Nr. 366 ♦ 44.�ahrgatlg
1« Seilage ües Vorwärts
Irettag, S. August 1927
Herlms höchster Heeg.
Im Westen, nahe am Bahnhof Cichtamp, wächst aus gelben Lehm- und Sandmassen«in umfangreicher Berg in die Höhe, der demnächst dem Kreuzberg den Ranz als höchste Erhebung Berlins ablaufen wird. Der Kreuzberg liegt nämlich nur 66 Meter über dem Meer, wird also von dem neuen Emporkömmling um volle 14 Meter geschlagen, denn der neue Berg soll nach seiner �Fertig- stellung' nicht weniger als 8 6 Meter über dem Meeresspiegel liegen. Mit Behagen werden die Berliner von hie? aus einen be- quemen Ausblick über die Niesenstadt und den Grunewald genießen können und dabei auch in beschränktem Maße Höhenluft zu tosten bekommen. Das Material zu dem neuen Berg verdanken wir der Reichsbahn. 250000 Kubikmeter Erde, die au» dem von den Bahnhöfen Heerstraße, Eichkamp und Charlotienburg gebildeten Dreieck stammen, werden fest vielen Wochen hier an der Avus auf» geschüttet. Bon dunklen Kieferwäldern umgeben, sticht die helle Masse schon von weitem in die Augen. Grüne Anlagen werden sie später freundlicher machen. Vorläufig rollen noch aus schmalen Geleisen die Kipploren und schütten ihren Inhalt auf das breite Plateau. Den Anlaß zur gründlichen Umgestaltung der Gleis- anlagen am Bahnhof Charlottenburg gab die bevor- stehende Elektrifizierung der Stadt-, Ring- und Vorortbahnen. Fern- und Vorortzüge, die bisher dieselben
Gleise zwischen Heerstraße und Charlottenburg benntzten, werden nunmehr auf getrennten Fern- und Vorortgleisen nach Charlotten- bürg geführt werden, was die Leistungsfähigkeit der Strecke wesentlich erhöhen wird. Hierzu war die Anlage einer neuen Dahnstreck« nötig, die in einem tiefen Geländeeinschmtt entlang laufen soll. Bei der Herstellung dieses Einschnittes sind gewaltige Erdmassen frei geworden, die man erst nicht unterzubringen wußte, bi» man aus den Gedanken kam, in unmittelbarer Nähe der Bauarbeiten den Moni- blanc von Bertin aufzutürmen. Eine stattliche, neueEisenbahn- brücke überquert den neuangelegten, tiefen Einschnitt und gibt dem früher so idyllischen Winkel zwischen den sich kreuzenden Gleisen ein neues Gesicht. Der Bahnhof Eichkamp selbst soll verschwinden und an anderer Stelle, vor der Unterwnnelung der Avus am Königsweg, neu erstehen. Ein neuer 11 m st e i g e b a h n h o f ist an dem Kreuzungspunkt der Grunewald - und Spandouer Vorort- Mse mit dem Ring in Bau. Er wird zwei tiefliegende Bahnsteige ür den Verkehr Berlin -Stadtbahn und einen hochliegenden Ring- bahnsteig erhalten.■'•-........... Erleichterung des geordnet. Bei der Durchführung all dieser Rücksicht aus die geplante Umgestallung des künftigen Messegeländes genommen.
Straßenbahnunslück in Weißensee. Bier Verletzte. An der Straßenkreuzr�ig Gustav-Adolf- und Charlotten st raß« zu Weißensee ereignete sich gestern nachmittag ein heftiger Zusammenstoß zwischen einem Straßenbahnwagen und einem Lastkraftwagen mit Anhänger, vier Personen, dar- unter der Führer der Straßenbahn, wurden schwer verleht und mußten in das Weißenseer Augusta-Viktoria-Krankenhaus gebracht werden. Der Lastkraftwagen hatte bereits die Mitte der Straßenkreuzung passiert, als in ziemlich schneller Fahrt eine Straßenbahn der Linie 71 herannahte. Der Führer konnte trotz scharfen Bremsens seinen Wagen nicht mehr zum Halten bringen und fuhr mit voller Wucht in die Flanke des Lastkraftwagen- anhängers. Der Zufammenprall erfolgte mit so großer Gewalt, daß der Führer st and buch st üblich vom Trieb- wagen abgerissen wurde. Die Fahrgäste wurden von
ihren Sitzen geschleudert. Sämtliche Scheiben gingen in Trümmer. Drei Fahrgäste hatten schwer« Verletzungen davongetragen. Vor- übergehende und Polizeibeamte bemühten sich sofort um die Ver- letzten und sorgten für ihre Ueberführung in das Weißenseer Krankenhaus. Der Führer Fritz B. aus der Trarbachstraße 10 zu Weißensee hat schwere Kops-, Arm- und Beinverletzungen davon- getragen: sein Zustand ist sehr bedenklich. Bei den anderen Ver- letzten, zwei Schwestern Olga und Gertrud W. aus der Prenzlauer Allee 146 und einem Fräulein Elsa Z. aus der Chorincr Straße 68, die sich schwere Schnittwunden und innere Verletzungen zuzvgen, besteht zum Glück keine Lebensgefahr. Die Schuldfrage ist noch völlig ungeklärt. Ei« Autobus fast i« d«n Landwehrkaual gefahren. Ein Unfall, der buchstäblich um ein Haar zu einer Katastrophe hätte werden können, ereignete sich gestern gegen 14 Uhr in der Königgrätzer Straße unter dem Hochbahn hos Halle- s ch e s Tor. Ein Autobus der L i n i e 2 8, der mit ziemlicher Geschwindigkeit aus der Königgrätzer Straße in die kurz vor dem
