Donnerstag
7. Juli 1927
Unterhaltung und Wissen
Der Großvater und die Läuse.
Bon Auffin Speet. ( Schluß.)
Der schulfreie Nachmittag, an dem meine unrühmliche Rolle in der furiofen Geschichte von meinem Großvater beginnen sollte, fah uns in der Bildnis der Türkenschanze" dem Räuber- und Gendarm spiel obliegen. Die halbe Prima war allda versammelt und andere Lausbuben, die wir unter uns nur litten, weil sie im Ausdenken von Streichen und Anschlägen unübertrefflich waren. Darunter befand fich der Schandler Pepi, auch Sonnenstrahl" genannt, weil er so lang und dünn war, daß er durch die engsten Zäune und über die höchsten Mauern bringen und die besten Aepfel stehlen konnte. Dieser Schandler Pepi war ein verkommener aber geriebener Bursche. Wir beide waren gerade Räuber und saßen in einem feinen Versteck, die Bewegung der Berfolger beobachtend. Da griff sich der Pepi in den Raden, faßte dort einen unsichtbaren Gegenstand, fnurrte: ,, Sab" ich dich, verfluchter Haarhund!" und haute ihn fräftig auf die Erde. Mir war der Vorgang nicht gleich flar und ich fragte: Was ist das, ein Haarhund?" ,, Na, eine Laus halt," erklärte der Pepi. Kennst du feine Laus nicht?" Er hat Läuse! durchfuhr es mich wie Wonne schauer, wieviel Gulden fönnte er sich da beim Großvater verdienen! ,, Barum nennst du sie Haarhunde?"- ,, Weil sie über den Schädel rennen und beißen." Auf so etwas konnte nur der Sonnenstrahl verfallen. Da wurde ein schwarzer Gedanke in mir wach, der die Wahrheit der Sprichworte beweist: Gelegenheit macht Diebe! oder: Schlechte Beispiele verderben gute Sitten!
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Höre, Sonnenstrahl," sagte ich, du darfst deine Haarhunde nicht auf die Erde hauen. Ich kaufe sie dir ab." Der Pepi war viel zu gerieben, als daß er sich nach dem Grund meines Bedarfes erfundigt hätte. Er dachte sich wohl: wenn einer Läuse kaufen will, muß er sie dringend brauchen, und fragte darum mur: ,, Wieviel zahlst d'?"- ,, Für das Stück ein Fünferl; ober du mußt sie zuerst umbringen, auch darfst du meinem kleinen Bruder nichts sagen." Er überlegte eine Weile, als könnte er sich um ein Fünferl für das Stück von seinen Haarhunden nicht trennen. Dann versprach er mir noch heute ein Stück auszufolgen.
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Richtig trug ich am Abend einen umgebrachten Haarhund, forgfältig in Papier gewickelt und in der Rocktasche verwahrt, nach Hause. Soll ich dir wieder auf dem Kopf nachschauen, Großpater?" fragte ich am nächsten Tag. Der Großvater war gleich dabei und setzte sich nieder. Bekomme ich auch einen Gulden, wenn ich eine Laus finde?" Ja, den bekommst du." Nun begann ich, die Laus zwischen den Fingerspißen haltend, Großvaters schönes Haar zu durchwühlen. Mein fleiner Bruder war auch da und half dabei. Wir suchten eine Weile, bis ich mit dem Geschrei: Ich hab schon eine! Ich hab schon eine!" den umgebrachten Haarhund des Schandler Pepi dem Großvater vor die Augen hielt. Der alte Herr mar weder erschreckt noch erstaunt. Für ihn stand es fest, daß er über und über verlaust sei, und er empfand es daher als Genugtuung, mit der ersten Strecke des Ungeziefers zu Bater gehen zu können, der noch gestern versucht hatte, ihm die Läufe auszureden. Ich bekam meinen Gulden und rannte schleunigst zum SonnenStrahl, um neue Ware einzukaufen. Go ging es ein paar Tage Tang; ich hatte schon sechs Gulden in der Sparkasse. Da schlich mein fleiner Bruder zu mir und sagte: Wie kommt es, daß immer nur du die Läuse findest? Ich möchte auch einmal eine Laus fin„ Kränke dich nicht," versuchte ich ihn zu trösten, ich werde dir zwei Gulden schenken, damit du auch etwas hast."" Die zwei Gulden mag ich nicht," weinte der Kleine, ich möchte lieber eine Laus finden. Der Großvater sagt, ich sei ein Dummfopf und tauge nicht fürs Leben, weil ich noch feine gefunden habe."
