fir. 52444. Jahrgang
Ausgabe A nr. 266
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Sonnabend, den 5. November 1927
Reaktion in Deutsch - Oesterreich.
Eine Darstellung des 15. Juli beschlagnahmt. die Arbeiterzeitung.
Wien , 4. November. ( Eigenbericht.)
Bor kurzem ist eine ausgezeichnete Darstellung der Wiener Julifchlacht aus der Feder des Genoffen Julius Br aunthal, der das Kleine Blatt" leitet, erschienen. Heute hat die Staatsanwaltschaft dieses Buch wegen 33 Stellen tonfisziert. Unter den beschlagnahmten Stellen sind besonders auch Photographien der einreitenden und schießenden Polizei, ihrer Dum- Dum- Geschoffe, der Todesopfer und ihrer Ruhestätte in dem von der Gemeinde Wien gewidmeten Ehrengrab; aber beschlagnahmt ist auch die dem Berliner Borwärts" entnommene Karifatur Seipels, der seine blutigen Hände in Unschuld wäscht.
Nach dem Gesetz der Republik muß der Beschlagnahme die Anflage vor dem Schwurgericht folgen. Braunthal ist bereits wegen mehrerer Artikel des„ Kleinen Blattes" angeklagt; für mehrere Arfitel der Arbeiter- Zeitung ", die zu einer Anklage gegen den ver
antwortlich zeichnenden Redakteur benutzt worden sind, hat Chefredakteur Austerlih die Verantwortung als Verfaffer über
nommen
Die Bürgerblöckler schwänzen.
Massenstrafverfahren gegen
traten und den anwesenden Mehrheitsparteilern. Als der Präsident die Sizung wieder eröffnete, verlangten die Sozialdemokraten Auszahlung und verließen den Sigungsfaal. Schriftführer Genosse Sever stellte 52 Anwesende feft. Unterdessen waren noch einige christlichsoziale Abgeordnete in den Saal gekommen, so daß der Schriftführer der Mehrheitsparteien 56 Anwesende und damit die Beschlußfähigkeit fonstatieren tommte. Sever, der von den Sozialdemokraten allein im Saale war, protestierte dagegen, doch nahm der Präsident die Verhandlung auf, und Finanzminister Dr. Rienböd erwiderte vor den leeren Bänken der Sozialdemokraten auf die Ausführungen Dr. Dannebergs.
Die von den Kommunisten für den 7. d. M. geplante Feier des zehnten Jahrestages der russischen Revolution auf dem Rathausplatz mit anschließendem a delzug über den Ring hat die Wiener Polizei verboten. Die Begründung wies auf die Ereignisse vom 15. und 16. Juli hin und betont, daß die noch immer eignisse vom 15. und 16. Juli hin und betont, daß die noch immer andauernde Beunruhigung der Bevölkerung durch folche Beranstaltungen gesteigert würde.
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Sm Nationalrat waren zur ersten Lesung des Budgets für 1928 nur menige Abgeordnete der Mehrheitsparteien anwesend. Genosse Danneberg hielt eine nahezu amei- Die Sozialdemokratie beruft in die beiden größten Arstündige Rede, worauf die Sozialdemokraten Schluß der Sigung beiterviertel Biens auf diesen Sonntagvormittag Boltsverfammbeantragten. Der Borsigende unterbrach die Sigung auf 10 Milungen ein mit der Tagesordnung: Behn Jahre Somiet nuten, da die Regierungsparteien fehlten. Während der Bause rußland". Redner sind die Genossen Otto Bauer und fam es zu erregten Auseinandersetzungen zwischen den Sozialdemo Wilhelm Ellenbogen .
Eisenbahnerkampf in der Tschechoslowakei . Passive Resistenz auf den Staatsbahnen.
Prag , 4. November. ( Eigenbericht.) Die Exekutive der foalierten Eisenbahnerorganisationen gibt am Freitag ein kommuniqué aus, in dem es heißt, daß die begonnene tion fortgesetzt wird, d. h. die passive Refistenz auf den Staatsbahnen weiter andauert. Die Organisationen leiten die passive Resistenz nach einem bestimmten bisher geheimgehaltenen plan, nach dem zunächst nur die größeren Bahnhöfe und gewisse wichtige Punkte in die Affion einbezogen werden. Vorläufig find größere Berkehrsstockungen nicht zu verzeichnen, nur an allgemeinen Beripäfungen im Zugverkehr merkt man das Einsehen des Kampfes. Es ist aber möglich, daß schon bis Sonntag die Durchgangsbahnhöfe verstopft sind und der internationale Schnellzugsverfehr unterbunden wird.
Die Frage der Nachfolge Franklin Bouillons als Präsident der Außentommission ist noch nicht geflärt. An offiziellen Kandidaturen liegt bisher nur die des sozialistischen Abg. Paul Boncour vor. Als eventuele Gegenkandidaten werden neben Loucheur der Radikalsozialist Milhaud und der der republikanischen Linten an gehörende Abg. Barthelmi genannt. Man hält die Wahl Paul Boncours für gesichert, da in einer Stichwahl die gesamte bürgerliche Linke für ihn eintreten dürfte.
