Einzelbild herunterladen
 
  

Abendausgabe

Nr. 327 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 161

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife find in der Morgenausgabe angegeben Rebattion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292- 292 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Volksblaff

10 Pfennig

Mittwoch

13. Juli 1927

Berlag and Angetgenabteilungi Geschäftszett 8% bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Donhoff 292. <-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Das Erdbeben von Palästina.

Bisher über 1000 Todesopfer.

-

Die neuesten Berichte über den Umfang des Erdbebens in Palästina und Transjordanien laffen erkennen, daß es sich um eine Naturkatastrophe von größtem Ausmaß handelt. Menschenverluste und Materialschaden sind überaus schwer. Ganze Ortschaften und Städte sind zerstört worden. Die Zahl der Toten wird 1000 weit übersteigen. Die Nachrichten laufen zunächst nur spärlich zusammen, ein Gesamtüberblick darüber, welchen Schaden insgesamt das Erdbeben angerichtet hat, ist zurzeit noch nicht möglich. Am schwersten scheint neben Jerusalem die Stadt Nablus betroffen worden zu sein.

Ueber die Ursachen des Erdbebens werden allerlei Ver­mutungen angestellt, es scheint jedoch, daß es sich um ein tektonisches

Beben handelt.

Im Gebiet von Damastus wurde gestern früh ein neues Erdbeben verspürt, das sechs Sekunden andauerte, aber keinen weiteren Schaden anrichtete.

Schwer betroffen wurden auch die jungen zionistischen Siedlungen in Palästina. Die wirtschaftlichen Wirkungen des Erdbebens sind noch nicht abzusehen. Nach Berichten englischer Blätter soll das Erdbeben das Ende vieler zionistischer, Siedlungen bedeuten, zahlreiche zionistische Ansiedler trügen fich bereits mit der Absicht, nach ihren alten Heimstätten zurückzukehren.

Die Trümmerstätte Nablus .

Jerufalem, 13. Juli. ( WEB.) Die vom Erdbeben heim­gesuchte Stadt Nablus . bietet ein furchtbares Bild der 3er­stöfung. Die Stadt gleicht einer Trümmerstätte; viele Häuser sind gänzlich zusammengestürzt, andere scheinen wie durch ein Wunder zufammengehalten, tein einziges Haus ist ganz ver­schont geblieben. Die Geschäftsstraßen sind verödet, nur hin

Preußen und die Zollvorlage.

Kein Einspruch im Reichsrat.

Die Hoffnung, daß die Wucherzölle der Reichsregierung durch einen Einspruch des Reichsrats unwirksam werden könnte, hat getrogen. Wie wir hören, beabsichtigt Preußen lediglich durch Erklärungen vor der Ländervertretung noch einmal seine Bedenken gegen die neue Zollregelung zum Ausdruck zu bringen. Ein formeller Einspruch wird nicht beantragt werden, weil infolge der veränderten Haltung einiger Freistaaten eine Mehrheit für ihn nicht zu erzielen ist. Nicht nur Bayern , das aus taktischen Gründen früher gegen die Zollvorlage gestimmt hat, ist inzwischen aus Freund­schaft für den Rechtsblock in die Front der Zollwucherer ein­geschwenkt, auch Baden hat seine frühere Ablehnung revidiert und es ist obendrein wahrscheinlich, daß Sachsens Ber­treter von der dortigen Rechtsregierung neue Anweisungen erhalten haben, der Rechtsregierung feine Schwierigkeiten zu machen. Unter diesen Umständen ist für einen Einspruch im Reichsrat keine Mehrheit zu erzielen. Würde der Einspruch beantragt und abgelehnt werden, so wäre das gleichbedeutend mit einer Demonstration, deren Mißerfolg sich gegen die Demonstranten selbst richtet. Das kann niemand

wollen.

Aber nimmt man selbst an, daß eine Zufallsmehrheit im Reichsrat für einen Einspruch erreicht werden könnte, so würde dieses Ergebnis im gegenwärtigen Stadium sich gegen die Wünsche der Zollgegner richten. Die Reichsregie rung hat nämlich mit aller Bestimmtheit erklärt, daß sie dann die autonomen Säße der Vorlage von 1925, und zwar ohne würde. Ob sie dafür eine genügende Rechtsgrundlage hat, die darin enthaltenen Ermäßigungen in Kraft feßen mag dahingestellt bleiben. Man weiß doch, daß selbst in wichtigen Fragen die Reichsregierung über juristische Zwirns­fäden. nicht gestolpert ist. Hätte sie jedenfalls diese Absicht durchgeführt, so wäre das allgemeine Niveau der Nahrungsmittelzölle noch höher als nach den Säzen des jetzigen Kompromisses. Eine solche Schädigung der Verbraucher fann natürlich eine Regierung, die wie die preußische auf die Interessen der großen Boltsmassen Rück ficht nehmen muß und deren Wirken nicht nach Demonstratio­nen, sondern nach Erfolgen beurteilt wird, teinesfalls ver­antworten.

