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abrgang 2. Beilage des Vorwärts Blane

Nr. 382+44. Jahrgang

Sonntag, 14. August 1927

Wandlungen in der internationalen Oelpolitik.

Weltwirtschaftliche Umschau.

Trog der hochgradigen Bertruftung der Delproduktion konnte die Ueberproduktion durch eine Einschränkung der Erzeugung nicht recht zeitig abgestoppt werden, teils infolge der in Amerika   bestehenden industrie gegenwärtig erwogen wird), teils aber wegen der großen Kartellverbote( deren Lockerung im Interesse der Petroleum­Anzahl der unabhängigen Produzenten in den erwähnten Gebieten. Man versuchte zuerst, durch eine Einschränkung der Be nuzung der Rohrleitungen mittelbar einen Druck auf die Erzeugung auszuüben; 80 Proz. der Rohrleitungen befinden sich im Besiz der Standard- Dil- Gesellschaft. Dieselbe Gesellschaft, die etwa die Hälfte der Rohölproduktion der Vereinigten Staaten   unter ihrer Kontrolle hat, beherrscht jedoch 65 Proz. der Raffinerien und tauft für Verarbeitungszwede ständig große Mengen Rohöls zu. So wurde sie lange Zeit hindurch von den niedrigen Rohölpreisen nicht berührt, versäumte aber, aus privatwirtschaftlichen Gründen in die Entwicklung der Produktion rechtzeitig einzugreifen. Erft fürzlich wurden auf den Seminolefeldern zweiwöchentliche Feier fchichten eingelegt.

Die internationale Delpolitif ist durch den Konflikt zwischen der| 2,44 Millionen Faß nur einen Wert von 2,9 millionen Dollar. Shellgruppe und Sowjetrußland und durch andere bedeutungsvolle Borgänge wieder in den Vordergrund des Interesses gerückt. Will man die Tätigkeit des internationalen Delfapitals seit dem Kriege auf furze Formeln bringen, so fann man wohl behaupten, daß die auf furze Formeln bringen, so fann man wohl behaupten, daß die auf den Krieg folgenden Jahre von der Jagd nach den Del quellen" beherrscht waren. Die Annahme, daß die Delvorräte der Welt in absehbarer Zeit zur Neige gehen, die außerordentlich gestiegene Bedeutung der Delverwendung in Industrie, Schiff fahrt und für die Automobile, vor allem auch die militärischen Gesichtspuntte der Sicherung des Delbedarfs der Marine für tommende Kriege, haben den durch die Diplomatie der betreffenden Länder unterstützten Kampf um den Besitz der noch unausgebeuteten Delfelder herbeigeführt. Diese Jagd nach den Delfeldern, deren letzten Abschnitt die Erledigung der Mossulfrage bildete, hat ihren vorläufigen Abschluß gefunden. Der gegenwärtige Abschnitt des internationalen Delkampfes ist von einer anderen Sorge beherrscht: von der Sorge um die Verwertung der Delprodukte. Ein Kampf um die Absahmärkte hat in großem Stil ein­gesetzt.

Die Weltproduktion an Petroleum 1926 und 1927. Die herrschende Stellung der Rohölproduktion der Ber einigten Staaten ist seit dem Krieg noch weiter gestiegen. Im Jahre 1913 betrug die Rohölproduktion der Vereinigten Staaten  248 Millionen Faß, 64,5 Proz. der Weltproduktion, 1926: 773 millio­

nen Faß, d. h. mehr als das Dreifache der Borkriegserzeugung, 70,7 Broz. der start gestiegenen Weltproduktion. Im laufenden Jahr soll die Produktion der Bereinigten Staaten 850 bis 875 Millionen Faß erreichen.

Sowjetrußlands Rohölproduktion hat im Jahre 1926 mit 61 Millionen Faß die Vortriegshöhe erreicht, wenn auch ihr Anteil an der Weltproduktion von 16,3 auf 5,5 Proz. sant. Im laufenden Jahr wird sie auf mindestens 72 Millionen Faß er­höht werden. Jedenfalls steht heute Rußland   an der Weltölpro­duftion bereits an der zweiten Stelle, wenn auch in einem großen Abstand nach den Vereinigten Staaten  . Meritos Produktion ist zwar immer noch etwa drei- bis vier­mal so hoch wie sie vor dem Kriege war, geht jedoch nach ihrem märchen­haften Aufschwung in den Jahren 1921 bis 1923 dauernd zurück, teils infolge natürlicher Ursachen Eindringen von Salzwasser in die Quellen, zum größeren Teil aber infolge der Sabotage des amerikanischen   Kapitals. Während die merita­nische Produktion 1921 ein Biertel der Weltproduktion ausmachte, sant ihr Anteil 1926 auf 8,2 Proz. Im laufenden Jahr ist sie noch geringer geworden. Voraussichtlich wird sie darum unter die russische Produktion absinken.

