Ltnsere Helfer.
Für die Werbewoche haben sich der(Sozialdemokratie eine große Zahl unfreiwilliger Helfer zur Verfügung gestellt.___
Heydebrand. Ein Freispruch und seine Begleiterscheinungen. Der adlige Regierung->rat mit den völtisch-alldeutschen Neigungen hat in Breslau sehr verständige Richter gefunden. Sie haben ihn nicht nur freigesprochen, sondern ihm auch in einer umfangreichen Urteilsbegründung mehr als eine for- melle Ehrenerklärung ausgestellt. Sie haben es als erwiesen angenommen, daß er kein geldgieriger Mensch sei, trotzdem er krampfhaft um die hohe Rente kämpfte, die er sich von seiner Frau hatte zusagen lassen, trotzdem er ihr g e r i ch t- liche Zahlungsbefehle ins Haus schickte, als sie mit der Auszahlung zögerte. Das Gericht hat ihm feierlich be- ftätigt, daß ihm die Tat nicht zuzutrauen sei. Es hat dem Oberpfarrer Schäfer wegen seiner Abneigung gegen den An- geklagten keinen Glauben geschenkt und die Wirtschafterin, die zuerst den Verdacht des Mordes aussprach, der Renom- misterei bezichtigt. So kam es zum Freispruch. Wir wollen mit dem Urteil nicht rechten. Wäre das Gericht zum„Schuldig" gekommen, hätte es auf Todes- st r a f e erkennen müssen. Und dann wäre der Fall ein be- sondere? Zeugnis gegen die Todesstrafe im all- gemeinen geworden. Denn wenn die Täterschaft nicht ein- deutig nachgewiesen war, hätte das Todesurteil nie vollstreckt werden dürfen, schon um die Möglichkeit späterer Korrektur offenzuhalten. Im Breslauer Fall lag zweifellos kein ab- so.lut schlüssiger Beweis vor. Und im Zweifel soll der Ange- klagte lieber freigesprochen als zu Unrecht verurteilt werden. Aber der Fall gibt doch sonst zu allerhand Betrachtungen Anlaß. Sicher werden Tausende von Angeschuldigten im Lande den adligen Regierungsrat ob seines Glücks bei den Richtern beneiden. Nicht erst wegen der Hauptoerhandlung und wegen des Freispruchs. Man denke nur daran, wie viele ähnliche Verdachte sonst erhoben werden. Es braucht ja nicht immer gleich Mord zu sein. Und man erinnere sich, wie leicht und wie ausdauernd die Untersuchungshaft selbst gegen absolut unbescholtene Menschen verbängt wird. Aber der Herr von Heydebrand, der nach dem Zeugnis des Gerichts trotz etlicher Wunderlichkeiten„ein anständiger ehr- licher Charakter, ein Mann vollen Strebens" ist, wurde nicht einen Tag in Untersuchungshaft genommen, trotzdem doch sehr viele Verdachtsmomente gegen ihn sprachen und noch heute sehr viele Leute die Verdachts- sprachen. Man kann in Breslau auch anders. Wir erinnern nur an den Fall des Professors Rosen, dessen betagte lang- jährige Wirtschafterin N e u m a n n fast ein Jahr lang in Untersuchungshaft behalten wurde, bevor man sie wegen Mangels an Beweisen freiließ. Man hat sie noch einmal ver- haftet und wiederum mehrere Wochen in Haft gehalten. Man mußte sie abermals freilassen. Die Mittel, Zeugen zu suchen oder möglicherweise zu beeinflusien» standen dieser Greisin bei weitem nicht in dem Maße zur Verfügung, wie dem Regierungsrat von Heydebrand. Die Justiz hat also gegen Heydebrand eine so— vorurteilsfreie Gesinnung gezeigt, daß man um so erstaunter fragen muß, warum nicht gegen alle die gleiche Vorurteilslosigkeit gezeigt wird, warum man, um bestn Beispiel zu bleiben, gegen die greise Wirt- schafterin Neumann so rücksichtslos vorging, ja sogar die Jugendsünden einer alten Frau vor aller Oeffentlichteit auf- deckte, doch sicher nicht, um f ü r sie einzunehmen! Aber der Breslauer Prozeß bietet auch nach anderer' Hinsicht noch mancherlei Interessantes. Er gewährte wieder einmal einen Einblick in das Leben derer, die nach außen gern als di:„Blüte der Nation" erscheinen, als die einzig zuverlässige.. Stützen des gesellschaftlichen Lebens. Das Gericht hat„sestgestellt", daß Heydebrand„kein geldgieriger Mensch" sei. Die Hörer und.Leser der Gerichtsverhandlungen sind ober auch Gericht, und wenn sie auch nicht Todesurteile zu fällen oder zu verweigern haben, so machen sie sich über die Charaktere der vor Gericht auftretenden Personen doch ihre eigenen Gydanken. Freilich stimmen diese nicht immer mit den „Feststellungen" des Gerichts überein. Der Heydebrand mag freigesprochen bleiben. Aber daß in Mann, der nach eigenem Eingeständnis sich früher dem Trünke ergab, der seiner ersten Frau die Treue nicht hielt, von der zweiten sich aber eine Lebensrente vertraglich festsetzen ließ, der die Rente mehrfach einzuklagen sich nicht scheute, daß dieser Mann eine Leuchte der Mitwelt sei, das glauben nur sehr wenige. Und ebenso wenige glauben, daß das ganze Milieu dieser adligen Grund- besitzer mit ihren Verwanotschaftskoterien und Intrigen auch nur im geringsten ein Ideal für„Männer vollen Strebens" fein könnte.