Haveschen Tor liegende Kurv« ging, wollte vor der Haltestelle am Hochbohnhof Hallesche» Tor bremsen. Dabei geriet der Wagen auf dem kurz zuvor gesprengten Asphalt ins Schleudern, der Fahrer verlor die Gewall über den Autobus, der im nächsten Augenblick über die Bordschwelle fuhr, ein dort haltendes Privat- auto beifette drückte und mit sich riß und erst unmittelbar vor dem Geländer des Landwehrkanals unter dem Hochbahnviadukt dadurch zum Stehen kam, daß sich die Vorderräder des Wagens in einen wegen der dortigen Bauarbeiten aufgeworfenen Stein- Haufen hmeinbohrten. Ein halber Meter weiter, und das Ge- länder wäre durchbrochen worden, und der Autobus wäre in den Landwehrkanal gestürzt. Der Unfall hatte eine große Menschen- anfammlung zur Folge. Nachdem sich der erste Schreck gelegt hatte, stellte sich heraus, daß der Autobus so wenig beschädigt war, daß er mit eigener Kraft wieder vom Bürgersteig herunter und dann in, Depot fahren konnte. Dagegen wurde das halb auf den Bür-. gersteig geworfene Privatauto ziemlich erheblich beschädigt. - i Der GZeanflug in öer Theorie. Gestern 18 Uhr erreichte der Dauerrekordflug die' Länge der Flugstrecke über den Ozean. Dessau . 4. August. j Mit automatischer Pünktlichkeit flog die Iunkers-Rekordmaschine i 33 l. auch im weiteren Verlauf des gestrigen Tages Runde un,' Runde auf der Strecke Dessau — Leipzig . Ilm%6 Ahr abends waren die Flieger genau 36 Standen in der Luft: sie hatten, während sie ans der 35. Rnnde pendelten, eine Gesamtslugstrecke von rund' 4500 Silometern zurückgelegt, davon 3650 Kilometer zwischen den Desicmer und Leipziger Wendemarken, während etwa 850 Kilo- meter auf die Runden über dem Desiauer Flugplatz entfielen. Die Strecke von 4500 Kilometern entspricht ziemlich genau der Enl- sernung Dessau — Reusundlaad. Wäre die Maschine also nach Arne» rika gestartet, dann hätte sie gestern abend um 6 Uhr den Ozean j bereits hinter sich gehabt und hätte nur noch 1500 Kilometer bi» � New Fort zu fliegen. Wie also dieser Rekordversuch— der den; alten deutschen Dauerrekord von 24 Stunden bereits heut« srllh � gebrochen hatte— ausgehen sollte, es steht doch schon sest, daß Flug- j zeug wie Motor bereits ihre Eignung für das Unternehmen der Ozeanüberquerung bewiesen haben. Dabei scheint der Motor auf' dem bisherigen Fluge nicht voll ausgenutzt zu sein, da die j Maschine zweifellos eine höhere Geschwindigkeit als 125 Kilometer j in der Stunde zu leisten imstande ist. Zu berücksichtigen ist ferner,« daß mit dem Fortschreiten des Drennstoflverbrcuchs und ent- f sprechender Herabminderung der Belastung das Flugzeug auch 1 immer schneller wird.' A Das Wetter war den Tag über weiter gut, und es besteht auch'! die Hoffnung, daß die atmosphärischen Verhältnisse in der zweiten 1 Nacht, der letzten, den Fliegern günstig sein werden. Wie die Junkers-Werke mitteilen, rechnen sie nach den vor- liegenden Meldungen der Besatzung des Dauerflugzeuges mit der Möglichkeit einer Landung im Lause der Nacht. Di« großzügige Dauererprobung des Flugzeuges sowie der gesamten Einrichtungen hat bis jetzt ein einwandfreies Arbeiten aller Teile ergeben, und es' ist nicht anzunehmen, daß die nächsten Stunden daran noch etwas ändern. Gegen 21 Ahr befand sich die Iunkers-Rekordmaschine 33 völlig normal arbeilendeist Motor in der 40. Runde auf der SlteKe Leipzig -Dessau , so daß die Maschine zu dieser Zeit etwa 30 Stunden ln der Luft lag. Auch in der folgenden Zeit pendelte die Maschine mit außerordentlicher Regelmäßigkeit zwischen den beiden Wende» marken Dessau und Leipzig -Mockau , und aus den abgeworfenen Meldungen der Piloten Risticz und Edzard ging hervor, daß an Bord alles wohl sei und daß der � Motor nach wie vor präzise arbeitete. Um 21?� Uhr flog das Dauerslugzeug immer noch unter den gleich günstigen Umständen zwischen den beiden Sontrollpunklen und war somit genau 40 Stunden in der Luft, da der Start be- kanntlich am Mittwoch früh um ö Uhr 50 Minuten erfolgt war. Di« Junkers 33 L hat also bisher bei Zugrundelegung einer durch- schnittlichcn Stundengeschwindigkeit von 120 Kilometern 4800 Kilo- meter insgesamt zurückgelegt. Das Flugzeug soll nach Absicht der Junkers-Werke bis zum letzten Tropfen Benzin und Oel in der Lust bleiben.