-

voraus=

Einige Aussicht hätte ein Einspruch gehabt gesetzt, daß er angenommen worden wäre menn man da wenn man da­mit den Reichstag zu einer neuen Beschlußfassung hätte zwingen fönnen. Aber der Rechtsblock hatte von vornherein und, wie man jetzt sagen muß, mit Erfolg darauf hingearbeitet, eine derartige Auseinandersetzung zu verhindern. Er hat die nach dem Zeugnis Stegerwalds unlogischen und unpopulären Bucherzölle erst in einem Augenblick den parlamentarischen Körperschaften vorgelegt, in dem eine fachliche Erledigung nicht mehr in Betracht kam. Eine neue Sommertagung wäre entweder überhaupt nicht oder nur mit schwach bejeztem Hause zustande gebracht worden. Unter diesen Umständen war mit Obstruktionsversuchen zu rechnen, deren Ergebnis wieder nur in der Inkraftsegung der alten Vorlage be­standen hätte. Das aber mußte auf jeden Fall verhindert werden,

Die Stadt Nablus völlig zerstört.

Das Recht der Erwerbslosen .

Aus dem Gesetz über Arbeitslosenversicherung. Bon S. Aufhäuser.

Die noch vor den Sommerferien des Reichstags be­und wieder tauchen verschüchterte Gestalten auf, die ihre Kamele schlossene Arbeitslosenversicherung tritt am 1. Of­oder Esel mit dem etwa noch geretteten Hausrat beladen. Die Be­tober 1927 in Kraft; mit demselben Tage werden das bis­völkerung hat außerhalb der Stadt in Zelten eine notdürftige Unter- herige Arbeitsnachweisgesetz und die aus der Zeit der Er­funft gefunden, wo die Leute in Mitleid erregenden Gruppen zu- mächtigungsverordnungen stammende Erwerbslosenfürsorge sammenboden. Unter Leitung der englischen Polizei ist man in- und die dazu gehörigen Ergänzungsverordnungen, ebenso mitten der Einsturzgefahr an der Arbeit, um aus den Trümmern auch die Krisenfürsorge( Gesetz vom November 1926) aufge­noch Verschüttete zu retten. Die Haltung der Toten zeigt, daß sie hoben. Damit beginnt im neuen Deutschland die ordent­bei ihrer gewohnten Beschäftigung vom Tode überrascht worden sind.iche Gesezgebung für eine obligatorische Nach behördlichen Schäßungen hat das Erdbeben in Palästina über staatliche Arbeitslosenhilfe und eine zentral über 150 und im Lande jenseits des Jordan etwa 100 Tote gefordert. Ver­das ganze Reich geregelte Arbeitsmarktorganisation. Soweit es sich um den besonderen Schutz der am 1. Oftober 1927 be­letzt sind über 500 Menschen. Europäer befinden sich nach den bis­reits arbeitslosen Arbeiter und Angestellten handelt, sind be= herigen Meldungen nicht unter ihnen. sondere Uebergangsbestimmungen getroffen, die bis zum 1. April 1928 laufen.

*

Nablus , das Sichem der Bibel, liegt etwa 60 Kilometer nördlich von Jerusalem , auf der Wasserscheide zwischen dem Mittel­ meer und dem Jordan. Es hat etwa 30 000 Einwohner und liegt in fruchtbarer Gegend.

Auch Transjordanien heimgesucht. London , 13. Juli. ( EP.) Nach Meldungen aus Jerufalem forderte das Erdbeben in Palästina nach den bisherigen Feststellun­gen 108 Todesopfer und 355 Verwundete. Am meisten gelitten haben die Städte Nablus , Ramleh und Lupa.

