Dienstag
8. November 1927
Unterhaltung und Wissen
Armut.
Jn saurem Schweiß wächst ihrer Halme Frucht, gedüngt vom Tränenstrom der bittern Not; und ob sie auch die Lebensquelle sucht, ihr Weg ist dürr und steinern und verflucht, ein täglich mühen um das bißchen Brot. Die Kinder sterben still in dunkeln Kammern, von Not verzehrt, von Sonne nie beglückt, und möchten sich im letzten Atem klammern noch an ein Leben, das der Sturm zerpflückt. So ist dir jeder Tag ein ewig Sterben, ein stetes Wandern in das Abendrot. Und aus den Händen gleiten dir die Scherben... bis eines Tages dich in sanftem Werben dein einz'ger Freund bekränzt, der Schnitter Tod.
Eberhard Krause
Meine ersten Agitationslorbeeren.
Meine Erinnerungen aus der Agitation gehen hauptsächlich auf die Zeit zurück, wo die deutsche Sozialdemokratie noch gespalten war, und beziehen sich allein da auf Kämpfe mit erheblichen Schwierigs leiten. Nach der im Jahre 1875 erfolgten Vereinigung der feindlichen Brüder bin ich fast nur zu großen Versammlungen herangezogen worden, deren Durchführung eine Kleinigkeit war und bei denen das Auftreten von Gegnern mit Heiterfeit begrüßt wurde. Die Agitation an fleineren Ortschaften, wo man oft mit Winkellofalen fürlieb nehmen und auf böse Ueberfälle von fanatisierten Burschen gefaßt sein mußte, wurde Genossen mit derberer Konffitution überlassen.
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Ganz anders in den ersten Jahren meiner Zugehörigkeit zur Gozialdemokratie. Ich war der Partei der zu August Bebel und WilTelm Liebknecht haltenden Eisenacher beigetreten, und die hatte in Berlin einen doppelt schweren Stand. Denn hier stand ihr neben dem allgemeinen Borurteil der bürgerlichen Parteien gegen alles, as Sozialismus hieß, der an Mitgliedern ungleich stärkere und über bedeutend mehr sonstige Agitationsmittel verfügende Allgemeine i eutsche Arbeiterverein der Lassalleaner gegenüber, dessen Leitung clles aufbot, die Ehrlichen" welchen spöttisch gemeinten Spitznamen sie den Eisenachern beigelegt hatte in der Reichshauptfadi nicht auffommen zu lassen. Eine Versammlung in einem großen Saal abzuhalten, durften die Eisenacher hier nicht magen, fie wurde unfehlbar von den Lassalleanern gesprengt, die bei den Bauarbeitern über eine wohldisziplinierte Sprenggarde verfügten. Sch selbst aber wagte längere Zeit hier auch nicht in den kleinen Mitgliederversammlungen der Eisenacher das Wort zu nehmen, ba ich fürchtete, nicht über die dazu nötige Rednergabe zu verfügen. Meine ersten Agitationslorbeeren wenn es erlaubt ist, dies Wort zu gebrauchen habe ich mir sozusagen auf den Dörfern erworben, Das heißt in fleineren Ortschaften in der näheren und weiteren Umgebung Berlins .
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Das erstemal, wo ich es wagte, in einer politischen Versamm lung das Wort zu nehmen, geschah in Charlottenburg , damals
1872 noch richtiges Dorf und noch nicht mit Berlin durch die Etraßenbahn verbunden. Dort hatte ein Literat, der von den Lassalleanern zu den Fortschrittlern übergegangen war, unserem rednerisch sehr begabten Genossen Mag Kayfer einen so wüsten Schwall von Phrafen entgegengeschleudert, daß es mich nicht hielt, gegen ihn das Wort zu nehmen. Die Wirkung meiner Antwort 10ar, daß anwesende Genossen aus Spandau mich ersuchten, bei ihnen einen Agitationsvortrag zu halten, was ich auch tat. Und damit war die Schleuse eröffnet. Sehr bald wurde ich zweiter Referent in einer Agitationsversammlung unserer Partei in dem eine Єtation der Berlin - Anhaltischen Bahn bildenden Fabrikstädtchen Luckenwalde , und auf Wunsch der dortigen Parteigenoffen habe ich dann von da ab in einer Anzahl fleinerer Orte ihres weit ausgedehne ten Wahlkreises Luckenwalde - Jüterbog , Zauch- Belzig , für die Partei ..gepaukt". Da ich damals Bureauangestellter in einem Bankgeschäft mar und feiner der Orte