Die Greuel Belgische Anklagen gegen die! In Form einer Polemik gegen die„Frankfurter Zeitung " veröffentlicht der Brüsseler sozialistische„P e u p l e" eine Darstellung der Ereignisse von Dinant am 23. August 1914, die zu der Aufstellung des viel umkämpften Denkmals in jenem Ort Veranlassung gegeben haben. Der Artikel wendet sich an das deutsche Volk und darf ihm auch nicht vorenthalten werden. Man kann bedauern, daß durch die Wiederaufrollung jener schrecklichen Vorgänge alte Wunden wieder aufgerissen werden. Nachdem dies aber geschehen ist, ist es notwendig, daß man auch in Deutschland die Dar- stellung kennt, die von belgischer Seite von jenen Vorgängen gegeben wird. Der„Peuplc" schreibt: 3n Dinant hat die deutsche Armee ermordet 44 Greise im Alter zwischen 65 und 88 Jahren: 69 Frauen im Alter von sechzehn Jahren auswärts: 50 Kinder im Alter zwischen Z Wochen und 15 Jahren— insgesamt 674 Zivilpersonen. In dem Bericht, den Vanderoelde als Antwort auf den Bericht der Kommission des deutschen Reichstages der belgischen Kammer im Juli vorgelegt hat, sagt er: War es eine richtige Ausfassung ihrer(der deutschen Kam- Mandanten) Pflichten, daß sie in Dinant beim Bayardselsen als Geiseln nicht gegen Franktireurs, sondern gegen die in regulärem Kampfe kämpfenden Franzosen 90 Leute aushoben, von denen 77 erschossen wurden? Unter diesen waren 38 Frauen, eine Frau von 88 Jahren, 7 Greise von mehr als 79 Jahren, 15 Kinder von weniger als 14 Jahren, von denen sieben erst zwei Jahre und jünger waren. Aus den von der Gemeindeverwaltung von Dinant angelegten Listen wollen wir zur Aufklärung des deutschen Volkes einige Namen herausgreifen: Frauen. Witwe Andreas Pinsmaille, Gcmüsegärtnerin, 38 Jahre: Euphrasine Burton, verehelichte Tollard, 75 Jahre: Josefine Lccomte, verwitwete Bourdon, 73 Jahre: Klothilde Bourguignon, verehelichte Bourdon, 68 Jahre: Felicie Pirlot, verehelichte Toussaint, 67 Jahre: Marceline Mcurice, verehelichte chenenne, Haushalt, 59 Jahre: Henriette Poncelet, verehelichte Betemps, 54 Jahre: Marie Hamblenne, verehelichte Kinique, Haushalt, 51 Jahre: Emma Raes, verehelichte Bourdon, Haushalt, 59 Jahre: Mario Pinsmaille, verehelichte Morelle, Haushalt, 49 Jahre: Louise Polet, verwitwete Javaux, Haushalt, 46 Jahre: Marie Minet, verehelichte Gaudinne, Haushalt, 45 Jahre: Adele Pins- maille, Schneiderin, 44 Jahre: Odile Fastres, verwitwete Genon, Haushalt, 42 Jahre: Klementine Dumont, verehelichte Dupont, Haushalt, 36 Jahre: Marie Destoeuvre, verehelichte Polet, 36 Jahre: Marie Eugenie Pollet, oerehelichte Struvay, 36 Jahr«: Marie Paquet, verehelichte Bcaujot, 34 Jahre: Jeanne Bourdon, Schneiderin, 33 Jahre: Marie Looz, verehelichte Marchot, 32 Jahre: Zoe Burnay, verehelichte Betemps, 26 Jahre: Leonie Leonard. verehelichte Fivet, 25 Jahre: Kinique Louise, Haushalt, 21 Jahre: Marie Paquet, 19 Jahre: Henriette Martin, Fabrikarbeiterin, 19 Jahre. Greise. Florent Godinne, Weber, 81 Jahre: Jean Collard, 77 Jahre: Emile Tollard, Rentner, 76 Jahre: Eugene Houbion, Rentner, 76 Jahre: Alexander Bourdon, Kaufmann, 75 Jahr«: Morelle- Pinsmaille, Schmied, 69 Jahre: Ernest Lagneau, Fabrikarbeiter, 67 Jahre. Kinder. Ein Knabe von 3 Wochen: Mariette Fivet, 1 Jahr: Rellq Paulet, 16 Monate: Felix Bolleux, 19 Monate: Gilda G«non, 19 Monate: Maurice Betemps, 2 Jahr«: Gilda Marchot, 2 Jahre: Claire Struvay, 6 Jahre: Mari« Beaujot, 8 Jahre: Florent Gaudinne, 8 Jahre: Josef Dupont, 19 Jahre: Rene Dupont. 