fir. 388 44.Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Donnerstag, 18. August 1927
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Amerikaner fommen wieder in großer Zahl nach Berlin eine willkommene Nachricht, da die Leute aus dem Lande jenseits des großen Waffers mehr Geld auszugeben imstande sind, als die durch Kriegsnöte und Inflation materiell geschädigten Bewohner Europas . Als Ort für dauerndes oder länger anhaltendes Wohnen ist Berlin aber gerade nicht Favorit die Zahl der hier ansässigen Bürger der Vereinigten Staaten ist nicht sehr groß. Aber sie sind populär. Und die Bolkstümlichkeit ist durch die kühne Tat der Ozeanflieger Chamberlin und Levine noch gesteigert worden.
Als der Krieg ausbrach, fuhren die meisten Amerikaner in die Heimat, auch jene zahlreichen Musikstudentinnen, denen kurze Zeit vorher ein in Amerita erschienener Artikel die törichte Beschuldigung angeheftet hatte, daß sie im Sündenbabel Berlin mehr Gefahr liefen als in der Heimat und in anderen europäischen Städten. Nach dem Kriege find nun hauptsächlich Geschäftsleute unter uns feßhaft geworden, während die sich dem Studium widmenden Kreise nicht fehr zahlreich find. Eine von der Botschaft im vorigen Jahre gemachte Aufstellung fonnte sich nur über zirta 800 Personen erstrecken, etwa Die Hälfte der Gesamtzahl der hier lebenden Amerikaner: rund 1700. Dabei wurden 139 Mitglieder des Beamtenstandes, 173 des Raufmannsstandes nachgewiesen, aber nur 65 Studenten, 7 Rechtsanwälte, 9 Aerzte und 10 Zahnärzte. Der Erziehung mit Religion" gaben sich 30 Personen hin, und sie waren alle Mormonen. Daß die Ausdehnung und Internationalisierung des Filmbetriebes zahlreiche Vertreter dieser Kunst sendet, ist begreiflich. In dem eigent. lichen Handwerfer- und Arbeiterstande ist der Amerikaner dagegen felten zu treffen. Es fehlt daher auch an einer Bereinigung derer, die nicht über größere Mittel verfügen. Für die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse sorgt die Kirchengemeinde, die im Besiz des schmuden Kirchleins in der Mohstraße ist. Als Prediger war hier lange Herr Didie tätig, der in den Jahren, da England und Amerika oben" Trumpf waren, viel erlebt hat. Der alte Herr, dessen ver. ehrte Gattin vor kurzem drüben gestorben ist, hat Berlin noch immer in sein Herz geschlossen, und dürfte gerade jetzt wieder hier einge troffen sein. Der jezige Geistliche ist Herr Morris, ihm steht zur Seite der Sekretär Herr Bouton.
Aus der Zeitung wird der Befer ersehen haben, daß der Amerikanische Klub" den beiden amerikanischen Fliegern im Hotel Adlon einen Empfang gegeben hat, dem der amerikanische Botschafter Shurman und Reichsaußenminister Stresemann bei wohnten. Die Tatsache, daß Herr Lincoln Enve, der Präsident des Slubs( der übrigens früher fich American- Luncheon[ Frühstück] Club nannte), Bertreter der New Porter Times" ist, zeigt, daß in amerikanischen Kreisen das Wort von den„ fommandierenden Gene
Die Silberschwärme
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[ Nachdruck verboten
Autorisierte Uebersehung aus dem Englischen von Julia Roppel
Marsh drehte sich langsam um, als ob er sich nur widerwillig von dem Anblick des jungen Mädchens losriffe. Bevor er aber seine Hand zur Begrüßung ausstreckte, hatte er Emerson erkannt. Doch beherrschte er sich schnell und nur ein ganz schwaches Heben der Augenbrauen und ein scharfer Blick perrieten, daß er sich der Szene im Hotel erinnerte.
Während sie sich verbeugten, trafen ihre Augen sich. Bei ihrer ersten Begegnung hatte Boyd Marsh für einen Durch schnittstyp gehalten; mit der Eifersucht eines Freiers aber fah er jetzt einen Rivalen vor sich, der in vieler Beziehung begünstigt war.
,, Sie werden viele Berührungspunkte haben," sagte Herr Wayland ,,, Herr Marsh fennt Alasta sehr gut, Bond!" ,, Ah!" rief Marsh. ,, Sie sind aus Alaska , Herr Emerson?" Jedenfalls liebt er das Land so sehr, daß er schon morgen dorthin zurückkehrt," erklärte Mildred.
