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Nr. 452+ 44. Jahrgang malad Ausgabe A nr. 230

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" Sozialdemokrat Berlin"

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Vorwärts

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Sonnabend, den 24. September 1927

Tannenberg und Genf .

Interpellation in der

Stresemann läßt sich vom ,, Matin" interviewen. französischen Kammer angekündigt..

Genf , 23. September. ( Eigenbericht.)

In der Diskussion sprach zum Schluß u. a. der französische Dele­Die Tannenbergrede des Reichspräsidenten gierte Jouhaug. Er wies darauf hin, daß unmittelbar nach dem dürfte am Sonnabend wieder in den Vordergrund des allgemeinen Kriege die Einberufung einer Wirtschaftskonferenz, die damals schon Interesses rüden; denn der deutsche Außenminister hat dem Genfer von den Vertretern der Arbeiterklasse gefordert worden Korrespondenten des Pariser Matin" ein längeres Interview ge- ist, als Utopie hingestellt wurde, daß aber schließlich die Macht währt, das am Sonnabend veröffentlicht wird und in dem er seine der Umstände und der immer dringlicher werdende Charakter der Stellung zu der Rede präzisiert. Wie verlautet, soll Strese- ökonomischen Probleme auch die Regierungen gezwungen habe, den mann sich mit den Ausführungen des Reichspräsidenten solida Weg zu gehen, der allein aus dem Chaos herausführen könne, in risiert haben, ohne aber zu verbergen, daß die endgültige dem sich heute Europa befindet. Ohne Wirtschaftsfrieden würde der Form, in der die Rede vorgetragen wurde, vielleicht ihrer ersten politische Frieden, der unerläßliche Vorbedingung sei, auf die Dauer Form nicht ganz entspricht. nicht erhalten werden können. Wer den politischen Frieden wirklich unerschütterlich gestalten will, der muß alles daran segen, um auch den wirtschaftlichen Frieden zwischen den einzelnen Ländern und Kontinenten herbeizuführen. In Europa stehen dieser Entwicklung einstweilen die Grenzen und 3oltschranken von zwanzig verschiedenen Staaten gegenüber. Sie zu überwinden, wird eine der Hauptaufgaben sein, die es zu erreichen gilt, wobei nie vergessen werden darf, daß dieser innere wirtschaftliche Ausgleich innerhalb Europas nur vom instematischen Abbau der 3011. barriere bis zum Freihandel erst dann möglich sein wird, wenn eine durchgreifende Rationalisierung der Produktion und des Kon­jums aller Länder durchgeführt sein wird. Dazu wird es nötig sein, daß den Berschiedenheiten der Bedingungen, unter denen die ein­zelnen Länder leben und arbeiten, Rechnung getragen wird, daß über­all die Produktionswerkzeuge zur höchften techmischen Entfaltung ge­bracht werden, um jedwede Kräftevergeudung auszuschalten. Bor allem aber ist es notwendig, die innere Konsumfraft Europas selber zu erhöhen. Das wird aber nicht möglich sein, ohne daß

Ob die Wirkungen dieser Erklärung des Reichsaußenminifters die starke Aufregung, die in Genfer Kreisen und vor allem innerhalb der französischen Delegation entstanden ist, zu besänftigen vermag, wird sich erst zeigen müssen. In gut unterrichteten Kreisen wird hierzu u. a. erklärt, daß der französische Außenminister Briand ursprünglich nicht an die Authentizität des Kaiser. telegramms glauben wollte. Seitdem nun aber bekannt ist, daß Hindenburg auch ein Danttelegramm zurüdjandte, find die Kommentare nicht beruhigender geworden. Nachrichten aus Paris zufolge scheint jetzt schon festzustehen, daß die Tannenberg­rede zu einer 3nterpellation in der kammer führen wird, da die franzöfifchen Nationalisten hoffen, Briand auf diese Weise in eine schwierige Lage verwideln zu fönnen. Sollte es fich tefiätigen, daß Dr. Stresemann, auch die zweite Bersion der Tannen­bergrede des Reichspräsidenten gekannt hat, bei der ein einlei­fender Sah, der ihm einen rein menschlichen Charakter ver. liehen hätte, weggefallen ist, so würde zweifellos dadurch die deutsch - französische Atmosphäre nicht gebessert werden. Jeht fchon darf man jedenfalls annehmen, daß dann die Fortführung der hier in den lehten Tagen begonnenen Besprechungen zwischen Briand und Stresemann einen etwas jähen Abbruch erleiden dürften.