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Er tat mir leid und da ich seinen Ehrgeiz, in nichts hinter mir zurückzustehen, wohl fannte, weihte ich ihn in mein Geheimnis ein. Der Großvater hat gar keine Läuse," erklärte ich, er bildet es sich bloß ein. Weil es ihm aber Freude macht, müssen wir ihn dabei laffen. Ich verkaufe dir zwei Läuse, jede um ein Zehnerl. Du mußt sie zwischen die Fingerspigen nehmen, so, daß es der Großpáter nicht merken kann, und erst eine Weile suchen, ehe du schreift. Berstehst du das?" Er geriet über meine Kühnheit ganz außer sich und meinte, was Bater wohl dazu sagen würde. Schließlich aber drängte ihn der beleidigte Stolz, dem Großvater seine Lebenstaug lichkeit zu beweisen und er verlangte sofort eine Laus zu bekommen. Da er jedoch kein Zehnerl besaß, mußte ich sie ihm kreditieren. Bei der nächsten Kopfbeschau war er rot und aufgeregt. Er gab unentwegt acht, wie ich es machte, und hielt die Laus, obwohl sie umgebracht war und sicherlich nicht ausgerissen wäre, frampfhaft zwischen den Fingerspitzen, so daß er sich jeden, Augenblick verraten fonnte und alles auf dem Spiele stand. Plöglich froch er wie ein Krebs auf dem Fußboden und unter Großvaters Stuhl herum.„ Was suchst du denn da?" fragte der Großvater. Meine Laus ist mir heruntergefallen," erwiderte mein Bruder, aber ich merde sie gleich finden." So, so?" meite der Großvater, schöpfte jedoch weiter feinen Verdacht, als die Laus wirklich gefunden war und er mit ihr zu Bater gehen konnte.
Am nächsten Tag fam es zur Ratastrophe. Großvater war zur gewohnten Zeit der Kopfbeschau ausgegangen und erst abends zurückgekehrt. Niemand hatte eine Laus zur Hand, denn es stand nicht zu erwarten, daß er sich noch würde nachschauen lassen. Da rief er unvermittelt: Heute beißt es mich fürchterlich! Kommt schnell, da hinten muß eine ſizen!" Mein Bruder mun, der solchen Lagen nicht gewachsen war, sagte in seiner Herzenseinfalt:„ Ich habe meine Laus nicht bei mir, ich muß sie erst holen."„ Erst holen? Ja, moher holst du sie denn? Ich glaube gar, ihr zwei Lausbuben. So wurde alles entdeckt. Was nun folgte, sei verschmiegen. Eine gute Folge aber hatte mein Streich doch gehabt: der Großpater war geheilt. Die sechs Gulden nahm er mir wieder ab, um sie einem„, mürdigen Knaben" zu schenken. Dafür gab er mir sechs Fünferin das war der Selbstkostenpreis für des Schandler Pepis Haarhunde denn er brachte es nicht über sein gutes Herz, daß ich nebst dem Spott auch noch den Schaden haben sollte. Das ist die Geschichte vom Großvater und den Läusen.
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Pans Vermächtnis.
Kulturgeschichtliche Plauderei über die Flöte. In der ersten Aufführung des sinfonischen Chorwerks ,, Der Sonnegeist" von F. Klose , die in Wien im Juni 1919 stattfand, war der Zuhörer überrascht, unter den Blasinstrumenten eine Flöte von ganz eigentümlicher Klangwirkung zu hören. Es war das Albisiphon, eine Baritonflöte, deren Konstruktion von dem Instru mentenmacher Albisi in Mailand verfertigt war. Eine seltsame, fremdartige Stimmung ging von ihren Klängen aus, es war, wie
JA
Hamlet, Akt V, 1.
