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Mr. 314 44.Jahrg. Ausgabe A nr. 160

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Der Rinder.

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Sozialdemokrat Berlin  

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Mittwoch, den 6. Juli 1927

Bayern   gegen das Reich.

Drohungen des neuen Finanzministers.

Mit noch größerer

heute gegen Bayern   stünden, im Gefolge. Schärfe lehnte Dr. Schmelzle im Namen der bayerischen  Regierung das geplante Rahmensteuergesez des Reiches ab, weil dadurch

München  , 5. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Die bayerischen| Der Untergang des bayerischen Staates habe aber zwangsläufig auch Gemeinden und die übrigen Selbstverwaltungstörper den Untergang Preußens, Sachsens und der übrigen Länder, die stehen vor dem finanziellen Zusammenbruch, weil ihnen der bayerische   Staat die Mittel zur Fortexistenz seit Jahren derart verkürzt hat, daß sie sich nur durch Schuldenmachen über Waffer halten fonten. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion hat deshalb am Dienstag die Regierung darüber interpelliert, wie in letzter Stunde dieser Zusammenbruch aufgehalten werden kann. Die Ant­mort der Regierung war dilatorisch; positiv war nur das eine, daß die im vergangenen Jahr den Gemeinden weggenommenen 16 Mil­lionen Mark Umfagsteueranteile, die restlos der Landwirt­schaft zugute tamen, entgegen dem seinerzeitigen Beschluß des Land­tags auch für die nächsten Jahre vom Staat zurückbehalten werden sollen. Den Gemeinden soll vorläufig durch eine bessere Verteilung der Ueberweisungssteuern und die Erschließung neuer Einnahme­quellen geholfen werden. Wie das im einzelnen zu geschehen hat, darüber wird eine eigene Gesetzesvorlage in allernächster Zeit Aus­funft geben.

Das wesentliche der Landtagsverhandlungen war aber, daß der neue Finanzminister Dr. Schmelzle die Gelegenheit zu einer Programmrede benußte, die zu einer scharfen

Kampfanfage gegen die derzeitige Reichsregierung

lehnte vollständig

Unitarismus

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das ganze Reich in eine Zwangsjacke gepreßt würde, die den letzten Rest staatlicher Selbständigkeit zerstöre. In diesem Zusammenhang behandelte der Finanzminister das Problem: Förderalismus   und erklärte, daß Bayern  , foste es, was es wolle, an dem Grundsatz der Weimarer Verfassung   fest halte, der das Reich zur Erhaltung der Länder verpflichte. Wer die Lösung der gegenwärtigen großen Finanzfragen nicht auf dem Grundsatz der Erhaltung der Länder versuche, der begehe Ber­faffungsbruch und darüber drohe ein Kampf zu entbrennen, der die größte Gefahr für den Bestand des Reiches bilde. Was fich gegen wärtig im Staatsvolk der Bayern   zu vollziehen drohe, sei eine Tragödie von epochaler, geschichtlicher Größe. Die, Sozial­Bor allem wiesen sie auf die demokraten blieben dem Minister die Antwort nicht schuldig.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

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Kritik am Reichsetat.

Der neue Bericht des Generalagenten für Reparationen. Von Hugo Heimann  .

Bor furzem hat der Generalagent für die Reparations zahlungen der Reparationstommiffion den fälligen Halb­jahresbericht erstattet, der die Zeit bis 31. Mai 1927 umfaßt. Die deutsche Ausgabe soll demnächst erscheinen. Der Bericht unterscheidet sich insofern von den früheren, als er sich nicht schaftslebens in Deutschland   während der Be­nur auf eine referierende Darstellung des Wirts richtszeit beschränkt, sondern in einem furzen, knapp zwei Seiten umfassenden Schlußkapitel auch Schlußfolge= rungen zieht. Die wichtigste ist, daß der Dawes- Plan  während der Berichtsperiode normal funktioniert und Deutsch­ land   loyal alle übernommenen Verpflichtungen eingehalten habe, ohne daß dadurch die Stabilität der deutschen   Währung gefährdet worden sei. Darüber hinaus läßt der Generalagent zum erstenmal im Text des Berichtes, wenn auch in knapper, vorsichtiger und zurückhaltender Form, hier und da ein Wort subjektiver Kritik einfließen. Dies geschieht insbe­fonders in dem Kapitel über den Reichsetat, dem auch in der Darstellung der breiteste Raum gewidmet ist.