Marshs Blid, der bisher herausfordernd gewesen war, wurde jetzt äußerst interessiert, und Bond begriff, daß er ihn mit Georges Anwesenhent in Chisago in Verbindung brachte. Obgleich dem jungen Freier die volle Bedeutung dieser Begegnung noch nicht flar geworden war, so zweifelte er nicht mehr daran, daß dieser Mann nicht allein sein größter Rivale in der Liebe sein würde, sondern gleichzeitig die größte Gefahr für ſein Unternehmen, dessen glückliches Gelingen für ihn die
Welt bedeutete.
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Ja," antwortete er vorsichtig, ich bin der bekannte Typ aus Alaska enttäuscht und dennoch beständig auf mein Glück hoffend." ,, Was sind Sie von Beruf?" ,, Goldgräber!"
,, Ach so," sagte Marsh gleichgültig und an Herrn Wayland gewandt, fügte er hinzu: Wie ich Ihnen schon sagte, die Möglichkeiten für Handel sind in jenem Lande vie! besser als für Gold. Die Goldgräber haben alle dasselbe Schicksal."
Als Mildred den Hohn bemerkte, der mehr in Marshs
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ralen" der Presse mehr als eine Phrase ist. Natürlich sind die offiziellen Spigen im Klub vertreten: Der Botschafter als Ehrenpräsident, der Generalfonful als erster Vizepräsident, der Handelsattaché als zweiter Bizepräsident. Die Leitung des Klubs liegt in den Händen des Sekretärs Herrn Freemont E. Higgins, eines amerikanischen Rechtsanwalts, der in Berlin studiert hat. Der Klub umfaßt etwa 150 Mitglieder. Er besikt fein eigenes Versammlungslokal, sondern veranstaltet nur nach Bedarf gesellschaftliche Zu sammenfünfte; u. a. gab er jüngst unserem amerikanischen Bot schafter v. Malzahn anläßlich seines hiesigen Aufenthaltes eine ehrende Festlichkeit.
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Die offizielle Vertretung.
Die ge
Wilhelmplah: Botschafter- Bellevuestraße: Generalfonful- Wilhelmstraße: Bisumabteilung- Friedrich- Ebert- Straße: Handelsattaché Unter den Linden : Vertretung des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums. Diese Verzettelung der offiziellen Spigen und ihrer Bureaus fönnte großzügig erscheinen; die Bereinigten Staaten sind ja ein Riefenland- aber fommt man in die Lokalitäten, so staunt man gewiß über den emfigen Betrieb, der in recht beschränkten Räumen stattfindet. Namentlich gilt dies von der doch gerade am meisten besuchten Visumabteilung, wo der Platz fich als derart beschränkt darstellt, daß, wenn der eine für Besucher zur Berfügung stehende Stuhl besetzt ist, die späteren wartenden auf ihren Beinen sich ausruhen können. Eine Sparsamkeitspolitik spricht sich in dieser Unterbringung aus, die bei einer so großen Nation fonderbar anmutet. Wenn neu entstandene Staaten in der Lage waren, zweckentsprechendes Terrain zu erwerben, so dürfte es für Amerika auch wohl möglich sein, ein für Besucher und Beamte bequeme Räumlichkeiten bietendes Haus sein eigen zu nennen. nannten Räumlichkeiten sind alle in Mietswohnungen gelegen. Bot. fchafter Jacob Gould Shurman fezt die Reihe der miffen Ichaftlich gebildeten Bertreter Ameritas fort, die durch Namen wie Taylor und White gekennzeichnet ist. Shurman ist Whites Nach folger als Präsident der Cornell- University gewesen; seine diplomati sche Laufbahn hat ihn in den nahen und fernen Often geführt. Die Leitung des Generalfonfulats ist Herrn Hurst anvertraut, der über eine genaue Kenntnis deutscher Berhältniffe verfügt. Den lmfang der Konsulatsgeschäfte ersieht man am besten aus der Zahl der Beamten und Angestellten, die sich auf über 60 beläuft. Es werden neben Amerikanern auch Deutsche und Russen beschäftigt. Dem Generalfonful stehen zwei Konsuln und zwei Bizekonsuln zur Seite. Leiter der Bisumabteilung ist Herr Franklin, der als Offizier der Besatzungsarmee das Rheinland tennenlernte, und nun den Anfturm der neuen Ametitapilger aushalten muß. Zwei Inpen find da zu unterscheiden: der Touristbesucher, dessen Paß ein Bifum für sechs Monate erhält, und der Auswanderer, für den bestimmte Borbedingungen bestehen. Die Deutschland zugewiesene Einwanderungszahl beläuft sich auf 51 227; das Jahr zählt vom 1. Juli bis zum 30. Juni. Man kann den Andrang aus der Zahl der Anmeldungen ertennen: nicht weniger als 106 608 Gefuche liegen für 1927/28 vor, eine Zahl, die für zwei Jahre ausreicht. Borgezogen werden solche Deutsche, die entweder im nahen Verwandtschaftsverhältnis zu amerifanischen Bürgern stehen, oder die eine landwirtschaftliche Ausbildung nachweisen fönnen. Sonderbarerweise wird hinsichtlich der letzteren
Ton als in seinen Worten lag, beeilte sie sich, ihren Freund zu verteidigen.
