godenino ni busai
Abendausgabe
Nr. 505 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 250
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Dienstag
25. Oktober 1927
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Kendell blamiert sich!
Das Schulgesetz vor dem Ausschuß.- Hilflose Regierungsansreden zur Kostenfrage
Im Reichshaltsausschuß für Bildungswesen , in tem der deutschnationale Abgeordnete Mumm den Borfizz führt, wurde heute vormittag 11 Uhr die Beratung des Reichsfulgefeges begonnen.
Ein Antrag der Kommunisten, diesen Gegenstand von der Tagesordnung bis auf Erledigung ihres Antrages auf Streichung der Artikel 146 und 149 abzusehen, wurde abgelehnt. Die fommunistischen Vertreter verlangten weiter, daß der Reichsfinanzminister herbeigerufen werde, damit er über die finanzielle Auswirkung des Gesetzes für das Reich und über die Deckung der Kosten Auskunft erteile. Diefem Antrag schloffen sich die sozialdemo fratischen Vertreter, deren Standpunkt von den Abgg. Schred und Crispien begründet wurde, an. Er wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten abgelehnt.
Der Reichsinnenminister Dr. v. Keudell
sollte dann eine zusammenfassende Uebersicht über die Beschlüsse des Reichsrats und dessen Berhandlungen über das Reichsschulgesetz geben. Wenn man die Ausführungen dieses Ministers als hilf loses Gestammel bezeichnet, so gibt man seiner Rede noch ein sehr mildes Prädikat. Herr v. Keudell ſetzte alles, was im Reichsrat verhandelt worden war, als bekannt voraus. Zur Kostenfrage meinte er, daß er darüber eine Auskunft geben könne, übrigens fei fie ja auch für die Beratung des Gesetzes ohne Bedeutung, denn die finanzielle Auswirkung werde sich ja erst nach drei Jahren ergeben. Schließlich sei im kabinett noch gar 1 teine Einigung über die Berteilung der Kosten erfolgt. Sprachs und war auch schon am Ende.
Wirkte das Auftreten dieses Herrn Ministers für die Partei, die ihm in sein jetziges Amt geschickt hat, geradezu nieber drückend, so vertrat mit um so größerer Gründlichkeit der
Ministerialdirektor Kaeffner.
den preußischen Standpunkt. Er stellte fest, daß vor der Einbringung des Entwurfs die Länder vom Reichsministerium des Innern gar nicht gehört worden sind. Das ist bisher noch bei feiner Borlage der Fall gewesen. Mit reichem statistischen Material führte Kaestner den Nachweis, daß auch bisher schon in Preußen die Be fenntnisschule fichergestellt sei. Nur für die weltliche Schule fehlten gefeßliche Unterlagen. Es bestehe deshalb ein großes Mißverhältnis zwischen der Zahl der weltlichen Schulen und der Zahl der bekenntnisfreien Kinder. Hier müsse
Die Bergarbeiter wehren sich.
Streif gegen Maßregelung. Liebenwerda, 25. Offober.
Auf zwei Gruben der Umgebung, Hanja und Wilhelan, wird auch heute noch gestreift. Die Werkleitung hatte auf diesen Gruben die Wiedereinstellung einer Anzahl Arbeiter abgelehnt mit der Begründung, daß die wirtschaftliche Lage des Betriebes die Berminderung der Belegschaft erforderlich mache.
Die Belegschaftsversammlungen beschlossen daraufhin die Fortsehung des Streifs und riefen die Or
ganisationen an.
Im übrigen ist die Arbeitsaufnahme im hiesigen Revier vollständig erfolgt. Auch die Differenzen wegen der Wiedereinstellung von Bergleuten find fast refilos beseitigt.
Wie sie kommandieren! Konservativer Rüffel für deutschnationale Minifter.
