In einer Konferenz der Funktionäre unserer Partei sprach gestern abend Genosse Dr. Löwenstein über: ..Der Kampf um das Reichsschulgesetz." Auf dem Dortmunder Katholikentage beherrschten nicht die fort- schrittlichen Leute das Feld sondern Sozialreaktionäre wie Dr. S« i p e l. Der Beweis wurde erbracht, daß nicht der Fort- schritt, sondern klerikaler und sozialer Rückschritt im Zentrum die Oberhand haben sollen. Wenn auch die Sozialdemokratie die Religion als Pri- vatsache ansteht, so hat Dr. Seipel in Dortmund erklärt, daß schon durch die Anfechtung des Privatbesitzes die Religion in Gefahr gerate. Man kann schlecht religiöse Vorstellungen schärfer in den Dienst klassenkämpferischer Ideologie stellen, wie es hier Dr. Seipel mit scharfer Wendung gegen die Sozialdemokratie tat. In Kon- sequenz dieser Stellungnahme wurde dann auch aus dem Katholiken- tage erklärt, daß in den Fragen de r Schule und der Erziehung nicht der Staat, sondern die Bischöse zu bestimmen hätten. Ein Staatswesen, das eine starte soziale Entwicklung hat, kann nicht darauf verzichten, das Erziehungsrecht von sich aus zu beeinflusten. wir stellen gegen das Erziehungsrecht de» einzelnen das Erziehungsrecht der Gesellschaft, weil sie die höchste organisierte Gemeinschaft einzelner ist. In das Erziehungsrecht der Schule können nach der Verfassung die Erziehungsberechtigten nur in zweifacher Hinsicht eingreifen, wo- bei die Abmeldung von dem Religionsunterricht die vornehmste ist. Jedoch kann die Erziehungsberechtigung der Familie von uns nicht voll anerkannt werden, weil da»„Recht der Familie" das schlimmste Kleinbürgerrecht darstellt. Im Widerspruch zu den Bestimmungen der Verfassung sieht der Reichsschulgesetz- entwurf Keudells die Gleichstellung aller, drei Schul- arten vor. Die Bekemrtnis- sowohl wie die Gemeinschafts- und weltliche Schul« sollen'„auf Antrag" errichtet werden können. Das widerspricht den Bestimmungen der Verfassung. Für uns ist besonders wichtig, daß durch den Entwurf von vornherein zugunsten der Bekenntnisschulen entschieden wird. Gewiß können nur auf Antrag der Eltern Bekenntnisschulen errichtet werden, aber man kann nach dem Eni- wurs mit einem Federstrich diese freie weinunqsöußerunq der Eltern unwirksam machen, indem bestehende Bekenntnisschulen a l s solche bestehen bleiben, selbst wenn die Kinder dieser Schulen am Religionsunterricht nicht teilnehmen. In Preußen können auf diesem Wege neun Zehntel aller Schulen Bekenntnis- schulen bleiben. Di« Umwandlung einer solchen Schule in ein« weltliche kann nach dem Entwurf nur geschehen, wenn zwei Drittel der Elternschaft die Umwandlung in eine welllich« oder R e g e l s ch u l e beantragen. In Zukunft wird also diese Umwand- lung auch in Berlin außerordentlich erschwert werden, denn die Anträge werden nur im Schulmaß st abe gelten. Man hat aber auch Vorsorge getroffen, daß neue Schulen entstehen können. Auf Antrag von 40 Eltern können neue Schulen errichtet werden. Dabei hat aber die Regierung das Entfcheidungs- recht, und wenn sie entscheidet, daß ein Bedürfnis nicht vorliegt, so wird es schwer sein, neue Schulen, besonders weltlich«, zu schaffen. Alle religiösen Sekten haben also die Alöglichkeit, eigene