Unter der sozialdemokratischen Regierung Tanner.
Am 1. und 2. Juli finden in Finnland nach Ablauf der regelmäßigen dreijährigen Wahlperiode Neuwahlen zum Reichs tag statt. Von ihrem Ergebnis wird es abhängen, ob das seit Dezember vorigen Jahres regierende sozialdemokratische Kabinett Tanner allein am Ruder verbleiben kann oder sich mit anderen Parteien zu einer Regierung zusammenfinden wird. An eine rein bürgerliche Regierung oder Koalition ist kaum zu denken. Seit Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1906 ist die Sozial demokratie immer die stärkste Partei des Landes gewesen; sie ist es auch jetzt noch, nachdem sich im Jahre 1922 eine fommunistisch gerichtete Fraktion unter dem Namen„ Sozialistische Arbeiter partei " gebildet hat.
Die bürgerlichen Parteien Finnlands sind die folgenden: 1. die ,, Schwedische Volkspartei", die Vertreterin der ehemals herrschenden Klasse, jetzt eine nationale Minderheit, die etwa ein Zwölftel der Gesamtbevölkerung beträgt, wesentlich national betont ist, jedoch kein bestimmtes soziales Programm hat; 2. der ,, Land bund ", eine Bauernpartei mit rein agrarischen Interessen, ohne Rückhalt in den Städten, nationalistischer Richtung und ohne jede verbindende Tendenz mit dem Ausland, sei es mit Schweden , mit Skandinavien , mit Deutschland oder mit Westeuropa ; 3. die ,, Fort= schrittsparte i"( Demokraten ), vertritt die Intelligenz und die freien Berufe, besitzt das Sprachrohr der großen Presse, hat jedoch geringen Anhang; und 4. schließlich die Sammlungspartei", eine fonservative Partei, aus den Kreisen der Intelligenz, des Handels und der Industrie bestehend, mit militaristischen und monarchistischen Tendenzen. Diese Sammlungspartei ist die Trägerin aller ausgesprochenen arbeiterfeindlichen Tendenzen, die als Rückschlag gegen den von Kommunisten und Sozialdemokraten gemeinsam geführten sogenannten„ roten Aufruhr" vom Jahre 1918 jahrelang Geltung behalten durfte. Sie hatte mit dem Landbund zusammen unter dem Agrarier Kallio ein Minderheitskabinett gebildet, das schließlich, durch gewisse Munitionslieferungsstandale tompromittiert, zu Fall kam nud durch das rein sozialdemokratische Minderheitskabinett Tanner abgelöst wurde. Dieses ist das zweite sozialdemokratische Kabinett, das unter den fünfzehn seit der 1917 er= reichten Selbständigkeit Finnlands zustande fam.
Lustmord in einem Hotel.
Eine unbekannte Frau gedrosselt und erwürgt.
Ein Kapitalverbrechen ist heute morgen in einem Privathotel| Schlinge gebraucht hat. Auf dem Tische lag eine braunlederne abin der Rosenthaler Straße 65 verübt und bald entdeckt worden. In der Nacht gegen 1 Uhr fehrte dort ein Paar ein, daß sich als „ Erich Lehmann und Frau, geb. Riemann" einschrieb. Es erhielt ein Zimmer im 2. Stod, der vom 1. Stod abgetrennt und abgeschlossen ist. Der Wirt pflegt seine Gäste jeden Morgen um 7 Uhr durch Klopfen zu weden. So geschah es auch heute. Aus dem Zimmer des Paares antwortete eine weibliche Stimme erst, nachdem er zunächst nichts gehört und dann die Tür ein wenig geöffnet und hineingerufen hatte. Sie sagte jetzt„ Ja, ja, wir kommen schon". Seitdem blieb alles ruhig.
