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Mr. 235.

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Vorwärts

12. Jahrg.

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Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Benth- Straße 2.

Die Juffix

Dienstag, den 8. Oktober 1895.

angestiftet zu haben. Alle Angeklagte wurden von dem Friedensrichter freigesprochen, da er es nicht für erwiesen hielt, daß der Zweck der Arbeitseinstellung eine Aenderung der Vertragsbestimmungen gewesen sei.

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

Politische Uebersicht.

im Dienste des Kapitals. Berlin  , 7. Oktober. Rußland   ist jung in der wirthschaftlichen Entwickelung, Die rechtliche Sonderstellung der Sozialdemo alt in der Beamtentorruption. So erklärt es sich, daß Nach diesem Urtheil hatten die Behörden Bedenken, kratie wird durch den jüngsten Prozeß, der mit der Ver­dort, trotzdem der Kapitalismus sich noch in seinen Kinder- ob eine weitere strafrechtliche Verfolgung aus Anlaß der urtheilung unseres Genossen Dierl zu sechs Monaten Ge­schuhen befindet, ihm mit der Naivetät alter Verderbtheit Arbeitseinstellung auf dem Bahnhofmöglich ist, denn der§ 1358 fängniß wegen Majestätsbeleidigung endete, in das hellste von dem kaiserlich russischen Beamtenthum ohne Scham und spricht nur von Arbeitseinstellungen auf einer Fabrik oder Licht gerückt. Nach der Auffassung des erkennenden Gerichts Schen Schergendienste geleistet werden. Manufaktur, der Bahnhof in Omst ist aber weder das eine noch war unserem Kollegen seiner politischen Ueberzeugung halber Was da jezt in einem Prozeß in Omst wegen einer das andere. Doch wurden diese Bedenken zerstreut durch eine zuzutrauen, daß er durch die Wiedergabe einer Gerichts­Arbeitseinstellung unter den Augen der schielenden Göttin Depesche des Justizministers folgenden Inhalts:" Der§ 1358 verhandlung wegen Majestätsbeleidigung selbst eine russischer Gerechtigkeit vorgekommen ist, hat unseres Wissens ist auch auf den Streik der Eisenbahnarbeiter anwendbar. Majestätsbeleidigung begehen wollte. Nur ein Sozialdemokrat, in anderen Ländern noch kein Gegenstück gehabt. Erheben Sie Anklage." Diese Depesche, in welcher der wohlgemerkt, setzt sich diesem Verdacht aus. Deshalb haben Man kann daraus ersehen, wohin es schließlich kommen Justizminister sich ohne weiteres über das Gesetz hinweg- denn auch wohl bürgerliche Blätter, nicht aber der muß, wenn sich die Justiz rückhaltlos in den Dienst des setzt, wurde vorgelesen in der Sigung des Kreisgerichts in" Vorwärts" jetzt einen vollständigen Bericht über Kapitals stellt. Wie wir russischen Zeitungen entnehmen, Omst, in welcher die Sache nunmehr am 26. Juli auf grund des eben jene Verhandlung gegen Dierl bringen können. spielte sich die Sache in Omst, der Hauptstadt des west- Protestes des Staatsanwalts gegen das freisprechende Urtheil Wir würden uns nach Auffassung der Brausewetter­sibirischen Steppengebiets, ab. des Friedensrichters verhandelt wurde. Das Kreisgericht Kammer, hätten wir dasselbe geschrieben wie jene Blätter, Ein gewisser Morosow hatte zur Ausführung von hielt es für erwiesen, daß der Zweck der Arbeitseinstellung ja abermals einer Majestätsbeleidigung schuldig machen Schreinerarbeiten beim Bau des Bahnhofes eine Anzahl eine Lohnerhöhung war und verurtheilte drei von den an- können. Schreiner aus Nischni- Nowgorod hergeführt. Die Arbeiter geklagten Arbeitern zu einer Haft von einem Monat und Braucht es noch eines Beweises