Vonnerstag 21. �uU 1927
nterhaltung unö
lssen
Vellage ües vorwärts
K�ippe-klopfe, klinz-kling-klang, so geht's die ganzen Tag« long. Die Pflasterer sind an der Arbeit, von ihrer Arbeit hallt die ganze Straße wieder. Es geht von den Männern mit dem Klopshommer und mit dem Stößel ein gewisses Krastgewelle aus, da? im Herzen der Vorübergehenden sein Echo findet: Diese Männer der Arbeit dort, die sind die schöpferische Gesundheit! Mag stimmen, aber ist nicht für alle richtig, einer ist bei der Pflastererkolonn« dabei, der nicht gesund ist, der ist der Heiner Storch. Er ist Asthmatiker, fünf- unddreißig lange Jahre hat er Straßen gepflastert: in Sonne, Wind, Regen getröpfel und im Sturmgebrause des kalten Herbstes. Heiner Storch geht nun auf die fünfzig Jahre, aber er ist schon eine halbe Ruine, er müßte in Pension gehen. Pension?, oho!, Pension für einen Proleten, so weit sind wir noch nicht. Die Herren Rechnung?. täte usw., die!, gehen in�Pension. Proleten gehören ins Armen. haus. Einmal aber wird's anders sein. Wann? Dann, wenn olle Arbeiter verstehen, daß nur durch stramme Organisation ihr kleines trauriges Schicksal gebessert werden kann. Gewerkschaft und Partei! Das find die Schlüssel zu den Gärten einer besseren Arbeiterzukunft. Doch wieder zuin Heiner Storch. Mager ist er. Lange Beine. Er macht seinem Namen Ehre. Eigentlich heißt der Heiner ja anders— nicht Storch—, aber bei den Kollegen heißt er nun schon zehn Jahre lang— Storch!, und so wollen auch wir ihm diesen Namen hier bei der Niederschrift seines Lebens belassen. Klippe-klopfe, tling-kling-klang, so hallt's die ganze Straße lang. Die Pflasterer! Die Pflasterer! Und gerade in diesem Augen- blick geht ein weißes schönes Mädchen an der Arbeitskolonne vor- über, die ist wie eine schreitende Lilie, so schön— so sanft— so zart. Unwillkürlich ruht für einige Sekunden das Werk der Pflasterer, olle schauen ungewollt dem schönen weißen Mädchen nach. Und das schöne Mädchen schaute sich um— ihre großen Augen trafen wie zwei Dolchspitzen in die Augen des Heiner Storch. Heiner Storch erschrak tief— er verstand, die da, d'? Schöne und Sanft«, die war der weiße Tod. Der Tod kam den Heiner avisieren, in der Gestalt eines wunderbar schönen Mädchens. Früher Mittag. Heiß brennt die Sommersonne auf die auf- gerissene Straße, aber Schritt für Schritt belegt sich die Straße mit neuem schönen Pflaster. Klippe-klopse, kling-kling.klang. einen heißen Mittag lang. Nun schlägt's zwölfe. Kollogen, werft das Werkzeug hin. Essen!, ruhen!, wenn auch nur eine Stunde lang. Alle aßen mit gesegnetem Appetit, nur der Heiner Storch nicht. Er saß stille vor seinem Wurstebrot und vor seiner Kafseetonn«. Immer mußt« er denken an die Augen des schönen weihen Mädchen«— die Augen hatten seine Seele gerufen: Heiner!, komm, es ist Zeit. Und heftige Hustenstöße erschütterten die Brust des armen kranken Asthmatikers. Fünfunddreißig Jahre Arbeit auf der Straße— hatten die Gesund» heil des Heiners ruiniert. Ein Uhr. Kollegen, wieder frisch ans Werk. Die Stadt will neue Straßen. Wir breiten unser« Hönde, auf daß der Verkehr der Hunderttausende sauber und sicher durch die Stadt brause. Arbeit, Gemeinschaft. Aber zu kleiner Lohn. Das Leben ist heuer. Und der Unternehmer speist von der Arbeitsschüssel immer oben da» Fett weg. i Heiner Storch ging nicht wieder aus Arbeit. Er sagte zum Vor. iarbeiter: Willem, mir ist nicht gut, ich will mal bei'n Arzt.