Deutschland für Schiedsgerichtsbarkeit.

Unterzeichnung der Schiedsgerichtsklausel.

Jouhaug über Arbeiterklasse und Weltwirtschaft.

Genf , 23. September. ( Eigenbericht.)

Am Freitag nachmittag trat der Völkerbund wieder zu einer Bollfizung zusammen. Der Präsident Gerani teilte einleitend mit, daß der deutsche Außenminister inzwischen die

Haager Schiedsgerichtsklausel unterzeichnet

habe. Er verband diese Mitteilung mit einem Glückwunsch für die deutsche Delegation, dem sich die Vollversammlung mit star fem Beifall anschloß. Dr. Stresemann sprach dem Vorsitzenden und der Versammlung für diese Ovation seinen herzlichst en Dant aus.

Die Versammlung nahm dann zunächst einen Bericht von Nansen über die Tätigkeit der man detskommission ent­gegen. Die dazu vorgeschlagene Entschließung legt der Mandats­tommiffion nahe, der Bekämpfung des Alkoholismus unter der Bevölkerung der Mandatsgebiete weitere Aufmerksamkeit zu schenten. Anschließend folgte eine längere Rede Coucheurs über die Ergebnisse der Weltwirtschaftsfonferenz, die fich start an den vorliegenden gedrucktem Bericht hielt.

Volk verhindert Asylbruch. Korsika bewahrt Frankreich vor Schande.

Paris , 23. September. ( Eigenbericht.) Auf der Insel& or fita waren 5 Jtaliener als politische Flüchtlinge gelandet und von der Polizei festgenommen worden. Der italienische Konful in Bastia fehte durch, daß fie der italienischen Regierung ausgeliefert werden sollten! Als man sie aus dem Gefängnis auf das Schiff bringen wollte, protestierten sie auf der Straße gegen ihre Auslieferung. Die Menschenmenge er­griff ihre Partei und befreite fie, so daß der Dampfer ohne jie nach Jtallen abfahren mußte. Die fünf 3taliener find in­zwifchen ins Gefängnis zurüdgebracht worden.

Der Wiener Justizskandal. Weitere Beweise parteiischer Schöffenauswahl.

Wien , 23. September. ( Eigenbericht.) Im Justizausschuß verlas am Freitag der Justizminifter einen Bericht des Landesgerichtspräsidenten, in dem im wesentlichen die Anschuldigungen Dr. Bauers über die gesezwidrige Zusammen segung der Gerichte zur Aburteilung der Angeklagten aus den Juli­unruhen zugegeben werben. Die Schuld wird jedoch einem Ranzleibeamten zugeschoben, der eine Aeußerung eines Richters falig verstanden habe. Böse Absicht liege nicht vor.

die Löhne der Arbeiterklaffe aller Länder, sei es in ihrer Kauf­fraft oder durch Verminderung der Preise oder sei es absolut, erhöht werden.

Das gewaltige Heer der Arbeiterklasse muß der Vorteile der not­wendigen Rationalisierung der Produktion teilhaftig werden. Es muß das Gefühl haben, daß der politische Friede, den wir zu erhalten hoffen fönnen, daß der wirtschaftliche Friede, den wir uns zu schaffen bemühen, ihm eine soziale Sicherheit bringt, auf die Dte Arbeiterklasse ein unantastbares Recht hat. Als einen der wichtigsten Faktoren für die Erhaltung des Friedens darf die Arbeiterklasse fordern, daß wir uns der Fragen annehmen, die sie in erster Linie intereffieren.

