2. Heilage des vorwärts
Ireitag, 15. Juli 1927
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Der Kampf der Opposition. Die Worte von Karl Marx am Schlüsse seines Buches„Dos Elend der Philosophie", daß Ideengegensätze zwischen den einzelnen menschlichen Gruppen sich schließlich in einen Kampf mit Gewalt- Mitteln verwandeln, scheinen sich jetzt auch innerhalb der Russischen Kommunistischen Partei zu bewahrheiten. Der Antrag der herrschen- den Richtung, Trotzki und Sinowjew aus dem Zentral- komitee der Partei auszuschließen, erscheint nur als eine Kompromiß- lasung. Bereits während der letzten Tagung des erwähnten Exekutiv- komitees der Komintern hat vielmehr Trotzki ein Blutgericht gegen die Opposition gewittert und an die Auslandsdelegierten appelliert; nur ihrem Einfluß ist es zu verdanken, daß der Kampf gegen die chauptanführer der Opposition nicht noch drastischere Formen onge- nommen hat.... Warum der Kampf und die gegenseitige Erbitterung? Di« Erklärung geben uns die Jdeengegenfätze selbst, die zwischen der herrschenden Richtung und der Opposition walten. Denn sie betreffen den Lebensstand der Arbeiter, das Preisproblem, das Tempo der Industrialisierung des Landes, das Verhältnis von Stadt und Land usw., kurz die Haupt- und Lebensprobleme des söge- nannten„sozialistischen Aufbaues", die naturgemäß vor allem Wirt- fchaftsproblem« find. Die Opposition in all diesen Fragen muß daher der herrschenden Stalinschm Richtung als eine Diskreditierung er- scheinen, als Verneinung dessen, daß sie,»die herrschende Gruppe, das Land denn auch wirklich„zum Sozialismus" führe. Es hat freilich — noch unlängst— Versuche einer„sachlichen" Auseinandersetzung mit der Opposition gegeben. Erst im März des lausenden Jahres hat die bekannte Monatsschrift ,L>er Bolschewik" ihre Spalten zweien hervorragenden Vertretern der Opposition: Preobraschenski, der ja als der Haupttheoretiker der Opposition gelten kann, und S m i l g a zur Erörterung namentlich des heute in Rußland so aktuellen Preisproblems geöffnet—, freilich nur um gleichzeitig auch dem Vertreter der herrschenden Richtung, dem bekannten Partei- � theoretiker K ru m i n, die Gelegenheit zu geben, die„Reuen Aben- teuerzüge der Oppositionellen ins Gebiet der Sowjet-Oekonomik"(so betitelt nämlich Krumin in bezeichnender Weise seine Polemik) zu geißeln. Das Schauspiel dieser Polemik, die uns mitten hinein in die aktuellen Streitfragen zwischen Regierung und Opposition führt, ist höchst lehrreich. Beide Parteien werfen einander„Mangel an wirtschaftlichen Elementarkenntnissen", geistige Verworrenheit und ähnliche Dinge an den Kopf. In der Sache selbst ober muß jeder Unvoreinge- nommeyc— das scheint unzweifelhaft— JJen Vertretern der Opposition recht geben. Die zentrale Stellung des Preis- Problems erklärt sich dadurch, daß in ihm sich, der heulige Lebenssland der russischen volksmossen und insofern auch die„Errungenschaften der Revolution" konkret spiegeln. Der Teuerungsindex übersteigt ober in diesem Jahre den vorjährigen um Ig Proz.! Der Warenhunger der Dolksmassen bleibt also ungemindert oder sogar noch verschärft weiter bestehen. Es ist in der Tat— wie PreÄraschenski mit Recht betont— nur ein« elende Dialektik, wenn man aus der Tatsache, daß die Warennach- frage des Volkes infolge der Preiserhöhung sich verminderte, aus die Abnahme des Warenhungers schließen will. Eine solche Dialektik operiert auf dem formalen Gesetz des Angebots und der Nachfrage, das allenfalls in der kapitalistischen Ordnung als das oberste Gesetz gelten kann, während in der sozialistischen Wirffchastsordnung der Mossenkonsum doch der einzig« ivahre Maßstab der Preis- gestaltung ist. Wie elend es um dieses Problem steht, wie jeder Kritik spottend die Organisation hier ist, ersieht man aus der von Buchorin selbst(also einem Vertreter der herrschenden Richtung!) betonten Tatsache, daß, während die Engrospreise sich um 86 Proz. senkten, die Detailpreise, d. h. die Preise, die das Volk tat- sächlich zu bezahlen Hot, sich um ganze 3 Proz. verringerten! Schlagender konnte die Unzulänglichkeit des bestehenden Apparats nicht bewiesen werden.