— Willem sagte: Ich sieh dir's schon lang' an, Heiner!, geh mal auf'n paar Wochen ins Krankenhaus, nachher kommst du wieder zu uns. Und gute Besserung. Denk' mal an uns, wir denken auch an dich. Ja— und dann kam es so. Der Heiner lag im Krankenhaus. Draußen im Garten des städtischen Krankenhauses blühten di� Rosen— und der Roscndust schwebte durch die offenen Fenster her bis ans Bett der Kranken. Manchmal kam auch eine summend« Biene— oder war's'ne Hummel — oder ne Wespe— oder'n Brummer? Es steht schlecht mit Heiner Storch, die Aerzt« sagten unter, einander: Ist nicht viel zu hoffen! Und der Heiner wußte, daß nicht» mehr zu hoffen war, die Brich ging kurz und schroff wie ein au». gedienter Blasebalg, manchinal ging die Luft ganz au», immer aber war da der brennende stechende Schmerz in den Bronchien und in den Lungen. Heiner! deine Zeit ist um. Bist du traurig?— Wer srug den Heiner das? Das weiße schöne Mädchen frug so— der weiße Tod, der am Bette des Heiner saß, da» Mädchen von der Straße, da» seine Augen wie Dolchspitzen in die Seele des Heiner Storch gesenkt hatte. Heiner stirbt nicht gerne— aber der Tod ist doch Erlösung von der bösen Krankheit. Und wenn man das Glück hat, den Tod in einer so schönen Gestalt am Bette sitzen zu haben, wie der Heiner— dann kann man sich wohl mit dem Tode zufrieden geben. Heiner Storch in Agonie. Er döselte so dahin, träumend— mal hustend— und doch alles alles hörend. Das weiße Mädchen am Bette des Heiner sagte: Armer Alter, hast nicht viel vom Leben gehabt. Kanntest weder Vater noch Mutter. die Jugend so ganz ohne Liebe, als uneheliche? Kind im Waisenhause erzogen, als Lehrling hattest du einen harten Meister, auch der war ohne Liebe zu dir— du armer kranker Heiner. Arbeit immer— Liebe nie. Nur einmal wurdest du geliebt, o Heiner Storch,«in einziges Mal! und auch diese einzige Lieb« bracht« dir viel viel Leid. Erinnerst du dich noch, Heiner? Du warst aus Wanderschaft: Westfalen— Hamburg— Kopenhagen— Berlin— Wien— Venedig— Rom. Ueberall mal gearbeitet— aber dich trieb immer weiter das junge unruhige Blut— immer warst du auf der Such« nach Liebe. Da» Herz war wie eine leere Vase, e» sucht« rote Wohnblumen. Und in Rom kam die Erfüllung. Denkst du noch dran. Heiner? Ich, da» weiße Mädchen an deinem Sterbebette, ich weiß alle». In Rom arbeitetest du ein Jahr, du setztest den Dolomitstein au» dem Apennin in gemahlenen Lawasplitt, neue Straßen bautest du der ewigen Stadt. Du warst ein guter Kollege zu den italienischen Ge- nassen, Sozialismus verband 0en deutschen Pflasterer mit den römischen Pflasterern. Karl Marx war eure Bibel. Und dann kam es, Heiner, die Liebe, da» Große, da» Heilige— die Liebe zur Melitta— und ein leichtes Zittern ging durch den schönen Körper des weißen Mädchens am Totenbette de» Pjlafterer» Heiner Storch. Rom . Melitta— das geliebt» Mädchen, die mit ihrem heißen südlichen Blute ssch ganz und gar dem hlonden deutschen Arbeiter hingab. O, schöne Tage des Sichversenkens des einen in den anderen. Zwei Seelen wurden eins Seele— und au» zwei Körpern wollte eine sröhlich« Frucht werden. Melitta ging schwanger— Heiner war glücklich darüber. Melitta aber weint». Ihr» Familie drohte! Und dann kam da» Unglück, in der Osteria war m rm bet rvtg
wiener Epilog.
,Und neues Leben blüht aus öen Ruinen..