Jouhaur sprach schließlich die Hoffnung aus, daß die kommenden Wirtschaftskonferenzen diesen Intereffen der Arbeiterklasse Rechnung tragen werden. Im Namen der französischen Delegation stimmte er dann dem Bericht über die Wirtschaftskonferenz zu, indem er gleich zeitig bedauerte, daß eine Reihe von Fragen nicht fühner behandelt worden sind.

Botschafter Malhans Tod. Außenminister Stresemann hat in einer Trauerrede vor der Außenminister Stresemann hat in einer Trauerrede vor der deutschen Abordnung die großen Verdienste Malzans um das Reich gewürdigt.on

Präsident Coolidge hat dem Reichspräsidenten ein Beileids­telegramm geschickt.

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Boftichedfonts: Berlin 37 536 Bankkonto: Bant der Arbeiter, Angeftelten und Beamten. Ballstr. 65; Diskonto- Gesellschaft. Devoßitentafe 2indenstr. 3.

Eine Verwahrung.

Die deutschen Sozialisten beim Ansbruch des Weltkrieges. Von Eduard Bernstein .

Die Haltung der Sozialdemokratie im Weltkrieg ist noch immer hart umfämpft. Genosse Bernstein erwirbt sich 212 mit den folgenden Ausführungen das Verdienst, leichtfertigen Urteilen, wie sie in manchen Kreisen noch immer gang und gäbe sind, entgegenzutreten. Er begründet zugleich seine eigene politische Stellungnahme zu geschichtlich gewordenen Borgängen, über die sich eine allgemein gültige Partei­meinung noch nicht herausgebildet hat.

Red. d. Vorwärts".

Die pazifistische Wochenzeitung ,, Das andere Deutsch­land" brachte vor einiger Zeit einen Artikel über das Ver­halten verschiedener Menschen beim Ausbruch des Welt­frieges, worin es unter anderem hieß:

,, Am ruchlofesten zeigten sich in allen Ländern die Frauen und die Sozialisten. Von heute auf morgen widerriefen sie alles, was sie geglaubt und gelehrt hatten.

Von gestern auf heute wandelten sich alle in Helden, und wenn Opfertode allgemein Mode wurden, dann starben sie auch gern Opfertode."

gesprochen worden war, die sich auf Kanzeln, Tribünen, Dies nachdem in dem Artikel von entfesselter Tierheit" Kathedern fundgegeben habe, einige anwidernde Beispiele dafür zitiert und hinzugefügt worden war, was beiläufig maßlos übertrieben worden ist: In Frankreich , in England fchwelgte man in der ruchlosen Vorstellung, Berlin zu ver­brennen oder München dem Erdboden gleichzumachen."

Also ,, noch ruchloser" als alles dies sollten sich demnach in allen Ländern die Frauen und die Sozialisten gezeigt haben!

Diese Bemerkung veranlaßte mich, der Redaktion einen Gegenartikel einzusenden, den aber diese nicht unverkürzt und ohne Beseitigung der ,, Beleidigungen" des Verfassers bringen zu können erklärte. Ich hatte nämlich geschrieben, daß mir eine ärger der Wahrheit ins Gesicht schlagende Beschimpfung der sozialistischen Bewegung bis dahin nicht vor die Augen gekommen sei, und sie ,, g e missenlos" genannt. Das aber gerade muß ich aufrechterhalten, wozu ich bemerken will, daß mir der Berfasser jenes Artikels per­sönlich unbekannt ist und ich nach demjenigen, was ich vor­dem über ihn erfahren hatte, durchaus günstig für ihn ge= stimmt war.

Den fachlichen Inhalt meines Auffages lasse ich hiermit unverändert folgen, da er allerhand verbreiteten Irrtümern über die Haltung der Sozialisten im Kriege Tatsachen ent­gegenhält, die den meisten der heutigen Generation unbekannt

geblieben sind.

Was die Frauen anbetrifft, so wird es genügen, fest­zustellen, daß der Verfasser für seine Berdonnerung des ganzen Geschlechts sich auf weiter nichts stüßen fann als auf hysterische Ausbrüche einer beschränkten Anzahl reklame­füchtiger Weiber, deren Zahl gegenüber der großen Zahl der Frauen, die die Aufgabe ihres Geschlechts im Kriege darin sahen, zu pflegen und zu heilen, winzig gering war.

