Abendausgabe
Nr. 329 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 162
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10 Pfennig
Donnerstag
14. Juli 1927
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Der Anschlag gegen die Einheitsschule. Elfäffische Heimatbewegung.
Zersplitterung als Bürgerblockparole.- Kirchliche Schulaufsicht soll wiederkehren.
Die endgültige Fertigstellung des Reichsschulgesets| hin, daß sie in Zukunft in jedem ostelbischen Dorfe neben ihrer entwurfes im Reichskabinett ruft schon jetzt die Deffent evangelischen Schule auch noch eine katholische aufmachen lichkeit zur Stellungnahme auf. Aus Andeutungen und Mit- müssen! teilungen, die wir in der Bürgerblockpresse finden, kann man die Leitgedanken des neuen reaktionären Gesetzes bereits zusammenstellen, auch ohne, daß sein Wortlauf vorliegt.
Die Sozialdemokratie hat ihre Stellungnahme durch den Beschluß des Kieler Parteitages neuerdings festgelegt:
„ Die Sozialdemokratie hält die reichsgefeßliche Rege Iung des deutschen Schulwesens als Erfüllung der im Art. 146 Abs. 2 der Reichsverfassung ausgesprochenen Verpflichtung für eine unbedingte und dringende Notwendigkeit.
Französische Lockspikelarbeit.
Als 1871 die beiden französischen Provinzen Elsaß und Bothringen durch die Annexion zu Deutschland tamen, bildete sich im Reichsland sofort eine Protestlerpartei, die starken Anklang bei der Bevölkerung fand. Jahrelang war Elsaß- Lothringen im Reichstag nur durch Protestler vertreten. Erst mit dem Erstarken der Sozialdemokratie in den Industrieorten Elsaß- Lothringens schwand auch lang= fam der Einfluß dieser Protestlerpartei.
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Eine
Wenige Jahre nach dem Anschluß Elsaß- Lothringens an Frankreich bildete sich im Lande eine neue Partei, der soge= nannte ei matbund. Sein Hauptziel ist: Elsaß- Loth ringen den Elsaß - Lothringern! Das einzige Blatt, das anfänglich diesem Heimatbund zur Verfügung stand, die Zaberner Zukunft", wurde von den Behörden scharf verfolgt und schifaniert. Aber je mehr die französischen Behörden diesem Blatte Schwierigkeiten bereiteten, desto stärker wuchs ber Heimatbund. Namhafte Politiker, wie der frühere Reichstagsabgeordnete und Präsident des elsaß - lothringischen Landtags, Dr. Ridlin, der Sohn des ehemaligen Staatssekre= tärs Baron Klaus v. Bula ch und der frühere Reichstags= abgeordnete Pfarrer Hägy übernahmen die Führung dieser neuen elfaß- lothringischen Heimatbewegung. Hauptsächlich aus den Kreisen des früheren elsaß - lothringischen Zentrums, der größten Partei des Landes, erhielt die neue Bewegung starken Zulauf.
Es wird von allen Seiten hervorgehoben, daß ,, volle Einmütigkeit" unter den Ministern herbeigeführt Als Elsaß- Lothringen im Jahre 1918 durch den Ausworden sei und daß die Vorbehalte der volksparteilichen gang des Weltkrieges wieder an Frankreich zurückkam, Minister nur auf die verhältnismäßig nebensächliche Frage herrschte zunächst im Lande große Begeisterung. Die Fransich erstrecken, welche Stellung die südwestdeutschen, d. h. die Diese Regelung ist ohne Schädigung der pädagogischen Lei- zosen wurden jubelnd begrüßt, und mit offenen Armen fam badischen und hessisch- nassauischen Simul- stungsfähigkeit der Schule gewissenhaft im Sinne der ihnen die Bevölkerung entgegen. Dieser Zustand dauerte tanschulen einnehmen sollen. Bisher waren in diesen Beimarer Schulvereinbarung und der entsprechenden jedoch nicht allzu lange. Die französische Regierung, namentLandesteilen die Simultanschulen das sind Ge me in Berfassungsbestimmungen durchzuführen, da die bisherigen gesetzlich aber die französische Militärbehörde, scheint schaftsschulen mit Religionsunterricht aus geberischen Versuche gerade daran gescheitert sind, daß entweder die Psyche der elsaß - lothringischen Bevölkerung genau so früherer Zeit als alleinige Schulsysteme zugelassen. In der von