Herausgeber der„Menschheit" verhastet Linter der Anschuldigung des Landesverrats. Leipzig , 8. November. (MTB.) Wie bekannt, sind wiederholt in der Zeitschrist»Die Mensch- heit" Artikel erschienen, die den Verdacht des Landes- oerrats begründen. Gegen die für das Erscheinen der Artikel verantwortlichen Personen, den Schriftsteller Mertens, den Pro- fessor Förster und den Geschäftsführer der Zeitschrift R ö t t ch e r schwebt deshalb bereits seit längerer Zelt ein Strafverfahren. Röttcher, gegen den allein bisher ein Zugriff der deutschen Ge- richtsdehörden möglich war, ist nunmehr auf Anordnung des vom Reichsgericht bestellten Untersuchungsrichters verhaftet worden. Die Deutsche Liga für Menschenrechte teilt zur Verhaftung Röttchers mit: Fritz Röttcher wurde in der Redaktion der„Menschheit" ange- rufen, dah im Wartesaal des Bahnhofs Wiesbaden ihn franzö- fische Freunde erwarteten. Di« Unterhaltung wurde in sehr schlech- tem Französisch geführt. Fritz Röttcher , der sich keiner Schuld be- wüßt ist, begab sich nach dem Bahnhof, wo er von deutschen Kriminalbeamten in Empfang genommen wurde, die ihn sofort nach dem Polizeipräsidium Wiesbaden brachten. Die Verhaftung steht im Zusammenhang mit der Deröffent-' lichung in der„Menschheit" Nr. 30, in welcher am 1. August über neue Pläne der Reichswehr berichtet worden ist. Bekanntlich hat damals dos Reichswehrministerium diese Der- öffentlichung dementiert, von e i n er Einleitung eines Landesverrateoerfahrens ist aber bisher nichts bekanntgeworden In den Räumen der„Menschheit" wurde im Zusammenhang mit dieser Verhaftung«ine Haussuchung auf richterliche An- ordming gehalten. Belastendes Material konnte nicht gefunden werden. Man begnügte sich daher, 72 Aktenfaszikel zu beschlog- nahmen: die Faszikel enthalten die Korrespondenz über Zeitung»- abonnements, Expedition, Verbreitung der„Menschheit" und Der- breitung der Literatur des Verlages„Friede durch Recht".
Fori mit der Todesstrafe! Ein Gesehentwurf der französischen Sozialisten. Paris , 8. November. (Eigenbericht.) Entsprechend der vor einiger Zeit geschehenen Ankündigung Rcnaudds hat seht die sozialistische Fraktion der Depuliertenkammer einen Gesehentwurf zur Abschaffung der Todesstrafe eingebracht.
