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Sonntag

6. November 1927

Alus

Die Filme der Woche.

Casanova."

( Gloria Palast).

Bei dem Namen Casanova schmunzelt der Spießer und spigen die Genießer die Ohren. Er ist für die meisten immer noch nur der Repräsentant des Liebesabenteurers; seine Memoiren, die noch nicht einmal in der Originalfassung vorliegen, zeigen freilich schon viel mehr. Casanova ist einer der vielen oder wenigen, die im Jahr hundert des Abenteuers es verstanden, dank ihrer Begabung sich von unten auf zu einer glänzenden Stellung emporzuschwingen oder aufzuschwindeln und die Rolle des Kavaliers auch im Genußleben zu spielen. Casanova war daneben aber wirklich ein Mann von Geist, der die Schule von ganz Europa durchmachte und zum Beispiel sich mit Boltaire wohl zu unterhalten verstand. Seine ökonomische Grundlage bleibt ganz unbekannt, war er, der sich selber zum Grafen ernannte, Hochstapler, Spieler, Gründer, politischer Agent oder dies alles zusammen? Baren ihm vielleicht die Frauen, als deren Be­feffener er gilt, auch nur Schachfiguren in feinen Unternehmungen? Wie immer das sei: der neue Film macht sich darüber wenig Sorgen. Er fennt nur den einen Casanova, dessen Lebensaufgabe es ist, sich dauernd zu verlieben und den Frauen zuliebe sich von einem Abenteuer in das andere zu stürzen, ganz gleich, ob es in Benedig oder irgendeinem deutschen Nest oder am glanzvollen Hofe Katha inas in Petersburg ist. Neben Norbert Falt, dem wir die Madame Dubarry verdanken, haben sich der Regiffeur Boltoff und der Hauptdarsteller Mosjutin an der Stoffbereitung be­teiligt. Der wißigen Art Falks, das Jahrhundertgeschehen in Anekdotenform widerzuspiegeln, gefellt sich die breit ausladende Freude der vorrevolutionären russischen Regiekunst an Pomp und Tangentfaltung. Der Darsteller Casanonas, Mosjutin, schließlich drückt dem Film auch insofern seinen Charakter auf, als schon im Manuskript seine Art, die hier durchaus mit Fairbanks wetteifert, in bravourösen und tumultösen Szenen sich großtut. Nicht bloß in Petersburg , auch in Benedig wird alles aufgeboten, was der Schau­luft Genüge gewährt: der Karneval erfüllt den Martusplay, und einer pruntvollen venizianischen Nacht mit Gondelfahrten und Feuer wert muß schließlich sogar die kolorisierende Farbe dienen. Im stärksten Kontrast dazu erstrahlt das Weiß des nordischen Winters, in den Lochat off seine Bauten hineinzaubert. Die internationale Busammenarbeit erstreckt sich auch auf die Darstellung: Italiene rinnen, Ruffinnen und deutsche Frauen wetteifern in der Darbietung ihrer Schönheit. Indeffen, feine prägt sich tiefer ein, es müßte denn Suzanne Bianchetti sein, die ihrer Katharina II. eine gewisse Bedeutung verleiht. Eine charakteristische Leistung bot auch Rudolf Klein Rogge als halbverrückter Beter III.

Russischer Pomp, venezianische Festfreude, der Glanz des Aben­teuers mifchen sich zu einer lichtsprühenden Filmrakete, die das Genußlehen des letzten aristokratischen Jahrhunderts noch einmal heraufzaubert. Aber ist das Casanova, der ganze Casanova, der auch die Kehrseite der Medaille kennenlernte, arm und verlassen als Bibliothekar eines böhmischen Granden verlosch? Zudem ist die Recheit seiner Erotik sehr gemildert und die Kunst seiner Verführung wenig entwickelt. Aber eine große Augenweide ist der Film trotzdem. D.

Ramper." ( Beba Palast).

