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Nr. 510 44. Jahrgang Ausgabe A nr. 259

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" Sozialbemotrat Berlin"

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Freitag, den 28. Oktober 1927

Noch keine Verständigung mit Polen !

Wieder kein Kabinettsbeschluß.

Das Reichskabinett fonnte sich in seiner geftrigen Sitzung| Handelsvertrag angestrebt wird, der uns ein Quantum erst in später Stunde mit der Frage der deutsch - pol- billigerer Lebensmittel und unserer Industrie nischen Handelsvertragsverhandlungen be- eine Vergrößerung ihrer Ausfuhr bringen könnte! faffen. Infolgedeffen war es nicht möglich, die Besprechung darüber zum Abschluß zu bringen, welche daher in einer der nächsten kabinettsjigungen ihre Fortjehung finden wird.binetssigungen ihre 3

Als vor etwa einem halben Jahre, nach damaliger offizieller Mitteilung, mit Polen eine befriedigende Regelung des so lange umstrittenen Niederlassungsrechtes erreicht wurde, erklärte die Reichsregierung oder ihre bevollmächtigte Bertretung gleichzeitig den Polen und der Deffentlichkeit, daß zu den sonstigen Vorfragen einer Wiederaufnahme der Ver­handlungen über einen Fandelsvertrag die deutsche Antwort im September erteilt wird.

An drei Jahre zieht man die Völker dies- und jenseits der deutsch - polnischen Grenze mit diesem Dauerverhandeln und Nichtverhandeln an der Nase herum. Wenn es nach den offenbar bestimmenden Wünschen der Großagrarier geht, soll dieses Spiel bis ins Unendliche fortgesetzt werden.

Erregung in Warschau .

Warschau , 27. Oftober.( Eigenbericht.)

Die Beunruhigung über die immer wieder verzögerte

Entscheidung des deutschen Kabinetts über die Wiederaufnahme der

Handelsvertragsverhandlungen nimmt in Warschau täglich zu.

Das ist nicht geschehen. Man hat die vierte Oktober­Diese Erregung ist um so begreiflicher, als inzwischen mit voller woche herankommen lassen, ehe man endlich, vorwärts Sicherheit bekanntgeworden ist, daß die polnischen Maximal gedrückt von der Presse der Linken, die Angelegenheit auf 3ölle, die von deutscher Seite als Hauptargument gegen die Ver­Lie Tagesordnung der Bürgerblockregierung stellte. Gestern handlungen vorgebracht werden, im Dezember d. 3. bestimmt nicht solten die Reichsminister also beschließenden den deutschen in Kraft treten werden, sofern die deutsch - polnischen Wirt Gesandten in Warschau mit Besprechungen über gewisse Bor- schaftsverhandlungen bis dahin positive Teilrefultate erzielt haben. fragen zu beauftragen, nach der n Ergebnis dann eventuell die weiteren Borbereitungsmaßnahmen für richtige Ber­handlungen zunächst einmal erörtert, dann geprüft und schließlich pielleicht sogar beschlossen werden sollten; wenn nämlich die deutschnationalen Agrarier und ihr Reichs­minister Schiele so gnädig sind, zu erlauben, daß ein

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Moralische Niederlage Keudells. Seine Vorwürfe gegen Dr. Badt unbegründet. Die Bollversammlung des Reichsrats hat im Falle Keudelt. Badt die folgende Entscheidung gefällt:

Der Vorwurf des Reichsinnenministers von Keudell gegen Mi­nifterialdirektor Dr. Badi, er habe die Bertraulichkeit verletzt, findet in den tatsächlichen Hergängen teine Stütze.

Gegenüber dem Vorwurf der Jrreführung ist der Reichsrat un­zuständig.

Eine Wiederholung der Vorgänge iff nach einer befriedigenden Erklärung des Reichsinnenministers über die for melle Art feines Borgehens nicht zu besorgen. 190

( Ausführlicher Bericht 3. Seite.)

