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Abendausgabe

Nr. 457 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 226

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Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

Berliner   Volksblaff

10 Pfennig

Dienstag

27. September 1927

Berleg und Anzeigenabterlung: Geschäftszett 8 bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   S. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-29T

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Wider den litauischen Faschismus.

Aufruf der Sozialistischen Arbeiter- Internationale.

Das Bureau der SAI. hat folgenden Aufruf an die Arbeiter| nommen haben, um die Demokratie wieder herzustellen, ist gescheitert. schaft Litauens   gerichtet:

An die Arbeiterschaft Litauens  !

Seit dreiviertel Jahren ist Euer Land der Diktatur von ein paar ffrupellosen Offizieren ausgeliefert. Seit Euch der frevelhafte Hand­streich vom 17. Dezember 1926 Eure politischen Rechte geraubt hat, find sich die organisierten Arbeiter aller Länder flar bewußt, daß die Herrschaft des Generalstabschefs Plechavicius", der der wahre Gebieter über die sogenannte Regierung" Wolbemaras ist, Litauen   zu jenem Land in Europa   gemacht hat, in dem die faschis stische Reaktion neben Italien   die grausamsten Erzelje

begeht.

Die Sozialdemokraten Litauens   haben bei den letzten Wahlen im

Mai 1926

einen gewaltigen Stimmenzuwachs

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erzielt, sie waren zur zweit stärksten Partei vorgerückt und sie nahmen an der Regierung des Landes teil. Die Gewerkschaften und die Partei entwickelten sich immer besser. Da fam der Staats­streich, der die kleine nationalistische Partei, die im alten Seimas nur drei Vertreter besaß, ans Ruder brachte, die Partei des jezigen Prä fidenten" Smetona   und des Ministerpräsidenten" Woldemaras. Alle demokratischen Rechte wurden beseitigt. Der Kriegszust and ist permanent, seit diese Diktatur besteht. Jede Form von Breß freiheit und Bersammlungsfreiheit ist vernichtet. Ein Dußend Gewerkschaftsverbände wurden aufgelöst, unter ihnen die größten, die Gewerkschaften der Eisenbahner, der Metallarbeiter und der Lederarbeiter. Die Zeitung der Gewerkschaften wurde verboten, die Bertrauensmänner der Gewerkschaften in Konzentrationslager ge­steckt oder aus dem Lande verbannt. Die Diktatur stellt sich auf den Standpunkt, daß die Gewertschaften überhaupt über­tischen Mittel, um dem Willen des Volkes Ausdruck zu geben, find unterbunden. Nicht nur die Arbeiter, sondern auch die großen Schichten des Bürgertums und der Bauern sind von Haß gegen die militärische Billkürherrschaft erfüllt. Unter diesen Umständen ist es nur selbstverständlich, daß es immer wieder zu Versuchen kommen muß, die Usurpatoren der Macht

Die Militärdiftatur nimmt nun Rache am Bolte; vor allem glaubt sie, den günstigen Zeitpunkt zu haben, um das Ausrottungs­werf an den Arbeiterorganisationen weiterzuführen. Wieder ist Blut in Litauen   geflossen. Alle Toten fallen zu Lasten der Diftatoren. Ohne ordentliche Gerichtsverfahren nehmen sie Hin­richtungen vor, ja, sie, nehmen sich nicht einmal Mühe, die Namen der zu Erschießenden richtig festzustellen. Und so konnte das Unge heuerliche geschehen, daß das Regierungsblatt von den ersten sechs ingerichteten fünf Namen falsch angegeben hat und ge­nötigt war, fie später richtigzustellen. Die Namen dieser ersten sechs Hingerichteten sind: Gudionis, Odovas, Lecavicius, Paulitas, Burnedis, Rastaustas.

Später wurden acht weitere Todesurteile verhängt. Eines von ihnen wurde vollzogen. Der Name des Hingerichteten lautet Jonas Milferaitis. Die anderen wurden in lebensläng­lichen Kerker umgewandelt. Bisher find insgesamt

Wir sind die Republik  !

Ein Beitrag zur Kriegsschuldfrage. Von Hermann Wendel  .