Schulen zu bekommen, während eine Umwandlung der bestehenden Ve- kenntnisschulen in mettliche oder Regelschulen nur auf Antrag von zwei Dritteln der Elternschaft möglich sein soll. Selbstverständlich bedeutet eine Zersplitterung de« Schul- wesens«ine außerordentliche finanziell« Belastung für Staat und Kommunen. Hamburg wird etwa 2 Rlillione« Mark jährlich mehr für Splitterschulen ausgeben müssen, ohne daß das Niveau der Schulen gehoben werden kann. An dieser Hebung hat aber die Masse des Volkes das größte Interesse. In der Bekenntnisschule soll nicht nur beim Religionsunterricht, sondern in allen Fächern im Sinne der Religion und des Glau-
bens erzogen werden. Das heißt also, daß moderne Schulwissen- schaft, moderne Naturwissenschaft und moderne Geschichte keinen Platz finden. Selbst die Kinder, die vom Religionsunterricht b e- freit find, werden also in ollen Fächern nach den Grundlagen christlichen Glaubens erzogen werden. Auch in der R e g e l s ch u l e soll noch in allen Fächern nach„religiös-sittlichen Gesichtspunkten" Unterricht gegeben werden. Es ist das zwar eine liberalere Auffassung, die aber dennoch nicht befriedigen kann. Das ist die Schule nach dem Willen der Volkspartei. Verhältnismäßig gut ist in dem Entwurf die weltliche Schule davongekommen. In ihr können alle Kinder von allen Lehrern unterrichtet werden Das entspricht durchaus unserer grundsätzlichen Auffassung. Wir wollen keine Parteischulen, sondern eben Schulen für alle Kinder des Volkes, so wie wir unsere Politik nicht nur für Sozialdemokraten, sondern für das Volk, für die Allgemeinheit machen! In den Sammelschulen hat sich ein neuer Geist gebildet, der sie mustergültig in den Fragen der Rcformpädagogik sein läßt. Der Entwurf will allerdings die welllichen Schulen auch zu„Welt- anschauungsschulen" machen, während wir Sozialdemokraten keine >seue weltanschauliche Dogmatil haben, sondern die Schule nach den Bedürfnissen des sozialen Lebens formen wollen. In die Verwaltungen des Schulwesens sollen nach dem Entwurf olle Vertreter eines religiösen Be- kenntnisses berufen werden. Dabei sollen dann noch diese„geist- lichen" Vertreter in den Fragen aller Schulen mitbestimmend sein, d. h. der B a p t i st e n v e r t r e t e r oder der Katholik, oder der Rabbiner wird auch über die Bedürfnisse der weltlichen Schulen zu bestimmen haben. Neben den staatlichen Schulauf- sichtsbeamten wird in Zukunft noch ein von den Religionsgesell- schaften vorgeschlagener und vom Staat sanktionierter Aufsichts- beamter kommen. Daneben kommt dann noch«in„Beauftrag- ter" der Religionsgesellschaften, der den Gesamt Unterricht darauf- hin zu kontrollieren hat, ob er auch„im Sinne christlicher An- schauung" erteilt wird. Dieser„Beauftragte" hat das Recht, die Versetzung eines Lehrers zu verlangen, der nach seiner Auffassung diese Bedingung nicht erfüllt. Der Slaal wird also zum Büttel der Religionsbeaustragten degradiert. Gerade gegen diese Bestimmung hat sich in Lehrerkreisen eine starke Auflehnung gezeigt. In vielen Städten haben sich außerordentlich hohe Prozentsähe der Lehrerschaft dafür erklärt, bei Gefehwerdung des Entwurfes den Religionsunterricht niederzulegen. Auch diese Aufsichtsbestimmungen