Nach einer Meldung des Exchange Telegraph" aus Kairo hat das Erdbeben auch Transjordanien schwer heimgesucht, wo, nach allerdings noch nicht bestätigten Meldungen, etwa 1000 Per fonen umgefommen sein sollen. Weniger groß ist der Schaden in Syrien , obgleich sich dort das Erdbeben auf das ganze Gebiet des Landes erstreckte. Es hat dort meist nur Minuten gedauert. In Sueida, Esraa und Doraa sind mehrere Häuser ein­gestürzt. Der Eisenbahnzug von Gaiffa nach Doraa ist in der Nähe von Materino infolge eines Erdstoßes entgleift.

Daß die Lösung die breiten Verbrauchermassen nicht be­friedigen kann, ist selbstverständlich. Anstatt aber der preußi­schen Regierung daraus Borwürfe zu machen, daß sie eine weitere Verschlechterung der Zollpolitik aus dem Wege zu gehen sucht, wird man beffer alle Kraft darauf konzentrieren müssen, daß der Reichstag bei den nächsten Wahlen eine. 3011gegnerische Mehrheit erhält. Dann wird es mit dem Zollwucher bald zu Ende sein. Die Sozialdemokratie wird in diesem entscheidenden Kampf gegen die Schutzzölle die Führung übernehmen und überläßt die demagogische Ab­lenkung von den wirklichen politischen Problemen gern den Moskowitern, die bereits wieder nach Massenaktionen schreien.

Senat und Wahlreform.

Sie soll heute unverändert verabschiedet werden.

Paris , 13. Juli. ( TU.) Die vom Senat eingesetzte Sonder­fommission für die Wahlreform beschloß nach Ausführungen des Innenministers Sarraut mit 16 gegen 1 Stimme, den Senat um unveränderte Ratifizierung des von der Kammer an­genommenen Kreiswahlrechts in seiner heutigen Sigung zu er­suchen. Auch die linksdemokratische Senatsgruppe sprach sich für die unveränderte Annahme der Wahlreform aus.

Ein wehrhafter Antifaschist freigelassen. Paris , 13. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die italienische Regierung hatte in Paris den Antrag auf Auslieferung eines jungen Mannes gestellt, der in Padua bei zusammenstößen zwischen Faschisten und Antifaschisten einen Faschisten getötet hatte hat jetzt die Auslieferung verweigert und die Freilassung und dann nach Paris geflüchtet war. Die zuständige Justizbehörde des Flüchtigen verfügt. Der Populaire" bezeichnet die Entscheidung als eine gute Leftion für Mussolini , der endlich aufhören möge, ununterbrochen Auslieferungsanträge zu stellen.

Helft Sachsen !

-

Die Not ist groß. Ein Aufruf der Notgemeinschaft. Auf zahlreiche Anfragen teilt die Reichsgeschäftsstelle der Deut­ schen Nothilfe, Berlin W. 8, Wilhelmstr. 62, mit, daß die Sendung von Kleidungsstücken und haltbaren Lebensmitteln für die Opfer der fächsischen Hochwasserkatastrophe dringend er­der fächsischen Hochwasserkatastrophe dringend er­wünscht ist.

Es wird gebeten, derartige Spenden unmittelbar an das fächsische Arbeits- und Wohlfahrtsministerium, Dresden N. 6, Düppelstraße 1, zu senden. Die zur Verfügung ge­stellten Reichs- und Staatsmittel können selbst zur Linderung der ersten Not nicht ausreichen, da der Gesamtschaden auf 90 bis 100 millionen Mark geschäht wird.

Die deutsche Nothilfe bittet jeden, der die erschütternden Berichte aus dem Unglücksgebiet gelesen hat, nach seinen Kräften dazu bei­zutragen, den von der Katastrophe Betroffenen zu helfen.

Geldspenden nehmen die Reichsbank, die vier D- Banken, die Commerz- und Privatbank mit ihren Filialen sowie die Girozentrale mit den ihr angeschloffenen öffentlichen Kaffen entgegen. Postiched­fonto Berlin 160 000.

