weniger als bisher bekommen. Die Unierstützungsdauer kann bei diesen unter die Uebergangsbestimmungen fallenden Ar- beitslosen über 26 Wochen bis 39 und bis 52 Wochen be- tragen. Für den Bezug der Arbeitslosenunterstützung besteht jetzt durch die neue Arbeitslosenversicherung ein R e ch t s a n- spruch, so daß die Bedürftigkeit in Wegfall kommt.— Die Kurzarbeiterunterstützung kann durch den Ver- waltungsrat der Reichsanstalt mit Zustimmung des Reichs- arbeitsministers angeordnet werden. Für die ausgesteuerten Arbeitslosen ist eine Krisen- unter st ützung vorgesehen, die aber rechtlich nicht den Charakter der Versicherung trägt. Der Reichsarbeitsminister ist durch das Gesetz verpflichtet, die Krisenunterstützung ein- zuführen, wenn eine andauernd besonders ungünstige Ar- beitsmarktlage gegeben ist. Bei der Krisenunterstützung ist im Gegensatz zur Versicherung die P f l i ch t a r b e i t nicht abgeschafft. Es ist aber vorgesehen, daß„regelmäßige Ar- beiten, die fortlaufende Tätigkeit eines Arbeitnehmers be- onspruchen, nicht im Wege der Pflichtarbeit ausgeführt wer- den dürfen". Organisatorisch handelt es sich bei der Arbeitslosenver- sicherung um eine Reichsorganisation, die in ihrer Gliederung nicht an die politischen Verwaltungsgrenzen der Länder gebunden ist. Träger der gesamten Versicherung ist eine neu zu schaffende Reichsanstalt, der wiederum zur Durch- führung als eigene Organe Landesarbeitsämter und Arbeits- ämter zur Verfügung stehen. Die Selbstverwaltunjjsorgane bei der Reichsanstalt bestehen in einem Vorstand und einem Verwallungsrat. Die Landesarbeitsämter und die Arbests- ämter haben für die Selbstverwaltung besondere Vermal- tungsausschüsse. Soweit es sich um die Fragen der Arbeitsvermittlung handelt, bestehen die Selbstverwaltungs- körpcr aus je einem Drittel Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Vertreter der öffentlichen KÖrverschaften. In den Fragen der Arbeitslosenversicherung scheiden die öffentlichen Körper- schasten aus. Dort besteht die Selbstverwaltung aus einer gleichen Zahl von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die Aufsicht der R e i ch s r e g i e r u n g ist auf bestimmte Befugnisse beschränkt. So hat vor allem der Verwaltungsrat die Satzungen der Reichsanstalt und die Regelung der Ge- schäftsführung selbständig ohne irgendwelche Einssttßnahme der Reichsregierung zu beschließen und anzuordnen. Für Streitfragen aus der Versicherung sind Spruchaus- schüste bei den Arbeitsämtern. Spruchkammern bei den Landesarbeitsämtern und ein Spruchsenat beim Reichsver- ficherungsamt vorgesehen. Sie sind paritätisch von Arbeit- gebern und ArbeiMehmern besetzt. Die Arbeitskräfte werden in der neuen Organisation allgemein auf Privatdicn st vertrag angestellt. Eine zwingende Bestimmung zur Beschäftigung von Beamten besteht nur hinsichtlich des Präsidenten der Reichsanstalt, der Vorsitzenden der Landesarbeitsämter, der Arbeitsämter, so- wie deren Stellvertreter.