Gleich nach 8 Uhr flingelte es aus diesem Zimmer. Das Zimmermädchen nahm an, daß die Gäste ausgehen wollten und eilte hinauf, um den Verschlag zwischen dem 1. und 2. Stock auf zuschließen. Kaum hatte sie aufgedrückt, da stieß der angebliche ,, Erich Lehmann" die Tür von innen so heftig auf, daß das Mädchen taumelte und an die Wand flog. Der Mann eilte mit dem Hut in der Hand die Treppe hinunter und zum Hause hinaus. Die Zimmertür stand jetzt auf und das Mädchen sah die angebliche Frau Lehman regungslos im Bett liegen. Der Wirt stellte fest, daß sie tot war, entdeckte verdächtige Spuren am Halse und benachrichtigte die Polizei. Der stellvertretende Chef der Kriminalpolizei, Regierungsrat Scholz, entsandte sofort Kriminalfommissar Pippo in Vertretung des Leiters der Mordinspektion und die Mordfommission, die Kommissare Lobbes und Zapfe, mit ihren Beamten und den Erkennungsdienst. Die Aufnahme des Befundes, der photographisch festgelegt wurde, ergab folgende Bild:
Die Frau lag in ihrer vollen Kleidung fot im Bett. 11 Sie ist ohne 3 weifel erwürgt worden. Am Halse zeigen sich Würgemale und scharfe Eindrücke von Fingernägeln. Aus Mund aussieht als ob der Mörder nicht nur seine Hände, sondern auch eine und Nase war etwas Blut geflossen. Die Male sind so start, daß es
Ursprünglich hatte die Sozialdemokratie die Absicht, die Regierung zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu übernehmen, sondern die jetzigen Neuwahlen abzuwarten. Der Rücktritt des Kabinetts Kallio awang sie jedoch dazu, nachdem auch eine Verbindung mit bürgerlich lichen Parteien sich nicht hatte erreichen lassen.
Die Stärke der Parteien nach den Wahlen von 1924 war bisher die folgende:
Abgegebene Stimmen Abgeordnete 166 630 83 232
Schwedische Volkspartei
Sozialdemokraten
Soz. Arbeiterpartei( Kommunisten)
Summa:
174 275
874869
38
17
44
105 223
23
254 672
60
18
91 664 875 696
200
Die Wahl aussichten für ein neues sozialdemokratisches Kabinett sind nicht ungünstig, auch wenn sich die Anzahl der sozialdemokratischen Mandate nicht wesentlich erhöhen sollte. Mit dem vorstehenden Programm kann die Sozialdemokratie im Gegenfaz zu den meisten anderen Ländern auf die Unterstützung der Kommunisten und auch auf die der Schwedischen Volkspartei rechnen, deren fulturelle Selbständigkeit unter dem Kabinett Kallio schwer bedrängt würde.
Um ein neues Muttergottesbildnis einzuweihen, find Pilsudski , ber polnische Staatspräsident, die ganze Warschauer Regierung sowie Bertreter aller polnischen Staatsbehörden, ebenso die Spigen der fatholischen Kirche von ganz Polen , Erzbischöfe, Bischöfe, Raplane usw. in Wilna eingetroffen. Staat und Kirche Polens versuchen Hand in Hand die Einwohner des von Litauen durch einen militärischen Handstreich losgerissenen Wilnagebietes durch religiöse Mittel für Polen zu gewinnen!
Julius Elias , der bekannte Kunst- und Literarhistoriker, ist heute früh an den Folgen einer Operation im 66. Lebensjahr gestorben. Elias gehörte vor einem Menschenalter zu den temperamentvollsten und tenntnisreichsten Borkämpfern des damals modernen Naturalismus. Er war in München in persönlichen Verkehr mit Ibsen ge= treten, dessen Werke er zusammen mit Baul Schlenther und Georg Brandes in deutscher Sprache veröffentlichte. Daneben bemühte er fich mit Erfolg um die Anerkennung der impressionistischen Malerei, die er in Paris zu emer Zeit kennengelernt hatte, als man in Deutsch land noch nicht viel von ihr wußte und nichts von ihr wissen wollte. Mit Mar Liebermann und Otto Brahm verband ihn eine intime Freundschaft. Obwohl ursprünglich im Naturalismus wurzelnd, hat Elias auch für die allerjüngsten Strömungen, namentlich in der deut schen dramatischen Literatur, Herz und Verständnis gehabt.