11 Jahre: Marguerite Morelle, 11 Jahre: Martha Beaujot, 12 Jahre: Jules Kinique, 13 Jahre: Jeanne Bourdon, 13 Jahre. Wie können nicht daran denken, die vollständige Liste der Märtyrer zu veröffentlichen. Di« Namen, die wir angeführt haben, find nur die der Opfer, die in der Nähe des Bayardfelfens vom 191. Grenodierregiment des zwölften sächsischen Korps wild nieder- gemetzelt wurden. Bon ihnen stellt Bandervelde(in dem erwähnten Bericht) fest: Diese Geiseln waren aus ihren Wohnungen geholt worden, ehe am Bayardselsen ein einziger Schuh gefallen war: die Be- schießung, die vom anderen User kam, begann erst, als alle Häuser der Umgebung geräumt waren und die Brücke, die die Deutschen über den Fluß schlagen wollten, bereits zum großen Teile fettig war. Mehr noch: Der Gerichtsbeamt« Edmond Bourdon übersetzt die Maas in einem Boot, auf Befehl des deutschen Offiziers, der droht, alle Geiseln erschießen zu lassen, wenn die Franzosen weiter feuern. Fünfundzwanzig Minuten später kehrt der heldenhafte Bourdon zurück. Die Franzosen schießen nicht mehr, aber die Geiseln werden trohdem niedergemacht— hausenweise. Die Benxise für die Anschuldigung liegen also vor. Sie sind übrigens längst veröffentlicht worden. Es ist bedauerlich, daß sie dem deutschen Bolke nicht vor Augen gebracht werden können. Aber wenn die„Frankfurter Zeitung " zum Zwecke der Veröffentlichung die Namen der 44 Greise, der 69 Frauen, der 59 Kinder und das Gesamtverzeichnis der Toten wünscht, stehen sie zu ihrer Verfügung. Im Stadtbezirk Saint-PIerre zum Beispiel wurden, ebenso loüst durcheinander, erschossen: Stephan Simon, 78 Jahre: Gustav Nicaise, 77 Jahre: Leon Nicalfe, 75 Jahre: Felix Simonct, 73 Jahre: Emil» Hubiiy 78 Jahre: Charles Bietlot, 76 Jahre, Leopold Larzin. 71 Jahre: Josef Lion, 79' Jahre. Der Professor Junius, der aus seiner Wohnung trat, um sie zu reiten, wird in die Gruppe hineingestoßen und'mit ihnen qetötet. Ganze Familien sind ausgetilgt worden: Familie Morelle, 6 Personen: Dupont, 4: Beaujet, 4: Marchot, 3: Bavlct, 3: Collard, 2 Personen(Mann und Frau, 77 und 75 Jahre). Von drei Familien blieb nur ein Mitglied am Leben: Fannli« Kinique, 5 Tot«: Familie Bourdon, 4 Tote: Familie Betemps. � �°Dia entsetzlichen Massakers von Dinant , am Bayardselsen, im Bezirk Saint-Nicolas, in der Dorstadt Saint-Pierre, in der Vorstadt Nesse und der Vorstadt Lesse geschahen ohne Untersuchung, ohne Urteil am 23. August abends nach der Schlacht. Nur das erste Massaker in Leffe fand am Morgen statt, während der Schlacht, die sich mit Geschütz- und Mafchinengewehrfeuer von einem Ufer der Maas zum anderen abspielte. Die Deutschen hielten das recht« Ufer besetzt, auf dem die Stadt liegt: die Franzosen dos link« Ufer, von dem aus sie feuerten. Di« Deutschen wcn�n also tatsächlich seit mehreren Tagen Herren der Stadt. Am 21. August, am hellichten Tage, durchritt sie ein deutscher Reiter von einem End« zum anderen. ohne von den berüchtigten Franktireurs behelligt zu werden. j
