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Der Vormarsch der KPD.
Sonntag 14. August 1927
kanzleirat Heröina. Von Albert L e i t i ch. Der Kanzleirat Florian Herdina hatte einen Bruder, der viele Jahre als verschollen galt. Peter Herdina hatte sein 18. Lebensjahr erreicht, ohne etwas anderes geworden zu sein als ein vollkommener Taugenichts. Als zwanzigjähriger Bursche war er dann von den Eltern nach Amerika   spediert worden, da er am Ende das ganze Anwesen des Vaters verklopst hätte und schließlich den Landjägern in die Hände gefallen wäre. Die Eltern starben kurz nacheinander, und die lieb« Verwandt- schaft hörte fünszehn Jahre nichts von Peter, bis er eines Tages wisijer in Schwallenbach auftauchte. Er war gekleidet wie ein Herr, trug eine goldene Uhr mit dicker goldener Kette und brachte «ine Meng« Geld mit. Er wohnte bei seinem Bruder Florian, der ihn mit Rücksicht auf seinen Dermögen-stand gerne aufnahm, um 1o mehr, als er unaufgefordert Haus und Garten instand setzt« und zudem ein stiller, bescheidener Hausgenosse war, der ihm die «infamen, langen Winterabende erträglicher machte. Florian Herdina war seit drei Jahren Witwer und hatte sich, da er das Alleinsein schlecht vertrug, einige Zeit mit dem Gedanken getragen, eine junge glatte Person zu heiraten. So war es be- greifiich, daß ihn der Besuch des Amerikafahrers sehr willkommen war, denn er gehörte zu den Menschen, die Gesellschaft haben müssen. Seit seine Frau tot war, wußte er mit sich nichts anzu- fangen in der Welt. Er war über fünfzig, ein mittelgroßer Mann, dem das wohl- gerundete Bäuchlein, der graugesprenkelte Wangenbart und die goldene Brille ein fast gelehrtes Aussehen gaben. Hatte er schon zu Lebzeiten seiner Frau seine Amtsftunden redlich abgesessen, so wurde der Herr Kanzleirat jetzt ein lebendes Muster von einem Beamten. Von acht bis zwei und von drei bis sieben sah Florian Herdina täglich in seiner Amtsstube und kritzelte mit einer scharrenden. spitzigen Feder Akten ins reine, von schmierigen Konzepten auf schönes dickes Kanzleipapier. Er schrieb sehr langsam, damit die Tinte gut fließen konnte und die Buchstaben sich schön und schnür- gerade auf das Papier malten. Lieber langsam, ab«r sicher. Schreibt man rasch und der Teufel juckt einen, gleich ist ein Wort windschief geworden und der ganze Akt verdorben. Hie und da mußt« er sich von seiner anstrengenden Tätigkeit erholen, und da kaut« er dann beschaulich an seinem dicken Federstiel«. In solchen Pausen entdeckte er dann immer sein einsames Herz. Er wurde da ein anderer Mensch. Er beäugte den blühenden Hollunderstrauch vor seiner verräucherten Amtsstube und seine begehrliche Phantasie malle ein blühendes, gertenschlankes Mädelchen dazu. Langsam erwachte er wieder aus seinen Träumen. Er nahm den Federhaller aus dem Munde und starrte eine Fliege an, die sich dick und fett auf seinem Tintenfaß niedergelassen hatte. Dann versuchte er weiter zu schreiben, aber es ging nicht und immer wieder fiel Florion Herdina in sein Traumland zurück.... Eines Sonnabends fuhr er mit Peter in die nahegelegene Stadt, um verschiedene Einkäufe zu besorgen. Auch wollte sich-der Kanzleirat einen modernen eleganten Anzug bauen lassen. Als die Brüder ihre Geschäfte besorgt hatten, kehrten sie in einem Garten- restaurant«in, in dem eine Damenkapell« konzertierte. Dort fielen Florians Augen auf die schlanke Primgeigerin, die ihm mit ihrem weißen Meid und der hellblauen Schärpe wie ein holdes Frühlings- wunder erschien. In der Seele des Kanzleirates war es bisher dunkel gewesen, nun sprang irgendwo eine Tür auf. Glanz kam in seine Augen, und er fühlte mit schmerzvollem Behagen die zierlichen Bewegungen des schlanken Mädchens, er hörte ihren leichten Schritt und die leise