Die Konservativen pochen auf ihr Recht, die Deutsch nationale Boltspartei zu fommandieren. Ihr Hauptorgan, die Kreuz 3eitung", beschäftigt sich mit Aeußerungen, die der Reichsverkehrsminister Koch und der Reichstags= abgeordnete Wallraf auf dem Deutschnationalen Parteitag zu Düsseldorf über das Verhältnis der Deutschnationalen Bolfspartei zu den Konservativen getan haben. Minister Roch hat ausgeführt:
Wir müssen es ablehnen, uns non einer Gruppe, wenn auch tüchtiger Männer, vorschreiben zu lassen, was mir zu tun und zu lassen haben; denn erstens die Zahl Der Ronfervativen ist sehr gering, und zweitens, ihre Auffassung vom Staat und politischen Leben ist
sehr weltfremd. Wir müssen es ablehnen, daß die Stonser. vativen in die deutschnationale Politik hineinreden."
Darauf verweist die Kreuz- Zeitung " den deutschnationalen Minister mit Hohnlachen darauf, daß das deutschnationale Programm das Programm der Konservativen sei:
Wir wollen einen authentischen Tegt abwarten. Sollte aber die Aeußerung, wir Konservativen mären weltfremd",
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eine Aenderung eintreten, sonst würden die Schulstreiks kein Ende nehmen. Die Simultanschule habe in Preußen zahlenmäßig nur geringe Bedeutung. Eingehend behandelte der Bertreter Breußens dann die Kostenfrage, die nicht unbedentlich sei. Die Verhandlungen im Ausschuß gehen weiter.
Die Parteiführer beim Finanzminister. Erste Informationen. Dauernde Fühlungnahme beabsichtigt.
Reichsfinanzminister Dr. Köhler empfing heute vormittag gemeinsam mit dem Reichskanzler Dr. Marx die Führer der Regierungsparteien, um ihnen Mitteilungen über die Besprechungen mit dem Reparationsagenten zu machen. Für die Deutschnationalen war Graf West arp, für die Bayerische Volkspartei der Abgeordnete Leicht, für das Zentrum der Abgeordnete Brüning, und für die Deutsche Boltspartei der Abgeordnete Dr. Scholz erschienen,
Nachdem der Finanzminister die Regierungsparteien über den Stand der Dinge informiert hatte, empfing er auch Bertreter der übrigen Reichstagsfraktionen mit Ausnahme der Kommunisten und der Böltischen, um ihnen Auskunft über dieselben Fragen zu geben. Es waren erschienen die Abgg. Wels, Dittmann und Dr. Hilferding von den Sozialdemokraten, Koch Beser und Dietrich Baden von den Demokraten sowie der Wirtschaftsparteiler Dre mig.
Die Besprechungen mit den Regierungsparteien dienten zunächst nur zur Informierung über die Probleme. Der Reichsfinanzminifter wird laufend Fühlung mit den Parteien halten.
für heute vormittag eine Besprechung vorgesehen. Auch mit den Vertretern der Gewerkschaften hatte Dr. Köhler für heute vormittag eine Besprechung vorgesehen.
Die Reichsregierung läßt erklären, daß sie nicht die Absicht habe, die Vorlage über die Beamtenbesoldung so zu verändern, daß die Belastung geringer werde; die Par teien des Reichstags allerdings hätten die Möglichkeit einer Revision. einer Revision. Soll das etwa heißen, daß die Regierungsparteien aus den zu erwartenden Deckungsschwierigkeiten die Konsequenzen ziehen sollen? Weiter läßt die Reichsregierung erklären, daß sie die Schulvorlage nicht zurüdzustellen, sondern mit aller Energie zu fördern gedente, um so mehr, als bisher ein Antrag auf Zurückstellung noch nicht eingegangen sei.
der deutsch konservativen Auffassung entspricht, nicht mehr als gültig ansieht. Im übrigen haben immer voraus gesetzt, daß die Worte des Reichsministers Koch so gelautet haben, wie berichtet wird die Konservativen mindestens genau dasselbe Recht ,,, in die deutschnationale Politik hineinzureden", wie andere Gruppen, seien sie ursprünglich chriftlich- sozial oder frei fonservativ gewefen."