Neue Forschungen über die Entstehung der Epidemien. Die näheren Ursachen der ansteckenden Seuchen, die von Zeit zu Zeit einen Kontinent oder die ganze Welt durchrasen, sind immer noch in Dunkel gehüllt, und doch ist eine durchgreifende Bekämpfung nur bei genauerer Kenntnis der Zusammenhänge möglich. Aus diesem Grunde haben jetzt eine Anzahl Aerzte in den Hygienischen Labora torien der Universität Manchester umfassende Versuche angestellt, die dem Abschluß nahe sind. Jedes gesunde Individuum ist zu Die Ba manchen Zeiten ein„ Träger" bestimmter Krankheiten. zillen, die für die Entstehung der Lungenentzündung, der Influenza und anderer Krankheiten entscheidend find, befinden sich tatsächlich in jeder Mundhöhle, freilich in sehr verschiedenen Mengen. Aus der Zahl dieser Bakterien zu bestimmten Zeiten hofft man nun in Man chester Anhaltepunkte für die Entstehung der großen Influenzaepidemie von 1918 und ähnlicher Seuchen zu gewinnen. Dazu war es notwendig, daß die Mundhöhle einer größeren Anzahl von Perfonen allmonatlich über ein Jahr oder noch mehr hin bakteriologisch untersucht wurde. Dies ist geschehen, indem sich die Angestellten einer großen Firma freiwillig zur Verfügung stellten. Die einzelnen Befunde werden genau registriert und gesammelt, und schon jetzt läßt das gewonnene Material den Schluß zu, daß eine Krankheit, bevor sie den Charakter einer Epidemie annehmen kann, in ihren Bazillen unter den gesunden Menschen soweit verbreitet sein muß, daß tatsächlich jedes Mitglied der Bevölkerung Träger dieser Krant. heitsteime ist.
Erstaufführungen der Woche. Mont. Rose Th.: Bater werden ist nicht schwer." Dienst. Renaissanceth.:„ Wenn auen reisen." Der Bund Deutscher Gebrauchsgraphifer wählte auf dem Bundestag in Dresden feinen bisherigen Vorstand wieder. Er setzt sich zusammen aus: Baul Winkler- Leers, Berlin ( 1. Vorsitzender), Waiter Riemer, Berlin ( 2. Vor fizender) und den Beisitzern: A. M. Cah, Berlin , Hanns Thadäus Hoyer, Berlin , Gerhard Marggraff , Berlin , Egon Juda, Berlin , Generalsekretär Dr. Eberhard Hölscher, Berlin .
Internationaler Kongreß der Tabafgegner In Brag beginnt am 2. Juli der V. Internationale Rongreß der Tabakgegner, an dem eine große Anzahl von Professoren, Pädagogen und Aerzten feilnehmen werden. Besonders flark ist die Teilnahme aus den Vereinigten Staaten .
Eleonora Duses Tagebuch. Die vor drei Jahren im Alter von 65 Jahren in Amerika berstorbene große italienische Tragödin hat ein durch etwa dreißig Sabre geführtes Tagebuch hinterlassen. Das Tagebuch soll im tommenden inter zugleich in italienischer und deutscher Sprache veröffentlicht werden
„ Ein Mensch aus der Feuersteinzeit."
Die Psychiater im Prozeß Böttcher.
Die Entscheidung über das abnorme Segual- und Seelenleben Böttchers, das seine Verbrechen ermöglicht hat, mußte selbstverständ bei den psychiatrischen Gutachten des Professors Strauch und des Medizinalrats Dr. Dyrenfurth liegen. Vor diesen tamen aber noch Dr. Straßmann, der die Leiche der kleinen Senta obduziert hat, und der Schießsachverständige Schmuderer von der Reichsversuchsanstalt zu Worte.