Jedem Anhänger der Bölkerverständigung wird es um Die Töpfe leid tun, die Hindenburgs und Strese manns Kriegsschuldreden in der auswärtigen Politik zer­schlagen haben; dank diesen Deklarationen ballt sich wieder so viel Feindseligkeit gegen Deutschland   in der Luft zusammen wie seit Abschluß der Locarno- Verträge nicht mehr. Solche Trübung der europäischen   Atmosphäre mag zu dem außen­politischen Programm der deutschnationalen Regierungs­partner gehören, aber wenn West ar ps Mannen mit be­fonderer Wonne auf dem abgetriebenen Gaul der ,, Kriegs­fchuldlüge" herumtraben, handelt es sich weit mehr um ein innerpolitisches Paradest üd. Es ist ein Versuá der monarchistischen Bankerotteure, nachträglich die Bilanz zu fälschen und einer gelöschten Firma neuen Kredit zu ver­schaffen.

Afechzehn Aufständische zu lebenslänglichem Kerfer, einer zu zwanzig Jahren, einer zu fünfzehn Jahren, einer zu zehn Jahren und einer zu drei Jahren Kerker verurteilt worden. Mit diesen Opfern ist die Blutgier der litauischen Diktatoren leider noch nicht erschöpft. Meldungen von weiteren Verderen materielle Ronfursmasse sie notgedrungen übernehmen folgungen treffen ein, die wir im Augenblick noch nicht zu über­prüfen vermochten. Aber das, was bereits sicher feststeht, genügt, um die Arbeiter aller Länder zu schärfstem Protest gegen die Ge­waltherrschaft in Litauen   aufzurufen.

Arbeiter Litauens  !

Wir wissen, daß Euch jede Möglichkeit des Verkehrs mit dem Ausland abgeschnitten wird. Wir wissen, daß man den Versuch

Freilich herrscht diese Einsicht nicht allgemein vor, denn sonst könnten nicht auch gutgläubige Demokraten mit am Trog stehen, in dem das Regime von 1914 frampfhaft reingemaiden werden foll. Gewiß ist es nicht nur historisch, sondern auch politisch aufschlußreich, zu prüfen, wie sich im Sommer jenes Unheilsjahres die Verantwortung auf die verschiedenen Re­gierungen verteilte. Doch im Grunde hat die Republif wirklich Besseres zu tun als die Monarchie weißzubrennen, nuußte, für deren moralische Konkursmasse sie sich aber höflich bedankt. Bei der Behauptung, daß Deutschland  " ein sehr resentlicher Teil der Schuld am Kriegsausbruch zufalle, tenten auch in Frankreich   und England nur ein paar beson= fers engstirnige Fanatiker an das deutsche   Volt. Das deutsche  3olf lebte im Zustand des faum verschleierten Absolutismus  und hatte sich die Geschäftsführer der in seinem Namen ge­nachten Politik so wenig gewählt, wie es auf diese Politik Bottes Gnaden", also an sich da, unvermeidlich, und die Re­ierung des Deutschen Reichs   hing einzig vom Chef dieses Genoß der Hauses, von IHM und nur von IHM ab. Reichskanzler das Vertrauen Wilhelms II., jo durfte er unbekümmert auf das Mißtrauen des ganzen Boltes pfeifen, und gerade dem Kanzler des Kriegsausbruchs war dieses ißtrauen ja zweimal, bei der Polenenteignung und im Fall Zabern  , durch die Mehrheit des Reichstags in aller Form bestätigt worden. Was dieser Monarch, diese Minister, diese Generale taten, inwiefern kann das deutsche  Volk dafür haften, als dessen nicht Beauftragte, sondern

flüssige Institutionen seien. Alle parlamentarischen und demofra macht, das hinausdringen der Wahrheit aus Eurem Einfluß hatte. Die Familie Hohenzollern   war von

mit jenen Miffeln zu stürzen, die sie selbst angewendet haben. Der Bersuch, den Arbeiter und Bürger in Tauroggen unter­

Warten, Hoffen, Handeln."

Kehraus in Genf  .

Genf  , 27. September.  ( Eigenbericht.) Nach der Beratung und Genehmigung der zwei legten Berichte und Entschließungen über die Bereinheitlichung des internationalen Rechts und der Annahme der von Schweden   beantragten Budget

erhöhung um 70 000 Franken für den gleichen 3med, ist soeben die 8. Bölterbundsversammlung mit der üblichen Schlußrede des Präfi­denten zu Ende gegangen. Herr Guani lospries darin zu­nächst die Arbeitsmethode des Bölkerbundes, um dann die besondere Bedeutung der diesjährigen allgemeinen Aussprache her vorzuheben und die wichtigsten Ergebnisse der Beratungen Revue paffieren zu lassen. Dabei legte er das Hauptgewicht auf die erzielte Einigung in den großen Fragen der Sicherheit, Schiedsgerichtsbarkeit und Abrüstung und bezeichnete die dazu gefaßten Resolutionen als mehr als ein Programm, als eine Tat. Er schloß mit der Zu= sammenfassung dreier im Laufe der Versammlung wiederholt ge hörter Losungsworte: Warten, hoffen, handeln. Alle drei hätten fich nunmehr bewährt.