Der Generalagent leitet seine Ausführungen über den Etat mit der rethorischen Frage ein, ob und aus welchen Gründen es richtig sei, daß der Bericht sich überhaupt mit dem Zwiespältigkeit dieser bayerischen Regierungsfomödie Reichsetat beschäftige. Deutschland   erfülle doch pünktlich alle hin, die darin besteht, daß die scharfe Verurteilung der Reichspolitik Kontrolle über Deutschlands   Einnahmen und Ausgaben, und seine Verpflichtungen, der Plan selbst tenne feine allgemeine ausschließlich ihn, dem fein über

befriedigend ab, obwohl er Bayern   rund 38 Millionen Mr. Mehr: Reichstage trifft, an dem die bayerischen Regierungs: Das, bum Generalagenten, lei Lee Deutſche Regierung fei piel­

einnahme zuweist. Dié jezige Fassung des§ 35 des Finanzausgleich. gesezes( Berteilung der Einkommen- und Körperschaftssteuern nach dem Aufforimen) führe unmittelbar zum Ruin Bayerns  .

Pariser   Kolonialhehe gegen Deutschland  .

Gegen den deutschen Sit in der Mandatskommission. Paris  , 5. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Der Beschluß der Mandatskommission, der fich für die Zulassung Deutsch­ lands   ausspricht, findet in der französischen   Rechtspresse scharfe Kritit. Der Temps" insbesondere gibt der Erwartung Aus­druck, daß der Völkerbundsrat, dem die Entscheidung in der legten Instanz vorbehalten bleibe, sich durch die Beschlüsse der Kommission in feiner Weise beeinträchtigen lasse. Wenn auch die eine oder die andere der alliierten Regierungen ein gemisses Inter­esse haben, den deutschen   Forderungen entgegenzukommen( dieser Hieb gilt offenbar Chamberlain), so sei doch zu hoffen, daß die

parteien in entscheidender Weise beteiligt sind. Die Ant­mort auf diesen ungeheuerlichen politischen Betrug wird das Volk bei den nächsten Wahlen erteilen.

Gegen den Zollwucher!

Protestversammlungen

Heute, Mittwoch, 6. Juli, 19% Uhr

mehr vollkommen frei, unter eigener Verantwortung den Etat aufzustellen und durchzuführen. Aus den folgenden drei Hauptgründen sei indessen die richtige und dauernde Durch­führung des Sachverständigenplans eng verbunden mit dem Stand des Reichsetats. Erstens sei eine forrefte und dauernde Balanzierung des Etats nötig für den wirtschaftlichen Auf­stieg Deutschlands   und damit für seine allgemeine Fähigkeit, den Reparationsverpflichtungen nachzukommen. Ein richtig balanzierter Etat jei eben die Grundlage des ganzen Sachverständigenplans. 3meitens habe der Plan ein direktes Interesse am Reichsetat, da in ihm von Jahr zu Jahr steigende Zahlungen aus dem Haushalt selbst vorge

Moabiter   Gesellschaftshaus, Wiclefstr. 23-24 sehen sind. Schließlich sei die Stabilität des Etats nicht zu Germaniasäle, Chausseestraße 110 Comeniussäle, Memeler Straße 67 Erbes Festsäle( Kliem), Hasenheide 13-15