Ein„S* weniger. Umtaufe drei sächsischen Rcchtssplitter». In Dresden hielten am Sonntag die aus der Partei ausge- fchiedenen Anhänger der Gruppe Heidt- Bück-Nieckisch einen Parteitag ab, auf dem Nietisch das Houptreferat hott«. Der Parteitag beschloh einstimmig, den alten Namen„ASPS."— Alte Sozialdemokratische Partei Sachsen»— in„ASP." umzuändern, womit, wie das Organ der Partei, der Dresdener „Volksstaat", ver- sichert, ein«„lästige Schranke gefallen" ist. Dadurch wird freilich nichts daran geändert, dah die jetzige ASP. eine Pflanze ist, die n u r a u f sächsischem Boden, und auch dort nur recht tum- merlich, gedeiht. Wenn von den mer Buchstaben der ASPS, einer verschwunden ist, so ist das keine besonders wichtige Angelegenheit und Anfang einer Entwicklung höchstens in dem Sinne, dah auch die übriggebliebenen drei bald verschwinden dürften. Zum
Kinöer gesucht zum Rübenziehen Von Anna Mosegaard . Fast in allen Tageszeitungen liest man jetzt zur Ferienzeit das Inserat: Kinder gesucht zum Richenziehen. Kinder sucht man zur Landarbeit, wo Taufende von Erwachsenen. arbeitslos herumlungern. Ach, ich verstehe es so gut! Kinderarbeit ist willig, ist billig! So war es einst,— und so ist e» noch heute. Auch ich gehörte einst zu diesen billigen Lohnsklaven. Es ist schon lange her. Ich war damals kaum acht Jahre alt. Ein zartes, schwaches Mädchen. Wer quälte sich darum? Meine Pflegeunitter, von der ich nur Schelte und Schläge erinnern kann. ganz gewiß nicht. Für ganze drei Mark wöchentlich hotte sie michjnm der Stadt als Pflegekind erhalten. Und weil man von drei Mark wöchentlichem Zufchuh keinen Verdienst herausschlagen konnte, hieß es eben hinzuverdienen. Meine Pflegemutter verstand es ausgezeichnet, mir Arbeit zu oerschaifcn. Im Herbst ging es aufs Feld hinaus zum Kaitofselbuddeln. Später wurde dann im Wald« Holz gesammelt. Kam dann der Winter, ging es ans Gossenhacken. Für ganze zehn, ja für sünf Pfennige habe ich manchem Spieher in N. mit meinen blaugefrvrenen Kinduhänden die Gosse gehackt. Das Rllbenziehen im Sommer gehörte also noch zu den angenehmeren Erwerbrmäglichkeiten. Und doch— noch heute schnürt e» mir die Skhle zu, wenn ich daran denke. Morgens um sechs Uhr hieh es: Rauh aus den Federn! Dlauhen vor der Stadt hielten zivei Leiterwagen, die uns Kinder hinaus aufs Rübenfcid brachten. Jedes Kind bekam seine Reihe mit Rüben zu- geteilt. Sie erstreckt« sich übers ganze Feld, nahm die Arbeit eines ganzen Tages in Anspruch und brachte uns täglich einen Lohn von 23 Pf. Die größeren Kinder bekamen zwei solcher Reihen und ver- dienten so SO Pf. pro Tag. Auf den Knien liegend, rutschten wir den harten, trockenen Acker ab, i» steter Angst vor dem Herrn Inspektor, der mit seinem dicken Knotenstock hinter uns stand und ihn bald hier. ba'.d dort niedersausen ließ. Mir erging es besonder« schlecht. Ich komele einfach nicht mitsolgen, begriff nicht, was man eigentlich von mir wollte. Ich war eben noch ganz Kind. Wie behutsam zog ich die überzähligen kleinen Pslänzchen heraus! Sorgfältig drückte ich die Erde um die Mutterpflanze herum fest. Richtige kleine Puppcnbeete legte ick) an. Oft war c» auch«in gaukelnder Schmetierling, der mich in L-ie blaue Luft gaffen lieh, anstatt emsig bei der Arbeit zu sein. Bis ich auf einmal den Stock des Inspektors auf meinem Rücken fühlte. Mein Bruder, der links von mir arbeitete, hott« auch zwei Reih?» zu bearbeiten, denn er war schon ganze zehn Jahre alt. Er paßte von nun an auf, dah ich nicht mehr zurückblieb. Der Gute verrichtete auch noch einen Teil meiner Arbeit. Ebenso meine Nach- barin rechte. Die stille, blond« Marie. Wie war ich ihnen dankbar, dah sie mir den Inspektor rvm Leibe hielten. So arbeiteten wir Tag sür Iqj, die gaszen Ferien hindurch. Unsere einzige Erholung Mar
Uebersliih sei ganz deutlich gesagt, daß?» der fozkakkstischen Arbeiter. bewegung außerhalb Sachsens ein Bedürfnis, sich von Niekifch theoretisch belehren zu lassen, in keiner Weife besteht.