Flaggendebatte im Rathaus. Große Mehrheit gegen den deutschnationalen Mißtrauensantrag.

In der Berliner Stadtverordnetenversammlung erlebten gestern abend die Deutschnationalen mit ihrem Mißtrauensantrag gegen den Oberbürgermeister Böß wegen feines energifchen Eintrefens für die Reichsflagge, verdiente Abfuhr.

Die Borbedingung hierzu ist selbstverständlich die sofortige Aufnahme der Berhandlungen, wozu die Initiative von deutscher Seite ausgehen muß, da sich Polen für die Aufnahme der Berhandlungen bereits durch di. Zugeständnisse in der Nieder­laffungsfrage ausgesprochen hat. In der polnischen Preffe findet man jegt im allgemeinen vertragsfeindliche Aeußerungen nicht.

Ein erheblicher Teil der Staatsforsten, etwa die Hälfte der Domänen und das Bad Wildungen werden an den Staat Preußen fallen mit der Maßgabe, daß dem Zwedperband ein Teil der Einfünfte des Badebetriebes auf eine Reihe von Jahren und später eine Beteiligung an dem Bad gesichert bleibt.

Der Staat Preußen wird allerdings diese Zuwendung mit er­heblichen Kapitalinvestitionen für den Ausbau des Bades Wildun­gen beantworten müssen, so daß beide Teile auf ihre Rechnung

tommen fönnen.

Ebenso hat sich namentlich auf dem Schulgebiet eine Einigung anbahnen lassen, die den besonderen Interessen der ab­gelegenen Orte Waldeds ausreichend Rechnung trägt.

Kongreß der Radikalsozialisten. Eine Programmrede des Parteivorsitzenden . Paris , 27. Oktober. ( Eigenbericht.)

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Schützt die Verfassung!

Das Reichsgericht versagt gegenüber Rechtsputschiften, Der alldeutsche Herr Claß hat ein Glück gehabt, das bedenkliche Rückschlüsse auf den Grad seiner Intelligenz zu ziehen gestattet.

putschistische Tätigkeit durch die preußische Polizei rücksichts­Am 15. Dezember 1925 schrieb dieser Mann, dessen loserweise gestört wurde, an Wilhelm II. : gescharten Getreuen, deren Zahl und Bedeutung mit der wachsenden ,, Eure Majestät dürfen sich versichert halten, daß die um mich Not gewachsen ist, mit unerschütterlichem Willen am Werke sind, mit dem Ziel, im gereinigten und befreiten Vaterland das hohen= zollernsche Kaisertum in erhöhtem Glanze auf­

richten zu helfen."

Am 26. Januar 1926 fandte Herr Claß an die gleiche Adresse einen Brief, in dem die folgenden Säße zu lesen

maren:

,, Die Not nimmt zu, die Kommunisten bereiten sich auf den großen Schlag vor, den sie führen wollen, die Regierung und das feige Bürgertum versagen. Angesichts dieser Tatsachen haben wir zur vaterländischen Selbsthilfe aufgerufen, indem wir die Deutsche Notgemeinschaft ins Leben gerufen haben."

Die Deutsche Notgemeinschaft war nicht die einzige Gründung, die in die Zeit dieses Schreibens fällt. Damals wurden auch die Herrn Claß sehr nahestehenden Vaterländi­schen Verbände unter einheitliche Führung gestellt, nämlich unter die des Korvettenkapitans Ehrhardt, der mit der gleichen Bedenkenlosig.cit Meineide leistet und Butsche unter­

nimmt.