BE
Beilage des Vorwärts
Hamlet: Wie lange liegt wohl einer in der Erde, ehe er verfault?" Erster Totengräber:„ Mein' Treu, wenn er nicht schon vor dem Tode verfault ist, so dauert er Euch ein acht bis neun Jahr aus. Hier ist ein Schädel, der Euch dreiundzwanzig Jahr in der Erde gelegen hat."
Inspizient( hereinstürzend):„ Halt, nicht weiterspielen! Der Berichterstatter der„ Roten Fahne" notiert bereits die Knochenfunde!"
wenn in weiter Ferne ein fremdes Land aufsteige, das heute nur blühte und leuchtete. noch in der Geschichte lebendig ist, das aber einst, vor Jahrtausenden, Aelteste Menschheitsgeschichte wurde zur Gegenwart, an Stelle Europas herrschte der ferne Orient, die Sphing Asien . Und während modernste Instrumentalmufit vorüberrauschte, zwangen die geheimnisvollen Flötentöne den Menschen des 20. Jahr hunderts immer stärker in ihren Bann. In der seltsam verzweigten
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knallig bunten Wäschestücke. Melancholisch schaukeln sie und singen die Elegie vom marternden Kampf ums tägliche Brot, wenn ein wenig Wind sich erbarmt, die aus fleinen Fenstern und Türen bringende muffige, verbrauchte, schweißige Luft weiter in die Stadt hinein, zu den schönen Häusern und blumenbepflanzten Vorgärten zu befördern.
geschichtlichen Entwicklung fingen die Stimmen untergegangener wie verbranntes Gummi. Placiggelbe platate wirft die Sonne Werden und Bergehen der Kulturen. Völker an zu sprechen, wiederholte sich das ewige Naturgesetz vom
Osiris, der Herrscher über Leben und Tod, der Gott des Gefanges und der Mufif, brachte der Sage nach die ägyptische Flöte auf die Erde. Aus Schilfrohr oder Tierknochen, bald in längerer, bald in fürzerer Gestalt, als Lang- und Querflöte ist das Instrument auf den alten Grabdenkmälern abgebildet. So zeigt das Grabrelief von Gizeh 8 Flötenspieler, die bei den Klängen ihrer langen, schief zu Boden gehaltenen Instrumente einen Toten zur letzten RuheChina, Bersien und Arabien , Phönizien und Phrygien das Instrustätte begleiten. In einer Fülle von Gestalten fennt Japan und
Göttin Athene habe aus einem Hirschknochen die erste Flöte verment der Trauer. In Griechenland erzählte der Volksglaube, die fertigt. Es war eine Langflöte, deren eines Ende als Mundstück diente. Ban aber, der Gott der Träume und Weisjagungen, der Beschüßer der Jäger und Hirten, schuf die Banflöte, das Lieblings. instrument des griechischen Hirten. Auch die Querflöte wurde in den griechischen Kulturtreis aufgenommen, aber sie spielte im Bergleich mit anderen Flötenarten eine untergeordnete Rolle. Erst nachdem das römische Weltreich zerschlagen war, erscheint die Flöte im byzantinischen Kulturkreis. In Deutschland , wo sie jedenfalls durch die Kreuzfahrer bekannt geworden war, ist sie eins der vor= nehmsten und beliebtesten Instrumente der Renaissance. Präto rius, der Theoretiker des 17. Jahrhunderts, erzählt von Distant, Tenor, Alt- und Baßflöten, die damals im Gebrauch waren. Jo hann Sebastian Bach hat die Schnabelflöte, die nach Art unserer Klarinette geblasen wurde, in seinen Brandenburgischen Konzerten Derwendet, wie sie auch Händel in seiner Kammermusif heranzog. Die Querflöte trat dagegen bis um die Wende des 17. Jahrhunderts hinter ihrem Schwesterinstrument zurück. Es ist wohl nicht zuletzt dem Einfluß des berühmten Flötenlehrers Friedrichs II. zu danken, daß das Spiel der Querflöte im 18. Jahrhundert zu hohen Ehren fam. Quang war ein ausgezeichneter Musiker, der das Instrument wesentlich verbesserte. Der König ließ zur Herstellung seiner eigenen Flöten, die nach dem Prinzip seines Lehrers gebaut waren, eine Anzahl von Ebenholzstämmen aus dem Ausland fommen. Für jede Flöte bezahlte Friedrich 100 Dutaten. Sein fostbarstes Inftrument bestand aus Bernstein mit goldenen Beschlägen. Quanz ist als der eigentliche Begründer der Flötenliteratur zu betrachten. Außer seinen vielen Sonaten hat er gegen 300 Konzerte geschrieben. Auch Haydn schäßte die Flöte außerordentlich. Sehr feinsinnig ist der fleine Satz für drei Flöten in der Schöpfung", wie auch die Nachahmung des Zirpens einer Grille durch das Zusammenspiel zweier Flöten in den Jahreszeiten". Zu den schönsten Flöten tompofitionen aber gehören die beiden Flötenkonzerte von Mozart mit ihrem Melodienreichtum und ihren herrlichen Mittelsägen. Ebenso hat Mozart in seinen Orchesterwerfen der Flöte einen bedeutsamen Platz angewiesen. In unserer heutigen Zeit stellte vor allem Richard Strauß der Flöte als Orchesterinstrument intereffante, aber auch technisch schwierige Aufgaben. Bemerkenswert ist endlich, daß Felig Weingartner die Altflöte des 17. Jahr hunderts zu neuem Leben erweckte, indem er sie in seiner Sinfonie " Die Gefilde der Seligen" erfolgreich verwendete.