Unruhe ihres Wesens. Von diesem Tag an fuhr Florian Herdina fast jeden Tag nach Bureauschluß nach der Stadt, denn er wurde von den Wirbeln seines Blutes immer wieder dorthin getrieben., In der Tat hieß es kurze Zeit danach, daß er sich mit einer Künstlerin verheiraten werde. Er selbst machte kein Hehl daraus und erzählte jedem, der es hören wollte, daß seine Braut schön, ge- bildet und untadlig sei, schöner und vornehmer als alle Schwallen- dache rinnen. Florian Herdina rüstete zur Hochzeit: er zog die alte Kinder. wiege hinter dem verstaubten Kram der Dachkammer hervor und reinigte sie von Spinnweben. Er schloß sein Herz weit auf und staunt«, was für eine Verwandlung in der Welt vorgegangen war, denn Himmel und Erde standen wie ein buntes, festliches Tor um ihn, in das er hineinging. Die Felder wogten in silbrigem Licht und ganz Schwallenbach war wie selig verwunschen. Die Augen schimmerten, der Mund stammelte unterdrückte Laute des Glückes, und er mußte mit den Fingern den Mund zusammenpressen, um «inen lauten Jubelausbruch zu verhindern.... Es dauert« nicht lange, da nahm die junge Frau Fanny Herdina «in hochfahrendes Wesen an. Sie ließ allerlei spitze Bemerkungen gegen ihren Gatten fallen, die ihn kränkten und heruntersetzten. Um so vertraulicher und anschmiegsamer verkehrt« sie mit Peter. Die Galle regte sich in Florian Herdina, sein Blut begann zu kochen, die kräftigen Zähne preßten sich knirschend aufeinander, daß die Wangenknochen scharf hervorsprangen und in die Augen, kam ein Glimmen wie von Haß und Zorn. Als das Verhältnis zwischen Frau Fanny und ihrem Schwager immer zärtlicher wurde, hielt er ihr eine Standrede, wie sie sich mit einem solchen Beutelschneider wie seinen Bruder gemein machen könne: der sei sein ganzes Leben lang ein Ausbund gewesen, was dagegen ihn, Florian Herdina betreffe, so brauche er nicht«in Wort über sich zu verlieren, man kenne hier im Ort seinen ganzen Lebenslauf. Eine Zeitlang wurde es wieder still in dem kleinen Häuschen, aber es war nur die Ruhe vor dem Sturm. Denn von beiden Seiten schwoll die Erbitterung derart an, daß ein neuerlicher und heftiger Zusammenstoß bald erfolgen mußt«. Die Veranlasiung hierzu ließ nicht lange auf sich warten. Frau Herdina hatte mit Peter einen Ausflug gemocht, von dem die Beiden erst spät in der Nacht heimkehrten. Da standen sich Mann und Frau erst ein« Weil«, Aug in Aug gebohrt, schweigend gegenüber, dann begannen sie sich', zu sagen, und zwar so gründlich, daß sie im Verlauf ihrer Auseinandersetzung aufeinander losstürzten, mit der brennenden Lust, einander durch- zuwalken. Am Ende kamen sie überein, ganz auseinanderzugehen. Auf dieser Schneide stand die Sache, die jung und alt im Markt angelegentlich beschäftigte, als sich förmlich vor den Augen der gesamten mit Schadenfreude beobachtenden Einwohnerschaft die Flucht Peters mit Frau Fanny abspielte. Florian Herdina fühlte, daß das Entweichen des Pärchens in
jedem Haus bekannt war und daß, wenn er sich sehen ließe, die Fenster zu klein waren, alle höhnischen und schadenfrohen Gesichter zu fasien. Eines Tages bekamen alle Bekannten eine elsenbeinfarbene feine Karte von Peter Herdina geschickt, auf der zu lesen stand, daß er sic� mit Frau Fanny Stoiber, geschiedene Herdina, ver- heiratet habe. Da warf der Herr Kanzleirat die alte instandgesetzte Wiege zu dem alten Bodenkram zurück, und das stille Schimmern im Traum- fenster seiner Seele wachte nicht mehr aus. Seit diesem Tag be- herrscht« ihn ein Zustand, wie er einen Menschen plagt, der zu keinem Atemzug mehr Mut und Kraft findet. Sein Schritt wurde schusserig, sein ganzes Leben war beschwert und im Amt wurde er nie mehr die Besorgnis los, grobe Fehler gemacht zu haben. Kein Fleiß befreite ihn von diesem Gedanken.
