Str. 498 44. Jahrgang Ausgabe A nr. 253
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" Sozialdemokrat Berlin"
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Freitag, den 21. Oktober 1927
Keine Einigung im Braunkohlenstreik!
Die Schlichtungsverhandlungen auf Freitag vertagt.
Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3 Boftichedfonte: Berlin 37 536 Banffonts: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Ballftt. 65: Diskonto- Gesellschaft, Devoktentasse Bindenstr. 3.
Kendell wird gestellt.
Oeffentliche Beratung des Zwischenfalls Keudell Badt im Reichsrat vorgesehen. Verständigungsbersuche gescheitert.
werden.
Die Verhandlungen der Schlichtungskammer zur Bei-| fügung stehenden Mitteln in geeigneter Weise durchzuführen. Dazu Herr Marg, der Reichskanzler, wartet auf einen Spruch legung des Braunkohlenstreits wurden gegen 23 Uhr auf Frei- bedarf es teiner irgendwie gearteten Aufforderung durch eine der in zweiter Instanz, ehe er den Drang in sich verspürt, Unrecht tag mittag 13 Uhr vertagt, da noch eine Reihe von Differenz- Frage fommenden Interessentengruppen. Bislang find alle erforder- offen einzugestehen. Immerhin: es fann vielleicht noch punkten der Klärung bedürfen. lichen Maßnahmen von den zunächst zuständigen Organen- Ortspolizeibehörden, Polizeipräsidenten und Regierungspräsidenten getroffen und haben sich auch als durchaus zweckmäßig bewährt. Eine nennenswerte Störung der Ruhe, Sicherheit und Ordnung ist nirgends erfolgt. Diese erfreuliche Tatsache ist nicht zuleht auf
Wie wir von beteiligter Seite erfahren, find die Einigungsverhandlungen, die zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern des mitteldeutschen Braunkohlenbergbaues gestern vormittag 11 Uhr im Reichsarbeitsministerium in Berlin begonnen wurden, ergeb. nislos verlaufen.
die mustergültige Disziplin der Streifenden
Haltung der Bergarbeiter, die mit dem Streit nur von ihrem ihnen gewährleisteten Rechte Gebrauch machen, sich
Soligtertammer gebildet worden, die um 3 Uhr zusammen- zurückzuführen. Es ist zu hoffen und zu erwarten, daß an dieser getreten ist und über Nebenfragen( Zurücknahme der Kontrakibruchftrafen feitens der Unternehmer und zurücknahme der Kündigungen feitens der Arbeiter) grundfähliche Einigung herbeiführte.
Ueber die Frage der Lohnerhöhung dagegen ist es wieder zu feiner Einigung gekommen.
Preußenregierung gegen Scharfmacher. Amtliche Zurückweisung von Unternehmerfrechheit. Das Streifrecht wird nicht angetastet.
Der amtliche preußische Pressedienst teilt mit: Der Arbeitgeberverband des Niederlaufiger Bergbaues Senftenberg verbreitet einen offenen Brief an den preußischen Miniffer des Innern Grzesinsti, dessen Form und Ton eigentlich ein näheres Eingehen auf den Inhalt verbieten follte.
Der Minister des Innern ist sich bewußt, daß er für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung in dem Streit gebiet verantwortlich und gewillt ist, diese Aufgabe mit den zur Ber
Flaggendebatte im Rathaus.
Oberbürgermeister Böß gegen die Schwarzweißroten!
nichts ändert.
Daß bei einer so großen, sich über ein so weites Gebiet erstreckenden Streitberegung 3 wischenfälle untergeordneter Urt sich ereignen, ist eine flets beobachtete Begleiterscheinung, die Ju Besorgnisfen feinen Anlaß gibt.