von Dinant. lnserlich-dentsche Kriegführung. Zn Wahrheit gab es keine Franktireurs. Die Bevölkerung war waffenlos. Wenn in den Straßen, in denen nicht gekämpft worden ist und wo es keine französischen Soldaten gab, ein einziger Zivilist auf sie geschossen hätte, hätten ihn die Deutschen sofott bestrafen können. Weit entfernt davon, an vergeblichen Widerstand zu denken, dachte die Bevölkerung vielmehr an Flucht. Etwa die Hälfte vcr- ließ die Stadt am 22. August. Am 21. August, gegen 9 Uhr 39 Mi- nuten abends, zieht eine Abteilung deutscher Reiter mit Geschrei die Straße Saint-Jacques herunter, schlägt die Türen mit Axthieben «in, schießt in die Fenster und in die Keller und wirft Handgranaten. Der Hotelier Sähet erhält im Gange seines Hauses sieben Bajonett- stich«. Er ist am Leben geblieben: er kann obiges bezeugen. Der Fleischhauer C l e d a wird durch zwei Schüsse durch sein« Tür hin- durch verletzt. Ein« Frau Petit wird getötet: ihrer kleinen Tochter, die verwundet wird, mußte der linke Fuß abgenommen werden. Der Gasarbeiter George wird auf seiner Türschwelle getötet. Die deutschen Soldaten zünden ein großes Haus an, in dem die Familie Micherl(vier Personen) und den Tischlergehilfen George um- kommen. Am nächsten Morgen verläßt die eingeschüchtette Bevölke- rung die Stadt. Mehr als 2599 Personen übersetzen die Maas mit Hilfe französischer Soldaten: in der Stadt bleiben ungefähr 3999 Personen. Der französische Generolstab stellt gegen Mittag den Aus- zug der Bevölkerung ein: er konnte nicht annehmen, daß die deutsche Armee sich blutgierig auf eine wehr-� und waffenlose Bevölkerung, auf Frauen, Kinde? und Greise stürzen würde. welcher Wahnwitz hak die Befehlshaber der deutschen Armee gei rieben? Am 23. August, in dem Maße, als sie durch die verschiedenen De- zirke in die Stadt einzogen, ließen die deutschen Soldaten die Häuser räumen und sammelten die Zivilbevölkerung, Männer und Frauen. Und nun, zwischen 5 und 7 Uhr abends, erreichte das große geschicht- liche Drama seine schrecklichen Höhepunkte. In der Vorstadt Leffe fanden gegen 5 Uhr Soldaten des 178. sächsischen Infanterieregiments die in die Keller der Fabttk geflüchteten, durch den Kanonendonner erschreckten Textilarbeiter der Fabrik Himmer mit ihrem Unternehmer, einem sünfundsechzig- jährigem Manne, Konsul von Argentinien . Sie haben keine Waffen. Nichtsdestoweniger werden sie hinausgeführt und erschossen. Wehr als hunderlvierzig Textilarbeiter sterben so. In diesem Arbeiterviertel sind am Abend des 23. August nur neun Männer am Leben. Im Bezirk Saint-Nicolas geht die deutsche Armee mit derselben Barbarei vor. Etwa zwanzig Zivilisten werden vorerst bei der Schmied« Bouille füsiliert: dann, gegen 5 Uhr nachmittags, setzt sich der jammervolle Zug der Männer und Frauen, die man aus ihren Häusern gettteben hat, zur Tschoffen-Mauer in Bewegung. Die Frauen werden von den Männern getrennt und in einer ge- wissen Entfernung gehalten. Vor ihren Augen erschießt man ihre Männer. Die Männer werden in mehreren Reihen in zwei Gruppen ausgestellt: die erste mit dem Rücken gegen die Mauer des Tschoffen-Gartens, die zweite beim Hause, gegenüber den deutschen Soldaten, die nun schräg auf die«rste Gruppe schießen, um das Abprallen der Kugeln zu verhüten. Eine Salve: alle Männer der ersten Gruppe wälzen sich auf dem Pflaster. In die Masse der blutenden Leiber noch schießen die Wilden. Hunderwicrzehn Zivi- listen werden so ermordet. Aber unter dem Haufen der Leichen bleiben etwa zwanzig Verwundete unbeweglich. Nach dem Einbruch der Nacht, als die Mörder weg waren, kriechen sie wie Gespenster unter den Toten hervor und flüchten in die benachbarten Häuser und in die Berge. Der französische Geistliche