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Plutokratie und Korruption.
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und seine Lehre
Ein Standalprozek in Amerika für Deutschland . Alles wie in einem Detektivroman: Auf der Anklagebant figen ein Petroleumfönig und ein gewesener Minister. Die Antlage lautet auf ,, verbrecherische Berschwörung zum Zweck des Betruges an der Regierung". Schon wochenlang dauern die Gerichtsverhandlungen, bald versandend in der Langeweile ausgeflügelter juristischer Spigfindigkeiten, bald wieder auflebend in spannenden Situationen. Die ganze Sache ist aber schon viel zu alt, die Spannung läßt immer mehr nach. Dann plagt die Bombe. Eine Erklärung des Oberstaatsanwalts: Es wird versucht, die Geschworenen zu be= stechen. Einer von den Geschworenen soll schon zugegeben daß er im Falle der Freisprechung mindestens ein Auto zu bekommen hoffe. Die Geschworenen werden von sechzehn(!) Detektiven bespielt, mit dem Zweck, Erpressungsmittel gegen fie zu finden. Auf diese Erklärung hin werden die Berhandlungen unterbrochen. Die Richter beraten über die Lage und fassen am nächsten Tage den Beschluß, den Prozeß mit fein Detektivroman, sondern ein Stück Leben. Das ist die neuen Geschworenen von neuem anzufangen. Und das ist letzte amerikanische Sensation, die neueste Wendung im Prozeß gegen den Petroleumfönig Sinclair und den früheren Innenminister Fall. Die Hauptsache ist aber, daß das Ganze nichts Absonderliches ist, sondern bloß eine äußerst trasfe Auswirkung eines bestimmten Syſtems, nur ein über das gewöhnliche Maß hinausgehendes Beispiel seiner Folgen.
Es sind keine Abtrünnigen, feine entarteten Individuen, dern typische Vertreter der amerikanischen alle diese handelnden Personen des Petroleumsfandals, sonGesellschaft, große amerikanische Geschäftsleute und gerissene Bolitiker. Sinclair ist fein Hochstapler, sondern Pein mächtiger Vertreter des Großkapitals, vielleicht nicht einmal rüdsichtsloser als die Mehrzahl seiner Klassengenossen. Und Fall war ein Minister, nicht schlechter als viele andere. Es war sein Unglüd oder seine Ungeschicklichkeit, daß er erwischt wurde und dadurch vor Gericht tam. 3wei seiner Kollegen, die sozusagen ,, mitkompromittiert", aber nicht überführt wurden, haben nur ihre Aemter eingebüßt. Und was hat Fall gemacht? Er hat die für die Bedürfnisse der ameritanischen Flotte reservierten Petroleumfelder privatkapitaliſtischen Händen überlassen. Das gehörte aber zur Tradition. Jahrzehntelang wurde in Amerita das Staatseigentum so gut wie umsonst den privaten Händen übergeben. Fall hat dafür Geld bekommen, was bewiesen wurde. Das war natürlich schlimm besonders, daß es bewiesen wurde. Damit hat Fall schon ein unzweifelhaftes Verbrechen begangen: er hat das dirett gemacht, was die anderen nur auf Umwegen zu machen pflegen. Vielleicht war er sich dessen gar nicht bewußt, daß er ein Verbrechen begangen hat. Ebenso des Großfapitals gehalten. Und in Amerika bedeutet wie alle feine Kollegen hat er sich für einen Angestellten das, auch Angestellter einzelner Kapitalisten zu sein. Fast alle einflußreichen Politiker waren gestern noch angestellt in dem einen oder anderen Trust, in einer großen Industriegesellschaft oder in einem Bankinstitut, und werden es morgen wieder sein.
Franklin Bouillon gründet eine„ Unionistenliga", die überparteifich" sein soll.
Ungarischer Wahlschwindel.
Das Mandat eines Staatssekretärs ungültig.
Budapest , 4. November. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Untersuchung der Vorgänge bei den Wahlen im Bezirk Bacz das Mandat des StaatsDie Exekutive der Eisenbahner tagt in Permanenz. Die fefretärs S3 abofyannulliert und ihm die Tragung der Kosten Oeffentlichkeit steht dem Kampf der Eisenbahner trotz der zu des Verfahrens( 30 000 pengo) auferlegt. Das Verfahren war des Verfahrens( 30 000 pengo) auferlegt. Das Verfahren war erwartenden Berkehrsstörungen sympathisch gegenüber, da man von den Anhängern des Grafen Andrassy, des ehemaligen Kandidaten des Baczer Bezirks, mit der Begründung beantragt worden, daß bei den Wahlen Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien. Um Wahltag selbst war es außerdem zu 3ufammenstößen zwischen Gendarmerie und Wählern gekommen, bei denen mehrere Personen getötet wurden.
allgemein die Regierung für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich macht. Die gewerkschaftlichen und parlamentarischen Bertreter der Eisenbahner hatten sich bis zuletzt bemüht, zu einem Vergleich zu kommen. Die Regierung machte aber nicht das geringste Zugeständnis, so daß es zum offenen Kampf tommen mußte. Es scheint übrigens, daß auch die Postbeamten in den Kampf eingreifen werden.
