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Str. 504 44. Jahrgang

Ausgabe A nr. 256

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Dienstag, den 25. Oftober 1927

Risse im Bürgerblock.

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Uneinigkeit in der Regierung. Ergebnislose Verhandlungen zwischen Deutsch­nationalen und Zentrum. Verzicht auf Monarchistenpropaganda abgelehnt. Unzufriedenheit mit Reichsfinanzminister Dr. Köhler.

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Dem Soz. Breffedienst" werden aus paria-| trums eingebrodt hat. In seiner Magdeburger Rede An mentarischen Kreifen des Zentrums Aus- die lieben Kollegen und Kolleginnen" hat dieser sonderbare Minister führungen zur Verfügung gestellt, in denen es heißt: eine Gehaltserhöhung bis zu 33% Prozent auf die Grundgehälter Die 3 wiespältigkeit der gegenwärtigen Reichsregierung angefündigt. Die Folge war, daß ganz automatisch eine allge ift auf ihren Ursprung zurückzuführen. Auch im Zentrum meine Preissteigerung eintrat. Bei näherer Prüfung der meine Preissteigerung eintrat. Bei näherer Prüfung der mar man sich bewußt, baß mit den deutschnationalen Mon­Besoldungsvorlage stellte sich heraus, daß von einer Erhöhung in archisten teine republikanische und soziale Politit diesem Ausmaß gar feine Rede sein kann. In diesem Zusammen­zu machen wäre. Troßdem hat die Zentrumsfraktion in erster Linie hang haben nun demokratische Blätter mit Recht behauptet, daß mit Rücksicht auf kulturpolitische Bestrebungen dem Drängen der Reichsfinanzminister in der Zentrumsfrattion des der Bürgerblodanhänger nachgegeben und ist mit den Deutsch Reichstages wegen seiner Beanitenpolitit heftig angegriffen nationalen eine Verbindung eingegangen, die, je länger sie dauert, worden sei und er dem Reichskanzler sein Amt zur Verfügung eine Gefahr für das 3entrum selbst wird. gestellt habe.

Zur Beschwichtigung des politischen Gewissens stellte man da­mals jene berühmten Richtlinien auf, die die Deutschnationalen binden sollten.

mehr sein als scheinen".

Drohung mit dem Rücktritt.

Die Tatsache ist richtig, aber die mündliche Bitte um Ent­Die Tinte, mit der diese Richtlinien niedergeschrieben hebung vom Amt dürfte bei der ganzen Haltung des Herrn wurden, war noch nicht ganz trocken, als der deutsch Köhler vorläufig nichts anderes als eine schöne Geste sein. nationale Presse gegen sie zu sündigen begann. Es wurde Richtig ist allerdings, daß die Unzufriedenheit mit dem Reichsfinanz weiter die schwarzrotgelbe" Reichsflagge verlästert, es wurde die minifter allgemein ist und daß sie sich nach seiner Rede im Reichs­Republik beschimpft und offen Propaganda für die Monarchie ge- tag nod) gesteigert hat. Dort arbeitete er fast mit den gleichen Argu­macht. Die Krönung fand diese unehrliche Politik auf dem deutsch - Deckungsfrage, und erwähnte auch nichts davon, daß der Repara­menten wie in Magdeburg , überging den wesentlichen Punkt, die nationalen Parteitag in Königsberg , wo Graf We starp als Ziel der Politik der Rechten die Befreiung von der wefens- tions agent wegen seiner Finanzpolitik bei ihm vorstellig ge­fremden Staatsform" verkündete und Herr von Keudell die schlaue worden wäre. Da Herr Köhler sich über die Dedungsfrage holden Jufionen Barole ausgab, die Deutschnationalen in der Regierung müßten hingegeben hat, rechnet man in der Zentrumsfraktion sogar damit, daß die Reichstagsmehrheit von den an fich schon fümmerlichen Erhöhungen Abstriche machen wird, um die Besoldungs­vorlage überhaupt zu retten. Die 3entrumsfraktion hat jedenfalls nicht umsonst beschlossen, während der vierwöchigen Reichstagsferien jeden Donnerstag eine Bollfigung abzuhalten. Vor allem aber ist die Unzufriedenheit über die Finanz- und Beamtenpolitik des Herrn Köhler in den Kreisen der Arbeiter und Beamten der Zentrumspartei sehr groß, so daß man die Tage dieses Finanzministers als gezählt zeichnet. Hinzu kommt noch die Einbuße an Vertrauen, die dieser be bis dahin als gut republikanisch geltende Mann erlitten hat, als er sich so merkwürdig rasch bereit erklärte, in die Regierung Marg ein zutreten.