brauchte also den entronnenen Zeugen nicht zu erfinden. lind überall, am Bayardselsen, in Saint-Pierre, in Nesse , die- selbe Grausamkeit. Und während dieser barbarischen Hinrichtungen unschuldiger Zivilisten zünden die Deutschen die Stadt an, wobei 1399 von 1659 Häusern.zerstört werden. Die„Frankfurter Zeitung " konnte bisher im guten Glauben sein, daß die deutschen Offiziere in Dinant Frauen und Kinder nicht haben hinrichten lassen. Angesichts der offiziellen Liste der Opfer muß sie zugeben, daß sie getäuscht worden ist. Sie findet die Gruppe des Denkmals von Dinant , die die ermordeten Frauen zeigt,„fchmacl�- voll" und„eine Aufforderung zum ewigen Haß gegen das deutsche Volk". Sie weiß nun, daß das Denkmal von Dinant die grauenhafte Wahrheit sagt und daß allein schma6)voll ist das namenlose Verbrechen des kaiserlichen Heeres. Das Denkmal ist eine ergreifende Ehrung unglücklicher Opfer. Es wird nicht zum Haß aufrufen, wenn das deutsche Volk, endlich aufgeklärt, den Mut hat. öffentlich und laut die schändliche Untat der Armee de» hohenzollern zu verurteilen. Zur Antwort genügt ein kurzes Wort. Wenn diese er- 'schütternde Darstellung auch nur zum Teil richtig ist, dann kann es— vielleicht von ein paar geborenen Verbrechern abgesehen— keinen Menschen in Deutschland geben, der sich nicht von solchen Taten mit Trauer, Scham und Entsetzen abwendet. Wenn es wahr ist, daß Greise» Frauen und Kinder als Geiseln erschossen worden sind— und es ist schwer, angesichts so detaillierter Angaben daran zu zweifeln— dann bleiben die Vorgänge von Dinant e i n Schandfleck in der Geschichte der deutschen Kriegführung. Mögen auch auf der anderen Seite früher oder später andere Grausamkeiten verübt worden sein, so ist das keine Ent- schuldigung und keine Entlastung. Auf alle Fälle aber bleibt dieser Nachklang aus furchtbarer Zeit eine Mahnung an die Menschheit, nicht noch einmal in die Barbarei des Krieges hinabzustürzen._ Richter in Gewissensnot. Sie müssen ihre Kinderzahl beschränken. Eine Eingabe des Thüringer Richteroereins an den Thüringer Landtag stellt die materielle Notlage der. Richter und die starke Verschuldung eines Teils von ihnen fest. Was über die wirtschaftlichen Forderungen der Richter zu sagen ist, wurde hier in einer Erwiderung an den Berliner Amtsgerichtspräsidenten Lieber bereits ausgeführt. Interessant ist nun, daß die Eingabe des Thüringer Richter- Vereins als zwingende Folge der materiellen Not Beschränkung der Kinderzahl in den Richtersamilien feststellt. Wirkt es nicht einigermaßen seltsam, daß min dieselben Richter, die sich als Privatleute zu dieser Maßnahme gezwungen sehen, in amtlicher Eigenschaft schwere Strafen wegen Anpreisung empfäng- nisverhütender Mittel und wegen Abtreibung verhängen müssen?!
Die Austänüe im Arbeitsgericht. Ein Neubau eine dringende Notwendigkeit. Das städtische Gebäude in der Zimmerstraße. 