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Gegenüber Wallraf wird die Kreuz- 3eitung" noch deutlicher:
,, Was die Aeußerung von Exzellenz Wallraf betrifft, die Deutschnationale Bolkspartei sei eine Fortfegung der Deutsch Konservativen Partei, sondern in ihr hatten fich die verschiedensten Elemente im Kampf für Baterland, Christen tum und sozialen Frieden zusammengefunden, so sei, auch hier unter dem Borbehalt, daß der Bericht genau ist, höflich it an die Entstehungsgeschichte der Deutschnationalen Bolkspartei erinnert. Die Deutschnationalen sind ans der alten fonservativen Partei hervorgegangen unter hinzunahme anderer fleinerer nahestehender Gruppen. An dieser Tatsache läßt sich nichts abstreichen." Also: wir Konservativen sind die Partei, und alle anderen find nur geduldet. Das ist deutlich und straft alle Dementis der deutschnationalen Pressestelle Lügen.
Zu allem Ueberfluß meldet sich Graf West arp, der Bertrauensmann der Konservativen und Vorsitzende der Deutschnationalen Boltspartei. Er hat dem Berliner Kor: respondenten des ,, Giornale d'Italia" erflärt:
„ daß der Stahlhelm nun seine Zurüdhaltung auf geben und mit seinen über sechshunderttausend Mitgliedern, zum Schwarzweißrot fei bie Lofung als ein Zeichen feines größten Teil Frontfämpfern, an dem Wahlkampf teilnehmen werde. und Baterlandsliebe. Das Wahlprogramm der Deutschnatio. offenen Glaubensbetenntnisses für Monarchie nalen Boltspartei werde sich im wesentlichen mit dem des Stahlhelms beden, wenn auch die monarchische Frage für die Bartei nicht dringlichen Charakter habe."
Bunde mit dem Stahlhelm! Da soll noch einer sagen, das Also: unter schwarzweißrot für die Monarchie im fonfervative Rommando entspräche nicht den Tatsachen, und es sei ehrlich und charakterfest, wenn deutschnationale Minister der Republik unter der Parole: Mit Schwarzweißrot für die Monarchie in den Wahlkampf ziehen!
outhentisch sein, so möchten wir denn doch fragen, ob etwa Dr. daß der englische Union Sad in den Hauptstädten auf den öffent Der Flaggenstreit in Südafrika ist in der Weise beigelegt worden, Koch das Innehalten des im Jahre 1919 aufgestellten deutlichen Gebäuben, wie z. B. den Barlamentsgebäuden und anderen, nationalen Programms, zu dem sich der diesjährige bie in einer Brottamation befanntgegeben werden sollen, sowie auf große Barteitag aufs neue betannt hat und das allen Schiffen und Deds gehißt wird
Zehn Jahre Sowjetdiktatur.
Ein Jubiläum ohne Freude.
Von Peter Garwy.
Die Sowjetregierung feiert das zehnjährige Jubiläum der bolschewistischen Machtergreifung. Es flopfen die Hämmer, um Festbühnen auf den geschichtlichen Plätzen der beiden russischen Hauptstädte zu errichten, um vor erstaunten Augen der aus allen Ländern zusammengebrachten ,, Arbeiterdelegationen" die heroische Vergangenheit" der bolschewistischen Diktatur zu beleben. Festlärm dringt über die Grenzen nach Europa .
Aber in das feierliche Getöse mischen sich schneidende Dissonanzen. Der rastlose Fraktionskampf innerhalb der KPDSU. loderte gerade in den letzten Tagen hoch auf, als ob mit 2bficht die Freudlosigkeit dieses Festes unterstrichen werden sollte. Und in der Tat ist es schwer zu entscheiden, ob die flopfenden Hämmer Feierbühnen für die heutigen Triumphatoren oder Gerüste mit der Guillotine für Trozzki und Konsorten aufrichten...
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Es ist kein Zufall, daß der allmächtige Diftator Stalin das Jubiläum der Sowjetmacht als ein Mittel des Vernichtungskampfes gegen die Opposition zu benutzen sucht. Es ist kein Zufall, daß die Festreden in den Paradefizungen mit Haß gegen die Opposition vergiftet sind und zur entfchiedenen Liquidierung der inneren Feinde" auffordern. Es sieht so aus, als ob die Fahne des Kommunismus“ recht habe mit der Behauptung, daß Stalin ein Programm" der Liquidierung der tommunistischen Revolution in Einzelheiten schon ausgearbeitet habe. Nach diesem strategischen Plan beabsichtige Stalin ein Matt in drei Zügen": erster 3ug: die Jubiläumsfeier als Demonstration der ,, Anerkennung" der gegenwärtigen Partei- und Staatsspizen durch das Bolt; zweiter Zug: Parteitag im Dezember zum Zweck der endgültigen Liquidierung der fezerischen ,, fleinbürgerlichen" Opposition; dritter Zug und Schach und Matt: ein thermidorianisch- bonapartistischer Staatsstreich unter dem Deckmantel der Rettung der bolschewistischen Revolution" von der Gefahr eines gegenrevolutionären Umsturzversuches durch die Trozkisten, die„ bürgerlichen Parteilofen" und die weißgardistischen Monarchisten....