Der Legrünöer öes C!ektromagnetismus Zum 150. Geburlsiag von Oersied am 14. August. Don Dr. S i e g s r i e d K u r t h. Während man in Eoma durch Veranstaltungen verschiedenster Art, die zum Teil mit der Elektrizität wenig zu tun Haben, das Andenken an Alesfandro Volta wachhalt«n will, rüstet man sich in Dänemark  , die 150. Wiederkehr des Geburtstages von Hans Christian Oersted   würdig zu begehen. Hatte Volta, der Galvanis Entdeckung weiter ausbaute und richtig deutete, eine ganz neue, schier unerschöpfliche Quelle für Erzeugung der elektrischen Energie geschaffen, so wies Oersted nach, daß dies« strömende Elektrizitäts- energie in engster Verbindung mit dem Magnetismus st«hen müsse. Die Grundlagen für den Elektromagnetismus und die ganze Elektro- dynamik, die haute unsere Elektrotechnik beherrscht, wurden freilich in sehr bescheidener Form bereits im Jahre 1820 von C h r i st i a n Hans Oersted gesunden. Man sagt, es sei eine Zufallsentdeckung gewestn, als ein Student, der der Vorlesung Oersteds beiwohnte, bemerkt habe, wie plötzlich die Magnetnadel, als sie sich in der Nähe eine« Drahtes, durch den der galvanische Strom floß, befand, einen Ausschlag ge- geben habe. Mag sein, daß di«se Erzählung wirtlich der Wahrheit entspricht. An alle großen physikalischen Entdeckungen knüpfen sich ja legendenhafte Erzählungen. Jedenfalls war Hans Christian Oersted  , obwohl er ganz im Bann der damals herrschenden Natur- Philosophie stand, ein scharfer Beobachter. Das hatte er schon in der kleinen Apotheke seines Vaters zu Rudkjöbing auf der Insel Langeland   gelernt, wo er am 14. August 1777 geboren wurde. Nach den Lehrjahren in des Daters Offizin besuchte er die Unioersi- tat Kopenhagen  . Der junge Pharmazeut' wurde Adjunkt in der medizinischen Fakultät und übernahm die Verwaltung einer Apotheke. Daneben hielt er bereits Vorlesungen. Man war auf dem begabten Jüngling aufmerksam geworden. Als er nach ausgedehnten Studienreisen nach Kopenhagen   zurückgekehrt war, erhielt er ein« außerordentliche Professur für Physik an der Universität. Als 1829 in Kopenhagen   eine polytechnische Schul« gegründet wurde, trat er an deren Spitze. Er entfalrete daneben«ine außerordentliche Tätigkeit, um das wissenschaftliche Leben seines Vaterlandes zu vertiefen. In zahlreichen Werken sucht« er die Ergebnisse der natur- wissenschaftlichen Forschung von der philosophischen Seite zu be- leuchten, sie mit den Forderungen der Religion in Einklang zu bringen und den weitesten Kreisen der Gebildeten zugänglich zu machen. So großen Anklang auch seinerzeit Oersteds Vorlesungen und Schriften fanden, sie werden von dem Ruhm überstrahlt, den ihm seine Entdeckung der Ablenkung der Magnetnadel durch den elektri- schen Strom eintrug. Gewiß hat man lange vor ihm schon eine Reihe von Tatsachen gekonnt, die auf gewisse Beziehungen zwischen magnetischen und elektrischen Erscheinungen hinwiesen. So wußte man, daß der Blitz ebenso wie die. Funken einer Leydener Flasche die Pole von Magnetnadeln umkehren können, oder daß eine Magnetnadel infolge des Blitzschlages ihren Magnetismus verliert. Umgekehrt kann der Blitz ein« nichtmagnetische Stahlnadel zu einem Magneten machen. Mit Hilf« großer Elektrisiermaschinen suchte man weiter diese Beziehungen zwischen Magn«ttsmus und Reibungs.  