widersprechen der Verfassung. Ob aber der Widerstand dagegen bei den„liberalen" Parteien vorhalten wird, ist stark zu bezweifeln. Allein von der Auf- rüttelung der öffentlichen Meinung ist ein wirksamer Protest gegen da» reaktionäre Schulgesetz zu erwarten. Das Beispiel des Protestes gegen das Schund- und Schmutzgefetz und gegen das Lustbarkeits- fteuergesetz für die Jugendlichen gibt uns gute Hoffnung, auch bei der Beratung des Reichsschulgesetzentwurfs mit den reaktionärsten Bestimmungen brechen zu können. In Kulturfragen brauchen wir weder dem Liberalismus noch dem Klerikalismus irgendwelche Konzesstonen zu machen. Unser Kämpf geht um die Erfüllung dessen, was in der Verfassung festgelegt ist— unser Kampf geht um die weltliche Schule, die wir zur R e g e l s ch u l e erheben wollen. Es ist kein Kampf um Religion, sondern ein Kampf um die kulturelle Höherführung der Arbeiterschaft!(Lebhafter Beifall!) Nach einer kurzen Aussprache und einem Schlußwort des Rs- ferenten teilte der Vorsitzende Genosse Künstler mit, daß der erweiterte Bezirksvorstand«instimmig beschlossen habe, die Partei- genossen nur auf die Arbeit im Rahmen der Partei zu oerpflichten und alle Mitarbeit bei ollen sogenannten neutralen Komi- t e e s. hinter denen meist nur die Kommunisten stehen, a b z u» lehnen.
Sesthlüjfe öer Internationale. Fort mit der Todesstrafe!— Kein Beitritt zur Antikolonialliga. Brüssel, 13. September. (Eigenbericht.) Die Exekutive der Sozialiftischen Internationale hat in der Nacht zum Dienstag ihre Tagung beendet. In ausführlicher Diskussion wurde auf Anregung von B r o ck w a y- England zu der.Liga gegen Imperialismus und kolonial« Umerdrückung" Stellung ge- nommen. G i l l i s- England, Wels -Deutschland , Bauer- Oesterreich und Sekretär Adler legten die Zusammenhänge zwischen dieser Liga und der Moskauer Internationale dar und wandten sich gegen das neue Einheitsfrontmanöver, das auf dem Wege über diese Liga versucht wird. Brockway erklärte, daß die englische Arbeiterpartei im Hinblick auf diese Aufklärung Abstand nehme, der Liga beizutreten. Hierauf wurde einstimmig folgend« Resolution angenommen: Die Sozialistische Arbeiter-Jnternationale ist erfüllt von wärm st er Sympathie für die Völker, die den Kampf gegen Imperialismus und koloniale Unterdrückung führen Sie wird ihren Kampf nach wie vor aufs energischste unter- stützen und alles, was in ihren Kräften steht, daran setzen, die eng st e Fühlung mit dem nationalen Programm dieser Völker aufrechtzuerhalten. Ihre Hauptaufgabe sieht die Sozialistische Internationale aber in der Gruppierung der proletarischen Element« dieser Völker unter der Fahne des internationalen Soziatismus, nicht aber in der Schaffung einer neuen Organisation, die sich den Zweck setzt, diese Elemente in einer allgemeinen nationalen Bewegung aufgehen zu lassen oder dies« nationale Bewegung den Interessen irgendeiner Macht unterzuordnen. Daher glaubt die Exekutive, daß es nicht die Aufgabe der Parteien der Sozialistischen Internationale sein kann, der sogenannten.Liga gegen den Imperialismus und kolo- niale Unterdrückung" beizutreten." Die Exekutive ' hörte ferner den Bericht der Kolonialkom- Mission der