Wenn das Schreiben des Arbeitgeberverbandes glauben machen will, daß der Umfang der Streitbewegung durch Terroratte beeinflußt ist, so hat er diese Behauptung durch keinerlei Tatsachen erhärtet. Das offene Schreiben des Arbeitgeberverbandes des Niederlaufiger Bergbauvereins e. B.", das bereits vor Eintreffen im Ministerium der Preise zugänglich gemacht worden ist, ist auch
in feiner Weise geeignet, den geordneten Verlauf der Streitbewegung zu fördern.
Herr v. Keudell jedoch hat neben anderen Gaben die, daß er Unrecht vergessen tann. Nicht das Unrecht, das ihm widerfahren ist, sondern das Unrecht, das er selbst anderen zugefügt hat. Er ist von geradezu fublimer Bergeßlichkeit.
Vor einer Woche hat er den Vorfiz im Reichsrat geführt. Thema: Schulgefeß. Sein glückliches Gedächtnis hat ihn nicht daran erinnert, daß er vor drei Monaten ebenfalls einer Reichsratssigung beigewohnt hat. Es gab da einen fleinen Zwischenfall. Herr v. Reubell warf dem preußischen Vertreter Dr. Badt Bruch der Vertraulichkeit und Irreführung der Deffentlichkeit vor. Herr v. Keudell hat das natürlich längst vergessen.
Der preußische Ministerpräsident hat daraufhin Herrn v. Keudell nachgewiesen, daß der Borwurf des Vertrauensbruchs nicht einmal den Schein der Be rechtigung habe, und daß die Darlegungen des preußischen Vertreters objektiv und in allen Punkten zutreffend gewesen feien. Das war nicht angenehm, deshalb hat das glückliche Gedächtnis des Herrn v. Keudell ihn diese Bloßstellung vergeffen lassen.
Das Gedächtnis des Herrn v. Reudell ist in der Zwischenzeit aufgefrischt worden. Ein Ausschuß des Reichsrats hat fich mit dem Zwischenfall beschäftigt, Verständigungsversuche zwischen der Reichsgierung und der preußischen Regierung find gescheitert. Herr v. Keudell durfte wieder vergeffen.
Der preußische Miniffer lehnt es ab, auf derartige Schreiben eine haben stattgefunden. Diese Berständigungsversuche andere als die vorstehende Antwort zu erteilen.
schon geschlossen. Die Reichsregierung weiß über die Kosten ihrer Vorlage bis zur Stunde selbst noch nichts. Am Freitag wird sich der Reichstag mit der ersten ( Bericht siehe 3. Beilage.)
Er hat so gründlich vergessen, daß er weder in der vorigefunden hat, sein Unrecht öffentlich einzugestehen. Es iſt gen Woche, noch in der gestrigen Reichsratssitzung den Mut nung auf einen Richter, der menschliches Erbarmen verspürt Bergeßlichkeit; denn hier ist teine zweite Instanz, feine Hoff
In der Berliner Stadtverordnetenverfammlung tam geffern der Beratung der Besoldungsreform beschäftigen. mit Herrn v. Keudell. Die Dinge sind, wie sie sind, und sie
von den Deutschnationalen eingebrachte Mißtrauensantrag gegen Oberbürgermeister Böß wegen feines entschlossenen Verhaltens im Hotel- Flaggenstreit zur Behandlung. Der
Westarp und der Polenvertrag.
werden nicht anders. Herr v. Keudell hat in öffentlicher Reichsratssigung einem Beamten Vertrauensbruch und grobe Irreführung der Deffentlichkeit vorgeworfen. Er ist öffent lich überführt worden, daß seinen Anschuldigungen auch der digung wird feine Ehrenerklärung, auch wenn Herr v. Reudell noch einmal drei Monate wartet. Herr v. Reudell vergißt also.