Eine lehrreiche Abstimmung. Bäckereiverordnung, Sonntagsruhe und Klasseninteresse. Die Verschlechterung der Bäckereioerordnung, die der Bürgerblock iip Reichstag beantragt hatte, ist in der letzten Sitzung des Reichstages in der Schluhabstimmung mit 2S7 Stimmen der bürgerlichen Parteien gegen 142 Stimmen der Linken angenommen worden. Es ist nicht gelungen, die Aufhebung de« Achtstundentages im Bäckereigewerbe zu verhindern. Dagegen gelang es der sozialdemokratischen Reichstagssraktion, die Aufhebung der Sonntagsruhe zu v«rhi»dern. In n a m e n t- .l icher Abstimmung wurde diese Bestimmung de» Gesetz- entwürfe» zur Abänderung der Bäckereiverordnung mit 20V gegen 190 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. 57 Abgeordnete der Koalitionsparteien haben gegen den Bürgerblockantrag für die Aufrechterhaltung der Sonntagsruhe gestimmt. Eine Prüfung der Zusammenstellung über die namentliche Ab- stimmung läßt klar erkennen, unter welchem Gesichtspunkt diese Abstimmung erfolgt ist. Auf der einen Seite das Klasseninteresse der Arbeiterschaft und der religiöse Gesichtspunkt bei der Aufrecht- erhaltung der Sonntagsruhe — auf der anderen Seit« agrarisch- mittelständlerischer Klassenegoismus und die Mißachtung der Rechte der Arbeiterschaft. Die Deutsche Volkspartei , die Partei der Unternehmer hat ge- schlössen sür die Aufhebung der Sonntagsruhe gestimmt mit Au»- nähme der beiden Abgeordneten Thiel und Winnefeld. Thiel ist Porstondsmitgtied des Gesamtverbandes deutscher An- gestelltengcwerkschaslen, Winnefeld ist Bergmann. Vrni der Deulschnakionalen Volkspartei haben 6 von III Abge- ordneten gegen die Aushebung der Sonntagsruhe gestimmt. Es sind die Abgeordneten Frau Behm, Hauptvorsitzend« des Gewerk» oerein» der Heimarbeiterinnen, Behren«, vom Zentralverband der Landarbeiter, Hartwig. Arbeitersekretär, H ü l s e r, Gewerk- schaftssekretür, Dr. M u m m, der alte Christlich-Soziale, und Sauer- Westfalen. Dom Zentrum haben 37 Abgeordnet«, darunter alle Arbeiter- Vertreter, gegen die Aufhebung der Sonntagsruhe gestimmt, 23 für die Aufhebung der Sonntagsruhe. Diese 23 sind: A l l« k o t t e, Oberpostinspektor: Beck-Oppeln, Landwirt: Bornefeld, Land- wirt: Buchholz, Regierungsdirektor; C r o n«< Mllnzebrock, Landwirt: Damm, Landwirt: Diez. Landwirt: Esser, Genossen. schastsleiter: v. Guörard, Oberregierungsrat: Herold, Landes- ökonomierot: H o f f m o n n- Ludwigshafen, Oberlehrer: Klöck- n e r, Großindustrieller: Frau R e u h a u s, Vorsitzend« des katholi- schen Fürsorgeverein»: R e u m a n n. Lvndrat: Neys es, Land- wirt: Nientimp, Syndikus mittelständlerischer Verband«: Per- l i t i u s, Landwirt: Scheiter, Landgerichtsdirektor: Schulz- Gahmen, Gutsbesitzer: Sinn, Kaufmann: Steiger, Oekonomie- rat: Weg mann, Ministerialrat. Von den 23 Zentrumsabgeord- neten, die für die Aufhebung der Sonntagsruhe gestimmt haben, sind also 12 Landwirt«. 2 Mittelständler, 1 Großindustrieller und 6 Beamte. Von der Bayerischen Volkspartei haben 12 Abgeordnet« aus vorwiegend religiösen Gründen gegen die Aushebung der Sonntag»- ruhe gestimmt, sechs jedoch dafür. Diese sechs sind: G e r a u e r, Bauer; Herbert. Bauer; Lang, Bauer; L o i b l, Buch- druckereidircktor; Merck, Gutsbesitzer; Röder- Franken. Bon diesen sechs sind also vier Landwirte. Soweit die Abstimmung der Parteien de» Bürgerblocks. Roch ein Wort über die Demokraten. Sie haben sich bei dieser Abstimmung vollständig gespalten, sieben Abgeordnete haben gegen die Auf- Hebung der Sonntagsruhe gestimmt, neun unter Führung de« Abg. B a r t s ch a t, Mittelstöndler und Klempnerinnungsobermeister, dafür. Bei dieser Abstimmung, bei der kein Fraktionszwang ausge- übt wurde und jeder einzelne nicht nur vor sich, sondern auch vor dem Lande und seinen Wählern vor eigener persönlicher Berant- wortung stand, haben sich die Geister in überraschender Schärfe