99/91 ist vor Jahrzehnten aus dem Vordcrgrundstück einer Markthalle als Wohnhaus errichtet und jahrelang als solches benutzt wo:den. Mitte der neunziger Jahre zog das Gewerbeoericht dort«in. Es hatte reichlich Platz und brauchte nur einen Teil des Hauses für sich. Auch für das 1994 errichtete K a u f m a n n s g e r i ch t bot sich noch Raum genug in demselben Gebäude. Als dann 1929 die Ein- heitsgemeinde Groß-Berlin ins Leben trat und alle Ge. werbe- und Kaufmansgerichte, die bis dahin in den Vororten und im alten Stadtkreise bestanden, zusammengelegt und in der Zimmer- straße untergebracht wurden, da war das Gebäude schon nicht mehr ausreichend. Doch man konnte sich zur Not noch damit behelfe». Das Arbeitsgericht, dessen Gefchäftskreis im Vergleich zum Gewerbe- und Kaufmannsgericht bedeutend erweitert ist und das deshalb auch mehr Raum braucht, bemüht sich nun seit zwei Monaten, sich in dem Gebäude mehr schlecht als recht einzu- richten. Es geht ihm dabei wie einen ausgewachsenen Jungen, der sich immer noch mit seinem Konfirmandenanzug behelfen muß. Ein Wohnhaus läßt sich nicht durch kleine bauliche Flickereieu, wie sie jetzt vorgenommen werden, in«in Gerichtsgcbäude um- wandeln. Schon das Gewerbe- und Kaufmannsgcricht mußte in den letzten Jahren mehrere kleine halbdunkle Hinterzimmer als Sitzungszimmer in Anspruch nehmen. Die Zahl dieser in jeder Hinsicht unzulänglichen Sitzungs„s ä l e"— so werden sie trotzalledem amtlich bezeichnet— hat jetzt bedeutend zugenommen. Vordem wurden diese Räume als Bureaus der Gerichtsschreiberei benutzt. In welche Winkel man diese jetzt zurückgedrängt hat und wie die Beamten dort zusammengepfercht sein mögen, kann man sich danach ungefähr vorstellen. Die jetzt in Sitzungs„s ä l e" umgewandelten Zimmer der beiden Seitenflügel sind nicht nur räumlich unzureichend, sondern sie gleichen in ihrer Ausstattung mit dem aus allen Winkeln zusammen- gesuchten Mobilar mehr dein Amtszimmer«ines Dorfschulzen, als einem großstädtischen Gerichtssaal. In manchen dieser„Säle" sind für Zeugen, Zuhörer und Pressevertreter im ganzen zwei bis vier Stühle vorhanden, so daß sich der größte Teil des Publi- kums mit Stehplätzen behelfen muß. Ein Teil dieser Sitzungs„säle" hat nicht einmal ein Beratungszimmer. Statt daß sich das Gericht zur Beratung zurückzieht, müssen sich hier die Parteien, die Zeugen, die Zuhörer und Pressevertreter auf den Korridor zurückziehen und dort das Ende der Beratung des Gerichts abwarten! Beim Gewerbe- und Kaufmannsgericht boten die großen „Berlimr Zimmer" des ehemaligen Wohnhauses ausreichende Warteräume für die Prozeßbeteiligten. Damit ist es jetzt vorbei. Von jedem dieser Wartezimmer hat man durch Einbau von Platten- wänden je«inen Sitzungs„saal" abgetrennt, der nun auf zwei Seiten von einem 2% Meter breiten Korridor begrenzt wird. Dieser, sowie die alten, nur zwei Meter breiten Korridore sind jetzt d i e einzigen Warteräume für die stets große Zahl der Prozeß- beteiligten. Die Bänke, die man in den Korridoren aufgestellt hat, bieten meist nur einem Teil der Wartenden Sitzgelegenheiten. Der andere Teil steht in dem engen Korridor herum. Da herrscht dann manchmal ein Gedränge wie in einem überfüllten Straßen- bahnwagen. Der Uebelstand wird noch dadurch vergrößert, daß diese Wattekorridore kein direktes Tageslicht und keine Möglichkeit frischer Luftzufuhr haben. Schon an sonnigen Tagen tappt man hier im Halbdunkeln. Wenn erst die trüben Herbsttage kommen, wird man sich den ganzen Tag mit künstlicher Beleuchtung behelfen müssen. Das alles sind Zustände, die man sich in Krähwinkel kaum gefallen lassen würde. Für die Stätte aber, an der eine Behörde von der Bedeutung des Arbeitsgerichtes Berlin amtiert, find sie un- erhört. Soll das so bleiben? Soll das Arbeitsgericht immer in n diesen nach jeder Richtung unzulänglichen Räumen hausen? Das ist ganz unmöglich. Es muß