An der vierten Stelle in der Delproduktion steht ein Land, dessen Produktion erst vor einigen Jahren ihren Anfang nahm: Benezuela, wo 1923 nur 50 000 Tonnen, 1926 1,8 Millionen, im laufenden Jahr 3 Millionen Tonnen Del erzeugt werden. Im vergangenen Jahr betrug der Anteil Venezuelas   an der Welt­produktion bereits 3,4 Proz. und hat damit die persische Pro­buftion, die allerdings tünstlich niedrig gehalten wird, überflügelt. Sehr erhöht hat sich die in jüngster Beit auch mit italienischem Rapital finanzierte rumänische Produktion, die mit 23 Millionen Faß die Vorkriegshöhe von 13% Millionen weit hinter sich ließ, wenngleich ihr prozentualer Anteil an der Weltproduktion, der 1913 3,6 Proz. betrug, sich 1926 nur auf 2,1 Proz. belief. Die anderen Großproduzenten find Niederländisch Indien mit 2 Proz. der Weltproduktion, und seit dem letzten Jahr Peru   und Kolumbien  . Die polnische Rohölgewin­nung ist immer noch wenig bedeutend und steht unter der Vor­friegshöhe, während die Ausbeutung der Delquellen Mesopotamiens  , die bekanntlich das Hauptobjekt der politischen Delkämpfe bildete, überhaupt noch nicht in Angriff genomen wurde.

Ueberproduktion an Oel  .

Der Berbrauch an Petroleum   ist in dauerndem Steigen begriffen. Trotzdem ist gegenwärtig eine Ueberproduktion größten Umfanges vorhanden. Dafür ist die gewaltige Steigerung der Produktion in den Bereinigten Staaten verantwortlich. Die jüngst entdeckten Seminolefelder in Dtlahama liefern täglich eine Delmenge von gegenwärtig etwa 450 000 Faß und haben zusammen mit einer sehr gesteigerten Delproduktion aus Teras die amerika nische Produktion auf eine Höhe von 2% Millionen Faßtäg lich gebracht, ungefähr täglich eine halbe Million Faß mehr als im Durchschnitt des vergangenen Jahres, und etwa eine Biertelmillion mehr, als der Steigerung des Bedarfs im laufenden Jahr ent­sprechen würde. Die Folge davon ist ein scharfer Preisrüdgang. Bezeichnend für die Lage ist, daß mitte November 1926 die schon damals hohe Rohölproduktion der Bereinigten Staaten täglich 2,34 Millionen Faß betrug und einen Wert von 4,3 Millionen Dollar darstellte, fünf Monate später aber die erhöhte Produktion von

Vie wichtiger ist aber die Einschränkung der Rohölver­arbeitung der Standard- Dil- Raffinerien. In der letzten Zeit fonnte die Benzingewinnung durch Einrichtung von sogenannten Kradanlagen in hohem Maße gesteigert werden, da diese eine größere Ausnutzung des Rohöls ermöglichen. Mehr als ein Drittel ber amerikanischen   Raffinerien ist heute bereits mit Kradanlagen ausgerüstet. Infolge der Ueberproduktion hat nun die Standard Dil- Gesellschaft 100 von 180 Kradeinheiten stillgelegt und ist zu den alten Produktionsmethoden zurückgekehrt.

Der mächtige Gegenspieler der Standard Dil  , der englisch  - hollän­dische Royal Dutch Shell Trust, leidet unter den oben ge= schilderten Verhältnissen noch viel mehr als der Standard Dil  , weil seine Tätigkeit in erster Linie auf die Gewinnung von Rohöl ge­richtet ist.

Der Oelkampf gegen Rußland  .