„Die Fäulnis", sagt Preobraschenski,„die in der kapitalistischen Wirffchast zur Ausschaltung entsprechender Unternehmungen führt, die� Fäulnis ist bei uns ein ständiger Be- gleiter de» Wirtschaftsprchesses." Preobraschenski stellt hier die Forderung auf: der Handelsapparat muß schleunigst reorganisiert, vor allem personell abgebaut werden; dafür sollen aber manche Engrospreise erhöht werden, um der Staatsindustrie neue Mittel zuzuführen. Wie bezeichnend ist es aber für die Kampfmethoden und den Geist der herrschenden Richtung, daß sie diese Forderung fälschlich dahin umdeutete, die Opposition verlange„Preis- erhöhungen", sie wolle eine Verarmung der Massen, sie sei daher eine Feindin des Volkes, usw. Eine zentrale Stellung neben dem Pressproblem nimmt in dem Wirtschastsprogramm der Opposition die Lohnpolitik ein.— In der ausführlichen, lange Zeit nur illegal verbreiteten, dem Zentralkomitee im Juli v. I. eingereichten Denkschrift sagt die Oppo- sition über die Lohnpolitik folgendes:„Unsere Forderung, daß wir mit allen Mitteln in den Perioden wirffchastlicher Schwierigkeiten den erreichten Stand des Reallohns aufrechter- halten müssen, um ihn bei der ersten Besserung der Wirtschofts- läge erhöhen zu können, dies« Forderung wurde für Demagogie erklärt. Dieses Verlangen ist aber in Wahrheit für einen Arbeiter- staat einfach eine Selbstverständlichkeit. Die Massen des Proletariats sind in ihrem Kern reif genug, um zu wissen, was möglich und was unmöglich ist. Hören sie aber tagaus, tagein, daß unser Wirtschofts- markt wachse, daß unsere Industrie in stürmischer Entwicklung be- griffen sei, daß alle Erklärungen über das ungenügende Tempo der Industrialisierung falsch seien, daß die Entwicklung des Soziatismus im Lande gesichert sei, daß jede Kritik der Leitung unserer Wirt- schaftspolitik auf Pessimismus und Mangel an Gutgläubigkeit be- ruhe—, und wird ihnen aber zugleich eingebläut, daß die Forderung der Beibehaltung des Lohnstands und der Aussicht seiner späteren Erhöhung Demagogie sei, so können die Arbeiter nicht begreisen, wie sich der»allgemeine amtliche Optimismus mit einem solchen Pessi- mismus in Lohnfragen zusammenreime. Jene Reden müssen dann den Massen als Heuchelei erscheinen, sie mißtrauisch gegen offizielle Quellen machen und in ihnen eine instinktive Unruhe wecken."... In diesem Passus ist in klarer Weife, mit Ironie und Offenheit, der Gegensatz herausgearbeitet, der in der Tat zwischen den fort- währenden optimistischen Erklärungen der Machthaber und der Lage der arbeitenden Klassen in Rußland besteht. In der Sache selbst aber erinnert der Gegensatz, der zwischen der Opposition und der Re- gierung in der Lohnpolitik besteht, lebhaft an den Gegensatz, der zwischen den Gewerkschaften und den sogenannten„Wirtschaftern" ' im Herbst 1324 entbrannte und seither von der Tagesordnung der öffentlichen Diskussion nicht verschwindet. Die große Frage ist die: Ist der Lohnstand an den hohen Selbsttosten der Staateindustri« schuld? Schon an dieser Frag« ist zu sehen, wie weit man gekommen ist: die Arbeiter als den Schuldigen an der Absotzkrise der Industrie hinzustellen! Heißt es doch, durchaus im Sinne der herrschenden IRirfstimß tu h«" f ginanjoi"(Rr. 7, 1926) schwarz aus