dafür, zu welch abs waren unzufrieden, weil sie zu früh zur Arbeit geweckt wurde die sechs anderen zu einer Haft von drei Wochen. surden Konsequenzen es führt, wenn die politische Tendenz und weil die Mittagspausen zu kurz waren; dann waren Milonow, der Rechtsanwalt der Arbeiter, wurde eines Angeklagten oder der von ihm redigirten Zeitung für die Geldstrafen, welche ihnen für die geringsten Bergehen gleichfalls für schuldig befunden. Seinen Einwand, er könne seine Verurtheilung den Ausschlag giebt? auferlegt wurden, so hohe, daß sie kein Geld nicht der Anstister zur Arbeitseinstellung gewesen sein, da Herr Stöcker als Profeffor der Ethik. Zum nach Vollendung der Arbeit in ihre Heimath mit er von derselben erst nachträglich Kenntniß bekommen Märtyrer hat die Post" den theuren Gottesmann mitsammt zubringen hofften. Zudem erfuhren sie, daß derselbe habe, als die Arbeiter ihn mit der Führung ihres Pro- dem Hammerstein erhoben. Eine nicht minder geschmac Morosow den Handlangern, welche er in Omet mit dem zeffes gegen Morosow betrauten, beautwortete das Gerichts- volle Berherrlichung läßt ihm ein Superintendent Holz­Ausladen der Barten beschäftigt, einen viel höheren Lohn, urtheil mit der Erklärung, es sei nicht nur die Anheuer angedeihen. In der Evangel. Kirchenzeitung" nämlich 3 Mark pro Tag bezahlt, während sie im Durchschnitt stiftung zum Beginn eines Streits, sondern auch schreibt diese Leuchte der protestantischen Gottesgelahrtheit: 11 Mart bekamen. Nachdem Morosow ihnen ihr Ersuchen, die Anstiftung zu einer Weiterführung desselben ein Die Sorge, es würden unter den im geistlichen fie auch mit dem Barfenausladen zu beschäftigen, abschlug, Verbrechen. Die Pflicht Milonow's sei gewesen, den Ar- Amte wirkenden Theologen nicht Persönlichkeiten in aus­stellten am 28. Mai von den 483 Arbeitern, die bei dem Bau des beitern die Wiederaufnahme der Arbeit anzurathen. Statt reichender Anzahl vorhanden sein, die berartig in Bahnhofes beschäftigt waren, 19 Schreiner die Arbeit ein dessen hätte er beim Friedensrichter eine Verurtheilung wissenschaftlicher Arbeit stehen, um die theologische und verlangten von dem Morosow ihre Pässe zurück, um Morosow's zur Auslieferung der Pässe. erzielt, was zur Wissenschaft auf einer Universität vertreten zu fönnen, nach der Heimath zurückkehren zu können. Als Morosow Folge hatte, daß einen Tag nach dieser Verurtheilung 100 ist nicht begründet. Um ganz Einwandsfreie zu nennen, ver­die Päffe nicht herausgab, erhoben die Arbeiter durch den andere Arbeiter von Morosow die Arbeit eingestellt weisen wir nur auf Männer wie Kögel und Stöcker. Würde Rechtsanwalt Milonow bei dem Friedensrichter eine Klage und ihren Arbeitgeber dadurch genöthigt haben, ihnen den" Fachmann" in irgend einer theologischen Disziplin gelten lassen nicht Kögel, den die zünftige Wissenschaft vielleicht nicht als gegen Morosow wegen Verlegung fremden Eigenthums. Der Lohn zu erhöhen. Dieser letztere Streit sei daher auch auf wird, seinerzeit nebenamtlich in der neutestamentlichen Gregese Friedensrichter sprach Morosom zwar von dieser Anklage das Schuldkonto des Rechtsanwalts Milonow zu setzen. und in der Dogmatik akademische Vorlesungen haben halten frei, verurtheilte ihn aber doch zur Auslieferung der Passe Sein ferneres Vergehen bestehe darin, daß, obwohl er sich tönnen, von denen die Studenten in ganz anderem an deren Eigenthümer. in der ersten Gerichtsverhandlung bei dem Friedensrichter Maße etwas gehabt hätten, als von diesem oder jenem