Konferenz" zwischen Tür und Angel.

Lande mit allen Mitteln zu unterbinden. Ihr sollt aber missen, daß trotz alledem die Sozialistische Arbeiter- Internationale Euch nach besten Kräften zu unterstützen trachten wird, daß sie das wahre Gesicht der Berbrecher, deren Opfer gegenwärtig Litauen   ist, der europäischen   Deffentlichkeit zum Bewußtsein bringen wird und daß fie von Euch erwartet, daß Ihr auch in diesen schweren Tagen den Mut und die Entschlossenheit bewahrt, um Eure große Aufgabe zu erfüllen: die Wiederherstellung der Demotratte in

Litauen  !

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nach Paris   zurüdtransportierte, die Stelle passierte, Es find in landskommunisten ergriffen worden.

der Nähe und in der Umgegend von Paris   Maßnahmen gegen Aus- Herren sich jene hochmütig betrachteten!

Der Wahlerfolg an der Unterelbe. Bürgerliche Befürchtungen für Hamburg  . Ein absoluter Berlufttag des Bürgertums.

Hamburg  , 27. September.  ( Eigenbericht.)

Die vorläufige endgültige Feststellung des Altonaer   Bahlergeb nisses hat noch eine Verschiebung in der Mandatsverteilung zugunsten der Sozialdemokratie gebracht. Die Sozial­demokraten erhalten einen Sitz mehr, die Bürgervereinigung einen weniger. Die Sozialdemokraten haben 26, die Bürgervereinigung 9 Eige, die Kommunisten 11 Size, sämtliche bürgerlichen Parteien von den Demokraten bis zu den Nationalsozialisten 24 Size.

In der bürgerlichen Presse hat das Wahlergebms großes Ent­setzen ausgelöst. Am deutlichsten spricht das Hamburger Fremden­blatt": Es stellt fest, daß dieses Wahlergebnis als politisches Stim­mungsbarometer für die Hamburger   Bürgerschaftswahlen angesehen werden muß. Aus der Tatsache, daß die Sozialdemokraten ihre Stimmenzahl nicht nur relativ, sondern auch absolut start in die Höhe Genf  , 27. September.  ( Eigenbericht.) getrieben habe, ergebe fich für die bürgerlichen Kreise die ernste Die für Montag in Aussicht genommenen Besprechungen Mahnung, alle Kräfte anzuspannen, um mit sanftem Nachdruck, zwischen dem Außenminister Dr. Stresemann   und Briand   freundlichster Belehrung und gütlicher Ueberredung die Bürger an die fowie zwischen Dr. Stresemann und de Broudère haben Wahlurne zu bringen. Der volksparteiliche Hamburgische Korre­nachmittags im Foyer des Völkerbundsversammlungsfaales statt- spondent" erklärt: Die Wahl bedeutet einen sehr starken Rud nach gefunden. Die Besprechung Stresemann- Briand links. Die Herren Braun und Severing werden heute einen zu dauerte etwa ½ Stunde und bot den Zuhörern das Bild einer recht friedenen Vormittag in Berlin   verlebt haben, als ihre Getreuen von deutlichen Unterhaltung. Die Besprechung, die Stresemann   mit dem der Unterelbe ihnen den Wahlerfolg ihrer Partei melden konnten. belgischen Delegierten hatte, dauerte nur wenige Minuten. Ueber Alles in allem gehört der 25. September zu den Tagen, die als den Inhalt der beiden Unterredungen wird amtlich nichts mit absolute Berlusttage des Bürgertums zu buchen sind. geteilt. Es verlautet, Stresemann und Briand   hätten sich dahin Der 9 Oktober( der Tag der Bürgerschaftswahlen) muß und kann verständigt, daß ihre Außenpolitik die gleiche wie bisher bleiben den 25. September wettmachen." Das Blatt schließt mit dem Ruf: foll und im Augenblic feinerlei weitere Berhand." Bürger Hamburgs  , auf die Schanzen! Der Feind steht vor den lungen zu führen seien. Mit dem belgischen Delegierten Toren der Vaterstadt!" ist eine ähnliche Berständigung getroffen worden. Die deutsch­belgischen Erörterungen über die Franktireurfrage sollen- wie es heißt auf diplomatischem Wege abgeschlossen werden.

