Präfektur verbracht und werden am Sonnabendmorgen um 8 Uhr mit dem Schnellzug nach Paris   abreisen, der genau um 12 Uhr in der Hauptstadt ein­trifft. Es find große Borbereitungen zu ihrem Empfange getroffen worden. Das Flugzeug ist dermaßen beschädigt, daß die Reparatur mehrere Wochen in Anspruch nehmen wird.

Wie WTB. meldet, hat Major Byrd gestern nachmittag in Ber- sur- Mer die französischen   Journalisten empfangen und ihnen ausführliche Mitteilungen über den letzten Teil seines Fluges gemacht. Neunzehn Stunden lang waren die Flieger von dichtem Nebel eingehüllt. Von Cap Finistère an hatten sie ganz die Richtung verloren. Sie flogen zweimal rund um Westfrankreich, wobei sie, wie Byrd annimmt, in nächste Nähe von Paris   gelangt find. Um 2 Uhr überflogen fie Caen   und sind, getäuscht durch den Schein der Hochöfen, die sie für Leuchttürme hielten, auf das offene Meer geraten.

Ueber die angstvollen Stunden, die der Landung der America" vorausgingen, berichtet der Begleiter Byrds, Noville  , im Petit Barisien": Die Stunden, in denen wir nach Erreichung Frankreichs  den Weg nach Paris   suchten, waren die fritischsten. In diesen Augenblicken dachte feiner von uns, daß wir Le Bourget erreichen werden, sondern fürchteten alle an einen verhängnisvollen Ausgang. Ueberall herrschte dunkle Nacht. Ueberall undurch­dringlicher Nebel. 3weimal glaubten wir, in der Nähe von Paris   zu sein. Das erstemal gegen 10 Uhr. Gegen Mitternacht warf Byrd einen letzten Blick auf den Brennstoffmesser und näherte sich mir, um etwas zu sagen, aber das Geräusch der Motoren machte jede Verständigung unmöglich. Er schrieb daher mit Bleistift auf ein Stüd Papier  : Wir gehen an Land. Wir wußten alle, was das heißen würde! Aufschmettern und in diesem Augenblic schlugen wir auf. Kein Wunder, daß bei dem Gewicht des Apparates von 4500 Kilo­gramm das Flugzeug unter die Wasseroberfläche gezogen wurde. Aber dank der Reservoire tamen wir wieder hoch. Der Rumpf des Flugzeuges war jedoch zertrümmert. Wasser sprudelte überall hervor. Es blieb uns nichts anderes übrig, als über Bord zu springen. Glücklicherweise war die Küste ganz in der Nähe.

Byrd hält einen regelmäßigen fransatlantischen Luftverkehr noch auf lange Zeit für ausgefchloffen. Als Hauptvorbedingung er­flärte er die Sammlung von genügendem statistischen Mate= rial über die atmosphärischen Verhältnisse. Luftströmungen, Tem­peraturen und Windstärke.

25 Jahre Arbeiter- Baugenossenschaft Paradies.

Die im Jahre 1902 gegründete Genossenschaft feiert am morgigen Sonntag ihr Gründungsfest. Unsere alten Genossen werden sich noch lebhaft der Zeit erinnern, in der die Gründung vor sich ging. Große Hoffnungen wurden damals gehegt. War doch erklärt worden, daß es möglich sei, für 20 bis 25 Mark monatlichen Nutz­wert ein Einfamilienhaus zu bewohnen. Diese Hoffnung war nicht erfüllbar und der übergroße Teil der Mitglieder verließ damals wieder die Genossenschaft. Die etwa 600 Genossen, die zusammen­hielten, haben bewiesen, daß vereinte Kraft Großes vollbringen kann. Und so präsentiert sich denn morgen in Bohnsdorf   eine Siedlung, auf die die Gesamtarbeiterschaft stolz sein kann, weil sie nur das Wert von Arbeitern ist. Es lohnt sich, morgen nach Bohnsdorf   bei Grünau   zu fahren, dort die festlich geschmückte Kolonie zu besichtigen und an dem Gründungsfest teilzunehmen. Eine Bluttat im Krankenhause.

Singen a. H., 2. Juli.  ( WTB.) Im hiesigen Krankenhause drang gestern abend der 40jährige Speditionsarbeiter Oswald Gerster, der nach der Kreispflegeanstalt entlassen werden sollte, nachdem er sich zuvor einen Revolver verschafft hatte, in den Aufenthaltsraum der Schwestern ein, schloß ihn ab und feuerte mit dem Rufe: Jetzt müßt ihr alle sterben!" auf die Schwestern. Die Ober­schwester Hildebrand wurde durch einen Herzschuß auf der Stelle getötet. Der auf die Hilferufe der Schwestern herbei­eilende Polizeibeamte Geiger wurde durch einen Lungenschuß schwer verletzt. Alsdann richtete der Mörder die Waffe auf sich selbst und brachte sich eine leichte Verlegung bei. Ein inzwischen einge­troffener zweiter Polizeibeamter nahm den Täter fest.

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