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Darauf erhob die Eisenbahn- Gendarmerie Berwaltung hätte überzeugen müssen, daß die Arbeiter vertragsbrüchig vollgiltig im Ring ſtehenden Vertreter der betreffenden bei dem Friedensrichter gegen 9 Arbeiter Anklage auf feien, er doch Berufung eingelegt habe gegen denjenigen thit, um nur die zu erwähnen, in einer Weise befähigt, daß Fächer? Ist nicht Stöcker zu Vorlesungen über grund des§ 1358 des Strafgesetzbuches, welcher lautet: Theil des Urtheils des Friedensrichters, durch welchen diese Disziplin, von ihm gelehrt, alsbald ein Brennpunkt thit, um nur die zu erwähnen, in einer Weise befähigt, daß Für eine Arbeitseinstellung auf einer Fabrik oder Wiorosom von der Anklage des eigenmächtigen Verfahrens der gesammten theologischen Ausbildung auf Manufaktur, welche verabredet worden ist mit mit fremdem Eigenthum freigesprochen wurde. Als An- der Universität werden würde, in deren Lehrkörper er, wenn auch den Zwecke, die Fabrik- oder Manufakturbesitzer zu einer stifter zum Streit wurde Milonow zu einer Haft von fünf ebenfalls nur nebenamtlich, eintrete? Erhöhung des Lohnes oder zu einer Aenderung anderer Wochen verurtheilt. Der Stöcker ebenfalls nur nebenamtlich" als Professor Bestimmungen des Miethsvertrages vor dem Ablaufen Ter geistreiche Einfall der Behörden und des Gerichtes der Ethik im Brennpunkt der theologischen Ausbildung"! der Frist dieses letzteren zu zwingen, werden die Schuldigen in Omsk  , den Anwalt von Angeklagten, die den Be- Wir gratuliren den Theologie- Studenten der Zukunft. folgenden Strafen unterzogen..." hörden mißliebig sind, für die gewissenhafte Ausführung Um Mißverständnissen vorzubeugen, erklären wir Die Anklage wurde aber nicht nur gegen die Arbeiter, seiner Anwaltspflichten als Mitschuldigen seiner Klienten übrigens hiermit feierlichst, daß der p. p. Holtheuer kein sondern auch gegen ihren Anwalt Milonow er auf die Anklagebank zu sehen und zu verurtheilen, dürfte von uns erfundenes Phantom, sondern ein leibhaftiger hoben, welcher angeklagt wurde, die Arbeiter zum Streiken die Bewunderung auch der deutschen   Reaktionäre hervorrufen. Superintendent und daß die Proklamirung Stöcker's zum

Skizzen[ Nachdrud verboten.

aus dem füdamerikanischen

Hinterlande.

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ich heute auch so. Francia hielt jedenfalls einen echten Respekt vor jedem beschriebenen Blatt Papier   und glaubte, Indianer für die geeignetste Person, seine blutigen Befehle daß es eine Art Fetisch sei und viel zu bedeuten habe. auszuführen, da sie sich meist gegen Mischblut und Fremde Lesen und schreiben hat die Alte nie gefonnt. richteten; denn der Indianer hat immer einen Haß gegen Gut also; Francia starb auch; ich war ein großer das europäische Blut, zwar nicht von Hause aus, aber von Bursch mittlerweile geworden. Der alte Lopez folgte ihm und Sie müssen mir jetzt erlauben, ein wenig über mich dem Augenblicke an, da er den Europäer kennen gelernt regierte in genau derselben Weise, wie sein Vorgänger. selber zu sprechen, und ich muß dazu sogar ein wenig weit hat. Genug, mein Vater folterte, marterte, erschoß, erftach Uns fümmerte das sehr wenig in unserem Kamp; wir ausholen. Dafür verspreche ich Ihnen ziemlich interessante und erdrosselte in aller indianischen Ruhe und Kaltblütigkeit lebten unser Leben weiter, wie wir es von jeher gewöhnt Dinge zu erzählen; so wenig sonst die Person eines alten alle die ihm Francia überlieferte und bewahrte sich bei waren, einen Tag um den anderen, und meine ganze Be­Judianers interessantes für einen Europäer haben mag. dieser Beschäftigung sein reines Gewissen und die Zu- schäftigung bestand darin, die kleine Pflanzung für unseren Ich bin also ein Indianer von ganz reinem Blut, wenn neigung von Francia bis zu seinem Tode. Er starb schon Unterhalt zu besorgen.