In dem Schreibtisch des Majors v. Luck, des Führers des Sportvereins Olympia" fand die Polizei einen Blan zum Aufmarsch gegen Berlin . Er begann mit dem Sazze: ,, Sammelpläge dürfen nicht allen Mitglie= dern bekanntgegeben werden, da mit Berrat oder Leichtsinn zu rechnen ist." Ein Saß, der deutlich erkennen läßt, daß es sich nicht um Erörterung von Theo­rien gehandelt hat. Der Plan enthält in seinem weiteren Inhalt genaue Weisungen für das konzentrische Vorgehen der Baterländischen Verbände gegen die Reichshauptstadt. Ber­fasser war der Führer des Tannenbergbundes, ein Herr Knauer, der seine Menschenfreundlichkeit z. B. durch die Anweisung zur Zerstörung der Straßen von Spandau bewies.

Der alldeutsche Herr Claß hatte übrigens eine Patent= lösung zur Beseitigung der Republik und zur Wiederher­stellung des deutschen Kaisertums gefunden. Der Reichs­präsident sollte veranlaßt werden, die Reichsregierung durch ein Kabinett zu ersetzen, das aus Vertrauensmännern des Herrn Claß bestehen sollte. In Aussicht genommen waren der Lübecker Bürgermeister Dr. Neumann als Reichs­fanzler, Herr Hugenberg als Reichsfinanzminister, der Industrielle Dr. Wegener aus Kreuth als Innenminister, General v. Möhl als Reichswehrminister, Freiherr v. Lü­Am Donnerstag morgen wurde in Paris der 24, Kongreß der ning als Ernährungsminister. Sobald der Reichstag dieser Radikalsozialisten eröffnet.. Ueber 2000 Delegierte waren an- Regierung das Vertrauen versagte, sollte er aufgelöst und wesend. Die Vormittagssigung wurde mit der Prüfung der Mandate auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfas ausgefüllt. Die Nachmittagsfizung eröffnete mit einer Rede Partei- fung ein neues Wahlrechteingeführt werden, vorsitzender Sarraut. Er teilte mit, daß er aus Gesundheits- das so gedacht war, daß die Wahl einer monarchistischen rücksichten den Parteivorsiz niederlegen werde und deshalb ein Mehrheit in den neuen Reichstag als gesichert erschien. Außer Neben dem Mißtrauensantrag der deutschnationalen Nachfolger zu wählen sei. Sarraut unterstrich die Bedeutung des Dokumenten, die das Vorhandensein dieses Planes bewiesen, Gesamtfraktion hatten einige Deutschnationale in Gemeinschaft Kongresses angesichts der bevorstehenden Wahlen und die Wichtig wurde bei Herrn Claß der Entwurf einer Notverordnung be­mit knüppeffunze einen Bertrauensantrag eingebracht. feit eines 3 usa.n menschlusses aller freiheitslieben schlagnahmt. Ihr§ 1 erklärt die Verfassung des Reiches In namentlicher Abstimmung wurde über beide Anträge mit den den Elemente mit Rücksicht auf die bevorstehende Mobilisierung und die Länderverfassungen für aufgehoben, ihr§3 die auf Stimmen von Sozialdemokraten, Demokraten, Zentrum und Wirt- der Reaktion in Frankreich und ebenso in anderen Ländern. Der Grund dieser Verfassung gewählten parlamentarischen Kör­fchaftspartei Uebergang zur Tagesordnung be- Redner verteidigte dann die parlamentarische Tätigkeit der Partei perschaften für aufgelöst. Weiterhin hieß es in dieser inter­schloffen gegen den Vorwurf, bei den Finanzproblemen verjagt zu haben. effanten Urkunde: Im entscheidenden Augenblick habe sich die Partei um das Ministe­rium der nationalen Einheit geschart und die Finanzjanierung er­möglicht. Der Kongreß werde zu bestim.nen haben, inwieweit die Bartei im Intereffe der Sanierung der gegenwärtigen Regierungs politik weiter treu bleiben solle. Darüber hinaus sei ein festes Parteiprogramm zu entwerfen, an dessen Spize die Sozial reform treten müsse und in dem die Wahltaktik der Partei fest­gelegt werde. Das Progra.nm müsse den Kollettivismus Die unbedingt verwerfen und die Heiligkeit des Privateigen­tums betonen. Das tönnte aber nicht zu einem Wahlbünd nis mit den tonservativen Parteien führen. Die Radikalsozialisten müssen im Gegenteil wie bisher den Kontakt mit den anderen Linksparteien aufrechterhalten, ohne deshalb ihr Programm zu verleugnen, das demokratisch- national ohne Chauvinis. nus und vor allem sozial" sein müsse.