Der Kampf der 130 000 Eisenbahner richtet sich gegen die neue Dienstordnung, durch die die Eisenbahner gegenüber den übrigen Staatsbeamten 3 urüdgejeht wurden.
Der Rücktritt Franklin Bouillons.
Brandmarkung durch die radikale Partei. Paris , 4. November. ( Eigenbericht.)
Die Kammer hat am Freitag die Diskussion der eingebrachten Interpellationen mit einer Debatte über Autounfälle und ähnliche Dinge von gleicher Wichtigkeit begonnen. Sie hat durch ihren Berzicht, das ihr zustehende Kontrollrecht durch die seit langem erwartete Auseinandersetzung über die zahlreichen einer Klärung harrenden politischen Fragen praktisch auszuüben, nicht dazu beigetragen, ihr start gesunkenes Prestige zu erhöhen.
Biel besprochen wird die Affäre Franklin Bouillon. Die sozialistisch- radikale Fraktion hat eine längere Resolution angenommen, in der die Begründung, die Franklin Boullion seiner Demission gegeben hat, als unzulässige Entstellung des wahren Sachverhalts bezeichnet wird; die Partei protestiert gegen die unerhörten unterstellungen, mit denen Frenklin Bouillon feinen Beschluß rechtfertigen zu tönnen glaubt. Sie hat mehr als irgend jemand zur Sicherung und Festigung des Friedens beigetragen. Sie proflamiert ihr Vertrauen in das Wert und die Zukunft des Bölterbundes, in die europäische Wiederaufrichtung auf dem Wege der Wiederannäherung der Länder und der Bersöhnung der ehemaligen Kriegführenden.
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Tiergarten: 17% Uhr Antreten zum Werbeumzug mit Fadeln und Musik Kleiner Tiergarten. Die Mitglieder werden ersucht, sich recht zahlreich zu beteiligen. Die beauftragten Genossen holen um 17% Uhr die Fackeln von Krüger, Butligstraße 10, ab.
Kreuzberg : 17% Uhr Antreten zum Werbeumzug Fontane promenade.
Lichtenberg : Großer Werbeumzug. Treffpunkt Sonntag
straße( an der Jugendbühne). Abmarsch pünktlich 18 Uhr.
Baumschulenweg: 18% Uhr Werbeumzug mit Fackeln und Musik. Abmarsch Waldede Baumschulenstraße.
Morgen, Sonntag, den 6. November: Wedding : 15 Uhr im Humboldthain, an der Rodelbahn. Redner: Wilhelm Sollmann , M. d. R., und Ernst Heil mann , M. d. L. Abmarsch: 14% Uhr Zeppelinplay, 14% 1hr Uferstraße Gde Martin- Opig- Straße, 14% 1hr Binetaplay. Baumschulenweg: 10 Uhr im Saal des Kinos, Baumschulen. straße. Redner: Rudolf Hilferding , M. d. R.
Als der starke Mann" sigt in der gegenwärtigen Regierung einer von den Gewaltigen der Schwerindustrie und von dem Dutzend der reichsten Leute Amerikas , der ,, Aluminiumfönig" Mellon. Die Banfiers werden zu Ministern oder Botschaftern, Minister und Botschafter zu Bankiers. Da mis ist nach dem Botschafterposten in London Rechtsbeistand bei Morgan geworden und war Angestellter bei Morgan, als er für die Präsidentschaft kandidierte. Hughes ist zum juristischen Berater des größten Petroleumtrusts geworden, nachdem er die Leitung der amerikanischen Außenpolitik aufgegeben hat. Und das alles ist so natürlich, daß es niemandem auffällt, das Groteske in der Situation die nordamerikanische Delegation auf der Panamerikanischen zu sehen, daß dieser Rechtsbeistand der Petroleumintereffen Konferenz führen wird, wo die Vertreter von Bändern, in denen die Politik des Petroleumfapitals am meister verhaẞt ist, zusammenkommen werden. Die persönliche Integrität von Hughes ist allgemein bekannt, beinahe sprichwörtlich, er ist aber in feinem ganzen Handeln völlig in das System der Plutokratie eingereiht. Ist es aber bei einem Politiker so, dann ist der Weg von seiner persönlichen Integrität über einige Zwischenstufen zur Korruption flar vorgezeichnet.
Fall hat ein paar Rapitalisten gewiße Dienste geleistet. was er mahrscheinlich für seine heilige Pflicht hielt. Man fagt: er mar beftochen. Man kann aber sagen: er hat dafür fein Honorar befommen. Das war sein Verbrechen. 3ft es aber wesentlich anders, wenn ein anderer auch einzelnen Kapitalisten oder fapitalistischen Organisationen Dienste leiftet, ohne fich dafür direkt und sofort bezahlen zu lassen, aber in der sicheren Gewißheit, daß er später für seine Verdienste durch einen ertragreichen Bosten belohnt werden wird? Es gehört zum System der Blutokratie, daß, wer dem Kapital treu und redlich dient, dafür belohnt, und mer das nicht tun