elektrizitöt zu ergründen. Aber man kam zu keinerlei Ergebnissen, Da erfolgte Oersteds überraschende Entdeckung. Nicht die Reibungs- «lektrizität, nicht die am Körper fest gebundene geheimnisvolle Kraft ist es, die den Magnetismus beeinslußt, sondern die strömende galvanische Elektrizität. Sicherlich hat es einiger Zeit bedurft, bis sich Oersted über das Wesen seiner Entdeckung klar war. Jur Winter 1820 hate er oder vielleicht einer seiner Hörer ge­sehen, wie sich die Magnetnadel'aus der Richtung des magnttischen Meridians l?erausb«wegte, als in ihrer Nähe ein elektrischer Strom durch den Platindraht floß. Als gewüsenhafter Experimentator wiederholte Oersted unter Hinzuziehung hervorragender Wissen- schastler, Physiker und Chemiker seine Experimente. Erst am 21. Juli 1820 versandte er eine Mitteilung seiner Entdeckung in lateinischer Sprache an hervoragende Forscher. Ein solches Blatt erhielt u. a. Pictet   in Genf  , acrad« als Arago bei ihm weilte. Dieser erzählte nach seiner Rückkehr in Paris   Ampere davon, der alsbald die Oerstedichsn Experimente wiederholte und zu weiteren Einsichten über die Beziehungen zwischen Eleltrizität und Magnetis- mus kam. Seine berühmte Echwimmerregcl über das Verhalten des elektrischen Stroms zur Magnetnadel ist heute jedem Schüler geläufig. Oerstedts Schrift f., Experimente über die Wirkung des elektrischen Stroms auf die Magnetnadel") hatte eine geradezu zauberhafl« Wirkung. Wie nach der Entdeckung Galvanis unzählige Frösche ihr Leben lassen mußten, so stellte man jetzt überall Ver- suche über Einwirkung des elektrischen Stroms auf die Magnet- nadel an. Alle möglichen Stosfe wurden dabei ai-f ihr Verhalten gegen den elektrischen Strom untersucht: aber es schien, als ob nur die magnetischen beeinslußt würden. Eine der schönsten Früchte der von Oersted gemachten Entdeckungen war die elektromagnetische Telegravhie. Nachdem Schweigger und Pogaendorf die Oerstedsch« Entdeckung benutzt hatten, um ein Galvanometer zu i onstruieren, war der Weg geebnet, um die Erscheinungen der strömenden Elektrizität messend zu verfolgen. Georg Simon Ohm   fand das Gesetz, das die erste und festeste Grundlage für die madern? Elettrotechnik wurde. Faraday   baute weiter auf Oersteds Entdeckung, der selber für die wissenschaftliche Vertiefung des Elektromagnetismus nichts mehr tat. Was Faraday   experimentell erkannte, dafür schuf Maxwell die theoretischen Grundlagen. Das magnetische Feld, das bereits Oersted erkannt hatte, wenn er ausdrücklich betont, daß die Wirkung der Elektrizität nicht im Draht selbst, sondern in seiner Umgebung sich äußere, wurde von Maxwell in inhaltsschwere matheniatische Formeln gefaßt. Aus ihnen schöpfte Heinrich Hertz   neu« Einblicke in das Wesen nicht nur der Elektrizität und des Magnetismus, sondern auch in ihre Beziehungen zum Licht. Oersted, der bereits 1821 erklärt hatte, das Licht sei eine elektromagnetische Erscheinung, sollte sich fast sieben Jahrzehnte nach seinem Ausspruch in gewissem Sinne als wahrer Prophet erweisen. Mit anderen Augen als die Physiker um die Mitte des vorigen Jahrbunderts lesen wir die Worte Oersteds, die er am Schluß seiner Mitteilung vom 21. Juli 1820 aufschrieb:Ich füge dem Gesagten noch hinzu, daß ich in einem vor sieben Jahren herausgekommenen Werke bewiesen habe, daß die Wärme und das Licht der elektrische Strom sind. Aus den neu hinzugekommenen Beobachtungen läßt sich schließen, daß die Bewegung in Kreisen auch in diesen Wirkungen vorkomme, welche zur Aufklärung der Tatsachen, die man die Polarität des Lichts nennt, wie ich glaube, viel beitragen kann." So hat die Entdeckung Oersteds, der nebenbei sebr beachtenswerte Experimente über die Zusammendrückbarkeit des Wassers durchgeführt hat, dem die Chemie eine Reihe schätzenswerter Untersuchungen verdankt, bis auf unsere Tage gewirkt. Wenn man die Namen eines Galvoni, Volta, Ohm, Faraday  , Hertz nennt, so darf man den eines Oersted nicht vergessen. Nullmannwerk. Ein Elektrizitätswerk, das ohne jede Bedienung van selber arbeitet, ist das Kyllwerk von Trier  . Dort wird eine älter« Anlage durch Umbau �modernisiert und zugleich durch ent« sprechende Einrichtungen vollständig automatisch gemacht. Es handelt sich um ein Flußwerk, das mit einer Walzenwehr von veränderlicher Höhe arbeitet. Da die Wasserführung der Kyll zwischen 1,2 und 000 Kubikmeter schwankt, war die Ausnutzung der Wasserkraft durch das alte eingebaute Wehr sehr schlecht. Nach amerikanischem Vor- bild ist nun durch dos bewegliche Wehr eine gute Slusnützung erreicht, und der kleine Fluß vermag 1.6 Millionen Kilowattstunden jährlich abzugeben. Das automatische Arbeiten des Werkes kann im Bureau der Stadtverwaltung ständig überwacht werden., u