Ein erschütternder Stoff! Ursprünglich als Drama für Begener gefaßt, hat er im Film nichts verloren, sondern im Gegen teil gewonnen, da der Film ganz anders als das Drama bas Milieu wiedergeben fann. Freilich zeigt sich hier auch die schwache Geite der Regie; die Szenen n nordischen Eis erinnern oft mir zu sehr an die Pappe und den weißen Anstrich der Bühne. Fünfzehn Jahre verbringt der im ewigen Eis gestrandete Nordpolflieger Ramper im fernsten Grönland , weit von allen Menschen und allem Memchlichen. Er wird zum Tier. Walfischfänger fangen ihn ein, Sperren ihn in einen Käfig und verkaufen ihn an einen Schau­bubenbefizer, der thn als Sensation ausstellt. Nur von der kleinen Bizi läßt sich das wilde Wesen bändigen und alles gefallen. Ein rührendes Verhältnis zwischen Mensch und Tier scheint fich hier zu entfalten. Da wird ein Forscher, der durch sensationelle Heilungen fich einen Namen gemacht hat, auf das merkwürdige Phänomen aufmerksam. Ramper wird in eine Heilanstalt gebracht; mit einer elektrischen Maschinerie, die start nach Hokuspotus aussieht, wird er wieder zum Menschen gemacht. Aber er findet den Weg nicht zu den Menschen zurüd. Er entweicht aus der Heilanstalt und erlebt in einer Nacht das ganze Leben der Menschen mit ihren Lastern, Berbrechen und Narreteien. Auch die Liebe zu feiner 3izi tann

der Film- Welt

Die Ausgestoßenen."

( Primus Palaft.)

Die Liebe bleibt im Film das entscheidende Moment. Bill man irgendein soziales Problem diskutieren, will man zeigen, wie die Vorbestraften und deren Kinder immer wieder auf verschlossene Türen stoßen, dann demonstriert man diesen Fall an der Liebe. Die rein gesellschaftliche Achtung, die Schwierigkeiten im Beruf werden nur gestreift, der Hauptatzent ruht allein auf der Liebe, auf den Widerwärtigkeiten, die sich einer ehelichen Bindung ent­gegenstellen. Dadurch setzt man einen Teil für das Ganze und ver fitfcht ein durchaus ernstes Thema. Dieser Gefahr ist auch nicht der Berfaffer Dosio Koffler entgangen. Das Manuskript ist am Anfang verheißungsvoll. Ein Zuchthäusler wird von der Gemeinde geschnitten und erschlägt im Streit einen Beleidiger. Der Gefängnis Direttor will sein Kind unter anderem Namen erziehen lassen. Nach langem Sträuben willigen die Mutter und auch der Vater ein. Der Gefängnisdirektor wird von dem Zuchthäusler erschlagen, der nach Amerika entflieht. Die Mutter heiratet ein arbeitsscheues In­dividuum. Das Kind ist vergessen. Bis hierher ist die Handlung knapp und flar geführt, und auch die Regie Martin Bergers forgt für Straffung, Konzentriertheit und Tempo und stellt dazu bildhaft wirkende Situationen. Dann versandet aber die Handlung. Das Kind, zum Manne gereift, wird Student, Gefängnisarzt und heiratet fchließlich die Tochter des Gefängnisdirektors, den sein Bater erschlug. Natürlich kommt alles an den Tag. Erpressungs­versuche spielen eine Rolle, rührendes Erkennen von Mutter und Sohn, dazu das glückliche Ende. Hier regiert allein die Rührung, hier arbeiten Regisseur und Verfasser mit alten Mitteln, hier herrscht feine Klarheit. Danfenswert, daß ein soziales Thema aufgegriffen, aber schade, daß es mit Rücksicht auf den Publikumsgeschmad ins billig Rührende abgebogen wurde. Vielleicht hätte ein Nebenthema, der Haß des Adligen auf den Mann unbekannter Herkunft, zum Hauptthema gemacht werden können. Warum schildert man nur die Rivalität dieser beiden Männer um die Frau? Warum zeigt man nicht den Kampf um die Position, das allmähliche Unterminieren des Vertrauens, überhaupt das ganze Mißtrauen, das diesem Auf­steigenden entgegengebracht wird? Auch die Regie verliert am Schluß an Tempo, an Bildlichkeit, sogar an Glaubwürdigkeit. Es ist möglich, daß Martin Berger nur das Hauptsächliche betonen wollte, aber in einem realistisch gehaltenen Film darf man elementare Voraussetzungen nicht übersehen. Zwischen dem ersten Teil und dem Schluß dieses Films flafft ein unüberbrückbarer Bruch. Es ist schade. Auch der Filmverfaffer müßte endlich den Mut finden, eine Idee konsequent zu Ende zu denken. Unbedingt würde ein tragischer Schluß erschütternder und wahrer gewirkt haben. Dieser Film soll eine soziale Anklage sein, aber die Anflage verhallt, weil

1978

DER KELLNER

AUS DEM

PALAST- HOTEL

lt

Beilage des Vorwärts

man am Ende ein gütiges Filmschifal walten läßt. Von den Schauspielern steht der beherrschte und dabei prachtvoll junge Hans Stüme an erster Stelle. Kortner als arbeitsscheuer Herr, zuhälter und Erpresser ist stellenweise parodistisch gestimmt, Ser= venti macht im Cutaway gute Figur und Maly Delfchaft gibt. ihr Bestes in den ersten Szenen als lebensprühende junge Frau. Ausgezeichnet im Ausdruck und padend in der Bewegung ist Jo­ hanna Hofer in einer kleinen Episodenrolle.