die Vesperpause. Da saßen wir denn im Straßengraben und ver- zehrten unser Stückchen Schwarzbrot. Hart und rissig war es geworden bei der Hitze. Die Margarine oder das bischen Schmalz war gänzlich eingetrocknet. Aber das patschwarme Essigwasier, das uns die Pflegemutter mitgab für den Durst, spülte es schon hinunter. Es war ein Tag im Juli. Ich vergesse ihn nie. Drückend heiß war's. Ein Gewitter lag in der Lust. Schwarz und drohend stand es am Himmel. Es kam näher und näher. Vor Antjst rückten wir Kinder immer dichter aneinander. Der Inspektor trieb zur größten Eile an, denn das Feld sollte noch heute fertig werden. Morgen ging die Fahrt schon wieder in«ine andere Richtung. Alle» Schimpfen und Schlagen half aber wenig. Matt, wie Flieget, denen man die Flügel herausgerissen hat, krochen wir über den Acker. Es war nun schon ganz stockfinster geworden. Da! Ein Blitz!— Ein Donnerschlag!— Ein Wirbelwind jagt über die Felder, peitscht uns den Sand in die Augen. Wieder und wieder zerriß ein schwefelgelber Blitz die Lust. Schlag auf Schlag kam der Donner hinterdrein. Da! Ein Schrei aus 50 Kinderf eisten! Was weiter geschah?-- Traumhaft steht es vor meiner Seele. Ich lag im Straßengraben. Der Regen peitscht mir in» Gesicht. Ver- wundert sah ich, wie alle meine kleinen Mitarbeiter auf dem'Felde herumlagen, als ob sie krank seien. Auf der Straße hielt der Leiter- wagen. In der Milte lag ein Bund Stroh und dahinein legte man eine lange Gestalt. Blauschwarz die ein« Halste de» Angesicht«, ebenso die Hand, die krampfhaft ein Stahlspätchen umklammerte. Zwei lange, blonde Flechten fielen hinab bis auf die schwarz«, starr« Hand. Ich schrie auf:„Mariel Marie!" Es dauerte lange, ehe ich alles begriff. Marie war tot, von, Blitz erschlagen. Uns hatte der Blitz nur betäubt. Roch immer tobend rannte der Inspektor herum. Das Feld wurde heute nicht mehr fertig. An ein Weiterarbeiten war gar nicht zu denken. Dann holte er einen Sack und deckte ihn über die tote Marie Wir anderen wurden alle mit auf den W-rgcn geladen. Dann ging es heimmärt» im strömend?» Regen. Eine traurige Heimfahrt war es. Bom Petri- türme läuteten gerade die Abendglocken, als wir in unsere Heimat- stadt Nordhausen einbogen. Die Kund« von dem Unglückisall mußte uns schon vorausgeeilt sein. Auf den Straßen eilten un» die Man- schen entgegen. Schreckensbleiche Mütter schlössen jubelnd ihre Kinder in die Arme. Da kommt eine Frau aus einer Haustür herausgeftürzt. Der Inspektor hebt den Sack hoch. Ein gellender, wimmernder Schrei: „Marie! Meine Marie!" Dann brach sie ohnmächtig zusammen. Diese arme Frau war eine Witwe. Ihre Mari« war die Aelteste. Hatte schon tapfer mitgeholfen, ihr« kleinen Geschwister zu ernähren. Starr und kalt lag sie im Stroh. Diesen Schrei einer Mutter— ich vergesse ihn nimmer! Mich erwartete niemand. Schlotternd vor Angst hockt« ich auf dem Leiterwagen. Mein Bruder hob mich herunter. Hand in Hand trotteten wir nach der Fintenburg, wo unsere Pflegemutter wohnte,
nach Alasfenknterefsen geschkede«. Auf der«Inen Seite die Bertreter der Arbeiterschaft und jene Politiker, die um ihrer Wählerschaft willen Rücksicht auf die Arbeiterschaft nehmen müssen— auf der anderen Seite kleinlichster Klassen- und Stände- «goismu», der sich wie in den Reihen des Zentrums und der Bayerischen Dolkspartei selbst über religiöse Bedenken hinwegfegt.