— Es geht um letzte Dinge. weiß:„Der hohe Anteil des Arbeitslohnes am Pro- duktpreis ist das Grundhindernis für die Senkung der Selbstkosten unserer Industrie und folglich für die Akku- mulation des Kapitals in unserer Staatswirffchaft." An diesen letzten Worten sehen wir auch, wie die russischen Wirtschaftspolitiker das Lohnproblem mit dem Problem der Industrialisierung verbinden. Lohnverzicht soll die Industrie aufbauen. Es ist dieselbe Fragestellung, die seinerzeit D s e r s ch i n s k j sor- mulierte in Worten, die nichts an Klarheit zu wünschen übrig lassen: „Wir, die Partei, die Avantgarde der Arbeiterklasse, müssen dieser offen erklären, daß wir keine Losung der Lohnerhöhung ausgeben können. Warum nicht? Weil vor uns die Grundfrage unserer Existenz— das Problem des Grundkopitals steht. Als ich davon sprach, daß der Staat neue Fabriken errichten, alte Maschinen durch neue ersetzen muß, sagte ich, daß er hierzu der Mittel bedarf. Wo soll er sie aber hernehmen? Rur aus der Quelle allen Wertes: beim Arbeiter und beim Bauern."(Ekon. Schisn, 16. Dezember 1925.) Ganz anders will die Opposition diese Frage lösen:„Sinn- los wäre es," heißt es in der zitterten Denkschrift,„irgendwelche ernste Hoffnungen aus Auslandstonzessionen zu setzen... Einige hundert Millionen aufgespeicherte Rubel, die schon heut« im Besitz der bäuerlichen Oberschicht sind, dienen ihr zur wucherischen Ausbeutung der armen Dorffchichten. In den Händen der Händler, Vermittler, Spekulanten haben sich viele hunderte Millionen Rubel aufgestapelt, die schon lange über 1 Milliarde betragen. Es ist not- wendig, durch energischen Steuerdruck«inen beträchtlichen Teil dieser Mittel zur Stärkung der Industrie, zur Belieferung der ärmeren Bauernschaft mit Inventar und Maschinen heranzuziehen." Wir sehen, wie in dem Wirtschastsprogramm der Opposition das Zentralproblem der Industrialisierung auch in die Agrarpolitik ein- greift. In der Bekämpfung der reichen Bauern, nicht' des Arbeiters, will die Opposition die Mittel zur Industrialisierung finden. Wir sahen vielmehr, daß sie den Real lohn des Arbeiters aufrechter- halten will: daß dies nicht auf Kosten der Kapitalakkumulation der Industrie geht, erhofft die Opposition offenbar von der Preis- senkungsaktion in ihrem Sinne; diese Senkungsaktion soll ober auch dem Bauerntum, vor ollem dem ärmeren, das unter der Teuerung naturgemäß mehr leidet, als dos wohlhabende, zugute kommen. Kaum lösbare Konflikte. Allein mit jenen zuletzt erwähnten Forderungen berühren wir den bedenklichsten Teil des oppositionellen Wirtschastsprogramms. Die Steuerschnüffelei hinter dem Privathändler ist in Rußland be- reits so entwickelt, daß der„verstärkte Druck" hier kaum nennens- werte Erfolge verspricht. Die Forderung aber, die bäuerliche Ober- schicht zu bekämpfen, stößt vollends auf harte Entwicklungstaffachen. Die von der Opposition mit Recht betonte, sich steigernde Wirffchafts- macht dieser Oberschicht und die wachsende wirffchastliche Abhängig- keit des ärmeren Bauerntums von ihr ist das Ergebnis zweier Grundtatsachen: des„Rep"(neue ökonomische Politik), die ein privat- wirtschaftliches Gebaren und damit auch ein„freies Spiel Wirtschaft- licher Kräfte" in der Londwirffchast ermöglicht einerseits, und der infolge unoufhalffomer Vermehrung(von 116 Millionen Menschen 1322 aus 118 Millionen im Jahre 1326!)«ingetretenen Verarmung gerade der unteren Dorffchichten andererseits. Soll etwa den Bauern Einschränkung der Geburten gepredigt werden? Oder soll die„Rep" auf dem flachen Lande rückgängig gemacht werden? Beides sind hoffnungslose, unrealisierbare Dinge. Die Opposition beißt hier auf Granit, aber auch die Regierung ist diesen Taffachen gegenüber ohnmächtig und verschanzt sich hinter dem Satze von der Befreiung aus jahrhundertelanger Sklaverei, ohne zu sehen, daß hier eine neue Sklaverei heranreift. * So türmen sich die großen Wirtschaftsprobleme des neuen Rußland auf, in die uns- der Kampf zwischen Regierung und Opposition hineinführt. Wir haben diesen Kampf lediglich von der wirffchaftlichen Seite kurz dargestellt, denn das Politische würde uns zu weit ab führen(es ist ein Kapitel für sich). Aber dhe Wirffchaft ist auch hier der tieffte Grund der Polittk. E. H.