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Bomben gegen alliierte Frontkämpfer. Zugattentate wegen Sacco- Vanzetti.

Eisenbahnunglück bei Halle.

Trei Reisende schwer verletzt. Halle, 27. September. Nach einer amtlichen Meldung der Pressestelle der Reichs­Die Attentatsversuche gegen die 3üge der ameri bahndirektion Halle stieß heute morgen eine Lokomotive auf den Schluß des Personenzuges 574 Halle- Nord­fanischen Legionäre mehren sich in den letzten Tagen. Go

Paris, 27. September.  ( Eigenbericht.)

Wenn der Feldzug gegen die sogenannte Kriegsschuldlüge der Rechtfertigung dieser Gewalthaber gilt, ist sein 3med nur zu durchsichtig. Nicht umsonst wird wieder und wieder be­tont, daß ,, Deutschland  " auch kein Titelchen Verantwortung

für die Weltkatastrophe treffe; es war das Lamm, das fein

Wässerchen zu trüben wußte und von reißenden Wölfen tüdisch überfallen murde. So bekannte noch unlängst auf det Goslarer   Tagung des ,, Arbeitsausschusses Deutscher Berbände" der Leiter des Berliner   Gymnasiums vom Grauen Kloster, Oberstudiendirektor Reimann: Wir hämmern der Jugend ein, daß wir absolut unschuldig find!", und im gleichen Gleife fährt die Zeitschrift Die Kriegsschuldfrage", deren Inhalt weniger interessant ist als die Herkunft der für ihre Herausgabe nötigen Gelder. Die Voraussetzung aber, daß ,, wir", nämlich Wilhelm II.  , Bethmann Hollweg  , 3a gow, Moltte, Tirpib, absolut unschuldig" sind, schafft glatte Rechnung. Denn begann der Weltkrieg mit einem freolen Ueberfall der anderen auf das friedlich grasende Deutschland  , dann, so folgert findliche Einfalt, steht auch der Kaiser, die Hohenzollernfamilie, das ostelbische Junfertum, der preußische Kasernenhof und das ganze alte System sonder Makel da, und der November 1918 ist genau so über Un­schuldige hereingebrochen wie der August 1914- nieder mit der Republik   und hoch die Monarchie!

Kein Zufall ist es denn, daß die lautesten Schreier gegen die verfluchte Lüge" von Deutschlands  " Berantwortung auch die eifrigsten Verbreiter der Dolchstoßlegende sind, und der Berliner   Abend des. ,, Arbeitsausschusses" vor einem Jahr, auf dem der ahnungslose amerikanische   Professor Barnes mit der Lobpreisung des Friedenskaisers" Wilhelm II.  frenetischsten Jubel erntete, wirft gleichfalls scharfes Licht auf die Hintergründe der ganzen Bewegung. Auch hat nicht nur der erledigte Mann in Doorn   unlängst in seinem Größenwahn perfündet, daß die Zurücknahme der Kriegsschuldlüge" durch die Entente mit seiner feierlichen Zurückführung auf den Thron enden müsse, sondern früher schon hat Knilling, Bayerns   reaktionärer Ministerpräsident, den Kern all der Unschuldsbeteuerungen herausgeschält:

Wenn das Lügengewebe Don Deutschlands Kriegsschuld einmal endgültig zerrissen ist, entschwindet vor den Augen der Welt damit auch der letzte Schein einer Rechtfertigung für das ungeheure Berbrechen, das im November 1918 von Volksgenossen mit Frevlerhand verübt wurde.

ist im Laufe der heutigen Nacht wieder eine Bombe auf der Eisenhausen   auf. Dabei wurden drei Reifende schwer, Holzweg daher. Weder braucht die Novemberrevolution durch bahnlinie von Paris   nach Marseille  , in der Nähe von Lyon  , auf der Lokomotivführer und 13 Reisende leicht verlegt. gefunden worden. Sie fonnte noch rechtzeitig entfernt werden, ehe Lebensgefahr besteht bei niemand. Die Untersuchung ist ein­Der Schnellzug, der die amerikanischen   Legionäre von der Azurfüfte geleitet.

Natürlich stapfte der offenherzige Bajuware auf einem die Schuld der Monarchie am Ausbruch des Weltkrieges ge­rechtfertigt" zu werden noch würde sich an der historischen Legitimität" der Republit etwas ändern, wenn die deutschen