Die Notehe." ( Mozart- Saal.)

J. S.

ein armes Mädchen heiraten, das ist der Testamentswunsch seines Sir Reginald Belsize soll nicht Mafalda de Semiano, sondern Onkels. Und dieser Wunsch erheischt respektiert zu werden; wird Rechtsanwalt hat sofort das benötigte Mädel zur Hand, es ist eine er nicht befolgt, verliert Sir Reginald die ganze Erbschaft. Der ein häßliches Mädel heiraten, ein schielendes. Zu Dreien tritt man Berwandte von ihm. Die eifersüchtige Mafalda will, Reginald soll die Hochzeitsreise nach Paris an. Reginald ist entzückt, er sieht es, eine Frau ist schön, die Häßlichkeit war nur Maske. Als dann die drei wieder in London angelangt sind, weiß es Reginald, Mafalda die Notehe wird zur Dauerehe erhoben. will fein Geld, seine Frau ihn; mithin erfolgt feine Scheidung und

Der Film wurde ein nettes Salonstückchen und nicht mehr. Er wurde sehr gut gespielt, sehr gut photographiert und präsentiert sich, Dieses Filmgenre findet ohne Zweifel Gegenliebe bei dem Teil des wie es jetzt nachgerade Mode wird, als verfilmtes Theaterstück. Bublifums, das noch mit Schaudern an die früheren unkultivierten Lustspielfilme denkt. Der Regisseur E. H. Griffith schiebt Ruhe­pausen ein, damit die Zuschauer in Muße Florence Vidors Schön­heit genießen fönnen, zum Schluß arbeitet er mit Spannung, um dem guten Ende eine freundliche Aufnahme zu bereiten. Florence Bidor war die schöne Frau und Clive Brook war der Lebe mann, dessen Manieren freilich nicht immer genügten.

" König Harlekin." ( Kapitol.)

e. b.

Mannigfache Themen werden in diesem nach einem Drama don Rudolf Lothar bearbeiteten Film angeschlagen: die Parodierung europäischen Monarchentums, das Zirkusmilieu mit einer roman tischen Liebesgeschichte und das Spiel des Doppelgängers. Sie find nicht organisch ineinander verwachsen, und nur eins gefällt unbedingt

-

das Zirkusbild. Wenn Vilma Banty als Luftakrobatin ihre graziöfen Glieder spielen läßt und Ronald Colman als Harletin ihr im Spiel und Ernst den Hof macht, so gibt das reizende und echt filmische Bilder. Aber die frause Geschichte, die um dieses Milieu. herumrankt, ist faum erträglich. Ein Graf stellt der Luftfee nach, fucht fie gewaltsam zu verführen, durch einen fühnen Sprung ent­zieht fie fich feinen Nachstellungen. Ihr Getreuester, der Harlekin, der sie im Hotel des Grafen sucht, wird mit ihm handgemein und stößt ihn in den eigens präparierten Abgrund. Aber das Schicksal schreitet schnell. Schon naht eine Deputation aus dem Königreiche Jyrien und reflamiert den Harlekin, der dem verunglückten Thron­folger täuschend ähnlich sieht, als König. Er macht gute Miene dazu, aber feine Freundin von einst verübt ein Attentat auf ihn, weil sie glaubt, daß er ihren Freund ermordet hat. Natürlich entdeckt, der neue König noch rechtzeitig, wer die schöne Attentäterin ist, und befiehlt fie nachts in feine Gemächer. Neue Intrigen: Der Staats­minister will den König beseitigen und spielt dem Zirkusmädchen einen Dolch in die Hand. Nach den üblichen Mißverständnissen liegen fich die Wiedergefundenen in den Armen, fliehen bei Nacht und Nebel und treten am nächsten Tage in ihrer altgewohnten Nummer im Zirkus auf. Der Zirkus hat sie und uns wieder. Henry Ring hat sehr schöne Bilder gestellt, wie denn überhaupt der Film in allen Technifen ausgezeichnet geraten ist. Aber die Banfy allein muß uns für alles andere entschädigen und das ist trotz ihrer charmanten Schönheit doch etwas wenig, zumal auch Ronald Colman in der Doppelrolle als Harlekin und Graf etwas enttäuscht.