Wahlprogramm der Arbeiterpartei. Beginn der Borberatung. London , 8. November. (Eigenbericht.) Di« Programmkommisfion der Arbeiterpartei, di« aus Mitgliedern des Partei- und des FraktionSvorftandes d«r Arbeiterpartei besteht, nimmt am Montag ihre Tätigkeit aus. Die Aufgabe dieser Kommission, die auf Grund eines Beschlusses der Konferenz von Blackpool ins Leben gerufen wurde, ist die Aus- stellung eines W a h l p r o g r a m m s für die nächsten Neuwahlen und eines Aktionsprogramms für eine kommende A r- beiterregierung. Die Kommission muh bis zur nächsten Kon- ferenz der Arbeiterpartei im Oktober 7928 ihre Arbeit abschliehen. Sollten die Neuwahlen vorher sein, so muh das Programm früher fertiggestellt und einem außerordentlichen Parteitag zur Beschluß- fassung unterbreitet werden. � Der Kommission gehören u. a. an: Ramsay Macdonald , Henderson, Cramp(der Eisenbahnführer) und C. P. Trevelyan, der in der Arbeiterregierung Unterrichtsminister gewesen ist.
Iialienischer Ltebermilitarismus. Amerikanische Offiziere verhaftet. Paris , 8. November. (Eigenbericht.) Di« Blätter berichten au» Venedig : vier aus der Terrasie eines Hotels sitzende nordamerikanische Offiziere hatten sich geweigert, sich gleich den anderen Gästen vor einer mit Musik und Fahnen vorbeiziehenden italienischen Truppenabteilung zu erheben. wenig« Minuten darauf erschienen im Lokal mehrere IlaNenisch« Osslziere in Begleitung von polizelbeamten. um die amerikanischen Offiziere unter der Beschuldigung, daß sie die i t a l> e n I s ch e Zahne beleidigt hätten, zu verhasten. Ungeachtet de» Einspruch» des nordamerikanlschen Konsul, in Venedig sind die vier Offiziere bisher nicht au, der Haft entlassen worden, so dah mit diplomafischen Weiterungen gerechnet werden muß.
Oie deutsch -potnischen Verhandlungen. polen entsendet einen verständigungswilligen Unterhändler Warschau , 5. November. (Eigenbericht.) Direktor Iazkowski vom politischen Departement im Auhenministerium, der sich hinsichtlich der deutfch-polnischen Vfr- ständigungspolitik bisher sehr entgegenkommend gezeigt hat, begibt sich Anfang kommender Woche nach Berlin , um mit Außenminister Streseinann wegen der Ausnahme der Handels- Vertragsverhandlungen zu sprechen. Man hofft in Warschau , daß dieser Unterredung unmittelbar die Ausnahme der Handelsvertrags- verlzandlungen folgen wird.
Höhenrekord und Todessturz. Ballonführer aus TZOOO Meter Höhe totgestürzt. Sparta (Tenneffee), 8. Novenmb«r. Kapitän Gray unternahm gestern einen Flug mit einem Frei- ballon und erreichte eine Rekordhöhe, heule wurde seine Leiche mit den Trümmern des Ballons aufgefunden. Nach den g-steru um 18.(8 Uhr gewachsen Eintragung hatte Gray die Rekordhöhe von 40 000 Fuß(lZ voo Meter) erreicht, doch ist es zweifelhaft, ob dieser Rekord anerkannt werden wird, selbst wenn er sich al» richtig erweisen sollte, da Gray den Abstieg nicht mehr in gesundem Zustand« an- getreten hat.
Zn Mexiko hingerichtet wurden die Aufstandführer General Arnulfo G o m e z, früherer Präsidentschaftskandidat, General Hector Almada und noch zwei. Ein kurzes Gefecht bei Veracruz hatte sie in Gefangenschaft gebracht. Eine besondere Parlamentswache gegen renitente Abgeordnete soll nun auch das südslawische Parlament erhalten, wo nach ' Regierungsmeinung die Zahl der Tumulte den Landcsbctarf über- steigt. Der..Gorillamann" Earle Nelson, so genannt wegen seiner Riesenhaftigkeit und Tierähnlichkeit, ist wegen vieler Morde— wenn auch nur einer unter Anklage stand— vom Schwurgericht W i n n i- peg(Kanada ) zum Tode verurteilt worden und soll am 30. Januar hingerichtet werden. Die Verteidiger haben Geistes- trankheil behauptet. Die türkische Volkszählung hat, wie aus Angara gemeldet w'rd, für di« Türkei mit Ausnahme von Konstantinopel eine Gesamt- beoölkerung von 12142 000 Köpfen ergeben. Die Einwohnerzabi von Konstantinopel wird aus 800 000 bis 1000 000 g'f.-Wick. Angara Hot 74784 Einwohner..