Oberbürgermeister sprach unter dem Beifall der Sozialdemokraten Ein merkwürdiges Kapitel amtlicher Nachrichtenpolitik. Schein der Berechtigung fehlte. Aus einer falschen Anschul
und der Mitte des Hauses sein Bedauern darüber aus,„ daß ein deutscher Bürgermeister in einer deutschen Stadt dafür zur Rede gestellt werden kann, daß er für die deutsche Flagge eintritt. Es sei selbstverständlich, daß jeder Beamte und jeder Bürger, der den Eid auf die Verfassung abgelegt habe, auch die Farben der deutschen Republit achten müffe"! Die Abstimmung ist auf nächsten Donnerstag verlagt. Bericht siehe 1. Beilage.
Ende der Schuldebatte. Das Gesetz geht an den Ausschuß.- Rendell weiß nichts über die Kosten.
Nach nochmaliger fünfftündiger Debatte hat der Reichs: tag am Donnerstag den Reichsschulgefegentmurf dem Bildungsausschuß überwiesen. Dort wird er nun in allen seinen Baragraphen in langwierigen Be ratungen durchleuchtet werden. Der letzte Tag der Reichstagsaussprache brachte faum noch etwas Bemerkenswertes. Die Stellung der Fraktionen war ja schon in den beiden ersten Tagen flar geworden, soweit sie nicht, wie die Deutsche Volkspartei , taktische Gründe hatten, ihre letzten Absichten zu verschleiern.
Für die Deutschnationalen sprach der Bolksschullehrer Schulze aus Frankfurt a. d. D. Der Demokrat Fischer Köln interpellierte die Reichsregierung über die Kostenfrage. In bemerkenswerten Berechnungen tam er zu dem Schluß, daß die Durchführung der Regierungsvorlage Mehrauf wendungen von einer Milliarde im Jahre erfordere. Der nächste Redner war der Zentrumsabgeordnete Dr. Schreiber. Es fiel auf, daß er sich mit seinen voltsparteilichen und deutschnationalen Koalitionsgenossen überhaupt nicht beschäftigte, sondern mit großem Eifer und mancherlei geistigem Aufwand um die Sozialdemokratie warb.
Man braucht im übrigen faum noch zu bemerken, daß der unglückliche deutsch nationale Reichs minister des Innern v. Reudell auf die schwermiegende finanzielle Anfrage des Demokraten Fischer nichts zu antworten wußte. Während die Abgeordneten aus der Wandelhalle noch in den Saal eilten, hatte der parlamenta rische Fünfminutenbrenner v. Reudell seine sogenannte Rede
In dem deutschsprachigen Bromberger Blatt Deutsche Rundschau" findet sich an hervorragender Stelle folgende Meldung:
Berlin , 17 Oftober.( PAT.) Im Zusammenhange damit, daß ein Lintsorgan an die Königsberger Rede des Grafen We starp erinnerte, in der dieser erklärte, daß von einem Handelsvertrag nicht die Rede sein könne, solange Bolen die deutsche Minderheit verfolge, veröffentlicht das Wolff Bureau heute eine halboffizielle Notiz, in welcher festgestellt wird, die deutsche Reichsregierung stehe, wie früher so auch heute, noch auf dem Standpunkt, daß bei dem Abschluß des Handelsvertrages mit Bolen nur Wirtschaftsmomente entscheiden tönnten. Die Verhandlungen sollen in allernächster Zeit wieder aufgenommen werden.
Es wäre nun außerordentlich vernünftig, wenn die deutsche Regierung in solcher Form den Quertreibereien des deutschnationalen Führers entgegengetreten wäre. Das ist jedoch in Deutschland nicht geschehen. Hier beschränkte sich die Regierung auf mündliche nicht verbreitet. Das amtliche Nachrichtenbureau verfichert, auch im Informationen. Wolffs Bureau hat jedenfalls eine solche Meldung Ausland die Meldung nicht gegeben zu haben. Troßbem bezieht fich die polnische Telegraphenagentur ausdrücklich auf das Wolff
Bureau.
findet, wenn man annimmt, daß die Reichsregierung ihre offiziöfe Eine mysteriöse Angelegenheit, die nur dann ihre Erklärung Erklärung im Ausland hat als solche verbreiten laffen, im Inland aber aus naheliegenden politischen Gründen nicht öffentlich mit Weftarp polemijieren wollen! Das ist ein fo merkwürdiges Verfahren, daß die Reichsregierung wohl oder übel dazu Stellung nehmen muß, will sie sich nicht dem Verdacht aussetzen, daß fie eine Nachrichtenpolitit mit doppeltem Boden treibt.