So ist das äußerlich so bescheidene Instrument das Ergebnis einer Fülle von Entwicklungsstufen. An seinem Werdegang haben viele Völker, haben unzählige einzelne mitgearbeitet. Aus feiner technischen Vervollkommnung spricht die Geistesarbeit der Jahrtausende, in der weichen Tongebung flingt die Totenflage Aegyp tens , das Hirtenlied der Antike, die Sehnsucht Europas .
Dr. E. L. Möbus.
Straße im Arbeiterviertel.
Straße
Von Albert 3immer.
Ein verknorpeltes, dürres, schwindsüchtiges Bäumchen versucht gequält die Eriſtenz des den Augen wohltuenden Grüns zu demonstrieren. Wie ein verhungeries rachitisches Proletarierkind streckt es feine dünnen Aermchen zum fatten Blau des. Himmels, bittend und fluchend. Eingefeilt zwischen grau getünchten Mietskasernen vermag es faum Luft zu erhaschen zum Atmen. Ausgetrocknet von Hike ist der krachig- brüchige fleine Kreis Erde, den man den absterbenden Wurzeln lassen zu müssen glaubte. Mitleidslos legt sich der Asphalt boden mit herzlosem Griff um die faum tellergroße erdene Lebensbasis. Hunde kommen ab und zu und verrichten ihre Bedürfnisse am Stämmchen, das etwas aufzuatmen scheint bei solcher Huldigung. Wie das Bäumchen hat die Straße ein sterbendes Antlig. Dokumente des Elends scheinen die aus nüchtern zementierten, Baltonform anstrebenden Vorsprüngen schlaff herunterbaumelnden
In Sonnenglut wölbt sich der Asphalt, wird weich und riecht darauf. Zerlumpte Kinder watscheln barfüßig mit sichtlichem Behagen auf der flimmernden Teermasse, lachend, wenn die Füße freiumzustoßen trachten. zubekommen ihnen nur mit Mühe gelingt, wobei sie sich gegenseitig
Sind sie dieses Spiels müde, so sehen sie sich nebeneinander auf den Bandstein des schmalen Trottoirs und lassen die knochigen Körperchen von trockener Steinhize durchrieseln und schauen verlangend zu den gelben und roten Limonadenflaschen im gegenüber liegenden Gemüseladen.
fehen die Kinder deutlich die billigen Kattunröcke und Wollbluse.
Manchmal geht eine gutgekleidete Frau vorüber. Dann erst
ihrer Mütter, und nebenbei falfulieren sie insgeheim, wieviel Limonaden wohl die Kinder der reichen Leute am Tage trinken können.
Hat einer ein paar Pfennige in der Tasche, so beraten fie minutenlang, was zu kaufen am vorteilhaftesten sei. Meiſt einigen sie sich auf billige Dropsbonbons, die sie sehr ökonomisch und ge nießerisch ganz langsam abschlecken. Dabei macht es gar nichts aus, wenn ein Bonbon auf den Boden fällt und eine Schicht grauen
Asphaltſtaubes mit in den Magen kommt.