Die Silbsrf�rvärrne 221 Von Ä-aG
lRachdruck verb»tm Goppel
Während ihres Aufenthaltes in Katmai war das Wetter ziemlich ruhig gewesen, und obgleich der Ausguck, den sie wischen zwei vorspringenden Landzungen hatten, ihnen ein unkles und drohendes Meer zeigte, hofften sie doch, daß das ruhige Wetter sich noch oierundzwanzig Stunden halten würde. Der Russe versuchte ihnen die Ueberfahrt noch einmal auszureden: sie aber wollten nicht hören und gingen zeitig zur Ruhe. Als sie erwachten, riß und zerrte ein heftiger Schnee- stürm an den Ketten, die über dem Dach des Hauses lagen; Himmel und Erde gingen in eins, und der Sturm peitschte das Meer, bis es raste. Fräser war offenbar froh, und auch in Valts bekümmerte Augen kam ein froherer Schein: Emer- son aber versank in ebensolch düstere Stimmung wie die, die über'der Landschaft lag. Drei Tage hielt der Swrm an, bis er ebenso plötzlich aufhörte, wie er angefangen hatte; die Brandung aber donnerte noch viele Siunden gegen den Strand, während Emerson mit müden, hoffnungslosen Augen Ausschau hielt. Als sie sich schließlich— eine Woche nach ihrer Ankunft in Katmai — aus den Weg begaben, trafen sie, als sie bis hinter die LanÄuinge gekommen waren, auf so hohm See- gang, daß sie kehrt machen und sich imt größter Mühe zurück- kämpfen muhten— durchnäßt, mutlos und halbtot vor Kälte und Müdigkeit. Fräser klagte und jammerte laut. „Halt deinen Mund! Du brauchst uns nicht zu begleiten. Wir wollen uns lieber allein aus den Weg machen, als dein Gejammer anhören," rief Bali. „Du hast recht," stimmte auch Emerson mit ein, dessen Geduld durch Fräsers ewige Zeremiaden auf eine harte Prob« gestellt wurde.„Morgen rudern wie ohne ihn." Da aber rief Fräser beleidigt:„Hast du mir nicht ver- sprachen, mich bis Seattle mitzunehmen? Ich will lieber er- trinken, als allein bei diesem dicken Russen zurückbleiben." „Dann ertrage dein Schicksal wie ein Mann und höre auf mit dem Gejammer." „Wenn ihr euren Kummer lieber in euch hinÄnfreßt. mir < I
macht es nun einmal mehr Vergnügen, mir durch Gejammer Luft zu verschaffen." Roch einmal weckte der Russe sie beim Morgengrauen, und sie begaben sich auf den Weg. Diemal hatten sie mehr Glück, denn die Wogen hatten sich soweit gelegt, daß sie sich aus der Bucht herauswagen konnten. Sie waren sich alle drei ihrer verzweifelten Lage voll bewußt, und während sie über den Sund ruderten, wurde nur wenig gesprochen. Die Konstruktion des Fahrzeuges war ihnen fremd, und die Stellungen, die sie einnehmen mußten, verursachte ihnen bald Krämpfe in den Muskeln. Die Bidarka hat einen schmalen, gebrechlichen Rumpf. der mit Walroßhaut überzogen ist. Die Mannschaft sitzt hintereinander in kleinen runden Oeffnungen, die Beine von sich gestreckt. Um sich trocken zu halten, hatten unsere Re«i- senden wasseNdichte Säcke mit einer Kapuze aus Seehunds - blasen, wie die Eingeborenen sie tragen, übergezogen. Dies« Säcke.— oder Kamlitas, wie sie genannt werden— sind am Hals und an den Handgelenken mit Schnüren versehen, die
zusamnrengezogen werden, und wenn der Sack über den Rand des Loches, wo der Mann sitzt, gespannt und fes dann ist das Kanu fast wasserdicht, wenn die