Reichstagamehrheiten oder von den jeweiligen Reichsregie- wenig erfaßt zu haben wie die vormaligen deutschen Reichsverfassung ist ihnen auch eine Vorzugsbehand= Machthaber. Französische Beamte wurden eingesetzt, die lung zugesichert worden. Jetzt aber will der Entwurf rungen die Weimarer Grundlage verlassen wurde. Bor allen Dingen verlangt die Sozialdemokratie mit der elsaẞ - lothringischen Intellektuellen zurückgedrängt. ihre Auflösung und ihre Ueberführung in Ron größten Entschiedenheit, daß die weltliche Schule endlich die ihr bis Französisierungspolitit sette ein, die genau so ungeschickt und fessionsschulen nach einer bestimmten Uebergangszeit zur Stunde vorenthaltene gesetzliche Grundlage sowie die selbstverzur Stunde vorenthaltene gesetzliche Grundlage sowie die selbstver- tollpatschig vorging wie früher die kaiserlich- deutsche Revorbereiten. Nur gegen diese Auflösung der bestehenden ständliche Förderung durch die Schulverwaltungen erfährt. Mit der gierungsfunft. gefeßlich geschützten Simultanschulen in Baden und Heffen- gleichen Entschiedenheit lehnt sie alle Verfuche ab, über die VerNassau haben die Herren Curtius und Stresemann gestimmt, im übrigen aber ist, wie die„ Tägliche Rundschau" fassungsbestimmungen hinaus die Bekenntnisschule unmittelgestimmt, im übrigen aber ist, wie die Tägliche Rundschau" bar oder mittelbar zu bevorzugen, sei es durch Beeinträchtiund die ,, Germania " in gleicher Wärme bekennen, volle Einmütigkeit" unter den Ministern hergestellt, so daß die gung der staatlichen Schulhoheit in bezug auf den Religionsunter Deutsche Zeitung" mit einigem Recht davon sprechen darf, richt, sei es durch Gefährdung der staatsbürgerlichen Rechte der Lehrer, sei es durch bevorzugte Anerkennung von es handle sich bei der Haltung der volksparteilichen Minister Bekenntnisschulen ohne Befragung der Erziehungsberechtigten, sei nur um eine schöne Geste für die Wählerschaft! es insbesondere durch Einbeziehung von Schulange Praktisch wird der Entwurf darauf hinauslaufen, die tegenheiten in etwaige Vereinbarungen von Religionsgesell mühsam angestrebte Einheitlichkeit des deutschen Schulwesens grundsäglich zu zerreißen. Während schaften mit dem Reich oder den Ländern( Konkordate). Das Schuldie sogenannten höheren Schulen auch weiterhin ohne Rück- und Erziehungswesen tann weder im ganzen noch im einzelnen sicht auf die Religionsbekenntnisse der Eltern bestehen bleiben, leiner Teile durch solche Vereinbarungen geregelt werden, zumal foll für die Kinder des werftätigen Boltes die 3erflüffie überhaupt überflüssig sind, weil sie sich selbstverständlich im Rah tung nach dem Taufschein der Eltern erfolgen. Von der Vorzugsstellung, tie nach der Verfassung die für alle gemeinsame Grundschule" einnehmen soll, wird hier bewußt abgewichen, um wiederum die konfessionelle Zersplitterung bis ins Lezte zu vervollständigen. Zu alledem soll auch noch die geistliche Schulauf ficht wieder eingeführt werden, die durch die Revolution endgültig beseitigt schien. Als Feigenblatt für diese reaktionäre Maßnahme hat man auf volksparteilichen Wunsch nur bestimmt, daß die zur Ueberwachung des Religionsunterrichts in der Schule von der Kirche bestellten Geistlichen den Cha ratter als Staatsbeamte erhalten sollen. Es soll in Zukunft nicht nur möglich sein, fonfessionellen Minderheiten Religionsunterricht sicher zu stellen, sondern jede fonfeffionelle Minderheit soll auch das Recht haben, eine besondere Schule für sich zu verlangen, felbst, wenn es sich um verschwindende Zahlen im Vergleich zur Gesamthevölkerung handelt. Daß darunter die Entwid lung der Schule als Unterrichtsanstalt schwer leiden muß, ist allseitig anerkannt. Aber den deutschnationalen Protestanten liegt so viel daran, sich für weitere Wirt schaftsziele die Gunst des Zentrums zu erhalten, daß sie zu jeder Konzession bereit sind, selbst auf die Gefahr
Die Zwangsarbeit der Kolonialvölker.