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Der Parteistreit nähert sich der entscheidenden Phase. Beide Seiten greifen zu den legten Kampfmitteln. Umsonst protestiert die Opposition gegen die Einmischung der Staatspolizei, der fürchterlichen GPU., in den Parteikampf. Umsonst hat vor furzem der mit Troßfi aus dem Effi ausge schlossene ujowitsch flammenden Protest erhoben gegen die illoyale Ausnutzung des Staatsapparates durch Stalin . Verspätete Proteste und Klagen! Stalin sezt nur die Methode Sinowjews, Trogtis, Kamenews sort. Gerade Trojkiwar der Vater der Theorie" über die Notwendigkeit eines Busammenwachsens von Partei und Staat" als Garantie der siegreichen Diktatur des Proletariats. Tu l'a voulu, George Dandin!" Du hast es gewollt, Leo Trotzki !
Die demokratische" Borbereitung zum Parteitag ist in vollem Gange. Die Wahlplattformen sind durch) Prostriptionslisten ersetzt, die durch Stalin feierlich verburch die Berhöre in den Folterkammern der GPU. die freie sprochene Parteidiskussion vor den Parteiwahlen- Wahl der Delegierten durch Ausschließungen, Haussuchun gen, Berhaftungen, der zum letztenmal der Opposition zugeworfene Rettungsring" durch eine Eisenkugel, die an das Bein der über Bord geworfenen„ politischen Leichen" angehängt wird.
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Die Parteioppofition, aus allen legalen Positionen verdrängt, fämpft mit Berzweiflung, um sich wenigstens unterirdisch zu befestigen. Aber unter dem bolschemistischen Terror sind die illegalen Möglichkeiten viel geringer als in den Barenzeiten. Wie es die jüngste Enthüllung eines Lockspitzeltrusts" der GPU. , der die monarchistischen Verschwörungen und Attentate provoziert und inszeniert hatte, beweist, ist das Lockspigelfum jetzt bei weitem stärker entwickelt, als in dem auch polizeilich rückständigen zaristischen Ruß land ...
Die illegalen Möglichkeiten werden immer geringer. Es ist beachtenswert, daß die russische Parteiopposition genötigt war, fich im Ausland ein Sprachrohr Die Fahne des auf dem Wege der llebertragung der illegalen Tätigkeit der Kommunismus" zu schaffen. Das scheint der erste Schritt Parteioppofition nach dem Auslande zu sein. Aber die merte Tatsache nach, daß sie ihr linkskommunistisches Sprachrussischen Oppositionellen denten faum über die beachtensSozialverräter" geschaffenen und gefestigten bürgerrohr ausgerechnet im Lande einer verächtlichen", durch lichen Demokratie" herausgeben müssen, während in dem ersten Lande der proletarischen Diktatur" eine harmlose Vervielfältigung der Oppositionsdokumente als ein schweres vor bleibt die Opposition gleich der Mehrheit auf dem Boden Berbrechen" gebrandmarkt und verfolgt wird. Nach wie der Diftatur und der allgemeinen Rechtslosigkeit. Nicht den Weg der Boltsbewegung, sondern den Weg der Parteimanöver und Balastrevolutionen hat sie gewählt.
Das Proletariat aber schweigt. Die Arbeitermassen, die in Petersburg vor dem Bahnhof als Statisten zum Fest verglorreichen Oktoberrevolution, Trofi und Sinowiem, fammelt wurden, begrüßten die wirklichen Heroen" der mit einem Totenschweigen, das nur durch das Pfeifen und 3ischen der Stalinichen Claque unterbrochen wurde..
Die bolichemistische Presse wird die geschichtliche Phase