Die Bedeutung des gegen Rußland   geführten Delkampfes kann man nur im Zusammenhang mit der geschilderten Ueberproduktion ganz erklären. Die russische Petroleumausfuhr bildet einen der wichtigsten Ausfuhrposten des russischen Außenhandels und ist im gewaltigen Steigen begriffen. 1913 betrug sie 898 000 Tonnen, 1921 ist sie auf 138 000 Tonnen zurückgegangen, erreichte jedoch 1925/26 nach andauerndem Anstieg 1472 000 Tonnen, d. h. um über die Hälfte mehr als die Borkriegsausfuhr. Im ersten Halbjahr 1926/27 betrug die Ausfuhr nach Sowjetangaben 887 000 Tonnen, d. h. 41 Proz. mehr als im gleichen Zeitabschnitt des abgelaufenen Jahres. Davon gingen in den letzten drei Jahren 52 Proz. bzw. 41,8 und 32,8 Broz. nach England. Die russische Konkurrenz auf dem englischen Markt war dem englischen Shell- Truft von jeher unangenehm, noch mehr aber die Verträge der russischen Petroleumindustrie mit den belgisch französischen   Delgesellschaften Petrofina   und Burfina, die beide mit Rußland Monopollieferungsverträge auf große Mengen Leicht- und Schwerbenzins zum Absah in Frankreich  und Belgien   abgeschlossen haben. Auf Grund dieser Berträge gingen 12,9 Proz. des ruffischen Erdölerports nach Frankreich  , 3,2 Proz. nach Belgien  .

Da nun Rußland  , um sich die für seine Einfuhr nötigen De= Disen zu beschaffen, auf die Petroleumausfuhr unbedingt an­gewiesen ist, so mar es gezwungen, unter allen Umständen, auch bei wesentlicher Unterbietung seiner Konkurrenten, die Ausfuhr zu erzwingen. So blieb den zwei großen Welttrusts nur die Wahl, sich entweder mit der russischen Delindustrie zu verständigen oder aber ihr den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Den ersten Weg beschritt die Standard Dil   von New York  . Sie hat bereits vor längerer Zeit den Bau einer großen Raffinerie zur Herstellung von Leichtöl in Batum   begonnen, die sie von den Sowjets auf drei Jahre pachten soll mit dem Rechte, die jährlich zu erzeugenden 100 000 Tonnen Leuchtöl zu verkaufen. Auch hat sie dem russischen Trust( Asneft) für den Bau der Rohrleitung Batum- Bafu einen Kredit von 6 Millionen Rubel gewährt. Dem Shell Trust da gegen, der früher schon erhebliche Mengen Rohöls von Sowjet rußland faufte und wegen Lieferungsverträgen und Konzessionen lange Zeit hindurch verhandelt hat, gelang die Einigung mit der russischen Petroleumindustrie nicht.

Nun tam der politische Bruch zwischen England und Ruß­ land  . Inwiefern er durch Einflüsterungen des englischen Delkapitals gefördert wurde, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls möchte der englische   Trust den Bruch für seine eigenen Zwecke aus nügen. Als nun die Standard Oil von New York   und eine Tochtergesellschaft der Standard Oil, die Vacuum Oil  , mit dem russischen Naphthasyndikat neuerdings Berträge abschloß, wonach fie fünf Jahre lang je 100 000 Tonnen russisches Del abnehmen und im Nahen Osten vertreiben soll, begann der Kreuzzug Sir Deterdings gegen Rußland   und die amerikanische   Betroleumindustrie. Die alten Waffen, die jedesmal in die Rumpelkammer geworfen wurden, so oft der Shell- Trust Berhandlungen mit Rußland   führte, wurden wieder hervorgeholt und von neuem der Bannfluch gegen Ruß land wegen der Sozialisierung der Delgruben ausgesprochen.

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Die Rolle der Hauptgesellschaft der Standard Dil  , der Standard Dil   von New Jersey  , bleibt imer noch ungeflärt. Sie ist fürzlich von ihrer Tochtergesellschaft, die die Russenverträge machte, scharf abgerückt, wobei wahrscheinlich ist, daß hier ein Doppel­aus hat der Konflikt auch insofern eine große Bedeutung, als es fich piel mit verteilten Rollen im Gange ift. Ueber die Delfrage hin­Dabei um die Teilnahme des amerikanischen   Kapitals an ruffischen Geschäften überhaupt handelt.

Zukunftssorgen des Oelkapitals.