Die Zentrumspresse begehrte auf. Das Blatt des Herrn Ioos geißelte scharf das Widerliche, Unehrliche und alle politischen Sitten verwildernde Doppelspiel", das schon in dem Augenblick des Eintritts der Deutschnationalen in die Reichsregierung begonnen habe. Schließlich erschien der Borsigende der Zentrumsfrat. tion auf dem Plan und erklärte, man lasse sich dieses Doppelspiel night länger gefallen und bei dem Wiederzusammentritt des Reichstages würde mau denen um Westarp das nötige eröffnen. Das Thema So tann es nicht weitergehen" war faft eine ständige Rubrif in allen Organen des Zentrums geworden.

Ergebnislose Verhandlungen.

Der Reichstag ist inzwischen wieder nach Hause gegangen, aber es ist merkwürdig still geworden um die Auslegung der Richtlinien. Die angekündigten Berhandlungen zwischen Zentrum und Deutsch nationalen haben zwar stattgefunden, man ist sich auch ordentlich in die Haare geraten, aber fein Wort ist über das Ergebnis der Verhandlungen in die Deffentlichkeit ge­drungen.

Das hat seine guten Gründe. Im Reichstag gingen die Deutsch­nationalen mit äußerst zufriedenen Gesichtern herum, während es beim Zentrum betretene Mienen gab. Die Deutschnationalen machen gar kein Hehl daraus, daß sie sich auf die Forderung des Zentrums nicht eingelassen haben. Es handelte sich, wie man hört, um zwei Dinge.

Zunächst verlangte das Zentrum die Einstellung der Agitation gegen die Reichsfarben und Repettierung der Richt­linien in diesem Punkte. Die Deutschnctionalen gaben allgemeine Erklärungen ab, mit denen nichts Bestimmtes anzufangen war. Sie wollen zwar die schwarzrotgoldene Fahne respektieren so, wie sie

es auffassen, aber das hindert die Presse der Rechten nicht, weiter höhnend von der schwarzrotgelben Flagge zu sprechen und ein lautes Geschrei zu erheben, wenn die preußische Regierung der Reichsflagge die nötige Achtung zu verschaffen sucht.

Ganz ablehnend haben sich die Deutschnationalen in dem anderen Bunfte verhalten. Es wurde von ihnen verlangt, daß fie ihre monarchistische Agitation einzustellen hätten, da eine solche Propaganda für eine republikanische Regie. rungspartei eine Unmöglichkeit darstellte. Das ist zwar eine Binsen wahrheit, aber die Deutschnationalen pfiffen auf die Richtlinien und Einwendungen des Zentrums und erflärten, auf diese Agita­tion nicht verzichten zu können.

Man ging refultatios auseinander. Es war ursprünglich geplant, in einer gemeinsamen Ertlärung noch einmal eine authentische Auslegung der Richtlinien zu geben. Dazu fam es infolge der höhnisch abweisenden Haltung der Deutschnatio­

nalen aber nicht.

Das Zentrum mußte deshalb erleben, daß die so schön ausge flügelten Richtlinien beiseite geschoben wurden. Das unehrliche Doppelspiel geht also weiter, und man tann einigermaßen gespannt auf das Echo sein, das aus den Arbeiterwählern im Westen zurüd hallen wird. Herr Marg aber tut erst recht, als sei nichts geschehen!

Unzufriedenheit mit Köhler.

Durch die unnatürliche Verbindung des Zentrums mit der Rechten in der gegenwärtigen Regierung sind für das Zentrum Tage angebrochen, von denen es mit einem biblischen Wort sagen fann: Sie gefallen uns nicht!

Die Besoldungsreform in Preußen. Verhandlungen im Hauptausschuh. Der Finanz­minister über Gilberts Memorandum.