ich auch auf der östlichen Seite des Rio Paraguay   ge- vor dem Tode des Francia an einem kleinen Lanzenstich, Im übrigen vergnügte ich mich nach der gewöhnlichen boren bin; aber mein Vater und meine Mutter sind und dieser blieb seitdem ohne speziellen Henker; sei es, daß Art; ging auf die Jagd, schlief, rauchte und tanzte. Ich im Chaco geboren, und man hat sie dazumal dort er meinen Vater für unersetzlich hielt, sei es aus einem war ein echter Judianer geblieben in allem meinem Thun  eingefangen und nach Asuncion   gebracht, wie man anderen Grunde. und Treiben, und bin es auch heute noch und werde cs wilde Thiere einzufangen und in Käfige zu sperren pflegt. Gab es später irgend etwas bei ihm zu lanziren bleiben bis zu meinem Tode. Warum, das will ich nicht Wer das gethan hat, das war der Tyrann Francia, von an der Nische auf der Plaza San Francisco  , wo derlei des längeren erörtern; das eine will ich nur sagen, daß dem Sie manches gehört und gelesen haben mögen, und Sachen abgemacht wurden, so ließ er es durch seine nach meiner Ueberzeugung alles Schlechte, was in das Land über den Sie noch heute viel hören können, da es ja noch Soldaten besorgen, die es auch leidlich genug abmachten. gekommen ist, von den Europäern stammit. Das sei genug. genug Leute giebt, die ihn von Angesicht zu Angesicht ge- Meinen Vater belohnte der Tyrann für seine Dienste mit Ich habe sie gehaßt und hasse sie. Also von meinem da­sehen haben. Francia, der, wie Sie wissen, sein Land vor der Estanzia Cerro Desgracias, und ließ ihm den Titel maligen Leben ist nichts Absonderliches zu sagen. Ich war allen Fremden verschloß, war, obwohl er kein echter Indianer ausfertigen, den Sie selber gesehen haben. In jener Zeit ein kräftiger Mann, als Francisco Solano Lopez   seinem war, denn er hatte französisches Blut in seinen Adern, legte man aber feinen großen Werth auf einen Landbesitz, Vater folgte und als der Krieg ausbrach, steckte man mich nicht einmal Freund der Mischlinge. Er hatte eben alle wie man es heute thut, da man zu jener Zeit weder wie alle übrigen unter die Soldaten. Wir fochten wie Justinkte eines Indianers, und das Blut seiner indianischen Käufer noch Verkäufer fand. So war die ganze die Löwen; thaten blind alles, was man 11113 Mutter mag deshalb im Uebergewicht gewesen sein gegen Sache damals nicht der Rede werth, und So befahl, eine lange Reihe von Metzeleien. Kurz, alles das, über dem europäischen. Von seinen Grausamkeiten, und wurde später, als niein Vater starb, nicht einmal was Sie von dem Kriege gehört haben bis zu dem Lager was alles damals sich ereignete, will ich Ihnen hier nicht daran gedacht, daß meiner Mutter Mutter Campo Cerro bei San Fernando, habe ich mitgemacht und kam immer erzählen; das wissen Sie selber, und vielleicht wissen Sie Desgracias gehörte; umsoweniger, als wir nur unserer davon mit meinem Leben. Nicht immer mit ganz heiler auch, daß sein Helfer und Henker dabei sich Patino nannte, zwei Personen waren, die zusammen in einem kleinen Haut; ich wurde manches Mal verwundet, bekam die und eben dieser Batino war mein Vater. Natürlich Rancho wohnten, Bataten, Mais und Maniok bauten, Cholera, wurde aber immer wieder hergestellt und hatte er damals noch keinen Namen gehabt, wie man gerade soviel, als sie zu ihrem Leben nöthig hatten und trotte Hunger und Noth. Lopez begann es sehr ihn aus dem Chaco brachte, sondern Francia ließ ihn erst nichts weiter. Doch hat die Mutter das Dokument immer schlecht zu gehen. Der Untergang lag vor seinen danach auf den Namen Batino tausen, und deswegen heiße bei sich behalten; denn sie hatte einen abergläubischen Augen und auch von den unsrigen; aber wir waren ge­