Nicht ganz so einfach liegt die Frage mit Bezug auf die Weitere Nachrichten über die Flugzeugkatastrophe stehen in der Sozialisten, da sie in verschiedenen Ländern als organi­2. Beilage. fierte Parteien die Möglichkeit hatten, zu den Schritten ihrer Regierungen Stellung zu nehmen und eine Einwirkung auf den Verlauf der Dinge zu versuchen. Hinsichtlich der Grund­fäßlichkeit ihres Verhaltens steht es nun so, daß die Grund­fatlosigkeit, die der Verfasser so gemissenlos ist, den Sozia­listen aller Länder nachzureden, tatsächlich den Sozialisten feines einzigen Landes mit auch nur einem Schein von Recht vorgeworfen werden kann.

Genosse Dr. Bauer stellte demgegenüber jest, daß die ungefeß­lich zusammengefeßten Gerichte bisher 20 Fälle verhandelt haben. Außerdem brachte er noch zwei weitere Fälle vor, wo Arbeiterschöffen bedeutet worden ist, sie brauchten am nächsten Tage nicht mehr zu kommen, weil sie für milde Strafen eingetreten find. Genosse Austerlitz erklärte, angesichts des unbestrittenen Tatbestandes hafte an der Juftiz vor der Bevölkerung der Makel, mit ungefeßlichen Mitteln zu arbeiten.

Zwei Gesandte in Peking ausgeplündert.

Peting, 23. September. ( WIB.) Auf einer Landstraße bei Peking wurden heute nachmittag der belgische Gesandte d'Hermalle und der fiche choslowakische Gesandte Halle auf der Rückkehr von einem Automobilausflug Opfer eines jensationellen Raubüberfalles. 3hr Auto wurde von einem chinesischen Chauffeur gesteuert. Plötzlich tauchte ein Bandit auf, der mit dem Revolver nach den Köpfen der Gesandten zielte, und die Auslieferung ihrer Wertobjekte verlangte. Die beiden Gesandten waren genötigt, ihre Uhren, Ringe und ihr Bargeld herzugeben. Der Räuber bemächtigte fich fogar der im Auto liegendn Jaden der beiden Herren. Der ganzen Szene wohn­ten Chinesen als Zeugen bei, machten aber feinen Berjuch, einzufchreiten. Die Gesandten begaben sich nach Tichangpingtichau und verlangten von den Behörden militärische Bededung, unter deren Schuh fie unbehelligt in Beting eintrafen

Solange die Frage noch logisch einfach stand: ,, Krieg oder Frieden" haben die Sozialisten aller Länder einmütig ihre Stimme gegen den Krieg erhoben, die deutsche Sozialdemo= fratie nicht zuletzt. Im Geist des feurigen Protestes ihres Parteivorstandes, auf den der Verfasser sich beruft, hat sie sofort an allen Orten Deutschlands , wo ihr dies möglich war, Versammlungen des Protestes gegen den Krieg abgehalten, eine der größten, menn nicht gerade die größte, in Berlin auf den Treptower Wiesen, an der als einer der Redner mitzu­wirken auch mir vergönnt war. Und wenn damals, wie das heute die Berfassung der Republik vorschreibt, der Reichstag als Boltsvertretung am 1. und 3. August 1914 gefragt worden wäre, ob Krieg sein sollte oder nicht, hätten die sozialdemokrati­fchen Abgeordneten ohne Ausnahme mit Nein gestimmt! Ich habe das wiederholt in Versammlungen fest­gestellt, als die Frattion schon in bezug auf die Frage der Be­willigung der Kriegskredite gespalten war, ich in Gegensatz zur Mehrheit der Fraktion stand, welche fortfuhr. die Kredite zu bewilligen und von der einzelne Mitglieder mich arg ange­griffen hatten. Die Reichsregierung wußte es auch so gut, daß sie den Reichstag erst auf den 4. Auguft zusammenberief,