3m Stillen saniert. Der Rütgers-Konzern bucht Verluste.— Stillegungen in Niederschlesien . Das reine Betriebsergebnis der R ü t g e r s- W e r k e A.- G. Berlin für 1326 ist an sich recht günstig. Es wird ein R e.i n- gewinn ausgewiesen werden, der mit rund 3 Millionen Mark ohne Gewinnvortrag fast den fünffachen Betrag des Vor- jahres und die neunfache Höhe des Reingewinns von 1324 erreichte. Aber auch in diesem 86-Millionen-Konzern wirken sich jetzt die Folgen der früheren übermäßigen Ausdehnungspolitit aus, tzie die Verwaltung zu einschneidenden Sanierung?- maßnahmen bei ihren Beteiligungen zwingen. Ursprünglich lag dos Arbeitsfeld der Rütgers-Werke ledig- lich in der Holzbearbeitung, speziell im Imprägnieren von Holzschwellen, sowie in der Herstellung von Teer- und Erdöl- Produkten. Die Erweiterung der Produktionsbasis in der Räch- kriegszeit erfolgte hauptsächlichch nach zwei Richtungen hin. Einmal faßte der Rütgers-Konzern im niederschlesischen und süddeutschen Stein- und Braunkohlenbergbau festen Fuß und nahm damit die Kohle- und Teerverarbeitung im- großen auf, während er andererseits in die chemische Industrie eindrang und teils in eigenen Betrieben, teils durch Beteiligungen sich in der Superphosphat- und Säurefabrik'ation festsetzte. Außerdem wahrte die Gesellschaft ihren Einfluß in der Erdöl- industrie durch maßgebende Beteiligung an der Deutschen P e- t r o l e u m A.- G., in der durch einen Vertrag zwischen den Rütgers- werken und der Deutschen Erdöl A.-G. die gesamten Petroleum- interessen beider Gesellschaften zusammengefaßt sind. Durch diese ausgedehnten Interessenkäufe hotte sich der Wert der Rütgers-Be- teiligungen von 11,8 Millionen 1313 auf die im Verhältnis zum Aktienkapital sehr hohe Summe von 46,5 Millionen Mark erhöht. Die bei einer Anzahl Tochtergesellschaften eingetretenen V c r- l u st e. zwingen jetzt die Gesellschaft zu einer scharfen Herabsetzung der Beteiligungswert« durch eine Sonderabschreibung von 14,5 Millionen. Zur Deckung dieses Betrages wird neben dem Rein- gewinn ein Teil der ordentlichen Reserven verwandt, die auch noch dieser Inanspruchnahme noch immer 11 Proz. des Aktten- kapitals betrogen. Mit dieser Maßnahme glaubt die Verwaltung die Beteiligungen auf ihren wahren Wert zurückgeführt und die er- forderlichen Sicherungen für eventuelle künftige Verluste vor- genommen zu haben. In der Gewinn- u n d V e r l u st r« ch n u n g. in der«in von 4,3 auf 7,0 Millionen Mark, also um 70 Proz. erhöhter Roh. gewinn ausgewiesen wird, sollen besonders die stark g e- senkten Steuern auf. Gegenüber einem Steuerbetrog von Millionen Mark im Jahre 1924 und rund 2,2 Millionen Mark
im Vorjahr, werden jetzt nur 1,7 Millionen ausgeführt, das find nur r u n d 6 0 P r o z. der Beträge von 1924. Die Bilanz selbst ist günstig. Die Betriebsanlagcn haben durch fortgesetzte Rationalisierung und Betriebsausbauten Zugänge von 8 Millionen Mark erfahren, so daß abzüglich der 2,2 Millionen Abschreibungen der Gesamtanlagewert mit 32,2 gegen 26,4 Millionen Mark zu Buch steht. Durch Einforderung von 12 Millionen nicht eingczahl- ten Aktienkapitals konnten nicht nur