Redner:

trennen von dem Transfer" der Reparationszahlungen. Die Währung eines Landes könne nur stabil bleiben, wenn der Haushalt richtig balanziert. Wenn aber die Ausgaben dauernd die Einnahmen überschreiten, müsse die Zeit fom­men, wo der Druck von Papiergelb der einzige

anderen Mitglieder des Rates sich der Konsequenzen des Gin Mathilde Wurm  , Toni Sender, Robert Schmidt, Georg Schmidt 2 us weg bleibe. Zwischen der Stabilität des Etats und

tritts Deutschlands   in die Kommission bewußt würden. Da Deutsch­ land   im Friedensvertrag von Versailles   ausdrücklich auf alle seine Rechte und auf seine früheren Kolonien verzichtet habe, würde sein Eintritt in die Mandatskommission eine sehr heifle Situation schaffen, zumal, da man nicht vergessen habe, wie Deutschland  mährend des Krieges feine zivilisatorischen Pflichten gegenüber den Eingeborenen in den Kolonien verletzt habe. Wenn jemand zu folchen Vorwürfen berechtigt wäre, so sicherlich nicht Frankreich  , zumal Léon Blum   erst am Dienstagabend im Populaire" fest­gestellt hat, wie sich Frankreich   in seinen eigenen Kolonien gegenüber der eingeborenen Bevölkerung der unmenschlichsten Grausamkeit schuldig macht.

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"

Dieser Artikel folgt einem ähnlichen Protest der französischen  Kolonialgesellschaft. Er richtet sich anscheinend nicht nur gegen Deutschland  , sondern auch gegen Briand  , dem die Nationalisten bei jeder Gelegenheit vorwerfen, er komme Deutschland   zu sehr entgegen. Außerdem wird damit offenbar die Absicht verfolgt, die Gewährung eines Kommissionssizes als ein ungeheures und wert­volles Zugeständnis hinzustellen, nach dessen Gewährung Deutsch  land auf längere Zeit fein Recht mehr habe, irgendetwas in der Rheinlandfrage zu fordern. Diese Taktik ist nicht neu und fie bewährt sich dennoch immer wieder. Da nun einmal die Reichs­regierung diese Angelegenheit eingefädelt hat über deren Zweck­über deren Zweck: mäßigkeit die Urteile in Deutschland   selbst auseinandergehen- wird sie gut tun, schädlichen Rückwirkungen auf unsere übrigen außenpolitischen Belange vorzubeugen. Die Unterbringung eines

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volksparteilichen Kolonialfachmannes wie Dr. Schnee mag Herrn Stresemann besonders am Herzen liegen, aber sie darf nicht faktisch auf Kosten des besetzten Gebietes gelingen.

Auch Dominien- Regierungen erheben Einspruch. London  , 5. Juli.  ( TU.) Wie der diplomatische Korrespondent bes Daily Telegraph  " berichtet, wird der Vorschlag einer deutschen   Vertretung in der Mandatskommission des Bölferbundes von einigen englischen Dominien ablehnend beurteilt. Bon gewissen Dominien sei dieser Borschlag bereits auf der legten Seffion des Wölferbundes tatsächlich zurüdgewiesen worden. Es sei mög lich, daß eine oder zwei Dominien- Regierungen sich dem Vorschlag burch ihre Delegierten in Genf   offen widerfegen würden. ( Das gilt offenbar für Auftralien, weil die australische Regie gung anscheinend befürchtet, daß die grausamen Ausbeutungs­

methoden ihrer Organe in gewissen ehemaligen deutschen   Südsee besigungen, namentlich auf der Phosphatinsel Nauru  , durch den Eintritt eines deutschen   Mitgliedes näher beleuchtet werden tönnten. Red. d. V.".)

Ein österreichischer Arensdorf- Prozeß.

Der Arbeitermord in Schattendorf  . Wien  , 5. Juli.  ( Eigener Drahibericht.) Heute begann vor dem Geschworenengericht unter dem Vorsitz des Hofrats Denzwohl, der auch den Prozeß Marek geleitet hat, der Prozeß gegen die natio­nalistischen Frontkämpfer", die am 30. Januar dieses Jahres in Schattendorf   im Burgenland   Mitglieder des Republikanischen Schuhbundes überfallen und zwei Menschen, den Kriegs­fünf Menschen verletzt haben. invaliden Smaritsch und ein Kind, erschossen und weitere Es wurden drei Front fämpfer", die beiden Söhne des Gastwirts, von dessen Gasthaus aus die Schüsse abgegeben wurden, und sein Schwiegersohn wegen öffentlicher Gewalttätigteit angeklagt. Auf diesem Delikt stand bis zum Umsturz die Todesstrafe. Jetzt ist die Strafe lebenslänglicher Kerfer. Die Angeklagten geben zu, geschossen zu haben, aber nicht in der Absicht, irgend jemanden zu geschossen zu haben, aber nicht in der Absicht, irgend jemanden zu töten oder zu verlegen. Morgen wird mit dem Verhör der Zeugen begonnen werden. Die Prozeßdauer ist auf 11 Tage festgesetzt.