Sozialistischen Internationale, den V l i e g« n- Holland erstattete, und den Bericht der Kommission zur Untersuchung der Lage der politischen Gefangenen an, über deren Konstituierung und erste Arbeiten C r i s p i e n- Deutschland referierte. Die Anträge beider Berichterstatter wurden«instimmig zum Beschluß erhoben. Im Namen der Kommission für die politischen Gefangenen brachte Kleerekoper-Holland eine Resolution ein, die unter Berücksichtigung von Abänderungsanträgen von Longuet- Frankreich , Modigliani-Jtalien und Zeretelli-Georgien in folgender Fassung«instimmig angenommen wurde: Die Exekutive der Sozialistischen Arbeiter-Jnternationale ist erschüttert von dem an Sacco und Vanzetti, den Opfern einer unerbittlichen Klassenjustiz, verübten Justizmord, von den Hinrichtungen im Kolonialgebiet der Niederlande , die vollzogen werden, obwohl im Mutterlande die Todesstrafe schon seit 1877 nicht mehr besteht, von den zahlreichen in Georgien und in China vollzogenen Hinrichtungen und über die Wieder- einführung der Todesstrafe i n. I t a l i« n, die bestimmt ist, besonders die politischen Verbrechen zu treffen. Sie erklärt, daß es eine dringende Forderung der Zeit ist, die T o d« s st r a f e überall da aus den Gesetzen zu entfernen, wo sie noch besteht. Sie fordert die parlamentarischen Vertreter des Sozialismus auf, in jenen Ländern, in denen die Todesstrafe noch besteht, für ihre völlige Aufhebung im Parlament einzutreten, und fordert die Arbeiterklasse auf, diese Forderung im Namen der Mensch- Tlchkeit und Gerechtigkeit zu unterstützen. Die Beratung dieser Enffchließungen war so eingehend, daß erst am frühen Morgen diese Exekutivtagung der Sozialistischen Ar' eiter-Jnternational« beendet werden konnte.
Hunöesausschußsttzung ües MdHS. Einer Einladung des Magistrats der Stadt Magdeburg folgend, hat der Bundesvorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschasts- bundes die S. Ausschußsitzung des ADGB . nach Magdeburg ein- berufen. Der Bundesausschuß tagte in der neuen Stadthalle. Ober- bürgermeister Genosse Reims begrüßte im Namen der Stadtver- walwng mit herzlichen Worten den Bundesausfchuß. Leipart sprach den Dank des Bundesausschusses für die freundliche Begrüßung aus. Sodann erstattete er den Bericht des Bundesvorstandes. Der Bundesvorstand wird ein« Konferenz der Ar- beitersekretäre einberufen, und zwar vom 26. bis 28. Septem- ber nach Frankfurt a. M. Die Konferenz wird sich mit dem Ver- fahren in der Unfall- und Invalidenversicherung, den Arbeitsgerich- ten und der Arbeitslosenversicherung beschäftigen Für die Kran- k« n k o s s« n w a h l e n hat der Bundesvorstand erneut eine be- sondere Broschüre als Wahlanleitung herausgegeben. Leipart verwies noch auf die Konferenz der Lezirkssekretäre. die kürzlich stattgefunden hat. Der Bau und die Organisation der beiden geplanten Vundesfchulen erfordert die Anstellung einer neuen Kraft, eines Bildungssekretärs, dessen Aufgab« darüber hinaus die Förderung der Bildungsbestrebun- gen der Gewerkschaften, insbesondere der Verbände, die keine eigenen Schulen haben, sein wird. Die Oberleitung de» ganzen Schulbetriebs soll in der Hand des Bundesvorstandes, in erster Linie des neuen Bildungssekretärs