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Der Hauptausschuß des Landtages begann am Montag nachmittag die Borberatung des preußischen Besoldungs­gefeges. Nach längerer Geschäftsordnungsaussprache wurde be­fchloffen, die vier Spikenorganisationen zu hören, nämlich den Deutschen Beamtenbund, den Allgemeinen Deutschen Be amtenbund, den Reichsbund höherer Beamten und den Reichsbund der Zivildienstberechtigten. Nach Abschluß der allgemeinen Aus­prache, die sich voraussichtlich auf drei Tage erstrecken wird, soll ein Unterausschuß eingesetzt werden.

Nach der Berichterstattung über den ersten Abschnitt nahm der preußische Finanzminister Dr. Höpfer- Aschoff das Wort. Er gab im Rahmen der Begründung der Besoldungsvorlage auf An­fragen aus dem Ausschuß die folgende Erklärung zum Schritte Barter Gilberts ab:

,, Es ist durch die Veröffentlichung einer amerikanischen Zeitung bekannt geworden, daß der Herr Reparationsagent dem Herrn Reichsfinanzminister ein Memorandum übersandt hat, in dem er zu den großen Fragen der Finanzpolitik des Reiches, der Länder und Gemeinden Stellung nimmt und im Zusammenhang hiermit auch die Frage der Besoldung berührt. Ich glaube nicht, an­nehmen zu sollen, daß dieses Memorandum dazu führen tönnte, daß die Besoldungsvorlage der Reichsregierung etwa zurüdge= nommen werden würde. Ich nehme weiter an, daß der Herr Reichsfinanzminister am Mittwoch bei der Beratung des Haupt­ausschusses des Reichstages zu den aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen wird und halte es daher nicht für zweckmäßig, daß wir die Erörterung über die aufgeworfene Frage hier vertiefen." daß er im Reichsfabinett sich zur In seinen weiteren Ausführungen erklärte der Minister weiter, Uebernahme Don 120 Millionen Ausgaben aus der Besoldungsordnung bereit erklärt habe. Er fönne jetzt fagen, daß Breußen fogar 130 Millionen zur Verfügung stelle. Aber für den Restbetrag müsse das Reich helfend eingreifen. Denn Breußen tönne seine Berwaltung nicht mehr weiter broffeln, weil sonft der Lebensnerv jeder Verwaltung getroffen werden würde.

Für die sozialdemokratische Fraktion sprach sodann der Abg. Dieser blamable Ausgang der laut angekündigten Berhandlungen Simon- Neusalz, der den Willen der preußischen Staatsregierung an mit ber Rechten wird ergänzt durch die Schwierigkeiten, die Rei serkannte, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel bie not finanzminister Röhler der Reichstagsfrattion des 3en lage ber Beamten zu mildern.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3 Boftichedtento: Berlin 87 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angeftelten unb Beamten. Wallfte. 65: Distouto- Gesellschaft. Devontentafe Sindenftr. 3.

Kampf der Todesstrafe!

Zur Auseinandersetzung im Strafrechtsausschuß. Bon Alwin Saenger .

Der Kampf gegen die Todesstrafe tritt in das ent­scheidende Stadium ein. Der Strafrechtsausschuß des Reichstags wird sich in den nächsten Tagen mit der Frage nach Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe be­schäftigen.

Unter den Fragen, die in dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzentwurfes zu lösen sind, stehen die Herauffezung des Strafmündigkeitsalters der Jugend und die Beseitigung der legalisierten Tötung eines Menschen durch die Staats­gewalt an erster Stelle. Das erste Problem ist in der ersten Lesung des Gefeßentwurfs im Ausschuß negativ erledigt worden. Wir Sozialdemokraten fönnen abwarten, ob auch bei der zweiten Frage von den Regierungsparteien ein wirk­licher fultureller und krimineller Fortschritt wieder abge­

lehnt wird.