Die neue Versicherung erstreckt sich auf alle Arbeiter mit Ausnahme der in der Land- und Forstwirt­schaft mit langfristigen Dienstverträgen Beschäftigten und unter Ausschluß der Arbeitnehmer in der Binnen- und Küstenfischerei. Bei den Angestellten erstreckt sich der Pflichtversicherten( bis 500 M. Monatsgehalt). Versicherungs­Versichertenkreis auf die in der Angestelltenversicherung frei sind die Lehrlinge, doch erlischt die Versicherungsfreiheit 6 Monate vor Ablauf des Lehrverhältnisses.

stützung und der sonstigen Aufgaben der neuen Reichsanstalt Die Mittel zur Durchführung der Arbeitslosenunter­aufgebracht. Die Einziehung der Beiträge erfolgt durch werden durch Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Krantentassen. Schiffsbesatzung für den Fall der Krankheiten pflichtversichert Soweit die Versicherten der sind, werden die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung mit geführt. Der Beitrag besteht aus einem Landes- und einem den Beiträgen zur Invalidenversicherung an die Seekasse ab­Reichsanteil, wird aber einheitlich erhoben, wobei der. Reichs= höchstsatz einschließlich Landesanteil mit 3 Proz. vom Arbeits­John begrenzt ist. Eine niedrigere Beitragsbemessung fann solange nicht festgesetzt werden, als der Notstock nicht min­destens die Gesamtsumme erreicht hat, die zur Unterstützung von 600 000 Arbeitslosen für drei Monate erforderlich ist. Für die Bemessung der Beiträge und der Leistungen sind die folgenden elf Lohnklassen geschaffen:

Lohn­Klasse

Einheits lobn

Haupt­unterſtügung

75 Broz. 65

Wöchentlicher Arbeitsentgelt

bis 10 M.

8 M.

10 bis 14

12

"

"

"

14

18

16

55

"

"

"

18

"

24

24 30

21

47

"

"

27

40

Dom

"

"

30

36

33

40

Ein

"

"

VII

36

42

39

37,5

heits­

"

42

48

45

35

John

"

"

IX

48

54

51

35

W

"

X

54

60

57

35

"

"

von mehr als 60

63

35

ARRERES

Für die Feststellung der Lohnklasse ist der Durch- schnittslohn aus den letzten drei Monaten maßgebend. Hat z. B. ein Arbeiter 15 M. Wochenlohn bezogen, so hatte er die Beiträge zur Lohntlasse III 14-18 M. Wochenlohn) entrichten müssen; er erhält im Fall der Arbeitslosigkeit 55 Proz. vom Einheitslohn seiner Klasse III, d. h. von 16 M. = 8,80 m. wöchentliche Unterstützung.

berechtigten Angehörigen weitere 5 Broz. des Einheitslohnes Als Familienzuschlag werden für jeden zuschlags­berechtigten Angehörigen weitere 5 Proz. des Einheitslohnes gezahlt. Hauptunterstützung und Familienzuschläge dürfen 75 Bro3.; Klasse IV: 72 Broz.; Klaffe V: 65 Broz.; zusammen die nachstehenden Höchstsäße nicht überschreiten: Klasse 1: 80 Proz.; Klasse II: 80 Proz.; Klasse III: Klasse VI: 65 Broz.; Klaffe VII: 62,5 Broz; Klasse VIII: Klasse VI: 65 Proz.; Klaffe VII: 62,5 Broz.; Klasse VIII: 60 Proz.; Klasse IX: 60 Proz.; Klasse X: 60 Proz.; Klasse XI: 60 Proz.

Bei der Gewährung der Familienzuschläge sind die unehelichen Kinder den ehelichen Kindern gleichgestellt, ebenso gelten Stief- und Pflegefinder als zuschlagsberechtigte Ange­hörige. Die Anwartschaftszeit zum Bezug der Unter­stüßung ist erfüllt, wenn der Arbeitslose innerhalb der zwölf vorausgegangenen Monate 26 Wochen in einer versicherungs­pflichtigen Beschäftigung gestanden hat. Ausnahmen gelten für Arbeitslose, die vorher durch Ausbildung, Berufsum­schulung oder durch Krankheit, Schwangerschaft usw. verhin= dert waren, eine Beschäftigung auszuüben. Die Unter­stüßungsdauer beträgt gleichfalls 26 Wochen. Die Arbeitslosenunterstützung wird in der Regel vom 7. Tag seit dem Tag der Meldung gewährt, doch sind auch hier Aus­nahmen für die sofortige Auszahlung der Unterstützung vor­gesehen.

Für die am 1. Oftober bereits vorhandenen Arbeits­lofen, denen die Unterstüßung fortgewährt wird, genügt eine Anwartschaftszeit von nur 13 Wochen. Wenn ein solcher Ar­beitsloser nach dem neuen Gesetz eine höhere Unterstützung zu beanspruchen hat als nach der bisherigen Erwerbslosen­fürsorge, so müssen ihm die höheren Säße spätestens ab 1. De­zember 1927 ausgezahlt werden, Er darf auf keinen Fall