Ueberproduktion, Russenkonflikt, wozu noch die Auseinander. fegung mit Merifo hinzukommt, sind die gegenwärtigen Sorgen des Delkapitals. In Merito, das infolge der staatlichen Gesetzgebung gegen die Mißbräuche des amerikanischen   Deltapitals bekanntlich von diesem sabotiert wurde, mußten die amerikanischen   Delgesell­schaften allmählich nachgeben. Kürzlich haben auch die bisher noch widerspenstigen amerikanischen   Großkonzerne, darunter auch die Merican Petroleum Co., die der Standard- Dil- Gesellschaft gehört und bisher unversöhnlich" war, die Produttion wieder auf Allem Anschein nach hat das amerikanische   Del­genommen. fapital dort eine Niederlage erlitten. Die Delgewaltigen der Welt haben aber noch andere Gorgen, die allerdings weniger in der Gegenwart als in der Zukunft liegen. Einmal der Alpdruck des Kunst öls- Delgewinnung durch Kohleverflüssigung, mit dessen Herstellung zunächst in Deutschland  , wahrscheinlich aber bald auch in anderen Ländern begonnen werden Die fürzlich stattgefundenen Heidelberger   Berhandlungen des Präsidenten der Standard Oil, Mr. Teagle, mit der J. G. Farbenindustrie führten zum Erwerb der wichtigen Batente durch die Standard- Dil- Gesellschaft und halfen eine Intereffengemeinschaft

wird.

in der Kunstölfrage vorbereiten.

Die andere Sorge der internationalen Deltrufts bildet das Be­streben der reinen Verbraucherländer, sich von ihnen mehr oder weniger unabhängig zu machen. Raffinerien warden in letzter Zeit in einer Anzahl von Verbraucherländern, Frankreich  , Spanien   usw., errichtet, um den Gewinn aus der Verarbeitung des Organisation bei der Verteilung der Benzin- und Delprodukte soll Rohöls der heimischen Industrie zu sichern. Durch kaufmännische der Händlergewinn auf Kosten des Deltrufts vergrößert werden. Spanien   hat fürzlich ein Petroleummonopol er

richtet, wobei die Ausnügung des Monopolrechts einer dem Diktator Primo de Rivera   nahestehenden Gesellschaft übertragen wurde, die dem Staat 25 Jahre lang 80 Millionen Besetas jährlich entrichten soll. In Frankreich   wurde die Einführung des geplanten Mono­pols auf den 1. April 1929 verschoben, mit der Begründung, daß zur Organisierung des Monopols sehr bedeutende Summen erforderlich find, über die Frankreich   jetzt nicht verfügt. Der sozialistische Abge. ordnete Baron  , Vorsitzender der Petroleumkommission der Depu tiertenkammer, hat fürzlich einen Gesetzentwurf für die Errichtung des Betroleummonopols ausgearbeitet, der den Beginn des Monopols bereits für nächsten Dezember vorsieht und den Erwerb von Rohöl in die Hand des nationalen Brennstoffamts tegen möchte. Dieser Plan zur Schaffung eines Petroleummonopols wird voraussichtlich in der Propaganda bei den kommenden Wahlen eine große Rolle spielen.

Der Uebergang zur Schaffung von Einfuhrmonopolen in den Verbraucherländern wird die Lage der internationalen Del. trusts wesentlich beeinflussen. Sie werden sich dann in einem jeden Land einer einheitlichen Einkaufsorganisation gegenübersehen. Es ist allerdings möglich, daß die großen Deltrufts dank ihrem politischen Einfluß und ihrer reichlichen Geldmittel noch leichter Eingang in die Verbraucherländer finden werden, als im gegenwärtigen Zustand der Konkurrenz. Insofern, als diese Monopole aus fistalischen Gründen, zur Steigerung der Staats­einnahmen, errichtet werden, fönnen sie auch eine Mehr. belastung der Verbraucher herbeiführen, wie dies bei dem jüngst errichteten spanischen   Monopol der Fall ist. Falls jedoch die Staatsmonopole im Interesse der Verbraucher geleitet würden, so könnten sie zur Berbilligung des Benzins und anderme Delprodukte beitragen und das internationale Deltapital zum Ver­zicht auf einen Teil seiner ungeheuren Gewinne zwingen. A. H.

Großer französischer Reparationsauftrag an Siemens. Die französische   Post- und Telegraphenverwaltung hat nach langen Verhandlungen die Firma Siemens mit der Ver­legung eines Fernfabels von Baris nach Bordeaux   beauftragt. Die Berrechnung geht über Reparationstonto. Zu den Kabel­lieferungen für die 550 Kilometer lange Strecke wird nach das be fannte bem AEG.- Konzern nabestehende Kabelwerk Felten und Guille aume, Köln Mülheim  , herangezogen. Für den französischen   Telegraphenverkehr ist dieses neue Kabel sehr wichtig, da es einen Anschluß nach Spanien   erhalten wird. Auch der Rabelverkehr von Deutschland   nach Südfrankreich   wird nach der Fertigstellung bedeutend erleichtert werden. Der Gesamt­wert dieses Auftrages beträgt etwa 10 Millionen Mart.

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