Besserungsversuche des Genfer Arbeitsamtes. Genf , 14. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Der Untersuchungsausschuß des Internationalen Arbeitsamtes für die 3wangs arbeit der eingeborenen Völker in den Mandatsgebieten und Kolonien beschloß, dem Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes zu empfehlen, die Frage auf die Tagesordnung einer der nächsten Arbeitsfonferenzen zu setzen. Im Prinzip soll unbedingt die Beseitigung aller Zwangsarbeit angestrebt werden, doch zeigten die genauen Studien des Internationalen Arbeitsamtes und die Beratungen der Sachverständigen, daß dieses Ziel nicht mit einem Schritte zu erreichen sein wird, so daß als llebergangsstadium eine Regelung der 3wangsarbeit vorgezogen werden soll.
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Zu diesem Beschluß des Untersuchungsausschusses dürften die Enthüllungen unseres Genossen Leon Blum im„ Populaire" über die furchtbare Negerausbeutung der„ Compagnie Forestière" in Französisch- Zentralafrika wohl beigetragen haben.
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men der Reichsverfassung zu halten haben und ver faffungsmäßige Rechte und Freiheiten des Staatsbürgers in feiner Weise. beschränken dürfen."
Im Kampfe um das Reichsschulgesetz, der jetzt in ein neues Stadium tritt, wird die Sozialdemokratie gegenüber den Rückschrittstendenzen das Banner des fulturellen Fortschritts entfalten. Sie wird die 3ersplitte rung der Schulsysteme bekämpfen und die weltliche Einheitsschule als das Ziel jedes weitsichtigen Schulmannes in den Vordergrund stellen. Grundsäglich ist sie der Meinung, daß der Religionsunterricht nicht eine Sache des Staates, sondern eine solche der religiösen Organisationen darstellt, daß er also außerhalb des Schulbetriebes von den betreffenden Organen der Kirche vorgenommen werden solle, soweit die Eltern ihn überhaupt für notwendig erachten. Freiheit der Entwicklung aber muß auch den immer zahlreicher werdenden Familien gewährt werden, die einen Religionsunterricht in überliefertem Sinne überhaupt nicht mehr für erforderlich erachten. Wobei als selbstverständlich nur erwähnt zu werden braucht, daß wir eine Durchdringung des Gesamtunterrichts mit religiösen Tendenzen für absolut unzulässig halten und eine. dahingehende Absicht mit allen Kräften bekämpfen werden.
lage, als ein Ausnahmegeset, wandte. Der radikale Abgeordnete Lamoureur verlangte nähere Angaben über die Trag weite des Gesetzes. Hierauf wurde die allgemeine Aussprache geschlossen und in die Beratung des einzigen Artikels des Entwurfes eingetreten.
Die französischen Nationalisten versuchen alles, um den Heimatbund in Elsaß- Lothringen wie auch in Frankreich zu diskreditieren und ihn als eine geheime Mache von deutscher Seite hinzustellen. Erst vor wenigen Wochen mußte Pfarrer Hägy, der zugleich Chefredakteur eines Bentrumsblattes ist, vor dem Gericht Schutz fuchen. Ein Rebatteur des Pariser Journal" hatte ihm vorgeworfen, er stehe im Dienste Deutschlands und hatte auch durchbliden laffen, daß Hägys Blatt mit deutschem Geive gespeist werde. Der Prozeß nahm einen theatralische Aus= gang. Da der angeklagte Pariser Redakteur nichts be= meisen fonnte, forderte sein Rechtsbeistand, einer der besten französischen Advokaten, den Pfarrer Hägy auf, seine Liebe zum Mutterland Frankreich dadurch zu befunden, daßer mit ihm und dem ganzen Gericht in den Ruf einstimmte: Vive la France!