schleunigst dafür gesorgt werden, daß das Arbeitsgericht ein seiner Bedeutung und seinen Bedürfnissen ent- sprechend würdiges Haus bekommt. Ein Neubau ist dringend notwendig. Hinter dem jetzigen Zlkbeitsgerichtsgebäude befindet sich eine Markthalle zwischen Zimmer- und Mauerstraße. Schon seit vielen Jahren dient sie nicht mehr ihrer ursprünglichen Bestimmung, sondern ein Privat- Unternehmer betreibt darin«in Konzert- und Restaurations- lokal. Das wäre der passend« Platz für einen Neubau, in dem nicht nur das Arbeitsgericht Verlin, sondern auch das Landcsarbeits- gericht untergebracht werden könnte.
Der ßabrikarbeiterverbanü 792H. Ein schweres Krisenjahr. Es gibt fast keine freigcwerkfchaftliche Organisation, für die nicht das Jahr 1926«in wahrhaft schwarzes Jahr gewesen ist. Das zeigen die meisten bisher oerössentlichten Jahresberichte und auch wieder das kürzlich herausgegebene Jabrbuch 1926 des B e r» bandes des Fabrikarbeiter Deutschlands . Erfreulich ist es dennoch, feststellen zu können, daß in der M i t» gliederbewegung, die nach aller Erfahrung von der wirt- schaftlichen Konjunktur stark beeinflußt wird, nicht ein so starker Rückschlag eingetreten ist, wie allgemein befürchtet wurd«. Der Ver- band der Fabrikarbeiter hatte zusammen mit den beiden Verbänden der Glas- und Porzellanarbeiter, die sich mit ihm am 1. August 1926 verschmolzen, am Schluß des Jahres 1925 431 894 Mitglieder. Ende 1926 zählte der Fabrikarbeiterverband �nsgeflimt 375 931 Mitglieder, so daß also im Berichtsjahre ein Rückgang von 55 873 Miigliedern eingetreten ist. Ein gewisser Prozentsatz dieses Verlustes ist darauf zurückzuführen, daß vor und nach der Verschmelzung in allen drei Verbänden die noch vorhandenen Papiersoldaten in den Mitglieder- listen g e st r> ch e n wurden. Wenn man die ungeheure Arbeilslosigkeit und Kurzarbeit bc- rücksichtigt, die mit der technischen Umstellung und teilweisen Still- legung der Betttebe verbunden war, nimmt der Mitgliederverlust gar nicht wunder. So waren zu Beginn des Berichtsjahres, der Zeit des höchsten Standes der Erwerbslosigkeit, rund 49 Proz. der Mitglieder ganz oder teilweise erwerbslos. In der Zahlstell« K a s j e l waren, um nur ein Beispiel zu nennen, in der Mitte des vorigen Jahres von 2299 Verbandsmit- gliedern 1999 arbeitslos. Diese Verlust« infolge der Wirtschaftskrise sind im ersten Halbjahr 1927 schon wieder ausgeglichen worden: die Zahl der Mitglieder ist um rund 59 999 gestiegen. Ein günstigeres Bild bietet die finanzielle Entwicklung des Berbandes. Trotz der lange anhaltenden Wirtschaftskrise stiegen die Einnahmen der Hauptkass« von 8 614 868 M. im Jahre 1925 auf 11 442 488 M. oder um 24,7 Proz. Ausgegeben wurden ins- gesamt 19 849 562 M. geaen 8 868116 M. im Jahre 1925, das ist eine Steigerung um 18,3 Proz. Bon diesen Ausgaben entfallen allein 4 596 839 M. auf Unterstützungen und von diesen wiederum 4 295 538 M. aus Erwerbslosenunter st ü tz u n g. Im Jahr« 1925 wurden zur Unterstützung der Erwerbslosen nur 1 892 113 M. ausgegeben. Das Gesamt» vermögen der Hauptkass« betrug am Ende des Berichtsjahres 2 737 992 M., das ist gegenüber dem Vorjahre ein« Steigerung um 1 524 765 M. Hierzu kommt noch der Bestand in den Lokalkassen, der sich von 463 369 auf 839 939 M. vermehrt hat. Lohnbewegungen wurden insgesamt 225 geführt, von denen 21 Streiks und Aussperrungen waren. Die meisten dieser