Ab und zu ruft eine Mutter ihr Kind herauf. Alle Kinder haben eigenartig flingende Namen. Die verschiedenartige Dehnung meist nur eines hörbaren Vokals, die Höhe der rufenden Stimme, das Herrisch- Berbitterte oder Klagend- Weiche, das Schrill- Kurze oder Warnend- Unheilvolle und das Ziehen der einzelnen Silben lassen die Kinder sofort erkennen, welches von ihnen gerufen wird. Sie haben dafür ein feines Gehör.
Halten es die Kinder vor Hize nicht mehr aus, so erbettelt sich einer, der durch Stimmenmehrzahl dazu ausersehen ist, von irgend wem fünf Pfennige und holt beim Gemüsehändler gegenüber dafür eine Stange Lakritze. Schnell wird eine Flasche aufgetrieben, mit Wasser gefüllt und der komprimierte Süßholzfaft darin aufgelöst, bis sich das Wasser dunkelbraun gefärbt hat. Dann nimmt jedes einen Präftigen Schluck. Vorher wird die Flasche solange geschüttelt, bis dicker braungelber Schaum sich bildet, der alle Süße in sich aufnimmt.
Haben die Kinder sich fattgetrunken am braunen Saft und ist noch ein Pfennig übrig, so springt eines hinüber in den Laden und kauft dafür eine Spinnschlange, die Farben hat wie ein Regenbogen. Ehrlich wird sie in gleiche Stücke geteilt. Dann werden 3eigefinger und Daumen mit Speichel befeuch'et, und durch geschickte Manipulation der Finger entstehen seidenartige Fäden, die um den Nagel des Daumens der anderen Hand gelegt werden, bis er ganz überzogen ist von einer schillernden, dicken Schicht Fäden. Ist diefe Spinnerei beendet, jo leckt jedes seinen Daumen, wie ein Säugling behaglich schmaßend, ab, denn die flachsartige Masse schmeckt füß wie Honig. Es ist eine weise Dekonomie in den Proletarierkindern, eine Methode für spätere restlose Ausnüßung aller Dinge und ein Wissen um den Wert des Kleinsten.
Abends, wenn die Sonne lange Schatten auf den Asphalt legt, Haden und Hölzern, wird ein Kind nach dem anderen heraufwenn die Bäter heimgekommen sind mit ihren Eßbehältern und gerufen. Und tot liegt die Straße da. Das Bäumchen beginnt zu frösteln. Die Wäsche wird hereingenommen. In den Häufern wird allmählich alles ruhig. Der Schlaf beginnt.
Manchmal sitzt noch ein Arbeiter am Fenster und trinkt ein Glas Bier und träumt von Lohnerhöhung und besseren Möbeln. Und ein Grammophon plärrt aus irgendeinem Loch nicht mehr anzuhörende, alte Schlager. Ein Kind heult auf, das Prügel bekommt für die von der Mutter dem Bater gemeldeten Bergehen während des vergangenen Tages.
Dann ist alles dunkel auf der Straße. Nur eine Gaslaterne flackert neben dem verfrüppelten Bäumchen. Ein Liebespaar wandelt Arm in Arm ins nahe Feld. Früh ist für das Arbeiterviertel die Nacht da. Früh beginnt der Tag, das Schuften, Hoffen und Träumen, das Spiel der Kinder, das immer gleiche graue Bild.
Gerüche der Städte. In Paris ist gegenwärtig eine von der Regierung eingesetzte Kommission der Gerüche" an der Arbeit; fie hat Luftproben aus den einzelnen Vierteln der Stadt entnommen, die jetzt im Laboratorium auf die Verunreinigungen, die sie enthalten, untersucht werden. Zu Beginn ihrer Arbeit hat die Kommission die Vorarbeiten auf diesem Gebiet, die in anderen Städten geleistet worden sind, geprüft und dabei u. a. festgestellt, daß z. B. Leningrad ebenso wie das alte St. Petersburg hauptsächlich nach alten Stiefeln riecht, Rom nach Käse, Benedig nach faulem Wasser. Im erfreulichen Geruch steht Sevilla , dessen Luft fast das ganze Jahr nach Orangenblüten duftet,