liegen. Der Bericht des Bundesvorstandes wurde einstimmig genehmigt. Sodann erstattete Genosse Naphtali Bericht über die Ar- beitcn der Forschungsstelle für Wirtschaftspolitik, die eine gemeinsame Einrichtung der Gewerkschasten. der Partei und der Genossenschaften ist. Schlimme gab eine Darstellung der Gründe, die zu Meinungsverschiedenheiten der Verbände über die VerblndlichkeitserklSrung von Tarifverträgen führen. Er erinnerte daran, daß zur Vermeidung solcher Meinungs- Verschiedenheiten viel beigetragen werden kann, wenn die Bestim- mungen der Bundessatzungen über die Führung von Lohnbewegun- gen und über Tarifabschlüsse in Gebieten und Betrieben, an denen mehrere Organisationen beteiligt sind, von vornherein sovgfältigste Beachtung finden. Leider seien die Gedanken dieser Bestimmungen noch nicht in die Verbandssatzungen aufgenommen worden, obwohl § SS der Bundessatzung diese Uebernahme fordert. Daher erinnert der Bundesvorstand daran, daß die Bestimmungen der Bundes- fatzungcn streng innegehalten werden müssen. Ferner schlägt der Bundesvorstand vor. daß Antrüge aus Verbindlichkeitserklörung von Tarifverträgen nur im Einoernehmen aller beteiligten Verbände ge- stellt werden mögen. Ergeben sich hierbei Meinungsverschieden- heiten, so soll der Bundesvorstand schlichtend eingreifen. Nach einer kurzen Debatte schloß der Vorsitzende die Sitzung. vas pariser Attentat. Faschiftengemewheit ist schuld daran. Pari», 13. September. Der Mörder des italienischen Vizekonsuls Nardini hat seine Identität angegeben. Er heiße S er g i o di Modugno lind sei 1902 in Serignola in Italien geboren. Er war in Pari» seit drei Jahren als Maurer beschäftigt. Diese Angaben hat er schriftlich ge- macht, da er behauptet, durch die gestern erhaltenen F a u st s ch l ä g- eine Zungenlähmung erlitten zu haben, die ihn o m
Sprechen hindere. In seiner Wohnung wurde ein Exemplar der antifaschistischen, in Paris erscheinenden italienischen Zeitung „Liberia " gefunden. Der Täter hatte den Vizekonsul um Vermittlung beim Präsekten gebeten, damit seine Frau, die in Italien geblieben sei. nach Paris kommen könne. Er erklärte, er sei Erdarbeiter, lebe in ziemlich ärmlichen Verhältnissen und könne die Mittel für die Reise seiner Frau nicht aufbringen. Nardin: habe«ine Regelung der Angelegen- heit zugesagt, jedoch darauf hingewiesen, daß die Antwort kaum günstig ausfallen dürfte, da die P r ä f e k t u r der Provinz, in der die Frau des Attentäters lebe, ihr« Ermächtigung zu der Aus- reife aus politischen Gründen nicht geben wolle. Der„S o i r" sagt, daß die italienischen Behörden alles tun, um die Geduld ihrer Staatsangehörigen im Auslande zu erschöpfen. Wer nicht Faschist sei, habe die größten Schwierigkeiten, irgendetwas bei einer italienischen Behörde zu erreiche». Ganze Familien seien durch die Verweigerung des Pahvisums ruiniert worden, Frauen können nicht zu ihren Männern, Kinder nicht zu ihren Eltern, weil die Pässe verweigert werden. Es sei deshalb nicht zu verwundern, wenn ein Mann, vom Hunger getrieben und erbittert über die Weigerungen der italienischen Pah- stelle, auf den ersten besten Beamten geschossen habe. Allein der Faschismus sei an diesen Zuständen schuld.