Von Dr. Straßmann erfuhr man nichts Neues; das Gutachten Schmuderers fann aber unter Umständen für den Ausgang des Prozesses ausschlaggebend sein. War es nicht doch möglich, daß der Schuß von selbst losgegangen ist, als die Gräfin Lambsdorf angeb lich mit beiden Händen die Hand des Angeklagten umflammert hat, in der er den Revolver hielt? Der Schießsachverständige fagt nein. Die Gräfin hätte bei ihrer Abwehrbewegung die Waffe nicht an fich gezogen, sondern sie von sich gestoßen. Der Angeklagte widerspricht diesem Gutachten: Die Gräfin habe den Revolver nicht weg gestoßen, sondern heruntergedrückt. Die Verteidigung ist ihrerseits bemüht, nachzuweisen, daß die Entsicherung sich selbst bei dem leisesten Streifen mit dem Finger oder bei einem Schlag entspannen läßt. Die Waffe habe deshalb beim Zufassen durch die Gräfin sich von selbst entsichern fönnen. Dr. Dyrenfurth erstattet als erster psychiatrischer Sachverständiger sein Gutachten. Er schildert ausführlich den Entwicklungsgang des An= geklagten und stellt fest, daß sein wirklicher Vater Alkoholiker gewesen sei. Bei dem Angeklagten fällt seine ungeheure Gemüts: fälte auf. Die nähere Erforschung seiner Persönlichkeit hat jedoch ergeben, daß von einer Schiezophremie, d. h. einer krankhaften Spaltung der Persönlichkeit oder einer epileptischen Erkrankung feine Rede sein könne. Ebensowenig fann von etwaigen pathologi: schen Ausnahmezuständen gesprochen werden. Die vorzügliche Erinnerung, die er an alle Einzelheiten während seines Verbrechens an der kleinen Senta hat, schließen einen pathologischen Alkoholrauschzustand oder Dämmerzustand aus. Es handelt sich bei Bött. cher nur um eine im höchsten Grade disharmonische Persönlichkeit, der jedes Berständnis für Einordnung in soziale formen und für das Wohl und Wehe seiner Mitmenschen abgeht. Er lebt eben so, wie es ihm gut dünkt. Diese Disharmonie erklärt auch, daß er ein vorzüglicher Tierpfleger fein fonnte und gleichzeitig ein Mörder geworden ist, daß er einerseits den Kavalier spielte und andererseits die Frauen überfiel, daß Dinge bei ihm enorm betont sind, wie dies bei Menschen mit einer glücklicheren gleichmäßigen Anlage nicht der Fall ist. Er stellt eine primitive Persönlichkeit vor, etwa wie die Menschen um die Zeit des Feuersteingebrauchs waren. Von Schwachsinn fann dagegen teine Rede sein. Seine übertriebene Sexualität macht ihn zu starken Affekten geneigt. Sadistische Elemente fehlen jedoch vollkommen bei ihm. Man hat es hier mit einem Hypersexuellen zu tun, dessen freie Willensbestimmung jedoch nicht ausgeschlossen war und auf den der§ 51 nicht Anwendung finden kann.
Professor Strauch betonte mehr die feruelle Seite der Perfönlichkeit Böttchers. Er kann nur aus der abnormen Steigerung feines Geschlechtstriebes heraus verstanden werden, einer Steigerung, die die Wissenschaft als Satyriasis bezeichnet. Diese abnorme Steigerung zeigte sich bereits während seiner Pubertätsjahre und fam in besonders hohem Maße in den späteren Jahren zum Ausdruck. Es ist ihm ganz aleich, in welcher Weise er seinen Geschlechtstrieb befriedigt. Er führt ein rein vegetatives Leben. Da zu braucht er aber Geld; so tommt er zu seinen Raubüberfällen. Aber auch diese waren bei ihm mit intensiven Luftgefühlen ver= bunden. Satyriasis ist ein Leiden, aber keine Geisteskrankheit. Wie weit jedoch diese abnorm gesteigerte Sexualtät Hemmungen möglich mache, müsse dem Gericht überlassen werden. Zweifelsohne steht jedoch fest, daß die Uebersekretierung des Gehirns durch Hormone der Geschlechtsdrüsen, die den ganzen Blutkreislauf beherrschen, zwangsläufig zu Serualverbrechen führen können. Man hat in diesem Falle mit Erfolg die Kastration angewandt. Es sind jedoch feine Anhaltspunkte in diesem Falle gegeben, daß die freie Willens bestimmung bei Böttcher ausgeschlossen gewesen sei. Er ist ein eigenartiger Mensch, der von der Satyriasis vollkommen beherrscht
war.
Damit ist die Beweisaufnahme gefchloffen. Das Wort erhält der Staatsanwalt.
Wieder ein nächtlicher Ueberfall.
Bon vier unbekannten Burschen, die es wahr scheinlich auf einen Raub abgesehen hatten, wurde heute früh gegen 5 Uhr der 42 Jahre alte Arbeiter Heinrich Steiger aus der Wiesenstraße 23 auf dem Heimwege vor dem Hause Seestraße 65 angerempelt. Als er sich das verbat, fielen die Wegelagerer über ihn her und mißhandelten ihn schwer. Auf seine Hilferufe ergriffen sie die Flucht und entkamen, bevor die herbeieilenden Polizeibeamten zur Stelle waren. Der Ueberfallene erhielt mehrere Messerstiche in das Gesicht und den rechten Arm.