,, Boyd hat jetzt auch etwas viel Besseres unternommen. Er wollte mir gerade davon erzählen, als
Sie uns unterbrachen," schob Emerson haftig ein. ,, Darum tam ich nicht mehr dazu, die Art meines Borhabens
au erklären.". Dabei sandte er Mildred einen nicht mißzuver
stehenden Blick zu.
,, Uebrigens habe ich für dergleichen Dinge auch sehr menig Sinn," fügte sie verständnisvoll in einem leichten Ton hinzu. Ich hätte doch nichts davon verstanden." Und um der Unterhaltung eine andere Wendung zu geben, wandte sie sich an ihren Bater: ,, Ich hatte dich noch nicht erwartet."
N
Wir wurden zeitiger fertig als wir glaubten," antwortete Herr Wayland, und ich habe Herrn Marsh gleich in meinem Auto mitgenommen. Ich fürchtete, er würde uns sonst durch brennen." Der Millionär lachte.
,, Sie glauben doch nicht wirklich, daß ich mir eine Ge| legenheit, mit Ihrem Fräulein Tochter zusammen zu sein, entgehen lassen würde," sagte Marsh und umfaßte dabei das junge Mädchen mit einem Blick, daß Boyd Lust bekam, ihm an die Rehle zu springen.
,, Dieser Abend soll eine Art Festabend werden," fuhr Wayland fort. Ich will Hawkens sagen, daß er uns einige Wayland fort. Ich will Hawkens sagen, daß er uns einige Flaschen extra guten Wein heraufholt.
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Was habt ihr beiden Berschworenen denn wieder vor?" fragte Mildred. Wir haben heute ein gutes Geschäft abgeschloffen, liebes Rind," sagte ihr Vater. Durch Marshs Hilfe habe ich eine Ronfolidierung zustande gebracht, für die ich schon seit Monaten gearbeitet habe."
,, Noch ein Trust?"
,, Gewisse Leute werden es vielleicht so nennen," ficherte Wayland. Willis war der inspirierte Genius und hat die größte Arbeit getan. Ihm gebührt die Ehre für das Gelingen."
,, Reineswegs," wehrte der bescheidene Marsh ab. Ich war nur ein Werkzeug in den Händen Ihres Herrn Vaters. Er hat mir einen umfassenden Unterricht in Geldsachen gegeben."
,, Darf man so frei sein, zu fragen, welcher Art dieser 3ufammenschluß ist," wagte Emerson einzuschieben, erstaunt über das intime Verhältnis zwischen den beiden Herren,
BUMPER
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GESANDTSCHAFT: WILHELMPLATZ.
Kategorie kaum ein Zehntel der bewilligten Quote in Anspruch ge= nommen. In lockerer Beziehung zu dem offiziellen Amerika stehen die Schiffe der„ United States Lines ". Die hierher vertehrenden Schiffe gehören zu den Riesendampfern; das Schiffahrtsbureau Unter den Linden zeichnet sich durch vornehme, nicht übertriebene Ausstattung aus. Bon Interesse dürfte es sein zu erfahren, daß die United States Lines " an tausend ,, Regierungsdampfer" in der Heimat und in allen übrigen Erdteilen verkehren lassen.
Der 4. Juli
ist bekanntlich der amerikanische Nationalfeiertag: Tag der Unab hängigkeitserklärung. Rein Amerikaner wird diesen Tag ungefeiert vorübergehen lassen. Ein ähnliches Herzensverhältnis bindet das ganze Bolt an den Geburtstag Washingtons, den ein echter Deutschnationaler doch als Rebellen ansehen wird. In diesen Feiern ist der demokratische Gedanke von der Gleichberechtigung lebendig, und Botschafter wie einfacher Bürger finden sich im Gedenken an die glor= reiche Vergangenheit, die einem unerträglichen Zustande mit revolutionärer Gewalt ein Ende setzte.