Fraskatiwein hatte die Gemüter der trinkenden Männer erhitzt— und der Bruder der Melitta zückte den Molch— nach dem„Vor. führer" seiner Schwester, der es doch so ganz ehrlich meinte, er wollte die Melitta nie verlassen. Heiner, wie war'» in der Osteria? Der Heiner bäumt sich auf im Bette de» Krankenhauses, das weiße Mädchen drückt ihn wieder zurück in die Kissen, recht sanft. Ja, so war es. Der Bruder der Melitta stach den Heiner in die Brust, dahin— wo das pulsende Herz sitzt— der Heiner fühlte Schmerz und Zorn er ergriff einen Stuhl— er schlug zu— krack, der Schlag war hart, der Schädel des Geschlagenen brach— Melittas Bruder war tot. Ja, so war es gewesen. Heiner weiß noch alle». Und dann kam das Krankenhau» in Rom , der Stich war dem Heiner neben das Herz gegangen. Und nach dem Kranrenhause kam da» Gefängnis— Gericht und Urteil— drei Monate Kerker— wegen Totschlags. Mildernd« Umstände wegen der Notwehr. Das war die traurigste Zeit gewesen— das Scsärngni», nicht um des Unsreiseins willen— sondern um der Melitta willen— das waren die Tage, wo Melitta gebären sollte. Aber die Melitta gebar nicht, sie ging ins Wasser— in den Tiber , sie ertränkte sich. Heiner, erinnerst du dich? Ja, Heiner weiß noch alle». Und wieder bäumt er sich auf, in seinem Bette— da« heißt, will sich aufbSumen, aber die Kraft fehlt— das weiße schöne Mädchen beugt sich tief über den Sterbenden— und plötzlich kam sie, die große letzte Offenbarung. wieder die Liebe— da» weiße Mädchen— war nicht mehr der Tod. es war auch nicht mehr weiß, ein braunes Antlitz mit glühenden schwarzen Augen schaute mit unendlicher Liebe auf den sterbenden Heiner Storch— und der erkennt: Meine Melitta, Brust an Brust, Herz an Herz— mit seiner einzigen Geliebten— so ist der Heiner gestorben! Er war vereint mit dem— was ihm im Leben Höchstes gewesen war mir einmal geliebt— kurz, rauh zerrissen— aber nie vergessen— und im Tode endlich für immer geeint. Nicht geeint im Körper, geeint in der Seele, die Liebe ist der Extrakt der Welten. Da» Weltall ist— well Liebe wirkt. Lieb« heißt—■ Gemeinschaft. • Dos Begräbnis. Drei Kollegen von der Pslastererkolonn« brachten als Deputation«inen Kranz an» Grab de» Heiner Storch. Rote Rosen in Tannengrün, so hatten die Koll»gi!N»on der Straße es bestimmt. Und einer der Wertskameraden hielt dem Heiner ein« Gedächtnisrede, er sprach von der guten Verträglichkeit des Heiner, er sagte von seiner Treu« zu Verband und Partei. Und er sagte von dem Leben de» Heiner— daß es so ganz einsam und lieblos gewesen sei. Da» Groß« von der Liebe zu Rom — und da» noch Größere von der Vereinigung der Seelon im Tod«— das wußte der Kollege nicht. Heiner hatte nie von seinem Heiligtum gesprochen. Nur in seine Tagebücher hatte er davon geschrieben. Und au» seinen hinterlasjenen Tagebüchern ist diese Geschichte gewachsen. Ich meine. wir konnten den Heiner nicht mehr zum Letzten ehren, ol« daß wir sein Leben den Kameraden deuteten. Heiner, wir wollen dich nicht vergessen. Schlafe du gl'icklich mit deiner treuen braunen Melitta!
vie Kunst, Sewegungen auszuschreiben. Von Georg Hurdoleck. Bewegungen aufschreiben? Der Leser wird e» für eine Epe- kulation aus seine Neugier hallen von«nem. dem keine Sache ver> stiegen genug ist. um Sensation damit zu machen. Aber diese Kunst ist gar keine von den modernen. Schon um 1700 schrieb ein fran- zösischer Ballettmeister eine„Ehoreographie" die die g e n a u e A u f- Zeichnung von Tänzen ermöglichen sollte. Denn das war chon damals«in alte» und heiß ersehntes Ideal: Gesellschafte- und Kühnentänze aufschreiben zu können, um sie dann zu beliebiger Zeit zu wiederholen und zu üben, um sie zur Nachahmung an andere Orte»u verschjcken(man denke: vyn Paris nach Versailles einen Tanz im Brief!), oder um da» flüchtigste Kunstwerk für die Nachwsll aufzuzeichnen. Leider hoben die tüchtigen Meister des Balletts bis heute dieses Ziel mit ihren Mitteln nicht erreichen können. Ihr« Veweguno». anfchauunz traf zu wenig das wahre Wesen der Tanzkunst. Sie gingen im allgemeinen so zu Werkel Aus dem Fluß de» lebendigen