Zu der Festnahme Willy Hinges erfahren wir noch folgendes: Hinge war nach seiner Freisprechung wieder in die Fürsorgeanstalt Struweshof gebracht worden. Schon bei seiner Festnahme erflärte er, daß er bald wieder auf freien Fuß tommen werde. Das gelang ihm denn auch am vergangenen Sonntag, als in der Anstalt reger Verkehr herrschte. Bei seinen vielen Schwindeleien hatte der
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gegriffene Bügelhandtasche, in der sich ein Portemonnaie mit etwas über 10 Mart befand. Papiere, aus denen man die Persönlichkeit hätte feststellen können, enthielt sie nicht. Sie wurden auch sonst bisher bei der Toten nicht gefunden. und trug ein dunkelblaues Kleid mit fleinen Fältchen und KnopfDie Unbekannte ist etwa 35 Jahre alt, hat einen dunklen Bubenkopf besaß, einen schwarzen Topfhut, weiße Wäsche und schwarze Schuhe. Der flüchtige Täter steht etwa in der Mitte der zwanziger Jahre, macht den Eindruck eines bessergestellten Mannes und trägt einen grauen Anzug. Sein Hut fann nicht beschrieben werden, weil er ihn sowohl beim Kommen als beim Verlassen des Hotels in der Hand trug. Er sprach ein dialektfreies Deutsch. Die Leiche der Ermordeten wurde zunächst am Tatort vom Gerichtsarzt Prof. Dr. Strauch untersucht und dann ins Schauhaus gebracht. Die Mordtommiffion hat sofort Fahndungsmaßnahmen nach allen Richtungen eingeleitet.
Die Annahme, daß der Mörder nicht allein mit den Hän= den gewürgt habe, wurde durch das Gutachten von Professor Strauch bestätigt.
Die Frau ist gedroffelt und erwürgt worden,
und zwar mit einem mehrfach gefnoteten, wahrscheinlich von einem Bettlaken abgerissenen Leinenstreifen. Bevor er das Zimmer verließ, hat der Mörder dieses Werkzeug vom Halse des Opfers wieder entfernt und es am Fußende zwischen die Beine gelegt. Hier wurde es beim Aufdecken gefunden. Es ist anzunehmen, daß der Mörder sein Opfer in der Gegend auf der Straße getroffen hat, furz bevor er mit ihm das Hotel aufsuchte. Auf einen Raub hat er es wohl nicht abgesehen gehabt, weil er sonst wohl auch den Inhalt des Portemonnaies an sich genommen hätte. Mitteilungen zur Feststellung der Person der Toten und zur Aufspürung des Mörders richten. find an die Kommissare Lobbes und 3apfe im Polizeipräsidium zu
Bursche früher erhebliche Beträge erbeutet. Er erklärte bamals prahlend, er habe soviel versteckt, daß er später längere Zeit gut leben könne. Das scheint aber nicht der Fall zu sein, sonst hätte er nicht sich gleich wieder auf einen neuen Schwindel zu legen gekommen und abgerissen aus, daß man annehmen muß, er habe brauchen, bei dem er gestern ertappt wurde. Er sieht so herunterfeine ordentliche Unterkunft gehabt. Er selbst will über seinen Schlupfwinkel nichts sagen. Wahrscheinlich hat er nur auf Haus= böden und Treppen genächtigt.
Wie Byrd Paris verfehlte.
Die Lehren für die Zukunft.
Ozeanflieger Byrd und feine Kameraden sind am Freitag auf der Paris , 2. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die amerikanischen Präfettur von Calvados in Caen ( Normandie ) feierlich empfangen worden. Sie haben die Nacht auf der Präfektur verbracht und werden am Sonnabendmorgen um 8 Uhr mit dem Schnellzug nach Paris abreisen, der genau um 12 Uhr in der Hauptstadt eintrifft. Es find große Borbereitungen zu ihrem Empfange getroffen worden. Das Flugzeug ist dermaßen beschädigt, daß die Reparatur mehrere Wochen in Anspruch nehmen wird.