Für die Beibehaltung der Todesstrafe führen die Motive des Gesetzentwurfes an, daß die Zeit für die Abschaffung dieser Strafart noch nicht gekommen sei. Angesichts der in­folge des langen Krieges eingetretenen allgemeinen Berrohung, angesichts der noch fortdauernden Zunahme von Mordtaten grauenerregender Art erscheine es nicht mög­lich, auf das in der Todesstrafe zweifellos liegende starke Abschreckungsmittel zu verzichten. Die von der deutschnatio­das friegerische Stahlbad" besteht sicher. Eine Strafrechts­nalen Reichsregierung amtlich anerkannte Verrohung durch reform, die auf der Grundlage wissenschaftlicher, soziologi­scher Erkenntnis aufzubauen ist, fann unmöglich den Ge­fichtspunkt einer akuten Psychose vorherrschen lassen. Wir geben zu, daß durch die Statistik der Zahlen der entscheidende Beweis gegen die Notwendigkeit von Hinrichtungen nicht erbracht werden kann. Für eine Begründung zur Aufrecht­erhaltung der Todesstrafe ist die Kriminalistik aber sicherlich am untauglichsten. Italiens größter Kriminalist, Enrico Ferri , teil in seinem Lehrbuche Die pofitive Strafrechts­Schule" mit, daß auf 1 Million Italiener wegen Mordes Ver­urteilte im Jahre 1875 noch 122, 1914 nur mehr 41 famen. Die Folgen der Abschaffung der Todesstrafe in Italien zeigt Besonders bemerkenswert ist, daß alle anderen Delikte, mie sich somit deutlich in einer Abnahme schwerer Mordtaten. Diebstahl, Betrug, Urkundenfälschung usw., in dem gleichen Beitraum zugenommen haben. Ein ähnliches gilt für Defter­reich nach der Abschaffung der Todesstrafe durch das Gesez vom 3. April 1919. Auch in Oesterreich sind aber andere schwere Straftaten wie Sittlichkeitsverbrechen und schwere förperliche Beschädigung trotz Beibehaltung strengster Straf­androhungen ganz erheblich gestiegen.

In Deutschland wurde 1920 jeden zweiten Tag, 1924 bei­nahe an jedem dritten Tag eine Todesstrafe ausgesprochen. Dr. von Henting hat gerade angesichts der Häufung der Todesurteile in Deutschland mit Recht darauf hingewiesen, daß damit eine schnelle Abstumpfung des schärf­ften Strafmittels gegeben sei. Er schreibt: ,, Wenn man etwas nicht zu sagen scheut, weil es geistreich flingt, so könnte man behaupten, daß die eindringliche Wirksamkeit der Todesstrafe nur durch die Abschaffung hergestellt werden könnte." Schon die bisherige Pragis in der Bollziehung rechts­kräftig gewordener Todesurteile widerspricht vollkommen der Behauptung in den Gesetzesmotiven, daß die Todesstrafe unter dem Gesichtspunkte einer Generalprävention heute noch erforderlich sei. Nur bei einer unterschiedslos durchgeführten Bollziehung eines jeden erkannten Todesurteils könnte man die Frage nach der Generalpräventation gegen Mörder durch Todesandrohung unter Beweis stellen. Eben weil die Zahl der Begnadigungen der zum Tode verurteilten Menschen so­wohl im vorrevolutionären wie im nachrevolutionären Deutschland im Durchschnitt der Jahre ungleich größer war als die Zahl der vollstreckten Todesurteile, hat der Gesichts­punkt der Generalprävention als prattisch gegenstandslos auszuscheiden. Denn ein jeder zum Tode Verurteilte wenigen Fällen deutlich erkennbarer Anormalität abgeſehen -rechnet mit seiner Begnadigung.

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von

Es ist ein Lichtpunkt in dem Kampfe wider eine ata­vistische Brutalität, daß wenigstens von ärztlicher Seite in entschiedener Weise für die Abschaffung der Todes­Strafe Stellung genommen worden ist. Professor Grot­jahn stellte bei der Besprechung des Gefeßentwurfs auf einer Tagung des preußischen Gesundheitsbeirates folgendes feft: Wir Is Aerzte haben die Pflicht, das Leben zu schützen, und müssen deshalb dafür eintreten, die Todesstrafe abzu­schaffen. Es ist mehrfach vorgekommen, daß Mörder, die nachher begnadigt wurden, sich später als offenfundig geistes­frant erwiesen haben. Hätte man sie geföpft, hätte man einen Juftizirrtum begangen... Aus diesem Grunde liegt es auch im gerichtsärztlichen Interesse, die Todesstrafe ab= zuschaffen." richtig anerkannten Gedankens der Besserung und Erziehung Unter dem Gesichtspunkte des heute fast allgemein als