Borher hatte der deutschnationale Stadtverordnete v. Jedlin, Major a. D. und Leiter der Pressestelle der Deutschnationalen Bolts partei, die Verpflichtung seiner Partei auf die Regierungsrichtlinien pamit befräftigt, daß er in einem Zwischenruf die Fahne Schwarz­rofgold als die Fahne der Deserteure" bezeichnete.

Anschluß Waldecks an Preußen. Die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen. Grundlagen des Anschlusses.

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& affel, 27. Oktober. ( WTB.) Die diefer Tage zwischen Vertretern des preußischen Ministeriums und der Waldecker Landesvertretung geführten Verhandlungen über die Anschlußfrage haben, wie wir hören, am geftrigen Tage einen für alle Teile befriedigenden Abschluß gefunden, so daß der Anschluß, wenn nicht unvorhergesehene Ereignisse eintreten, als ge­fichert gelten fann.

Als Ergebnis der Berhandlungen ist in Aussicht genommen, das Land in der Weise an Preußen anzuschließen, daß zunächst die bestehenden albedschen Kreise auf die Dauer von zehn Jahren aufrechterhalten bleiben.

Um das beträchtliche Staatsvermögen den bisherigen Bewohnern von Walded zu sichern, wird ein besonderer 3 wed. Derband gegründet, auf den dieses Vermögen zum größten Teil übergeht

Zehn Jahre Normungsarbeit..

Der Deutsche Normenausschuß hält am heutigen Tage feine 10. Generalversammlung ab. In einem Zeitraum von zehn Jahren iff eine ungeheure Arbeit zur Bereinfachung von in Induffrie, Handel und Hauswirtschaft verwandten Gegenständen geleistet worden.

Im Wirtschaftsteil der heutigen Nummer wird diese Arbeit einer eingehenden Würdigung unterzogen.

,, Wer an einer hiernach aufgelösten Körperschaft weiterhin teil­nimmt und wer zur Teilnahme auffordert, wird mit dem Tode bestraft"

Arbeit, die Berweigerung der Dienstleistung für die Regie In diesem Stile ging es weiter. Die Einstellung der rung des Herrn Claß und eine Reihe anderer Tatbestände wurde mit dem Tode bedroht.

Die Aktion, die Herr Claß plante, erschien selbst Mit­gliedern der Vaterländischen Verbände so gefährlich, daß sie zur Polizeibehörde tamen und diese von den Claßschen Ge­dankengängen und Absichten unterrichteten. Das Berliner Polizeipräsidium schritt pflichtgemäß ein.

Aber es gibt noch Richter in Leipzig . Nach anderthalbjähriger Untersuchung haben sie Herrn Claß von der Anschuldigung des Hochverrats außer Ver folgung gefeßt. Mit welcher Begründung? Herr Claß habe lediglich zugunsten eines Minderheitskabinetts die ujung des Reichstags und gegebenenfalls Maßnahmen auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung vorgesehen. Und weiter Der bei Herrn Claß vorgefundene Entwurf einer Notver­ordnung habe, wie fast mit Sicherheit gesagt nerden önce, den beim Münchener Hitler- Butsch gefallenen Obersten Land­gerichtsrat v. b. Pforten zum Verfasser, doch hätten Die Ermittlungen feinen Anhalt dafür ergeben, daß ihre Ver­wendung von Claß im Jahre 1926 in Aussicht genomme worden sei.