Wüste Karolpi-tzetze. ES sollen wohl nur ungarische Fsaschisten nach Deutschland dürfen. Mehrere Berliner Rechtszeitungen ergehen sich heute wie auf ein verabredetes Stichwort in wüsten Schmähungen gegen den Führer der ungarischen Oktoberevolution, den Grafen Michael K a r o l y i, der angeblich in Berlin eingetroffen ist. Alle die albernen und längst widerlegten lügenhaften Beschuldigungen, die man gegen diesen aufrechten Mann erhoben hat, werden wieder hervorgeholt: er soll den Dolchstoß gegen die österreichisch-ungarische Front geführt, Ungarn zuerst an die Entente und dann an die Bol- schewiften oerraten, den deutschen General Mackensen in eine Falle gielockt haben und so fort. Es hieße, den reaktionären Hetzern zu viel Ehr« antun, wollte man den Idealisten Karolyi, von dessen politischen Ansichten uns im übrigen vieles trennt, gegen ihre Schmutzereien verteidigen. Karolyis Politik während des Krieges ist heute sogar durch den horthy -ungarischen Ministerpräsidenten B e t h l e n als richtig anerkannt, der kürzlich die neugebackene ungarisch -italienische Freundschaft mit der Erklärung besiegelte, die ungarischen Truppen hatten am Isonzo nicht sür ungarische Interessen, sondern für die des Habsburgischen Oester- reich gekämpft—«in Standpunkt, den Karolyi von Ansang an verfochten hat und sür den er später von der Gegenrevolution als Vaterlandsverräter gebrandmarkt wurde. Was uns heute besonders interessiert, ist die Tatsache, dah die erwähnten Berliner Rechtsblätter ihre Hetze ganz ossensichtlich auf Veranlassung der hiesigen ungarischen Gesandtschaft betreiben. Die ungarische Oligarchie kann es nicht verwinden, daß aus ihren eigenen Reihen ein Mann hervorgegangen ist, der ein Herz für die unterdrückten Massen des ungarischen Voltes im Leibe hotte und der versuchte, die Klasienherrschaft seiner Standesgenossen zu brechen. So verfolgt sie seit Jahren Michael Karolyi mit un- bändigem Haß. Sie hat ihn aus dem Lande gejagt, sie hat seine Güter beschlagnahmt, sie hat seinen Namen mit Schmutz besudelt, sie möchte ihn am liebsten am Galgen sehen. Da ihr das verwehrt bleibt, sucht sie ihn wenigstens im Auslande zu verunglimpfen und ihn, den Flüchtling, von Land zu Land zu hetzen. Jetzt ist in Berlin das Stichwort gegeben worden.„Tägliche Rundschau" und „Deutsche Zeitung" haben gute Verbindungen mit der ungarischen Gesandtschaft, so geht ein Gekläffe gegen„Unerwünschte Ausländer" los. Grotesk ist dabei, daß gerade der P r e s s e ch e s der ungarischen Gesandtschaft, der jetzt das Signal zur Hetzjagd ausgegeben hat, ein deutsch stämmiger Professor ist, welcher in der Zeit der ungarischen Revolution einer der eifrigsten Karolyi- Anhänger war(!) und damals unter der deutschen Minderheit Ungarns eine „Deutsche Radikale Partei" gründen wollte. Fast alle die ungarischen Herren, die heute im Lager Horthys versammelt sind, lagen ja im Oktober 1918 vor Karolyi auf dem Bauch«. Heute wollen sie ihn zu Tod« hetzen. Und die deutsche reaktionäre Presse gefällt sich dabei in der Rolle der geisernden Meute.