ieskynürt ist, ...........,...... leiten auch über das Deck spülen. Die ganze Einrichtung ist originell und auch praktisch, erfordert aber eine recht große Gewandt- heil, und darum mußten die drei Weißen, denen dieses In- dianerfahrzeug ungewohnt war. ihre Kräfte und ihren Ver- stand aufs äußerste anspannen. Langsam aber stetig ent- fernten sie sich von dem Dorf, das mit seinem kleinen Kauf- mannsladen, dem brennenden Herdfeuer und warmen Betten plötzlich wie ein sicherer und traulicher Ort vor ihrer Erinne- rung stand. Die Wogen warfen ihr Schiff wie einen Korten hin und her und überzogen Deck und Ruder mit einer dünnen Eisschicht: trotz aller Vorsichtsmaßregeln wurden sie naß, und der eiskalte salzige Atem des Meeres ging ihnen durch Mark und Bein. Sie ruderten unausgesetzt, denn sie hatten zwölf Meilen vor sich, mußten sich viele Stunden angestrengt über das barsche Meer vorwärtskämpfen. Gradweise, fast unmerklich verschwand die bergige Küste hinter ihnen am grauen Horizont. Das Wetter schien ihnen diesmal günstig zu fein, und ihre Stimmung besserte sich. Sie aßen häufig, denn Nahrung ist die wichtigste Feuerung im Norden. Um die Mittagszeit waren sie mitten auf dem wogenden Sund, und schon wurde auf der anderen Seite die Küste von Kodiak sichtbar. Da, als ob der Sturm es müde geworden sei, so sanft mit
ihnen zu spielen, begann er zuzunehmen: kein Sturm, nur ein frischer Wind, doch stach er sie wie mit Stahlspitzen im Gesicht und hinderte sie am Vorwärtskommen. Wäre der Wind aus Norden gekommen, hätte er ihnen vorwärts ge- halfen, so aber kam er vom Stillen Ozean ihnen gerade ent» gegen und zwang sie, ihre Anstrengungen zu verdoppeln. Er war nicht stark genug, um ihre Kräfte zu überwinden, aber er erschwerte ihnen das Vorwärtskommen und machte das Meer unruhig und zornig, so daß die Wogen das kleine Fahr- zeug unbarmherzig hin- und herwarfen. I In der Hoffnung, daß der Wind sich gegen Abend legen würde, behielten die Männer denselben Kurs, und als die Nacht hereinbrach, ruderten sie noch immer schweigend weiter« Es war fast Mittag des nächsten Tages, als der Auf» seher der Fabrik in Uyat ein Kanu langsam durch die Bucht näherkommen sah, und er wunderte sich, daß das Fahrzeug mit drei Weißen bemannt war, die so erschöpft, steif und ge- fühllos waren, daß er, als sie endlich das Ufer erreicht hatten, ihnen aus dem Boot heraushelfen mußte. Einer von ihnen war bewußtlos und mußte ins Haus getragen werden, und als der Aufseher hörte, woher sie kamen, verwunderte es ihif nicht. Was ihn aber in Erstaunen setzte, war, daß einer der Reisenden laut gufschluchzte, als er erfuhr, daß der Post- dampfer am Abend vorher Uyak verlassen habe. Der Auf» jeher gab ihnen kräftigende Mittel und warmes Essen, denn sowohl Bali wie auch Emerlon waren wfie Schlafwandler, und als Fräser wieder zu sich kam, war er zu schwach, um aus seinen Deinen zu stehen. 1 „Es ist ein Jammer, daß ihr nicht gestern abend ge» kommen seid," sagte der Aufseher teilnahmsvoll,„denn der Dampfer wird kaum vor einem Monat zurückkommen." „Wie lange wird er in Kodiak liegen bleiben," fragte der große George.! „Der Kapitän sagte mir, daß er dort Weihnachten feiern wollte, laßt mal sehen— heute ist der 22., er will am Morgen des 26. nach Iuneau weiterfahren, also in drei Tagen." j „Wir müssen ihn noch erreichen," rief Emerson hastig»« „Wenn Sie uns in Kodiak zu rechter Zeit an Land setzen� bezahle ich. was Sie verlangen." „Ich möchte es gern, aber ich kann nicht," antwortete deri Mann. Wie Sie sehen, bin ich hier ganz allein." j „Dann schaffen Sie uns um Gottes willen einige Ein*, geborene. Mr zahlen, was es tostet." (Fortsetzung folgt.), �