Die amerikanische Handelskammer bietet den Boden für planmäßige Ausdehnung und Festtigung der pielseitigen geschäftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den Bereinigten Staaten. Der volle englische Name der im nächsten Jahre ihr 25jähriges Jubiläum feiernden Vereinigung ist ,, American Chamber of Commerce in Germany " und ihre Tätigkeit ist in gleicher Weise dem deutschen wie dem amerikanischen Export gewidmet. Ihre Verbindung mit den amerikanischen Handelskammern stärkt naturgemäß ihre Stellung. Ordentliche Mitglieder können nur Amerikaner werden, außerordentliche jedoch Bürger aller anderen Nationen. Die Kammer gibt zwei Blätter heraus: den deutsch geschriebe= nen, Amerita- Handel" und das englische Transatlantic Trade". Im Laufe eines Jahres werden vier Bersammlungen abgehalten, in denen über handelsaktuelle Fragen Vorträge gehalten werden. Ihre schönen Bureauräume sind in dem bekannten Equitablehause, Ede Friedrich- und Leipziger Straße , gelegen.
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Die Geldkraft der Vereinigten Staaten ist bekannt; Europa wird immer mehr ihr Schuldner. Ein wenn auch bescheidener Teil des Reichtums tommt im Gegensatz zu Deutschland - dem Arbeiterftande zugute. Reichstagspräsident Gen. Lö be hat dies bei einem Bericht über seine Amerifareise so formuliert: der amerikanifche Arbeiter muß den Arbeitslohn von 6 Wochen aufwenden, um ein Auto zu kaufen; der deutsche seinen Lohn von mindestens 1½ Jahren. Man hat oft über die Großzügigkeit des amerikanischen Lebens gefpöttelt wer mit offenen Augen Land und Leute be: trachtet hat, weiß, daß sie fein leerer Wahn ist. Und ein Strahl von dieser Zentralfonne fällt auch auf die Schar der Männer und Frauen, die in unserer Mitte heimisch geworden sind.
,, Es ist kein Geheimnis mehr," antwortete Wayne Bayland ,,, morgen werden alle Zeitungen voll davon sein. Ich habe alle Konservendosenfabriken an der Pazifiktüste unter dem Namen Nordamerikanische Konservendosen- Gesellschaft" vereinigt und Herrn Marsh zum Generaldirektor gemacht." Boyd war wie versteinert. Was meinst du mit Konfervendosenfabriken?" fragte Mildred.
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Alle Dosenfabriken und Lachsfischereien! Wir besigen sechzig Prozent aller Fabriken längs der Küste, Alaska mit eingeschlossen. Darum hat mich alles, was dieses Land betrifft, so interessiert, Boyd. Das ahnten Sie nicht, nicht wahr?"
Nein," stammelte Boyd.
,, Wir haben die ganze Produktion in der Hand und werden den Markt beherrschen. Es ist ein gutes Geschäft, vielleicht das beste, das ich je gemacht habe.
Bond wußte nicht, ob er wachte oder träumte. Seine Bunge flebte am Gaumen, dennoch glückte es ihm, die Frage hervorzubringen: Und was wird aus den Konservenfabriken, die nicht mit zu Ihrem Trust gehören?"
Marsh lachte. In geschäftlichen Dingen darf man nicht gefühlvoll sein. Ich glaube faum, daß diese Fabriken uns lange Konkurrenz machen werden."
,, Da wir den Markt beherrschen und genügend Kapital beigen, um ein oder zwei Jahre mit Berluft zu arbeiten, werden diese Fabriken uns nicht lange im Wege sein," erklärte Wayland.
Emerson sah Mildreds Augen mit einem merkwürdigen Ausdruck auf sich gerichtet; darauf wandte sie sich an ihren Bater und sagte: Das finde ich geradezu verbrecherisch."
,, Unsinn, Kind! Geschäft ist Geschäft. Solche Dinge paffieren alle Tage, nicht wahr, Boyd?"
Boyd antwortete nicht. Marsh aber beeilte sich zu sagen: Wenn man es genau betrachtet, Fräulein Wayland, so bedeutet Geschäft nur einen Rampf, in dem die Stärksten siegen."
,, Ganz recht," bestätigte ihr Vater ,,, in geschäftlichen Dingen fann man sich nicht von Gefühlen beeinflussen lassen. Davon verstehst du nichts, liebes Kind. Ich bitte euch, mich einige Augenblicke zu entschuldigen, ich möchte mich umkleiden und fehre als ein neuer Mensch zu euch zurück." Er lachte vergnügt über den wohlgelungenen Tag.
( Fortsetzung folgt.)