einandergereiht sollten dann»in lebendige» Abbild des Tanz*» sein. Wie aber könnte jemand, der mit einem Netz da» Meer einiqngen möchte, etwas anderes darin behalten als Schlinggewächs und Unrat! Die Wellen und Wogen lassen sich so nicht sangen. Dieses alte Problem hat die Tanzrheoretiker bis aui unsere Tage nicht ruhen lassen. In neuester Zeit sind nebeneinander zwei choreographische Systeme entstanden, deren jede? sich ober ein andere, Ziel gestecki hat und eigne Wege geht. E» sind die„Choreo. graphie" Rudolf v. Labans* und die„B e w e g u n» s. fchrtff Ja P i s ch c r- K l a m t s. Rudolf v. Laban ist Tänzer und sein» Choreographie ist für Tänzer. Er ist in erster Reihe zu nennen mit jenen, die nach der entnervten und blutleeren Ballett-Unkunst eine edlere und freiere Auffassung vom Tanz lehrten, ja vielleicht zum erstenmal überhaupt in Europa so etwa» wie eine Tan?-Kunst schulen. Anstatt also wie bisher verstaubt« und gehaltlose technische Mätzchen zu exe- kutieren, gestaltete der Tänzer nun in ungehemmter Bewegung die Borgänge, die ihn erregten, ohne abhängig zu sein von leerer Tradition, Geschmack, Mode und lüsternem Parkett. Für diesen Tänzer als Lshrsystem, zur Erschöpfung aller seiner Möglichkeiten ist Labans Choreographie bestimmt, die man fast«ins „tänzerische Geometrie" nennen könnte, eine so wichtige Rolle spielen in ihr die Gesetze des Raumes. Er setzt zunächst die drei Dimensionen in eine Beziehung zum Körper, fügt vier.Schräge" hinzu, durch die Körpermitte gehend gedacht, und konstruiert dann durch Verbindung der Endpunkte ein Raumnetz, welche- dem Tänzer Raumgefühl per- Mitteln soll und an dem er sich Kombinationen und Varianten seiner Bewegungen fast mathematisch errechnen kann. All» Schritte und Schwünge haben ein bestimmtes Zeichen in Dreiecksform, welches je nach seiner Stellung im Raum Genaueres über die Raumrichtuag aussagt. Io N i s che r- Kl a m t ist in erster Linie Psychologe. Sein« Bewegungsschrist soll nicht nur dem Tänzer als Notierungsmäglich- leit seiner Tänze dienen, sondern sie will darüber hinaus«in Schlüssel sein zur Erforschung des tieferen psychologischen Inhalts jeder Bs- wsgung überhaupt. Nach Vifchcr Älamts Anschauung entspringt der unermeßliche Strom menschlicher Bewegungsäußerungen drei Quellen: dem Geistigen, dem Seelischen und dem Körperlichen. In die Erscheinung treten Bewegungen nur aus diesen drei Elementen gemischt, die Art der Zusammensetzung läßt sich nach einem bestimmten von ihm fest- xelogren System aus Raumrichtung, Stellung zu Körpermitte und anderem erkennen. Vischer-Klamt teilt also auf diese Weise da« ganze Bswegungsgebiet in drei große Beweg ungsfetder auf. Mittelpunkt jedes Bewegungsfeldes ist seine sogenannte Normal- kurve, die typischste Bewegung des betreffenden Feldes ttderhaupt. Mit diesen drei Zeichen für die drei Normalttirnen vermag die
Bischer-Klamtsche Bewegungsschrift jede erdenkliche Bewegung aui- zuschreiben: denn da alle Bewegungen au» diesen Elementen hervor- gehen, genügt schon eine einfache Abwandtting dieser drei Zeichen
durch hinzugefügte Strich«, Punkte, Kreise nach einer bestimmten Regel, um alle Bewegungen und da», was sie aussagen, auch ihre dynamischen und Jniensitäismerte, aufzuschreiben.
Diese BeweguTOsschrist ist geeignet, das Interesse weitester Kreise In der Toi > Sie isi deshalb von größter Wichtigkeit, weil es durch sie ermöglicht wird
n> und Gymnastikschul« Jutta Klamt in Berlin indet sie bereits Zlnwendung. Sie ist auch für die Körpererziehung
zu wecken. sin! den bestimmten Bewegungscharakter des einzelnen Schülers von vornherein zu erkennen und auf dieser Erkenntnis weiterzubauen. Fehl- und Mißerfolg« der Erziehung werden dadurch ausgeschaltet.
der Arbeitsbewegungen und ihrer Schäden für den mensch- lichen Onganismu, von dieser neuen Schrift befruchtet werden, da sie es ermöglicht, nach einfachsten Regeln Ausgleich» Übungen zur Aushebung und Vermeidung von Störungen auszusinden.
Ein Autobus mit„Speisewagen". Aus einer Linie in England
Tanzes suchten sie zunächst fest» Stellungen, sogenannte„Positionen", "'chen, gingen von diesen weiter zu typischen und oft ver- Schritten. Sprüngen und Armhaltungen und erfanden für jede» dieser«nzKnen Dinge besonder« Zeichen, Dich« Zeichen an-
zwischen London und Folkestone ist versuchsweise ein Autobus«m, geführt worden, der mit»inem Resiaurationsdeirieb versehen ist. Ebenso wie in den Speisewagen»ine» V-Zuge» werden di, P-ssoziere aus jener Linie fortan Gelegenheit finden, ihren Appetit zu be- friedigen, ohne sich mit Proviant versorgen zu müssen. Dabei sind diese Wagen so konstruiert, daß sie sehr ruhig fahren und ein Gla»,
das bis fast an den Rand mit Wasser gefüllt war, bchtand di« Prob«, indem es mährend einer ganzen Fahrt auf dem Tische stehen blieb, ohne doß nur«in Tropfen vergossen wurde.