Sürgerblock in Norwegen . Grössere Hcercslastcn— dafür auch noch Zoll- 1 erhöhung. 0»lo, 12. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Das Parlament Hai seine Wintertagung beendet, nachdem noch in den letzten Sitzungen die Einheitsfront der bürgerlichen Parteien gegen die Arbeiterpartei und Kommunisten deutlich unter Ablehnung der sozialdemokratischen Anträge ein Heeresbudget von 50 Millionen Kronen beschlossen hat gegenüber 46 Millionen nn vorigen Jahre. Ein sozialdemokratischer Antrag, den Zoll für Kasse« und Zucker herabzusetzen, wurde abgelehnt und der Regierung die Ermächtigung zu einer Reihe von Zollerhöhungen erteilt.
Sie tat, als sei nichts geschehen. Ihr ganzes Sinnen galt nur den 30 Pi., die wir ihr heute weniger nach Hause brachten. Und die Chronik der tausendjährigen Stadt am Harz weiß von dieser kleinen Geschichte auch nichts zu berichten, obwohl sie nicht erfunden, sondern wahr und echt ist.
Slutiger Spuk. Run sind es bald zehn Jahre— zehn Jahre, seit der Krieg begraben wurde. Schon ist der Krieg, der Krieg, an dem wir ge- litten haben, den wir tonnten, eine überholte Form; schon wissen wir, dah sein Bruder, vor dem wir jetzt die Tür zuhalten müssen, daß er nicht in den Garten des Lebens einbricht, ein anderes, ein noch weil furchtbareres Gesicht tragen wird. Man wird nicht mehr da» Gesicht des„Feindes" sehen; grousta und unpersönlich, in Gas- jchwaden verhüllt, wird der menschensresserische Krieg selbst über Land ziehen, und seine Spur wird die Vernichtung ollen Lebens zeichnen.— Der Krieg, unser Krieg, den man uris vom ersten Holzsäbel, vom ersten Bleisoldaten an lieb ind vertraut machen wollte, ist tot, und er kann in Wahrheit niemals wieder kommen. Aber pietätvoll pflegt man sein Andenken gleich der balsamierten Mumie eines Heiligen: Roch immer schwingen tapfere Bleisoldaten blitzende Säbelchen, noch immer läßt man irgendwo lebendige Sol- baten Krieg spielen, den Krieg, den wir kannten, weil man das grausige Gesicht des nächsten Kriege» nicht zu zeigen wagt. Und so gibt es in luftigen Manövern auch noch immer geschwungene Säbel und Soldaten, die mit den urweltlichsten Massen Krieg spie- len, die mit Lanzen und Säbeln ausgerüstet sind, und gern zieht der Soldat ins Manöver, in diesen lustigen Krieg, in den man die tröstlich« Gewißheit mitnimmt: Es kann dir nichts geschehen... Da bat sich aber dieser Tage drunten in Rumänien , in Kischinew, ein grausiger, blutiger Spuk beaeben: Die Mannschaften eines Regi- ment«, die zu so härmloser Gefechtsübung mit Säbeln und Lanzen ausgerückt waren, fielen plötzlich übereinander her. sich blutig zer- fleischend wie tolle Hunde, die ein gleicher, eiferner Käsig umschließt. Keiner erkannt« mehr Freund und Kameraden... Und als die Trompeten wimmernd Retraite bliesen, lagen da fünf Tote und fünf Sterbende auf dem Manöverfeld, und nach Dutzenden zählten die Verwundeten. Sa war der Krieg, der tote Krieg, wieder leben- big geworden und hatte seine glatte, aleißendc Mumienhlllle ge- sprengt, ein Bampir, dem ewiger Blutdurst keine Grabesruhe gönnt. Ein Bampir— wir find so klug geworden, und wir glauben nicht mehr an den Vampir, denLeichenzehrer, von dem noch Groß- vater und Urgroßvater grausige Geschichten wußten: Wie man das Grab de» Leichenzehrers geöffnet und ihm einen spitzen Pfahl durchs Herz getrieben hatte, oder wie man einen anderen mit allem, was sein war, zu Pulver brennen mußte, weil er anders immer wieder Opfer nachzog. Wir sind so klug. Und dennoch ist es wahr- hastig wahr: E» gibt Leichenzehrer, die immer wiederkehren, so lange noch ein Ding, eine Sache ihr Andenken aufrechterhält: der Vampir„Krieg" ist der grausigste unter ihnen— und er wird wiederkehren, solange noch«in Soldat, ein Bleisoldat selbst nur ooi, seiner früheren Glorie zeugt,,.___.... u e..