ßremüenhetze in Zrankreich. Paris , 13. September. (Eigenbericht.) - In den letzten Wochen hat unter dem Druck der reaktionären Elemente eine Ausländerhetze in Fstinkreich und besonders in Paris eingesetzt. Es vergeht fast kein Tag und keine Nacht, ohne daß die Polizei Razzien in Paris und in der Provinz vornimmt und sämtliche Ausländer, die auch nur in geringster Weise gegen die Verordnungen und Vorschriften verstoßen, unbarmherzig über die Grenze abschiebt. Dieses Verfahren hal seit den Manisestationen zugunsten Saccos und Vanzettis und den danach von Kommunisten und Anarchisten verursachten Ausschreitungen eingesetzt mit der Begründung, Frankreich müsse von diesen ausländischen Elementen gesäubert werden. Daß man aber dabei unterschiedslos auch gegen politische Flüchtlinge vorgegangen ist, beweist die am Dienstag er- folgte Air s w e i s u n g mehrerer antifaschistischer ita- lienischer Journalisten, die trotz ihrer Proteste binnen 24 Stunden über die belgische Grenze abgeschoben wurden. Keinem von ihnen wurde der Grund dieser Maßregel mitgeteilt: u. ot. wurden auch der Sekretär und der Schatzmeister der Vereinigung der b c s s a r a b i s ch e n Flüchtlinge ausgewiesen. Die Linkspresse protestiert scharf gegen diefc� krasse Verletzung des Alylrechtes und fordert, daß mindestens die politischen Flücht- linge aus Italien , unter denen zahlreiche Sozialisten und Republi- kaner sind, von der rigorosen Ausweisung verschont werden
Litauischer Sprachzwang. Memcl-Gemeindcvertreter müssen litauisch können! INemel, 13. September. (Mtb.) Der Kreisausschuß des Landkreise» Memel hat beschlossen, dem Landesdirektorium ein Schreiben zu unterbreiten, in dem es heißt: " Von den in diesem Zahre gewählten Gemeindevertrelern und Beamten sind verschiedene n ich t bestätigt worden, weil sie die litauische Sprache nicht beherrschen. Wir erblicken darin eine Härte gegen die alteingesessene deulschsprechende ve- oälkerung. Denn es Ist von den im Erwerbsleben stehenden hier In Frage kommenden Personen nicht zu verlangen, daß sie von heute aus morgen die litauische Sprache erlernen: durch diese Verordnung werden viele angesehene und bewährte Leute von der Kommunalselbstverwallung ausgeschaltet zum Schoden von Gemeinde und Land. Daher halten wir es für wünschenswert. daß die genannte Verordnung noch auf längere Zeit aus- geschaltet wird oder daß Ihr llebergangsbeftimmungen hinzugefügt werden. Der überaus bescheidene Ton dieses Protestes zeigt schon,. unter welch furchtbarem Druck die Verfasser stehen und wie sie die Rache der Machthaber bei einer schärferen Sprache fürchten. Das Vorgehen der litauischen Oberbehörde selbst ist eine zwar brutale, aber nicht weniger lächerliche Ueber- spannung nationalistischer Herrschgier, Abteilung Staats- spräche. Wäre das Litauische noch eine jener slawischen Sprachen, deren Bereich immerhin vom Böhmerwald bis an den Stillen Ozean reicht— aber es ist die vollkommen isolierte Sprache von gut gerechnet zwei Millionen Menschen, die sofort deutsch, russisch oder polnisch sprechen müssen, wenn sie ihre Ländchengrenze überschreiten: denn litauisch ist eben mit irgendwelchen Kenntnissen anderer Sprachen nicht ein- mal andeutungsweise zu verstehen. Wenn die erfolgreichen Putschhäuptlinfse dieses Splittervölkchens aber ihre„Staats- spräche" auch noch einem deutschen Gebiet aufzwingen, das ihnen nur angegliedert ist und unter international garan- tierter Selbstverwaltung steht, so müßte der Garant da- gegen einschreiten, wenn er von Gerechtigkeitssinn beseelt wäre. Dieser Garant ist der Völkerbund . Hinrichtungen in Tauroggen. Ein Standgericht in Tauroggen hat secki» Studenten erschießen lassen und fünf weitere Personen zum Tode verurteilt. Ein Polizeichcf niedergeschossen. Wemel, 13. September. (Mtb.) Als der Polizeichef von Litauisch-K r o t t i n g e n nachts die Posten am Rande des Ortes revidierte, schössen Unbekannte auf ihn und verletzten ihn schwer. Er ist bald darauf gestorben.