Wie WTB. meldet, hat Major Byrd gestern nachmittag in Ber- sur- Mer die französischen Journalisten empfangen und ihnen ausführliche Mitteilungen über den letzten Teil seines Fluges gemacht. Neunzehn Stunden lang waren die Flieger von dichtem Nebel eingehüllt. Von Cap Finistère an hatten sie ganz die Richtung verloren. Sie flogen zweimal rund um Westfrankreich, wobei sie, wie Byrd annimmt, in nächste Nähe von Paris gelangt find. Um 2 Uhr überflogen fie Caen und sind, getäuscht durch den Schein der Hochöfen, die sie für Leuchttürme hielten, auf das offene Meer geraten.
Ueber die angstvollen Stunden, die der Landung der„ America" vorausgingen, berichtet der Begleiter Byrds, Noville , im„ Petit Barisien": Die Stunden, in denen wir nach Erreichung Frankreichs den Weg nach Paris suchten, waren die fritischsten. In diesen Augenblicken dachte feiner von uns, daß wir Le Bourget erreichen werden, sondern fürchteten alle an einen verhängnisvollen Ausgang. Ueberall herrschte dunkle Nacht. Ueberall undurchdringlicher Nebel. 3weimal glaubten wir, in der Nähe von Paris zu sein. Das erstemal gegen 10 Uhr. Gegen Mitternacht warf Byrd einen letzten Blick auf den Brennstoffmesser und näherte sich mir, um etwas zu sagen, aber das Geräusch der Motoren machte jede Verständigung unmöglich. Er schrieb daher mit Bleistift auf ein Stüd Papier : Wir gehen an Land. Wir wußten alle, was das heißen würde! Aufschmettern und in diesem Augenblic schlugen wir auf. Kein Wunder, daß bei dem Gewicht des Apparates von 4500 Kilogramm das Flugzeug unter die Wasseroberfläche gezogen wurde. Aber dank der Reservoire tamen wir wieder hoch. Der Rumpf des Flugzeuges war jedoch zertrümmert. Wasser sprudelte überall hervor. Es blieb uns nichts anderes übrig, als über Bord zu springen. Glücklicherweise war die Küste ganz in der Nähe.
Byrd hält einen regelmäßigen fransatlantischen Luftverkehr noch auf lange Zeit für ausgefchloffen. Als Hauptvorbedingung erflärte er die Sammlung von genügendem statistischen Mate= rial über die atmosphärischen Verhältnisse. Luftströmungen, Temperaturen und Windstärke.
25 Jahre Arbeiter- Baugenossenschaft Paradies.
Die im Jahre 1902 gegründete Genossenschaft feiert am morgigen Sonntag ihr Gründungsfest. Unsere alten Genossen werden sich noch lebhaft der Zeit erinnern, in der die Gründung vor sich ging. Große Hoffnungen wurden damals gehegt. War doch erklärt worden, daß es möglich sei, für 20 bis 25 Mark monatlichen Nutzwert ein Einfamilienhaus zu bewohnen. Diese Hoffnung war nicht erfüllbar und der übergroße Teil der Mitglieder verließ damals wieder die Genossenschaft. Die etwa 600 Genossen, die zusammenhielten, haben bewiesen, daß vereinte Kraft Großes vollbringen kann. Und so präsentiert sich denn morgen in Bohnsdorf eine Siedlung, auf die die Gesamtarbeiterschaft stolz sein kann, weil sie nur das Wert von Arbeitern ist. Es lohnt sich, morgen nach Bohnsdorf bei Grünau zu fahren, dort die festlich geschmückte Kolonie zu besichtigen und an dem Gründungsfest teilzunehmen. Eine Bluttat im Krankenhause.
Singen a. H., 2. Juli. ( WTB.) Im hiesigen Krankenhause drang gestern abend der 40jährige Speditionsarbeiter Oswald Gerster, der nach der Kreispflegeanstalt entlassen werden sollte, nachdem er sich zuvor einen Revolver verschafft hatte, in den Aufenthaltsraum der Schwestern ein, schloß ihn ab und feuerte mit dem Rufe:„ Jetzt müßt ihr alle sterben!" auf die Schwestern. Die Oberschwester Hildebrand wurde durch einen Herzschuß auf der Stelle getötet. Der auf die Hilferufe der Schwestern herbeieilende Polizeibeamte Geiger wurde durch einen Lungenschuß schwer verletzt. Alsdann richtete der Mörder die Waffe auf sich selbst und brachte sich eine leichte Verlegung bei. Ein inzwischen eingetroffener zweiter Polizeibeamter nahm den Täter fest.
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