Scharfmachereien gegen Sinowjew  - Trotki. Ausschluß aus der Kommunistischen Partei gefordert?

Mostau, 4. Juli.  ( DE.) Die von der Parteileitung geführte Kampagne gegen Sinomiem und Trogki, deren Ausschließung aus dem Zentralfomitee der Partei die Zentralfommission bekannt lich bereits beantragt hat, nimmt immer schärfere Formen an. Die kommunistische Preffe veröffentlicht zahlreiche Kundgebun­gen der Parteiorganisationen in der Provinz, die nicht nur sämtlich den Antrag der Zentraltontrollkommision unterstüßen, sondern auch in mehreren Fällen noch weitergehen und die Parteileitung auffor dern, auch vor einer vollständigen Ausschließung der beiden ge­fährlichen Oppositionsführer aus der Partei nicht zurückzu­schreden, menn. andere Maßnahmen die Bändigung der Opposition nicht erreichen sollten.

der Währung bestehen die engsten Beziehungen. Alles, was die Währung erschüttere, berühre auch sofort das Transfer­problem.

Nach dieser Einleitung bringt der Bericht Tabellen und Diagramme über Einnahmen und Ausgaben des Reichshaus­halts von 1924/25 bis 1927/28 und erläutert diese in ein­gehender Weise unter Benutzung der neuesten Ziffern und Mitteilungen des Reichsfinanzministeriums. Die Tabellen unterscheiden im Gegensatz zum Reichshaushalt nicht zwischen ordentlichen und außerordentlichem Haushalt und zwischen laufenden und einmaligen Ausgaben. Der Generalagent weiß, daß diese linterscheidungen auf der Reichshaushalts­ordnung beruhen, aber er läßt feinen Zweifel darüber, daß er solche Trennung für unrichtig hält, da sie dazu führe ,,, die finanzielle Lage des Reichs in einem höchst künstlichen Licht erscheinen zu lassen". Früher oder später werde man erkennen müssen, daß ein balanzierter ordentlicher Etat plus einem nicht balanzierten außerordentlichen Etat in Wirklichkeit ein unbalanzierter Etat ist.

Dieser rein theoretisch sicherlich richtigen Ansicht des Ge­neralagenten wird man wichtige Gegenargumente zugunsten der Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung, wenigstens soweit das Grundsätzliche in Frage kommt, entgegenstellen können. Die Dinge liegen doch so, daß ein Land wie Deutsch­ land   nach der fürchterlichen Erschöpfung durch den Krieg nicht alle notwendigen Ausgaben auf den ordentlichen Etat bringen und durch Steuern decken kann. Gewisse Ausgaben, insbe= sondere solche werbender Natur, werden auf den außerordent­

lichen Haushalt übernommen und aus Anleihen ge­det werden können. Auf solche Reise wird auch der jezigen Generation zu Lasten tommender eine gewisse Er­leichterung gemährt. Ueber die Auswahl der auf den außer­ordentlichen Etat zu nehmenden Ausgaben werden allerdings die Meinungen auseinandergehen, und die Etatsdebatten eines jeden Jahres haben gezeigt, daß die Sozialdemokratie hier häufig ganz andere Auffassungen vertritt als Reichs­regierung und Regierungsparteien.

Am schärfften ins Gericht geht der Generalagent mit einer Braris der deutschen   Regierung und der bürgerlichen Parteien, gegen die die Sozialdemokratie feit langen Jahren schon anfämpft. Der Generalagent schreibt:

,, Das System, Ausgabeermächtigungen von einem Jahr auf das andere zu übertragen, vermindert die Möglichkeit einer