Der Kellner aus dem Palaffhotel." ( Marmorhaus.)

I.

Dieser Film tommt aus Mostau zu uns. Er rechtfertigt das große Intereffe, das man allgemein für die Ruffenfilme empfindet. Im Balast- Hotel trifft sich die höchste Gesellschaft: Generale und Heereslieferanten. Während draußen die Soldaten in Massen sterben,

ihn nicht mehr feffeln; er schenkt ihr das für ihn gefammelte Gelb; Der stärkste Film der Meschrabpom- Russ blemmen und praffen die Reichen, veranstalten Wohltätigkeitsfeſte

damit sie ihren jungen Freund vom Karussell heiratet. Er selbst mustert fich auf einem Walfischfänger an, um in den Eiseinöden des hohen Nordens in harter Arbeit und im Angesicht einer großen Natur die Zivilisation der Menschen zu vergessen.

Alles hängt davon ab, ob dies Erlebnis glaubhaft wird. Baul Wegener machte es im tiefften Sinne glaubhaft, sein Tiermenich mar nicht nur in der äußeren Gestaltung, sondern auch in allen psychischen Regungen einfach überzeugend. Er hat die Sprache ver loren, die Laute, die er von sich gibt, find tierischer Art; die Men schen verstehen sie nicht, nur das Tier antwortet darauf. Auch die dumpfe Zärtlichkeit, die er dem jungen Mädel gegenüber erweist, ist rein triebhaft. Wunderbar ist das Wiedererwachen zum Men­fchen und tief erschütternd die Abkehr vom Leben, die ihn die ein zige Nacht mit ihren graufigen Eindrüden lehrt. Im Anschluß an bas Manuskript von Kurt J. Braun hat Mar Reichmann eine Fülle rein filmischer Eindrüde um das Grundmotiv gesammelt: sowohl das Leben an Bord des Walfischfängers, wie der Rummel­play, sowie die nächtliche Großstadtschau find prächtig gelungene Ausschnitte. Die Darstellung ist bis ins kleinste durchdacht und durch. geführt. Mary Johnson ist voll Natürlichkeit und Anmut. Als Schaubudenbefizer schafft Kurt Gerron diesmal einen neuen Inp, der bei aller Gerissenheit auch liebenswürdigere Züge nicht ver­geffen läßt.

Man freut sich, endlich wieder einen Film zu erleben, der nicht bloß oberflächlich unterhalten foll.

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für die Verwundeten, besaufen sich auf ihnen sinnlos. Im Palast­Hotel ist ein alter Kellner tätig. Er wird oft zum Spott der Gäste. Sein Sohn fällt, seine Tochter wird aus dem Konservatorium ge= wiesen, da der Bater das Schulgeld nicht rechtzeitig begleichen fann. Seine Frau stirbt. Als bie Widerwärtigkeiten am höchsten gestiegen find, vermietet er ein Zimmer möbliert. Ein junger Mann bezieht bieses. Zwischen ihm und der Tochter entspinnt sich ein Liebes­verhältnis. Die Tochter ist inzwischen im Hotel als Geigerin engagiert. Die Lebewelt steigt ihr nach. Sie läßt sich nicht ver­führen, doch als ein Heereslieferant einen Brief gestohlen hat, für ben ihr Berlobter verantwortlich gemacht wird, geht sie in das Haus dieses Lebemannes. Es tommt dort zu einem wüsten Auftritt, und Vater und Verlobter erretten sie. Dieser Schluß erinnert gar zu peinlich an das gute Filmende aller Durchschnittsspielfilme. Sonst aber hat der Regiffeur Broto sanom alles erreicht, was er gemolit hat. Die Schilderung der Schlemmenden ist ihm ganz vorzüglich geglüdt. In hervorragendem Maße unterstüßte ihn der Schauspieler M. Tschechow , der den Kellner spielte. Die Darstellung dieses Schauspielers ist wahrhaft aus der Liebe zum Bolte entsprungen. Man muß schon ein Herz für die Unterdrückten, für die Getretenen haben, um so wahr und überzeugend in den Gesten zu sein. Um so rührend einen Trottel schildern zu können. Von eigenartiger Schön­heit war Bera Malinowskaja als Tochter. e. b.

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