Keine Krise in Lettland . Mehrheit für den Rußlandvertrag gesichert. Riga , 20. Oftober.( Eigenbericht.) Die von der Telegraphenunion" verbreitete Nachricht, daß die Linkstoalition in Lettland gesprengt sei, entspricht nicht den Tatsachen. Zwar hat der Justizminister seine Demiffion eingereicht, ohne daß damit aber der Austritt der Demokraten aus der Regierung vollzogen wäre. Die Frage schwebt noch und dürfte erst in den nächsten Tagen entschieden werden. Die Mehrheit für die den nächsten Tagen entschieden werden. Die Mehrheit für die Ratifizierung des Rußlandvertrages ist selbst für den Fall gesichert, daß die Demokraten ausscheiden.
,, Glüdlich ist, mer vergißt,
was nicht mehr zu ändern ist."... Herr v. Keudell hat den preußischen Reichsratsvertreter Dr. Badt, den Reichsrat, feine falsche Anschuldigung, hat die Aufforderung des preußischen Ministerpräsidenten, Unrecht offen einzugestehen, glatt verdrängt. Aber weder die Deffentlichkeit, noch der Reichsrat, noch die preußische Regierung ist im Punkte Gedächtnis so glücklich veranlagt wie Herr v. Reudell, der Reichsminister des Innern. Ihre Fähigkeit, vergeffen zu tönnen, hat eine Grenze an Dingen des Charatters und der Ehre. So ist Herr v. Keudell noch einmal erinnert worden. Im Reichsrat hat gestern Staatssekretär Weismann die folgende Erklärung abgegeben:
" Meine sehr verehrten Herren! Sie werden sich erinnern, daß Herr Reichsminister des Innern v. Keudell Borwürfe gegen den in der öffentlichen Bollsigung des Reichsrats vom 14. Juli d. J. der preußischen Bevollmächtigten Ministerialdirektor Dr. Badt erhoben hat und auch daran, daß in der darauffolgenden Sitzung der gewiesen hat und daß der Reichsrat beschlossen hatte, über diese Anpreußische Ministerpräsident diese Vorwürfe zurückgelegenheit in einer Ausschußsigung zu beraten. Diese Ausschußßigungen haben stattgefunden. Im Anschluß an diese Ausfchußberatungen haben in Uebereinstimmung und im Einvernehmen mit dem Ausschuß des Reichsrats Berständigungsver suche zwischen der preußischen Regierung und der Reichsregierung stattgefunden. Zu unserem großen Bedauern sind diese Verständigungsversuche gescheitert. Sie haben zu feinem Resultat geführt. Sehr dringend ist es notwendig, daß diese an sich sehr wenig erfreuliche Affäre zu einem Ende gebracht wird. Die preußische Regierung legt Wert darauf, daß der Reichsrat mit ihr übereinstimmt, daß dieser Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Bollsigung des Reichsrats am Donnerstag nächster Woche gesezt wird. Selbstverständlich überläßt sie es dem Reichsrat der Herr Berichterstatter ist nicht anwesend, ob noch eine Ausschußsigung in dieser Sache stattfinden soll. Es ist Zeit, daß diese ungelegenheit geklärt wird. Sie werden wissen, daß nach der vorigen Volliigung in einer teihe von Zeitungen gestanden hat, daß man sich darüber wundere, daß die Angelegenheit nicht zur Sprache gebracht sei. Damit diese Angelegenheit endlich aus der Welt geschafft wird, habe ich meinen
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