die B e t r i c b s a u s- bauten finanziert, sondern auch die rund 17 Millionen Mark Schulden bis auf 6,5 Millionen Mark zurückgezahlt werden, wo- durch bei etwa 18,3 Millionen Forderungen, darunter fast 4,0 Millionen Mark Bankguthaben, das linternehmen wieder finanzielle Bewegungsfreiheit erlangte. Wie der Geschäftsbericht erwähnt, hatten die Rütgers- Werke als Teerverarbeiter im vergangenen Herbst unter erheblichem Teermangel zu leiden, der in den folgenden Monaten zu großen Preissteigerungen der Rohteerpreise bis zur dreifachen Höhe des Friedenspreises führte. Mit dieser bemerkenswerten Erklärung erfährt unser oft vorgebrachter Hinweis, daß der den Teer als Nebenprodukt herstellende Kohlenbergbau aus dieser Produktion sehr hohe Sonder- gewinne zieht, eine erneute Bekräftigung. Die Lage der nieder- chlesischen Bergbaubetriebe wird von der Verwaltung ehr ungünstig beurteilt. Die Gewerkschaft Abendröte mutzte gänzlich stillgelegt werden, so daß die Schächte ersoffen. Der Produktionsausfall soll durch Ausbau der rentabel arbeiten- den Kulmitzgrube wettgemacht werden. lieber das.Schicksal der auf die Straße gesetzten Belegschaft, die in den ungünstigen niederschlesischen Revieren kaum rä» Unterkommen finden wird, wird kein Wort verloren. Die im Laufe der letzten zwei Jahre eingeschränkten Belegschaften belausen sich jetzt auf etwa 5600 Mann. veutfiher und internationaler öriefverkehr. Ein Zahlenbild zu Schützels Plänen. Die neuen Anträge Schätzels aus Erhöhung der Portogebühren erfahren eine treffliche Illustration durch die Tatsache, daß bereits bisher Deutschland längst nicht einen so intensiven Briefoerkehr hat wie andere Länder. Es entfielen im Jahre 1924 auf den Kopf der Bevölkc- r u n g in England 140 Brieffendutigen Frankreich ...... 130 Belgien ....... 130 Schweiz ...... 130, Holland ....... 112„ Deutschland ..... 70, 1925 stieg die deutsche Zahl aus ungefähr rund 100 Brief- sendungen pro Kopf. Nimmt man sogar an, daß die anderen Länder ihren Briefoerkehr inzwischen nicht gesteigert haben, so bleibt Deutschland doch hinter den vier anderen Ländern zurück. Wenn dieses Verhältnis schon bestanden hat, als das englische Inlandsporto 12% Pfennig, das holländische 17 Pfennig, das deutsche 10 Pfennig betrug, so wird sich das Verhältnis mit der Erhöhung des deutschen Inlandsportos auf 15 Pfennig(Holland hat inzwischen ah 1. Juli sein Porto auf 11 Pfennig ermäßigt) noch roeHcr j,ür D e u t s ch l a n d v e r s ch l e ch t e r n. Dos be bedeutet ober eine Verschlechterung im Konkurrenzkomps aus dem Weltmarkt, eine schwere Belastung der Volkswirtschaft. -. Diese volkswirtschaftlichen Gründe, die gegen jede Portoerhöhung sprechen, hat dos Postministerium des Rechtsblocks bisher in den Wind geschlagen. Ricderschlefische Industrie gegen Zollkrieg. Agj der in Liegnitz tagenden Hauptveffammlung des Bundes n i e d e r sch l e s i s che r Industrieller, dem etwa 1000 Be- triebe mit 80 000 Arbeitern angeschlossen sind, stand der deutsch - polnische Handelskrieg im Mittelpunkt der Verhandlungen. Der jetzt über zwei Jahre sich hinziehende Zollkrieg mit dem öst- lichen Nachbar trifft die