Jetzt haben sich die französischen Nationalisten den früheren Rammerpräsidenten Ridlin vorgenommen, um ihm ein Bein zu stellen. Der Coup der Nationalisten scheint ge= lungen zu sein. Vor einigen Tagen schrieb nämlich ein französischer Lockspizzel, der sich in Mülhausen als Papiergroßhändler" niedergelassen hat und sich dem Dr. Ridlin gegenüber als glühender Feind der Franzosen und eifriger Autonomist ausgab, einige Briefe. In einem dieser Briefe des französischen Lockspitzels heißt es:
„ Die elenden Kreaturen der französischen Regierung brauchen sich feineswegs zu wundern, wenn wir Im Verlaufe dieser Beratung stellte der radikale Abgeordnete Elsässer uns offen in die Arme Deutschlands werfen. Sie Triballet den Zusatzantrag, die Ausfuhrzölle für land- treiben uns mit ihren niederträchtigen Verfolgungen dazu. Das wirtschaftliche Produkte von der Liste der für Aenderungen in Frage fann ich ihnen garantieren: Benn wir eine solche Polizeifommenden Positionen zu streichen. Dieser Antrag, den Landratte ausfindig machen können, daß diese ihre Glieder für wirtschaftsminister Queiulle nur mit Ausnahme der Bositionen für längere Zeit im Verbande trägt." Weizen, Roggen und Holz gelten lassen will, wird mit dieser Einschränkung mit 340 gegen 156 Stimmen angenommen und hierauf der Gesamtentwurf in öffentlicher Abstimmung mit 480 gegen 26 Stimmen bei feiner Enthaltung angenommen.
Sodann wurde die Session der Rammer geschlossen.
Vorbildliches Minderheitenrecht.. Deutschösterreich gibt den Slowenen kulturelle Selbst
verwaltung.
Wien , 14. Juli. ( WTB.) Im Kärntner Landtage brachten Bokanowskis Sondervollmachten. alle Parteien ein Gefeh ein, welches der flowenischen Minderheit das Recht der kulturellen Selbstverwaltung gewährt. Zwecks Abschlusses des deutsch französischen Handels- Auf Grund des nationalen Katasters( der Eintragung ins Nationsvertrags. verzeichnis durch Selbstbekenntnis) werden örtliche Kulturge. Paris , 13. Juli. ( WTB.) In der Rammer verlangte heute meinden geschaffen, deren Organ der flowenische Kulturrafin abend Handelsminister Bokanowski die sofortige Be Klagenfurt ist. Slowenische Schulen, deren Kosten das Land ratung drei- Kärnten trägt, werden in Gemeinden mit mindeffens 40 flowenides bereits mitgeteilten Entwurfes eines monatigen des fchen Kindern errichtet. Die Mehrkosten für doppelsprachige SchuErmächtigungsgesetzes zur Ermöglichung Abschluffes eines Handelsabkommens mit Deutschland . len werden im Einvernehmen mit dem Bunde geregelt. Diesem Verlangen wurde statt gegeben. Der sozialistische Abgeordnete Barthe befürwortete das Gesetz, dessen Annahme im Interesse der deutsch - franzöfifchen Beziehungen liege, während sich der radikale Abgeordnete Nogaro gegen die Bor
„ Soll es zu irischem Kampfe fommen, so bin ich keiner, der zurückschrecken wird, mit der Waffe in der Hand den elfäffischen Boden zu verteidigen gegen den welschen Ein. dringling. Seien Sie unser Führer und helfen Sie uns zum Siege gegen den gemeinen Feind, der das Elsaß in eine Wüste verwandeln will."
,, Mein Plan wird jetzt verwirklicht und noch diesen Monat wird die erste Bombe gegen die verruchten Chauvinisten
plazen."
Der Führer des Heimatbundes, Dr. Ridlin, ein alter und gewiegter Parlamentarier, ein Mann, der durch die Zentrumsschule gegangen ist, wird bei diesen Zeilen nicht etwa stuzzig, sondern läßt sich von dem französischen PolizeiSpigel glatt ins Garn loden und schreibt ihm einige Briefe. In einem dieser Briefe heißt es:
"
Was Sie Im Rahmen Frankreichs" schreiben, ist mehr als wahr. Zweifeln Sie aber feinen Moment, daß dies eine durch die Umstände bedingte Fassade ist, welche wir ja bald werden abreißen müssen, wenn uns die anderen Parteien so knapp auf den Fersen folgen, wie es in den letzten Tagen den Anschein genommen hat."
Bandervelde hat dem deutschen Gesandten von Keller die Antwort des Kriegsministers Brocqueville auf die deutschen In einem vorhergehenden Briefe hatte Ricklin den Po Vorstellungen überreicht. Ihre Veröffentlichung hängt von Deutsch - lizeispiel darauf aufmerksam gemacht, daß die Heimatbewe land ab. gung in ihrem Programm betreffs der Autonomie den