verarbeitende Industrie des Grenzlandes Schlesien weit härter als die Industrien im übrigen Reichsgebiet. Wenn auch dem Kampf die größte Schärfe dadurch genommen sei, daß bei den gegenwärtigen Maßnahmen gewisse Lücken ge- lassen seien, so müsse mit aller Kraft an der Wiederhefftellung der natürlichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern gearbeitet werden. Die Reichsregierung müsse jede Verhandtungsmöglichkeit ausnutzen, auch wenn einzelne Teile der Wirtschaft zum Besten des Ganzen gewisse Opfer bringen mühten. Zur Gründung des Deutschen Wirtschafts- bundes für Polen , an dem der Verband maßgebend beteiligt ist, wurde noch erklärt, daß dieser Bund nur dem Zweck diene, die augenblicklich vorhandenen und nach Abschluß des Handelsvertrages sich eröffnenden Exportmöglichkeiten ausfindig und wirt- schaftlich nutzbar zu machen. Wenn die interessierten pol- nischen Kreise die Gründung und Tätigkeit dieses Wirtschofts- bundes so auslegten, daß diese einen Verzicht aus frühere Forde- rungen der schlesischen Industrie bedeuteten, so sei dies cm« schwere Täuschung.
Conrad Tack erhöhl seine Dividende, weiterer Filialenausbau. Obwohl die Jnlandskaufkraft im vergangenen Jahr zum Teil noch sehr geschwächt war, kann die Schuhsirina Eonrad Tack u. Etc., Berlin und Burg, auch 1926 aus ein sehr gutes Jahr zurückblicken. Die Vorjahrsdividende von 5 Prozent konnte auf 6 Prozent er- höht werden. Die Verwaltung führt den trotz der ungünstigen Wirtschaftslage 1926 erhöhten Umsatz auf die erweiterte Ar- tikelauswahl und besonders auf den auch im Berichtsjahr fort- gesetzten Ausbau der Filialgeschäfte zurück. Mit Hilfe dieses ausgedehnten Filialnetzes wird eine enge direkte V e r- b i n d.u n g mit dem kaufenden Publikum hergestellt und der Zwischenhandel ausgeschaltet. Finanziell steht die Firma sehr gut da. Di« Bank- und Wechselschulden aus dem Vorjahr von fast 4L Millionen Mark haben sich auf 2,9 Millionen Wcchselschulden ermäßigt, so daß die Bankschulden anscheinend gänzlich zurückgezahlt sind. Diese Schuldensenkung hat die drückenden Zinslasten des Vorjahres von über 350 000 M. auf den siebenten Teil ermäßigt. Dafür erscheinen auf der Aktiv- seite neu Bankguthaben in Höhe von fast einer halben Mil- l i o n. Den sonstigen Schulden von rund 1 Million Mark stehen noch Forderungen von 420 000 M. gegenüber. Der Umsatz, der gegen 1925 eine Steigerung von 30 Prozent auswies, hat sich gegen das Jahr 1924 um über 60 Prozent erhöht. Mitieldeuffcher Bauernbund. Am 10. Juli 1927 erfolgt« in Magdeburg in einer Delegiertentagung unter zahlreicher Beteili- gung führender Bauern der Provinz Sachsen , Anhalts und Thürin- gens die Gründung des„Mitteldeutschen Bauer nbun-, d e s" mit dem Ziel der wirtschaftlichen und kulturellen Förderung des mitteldeutschen Bauernstandes. Die neue Organisation setzt sich zusammen aus den Kreisoereinen des Deutschen Bauernbundes und einer Reihe kleiner bisher selbständiger Gruppen. Parteipolitische Bindungen lehnte die Gründungsoersammlung ab. Di« neue Or- gonisation schließt sich als Provinziolverband des Deutschen Bauern. bundes der Deutschen Bauernschaft an.