Bahnverbindung hatte, feine ganz leichte Aufgabe. Aber der Eifer für die Partei ließ uns alles überwinden. Gewöhnlich machten wir die Sache so, daß ich Sonnabend abends nach Feierabend nach Luckenwalde oder der nächsten größeren Eisenbahnstation Jüterbog fuhr, dort, nachdem ich der Mitgliedschaft einen Bortrag gehalten, übernachtete, und am Sonntagmorgen mit einer Anzahl ortsansässiger Genossen auf einem Leiterwagen rechts oder links der Bahn ins Land transportiert wurde. Uebermäßig bequem war das nicht, manchmal mußten mir recht gedrängt sigen, und die Landstraßen ließen in bezug auf glatte Fahrt viel zu wünschen übrig. Dabei bauerte das gewöhnlich stundenlang. Als ich einmal in dem shon nabe der Grenze der Niederlausitz gelegenen Städtchen Dahme gepautt" hatte, langte der Wagen, der uns gefahren hatte, erst um 2 llhr nachts in Jüterbog an, wo ich dann mit unserem dortigen Bertrauensmann das von seiner Frau, die sich in Boraussicht des Kommenden früh hingelegt hatte, geräumte Ehebett teilen mußte, um es schon um 6% Uhr früh wieder zu verlassen. Aber ich war ein junger Kerl, hatte einen gesunden Schlaf, und so hat mir das, mie Figura zeigt, ebensowenig geschadet, wie eine ziemlich 1½ Jahre später in dem an der Berlin - Stettiner Bahn gelegenen Städtchen Bernau nach einer Agitationsversammlung ganz außer Bett zuge brachte Winternacht.
Bon den Geheimnissen des Zierreichs.
Hat der Elefant Knochen in seinem Rüssel? Das merkwürdige Organ des Elefanten, das als Riech und Greif merkzeug zugleich dient, ist völlig fnochenlos, hat dafür aber an 40 000 Musteln, fein Wunder also, daß es so geschmeidig ist. Wenn der Elefant feinen Rüssel nicht hätte, würde er vor Hunger und Durst sterben, denn da er einen sehr furzen Hals hat, fann er nicht auf dieselbe Beise fressen, wie andere Bierfüßler; mit dem Rüssel aber fann er sich 3weige heranholen und Gras abrupfen und tann auch trinten. Sein Rüssel vermag so fein zu arbeiten, daß er damit eine Stecknadel vom Boden aufheben, aber zugleich fo kräftig, daß er einen Menschen hoch in die Luft schleudern kann. Ein zahmer Elefant in Indien , dem durch einen unglücklichen Zufall der Rüssel abgeschlagen wurde, mußte dann Zeit seines Lebens wie ein Säugling gefüttert werden. Der Schädel des Elefanten ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie geschickt die Natur schwierige Probleme zu lösen weiß..Wäre der riesige Kopf ebenso gebaut, wie der anderer Säugetiere, so würde er so schwer sein, daß auch der storfe Elefant ihn nur mit Mühe tragen fönnte. Aber da die Schädelknochen hohl sind und Luft fanäle haben wie ein Schwamm, ist das Gewicht des Kopfes im Verhältnis zu seiner Größe gering. Gerade bei diesen Riefentieren müssen die ganzen Einrichtungen des Organismus ja besonderer Art fein, um so ein Geschöpf lebensfähig zu machen.
Das Herz der Partei.
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Beilage des Borwärts
munisten....„ Na, überlegt euch mal alles, hier habt ihr Werbeschriften" Nä, nä. Nehmt das man gleich wieder mit; Gertrud und ich bleiben Stahlhelm."„ Dann viel Glück, wenn's nochmal Krieg gibt, bleibst du wieder daheim, als Feldwebel am Biertisch." Die Tür schlägt hart zu. Verlorene Zeit.
Abends. Hans und Minna 3obel tamen von der Partei-| rote Flöhe stechen aber auch: bei den roten Flöhen von den Komversammlung. Es ging auf Ihre elfe. Es regnete leise. Und in den Bäumen des Partes rauschte es wie Meeresbrausen. Der Herbststurm. Der Abkürzungsweg führte die Eheleute Zobel durch den nächtlichen Part. Sie schritten wie Fürsten durch lauter Gold. Man sah das deutlich, unterm Licht der gelbweißen Gaslaternen. Wie das Gold nur so raschelt, wie schön sich's drin schreitet das bunte Herbstlaub, Gold der Platanen, des Ahorns und der Buche und Esche. War auch brauner Bernstein beim Gold- und hu! der Sturm, mit beiden Händen warf er all den Reichtum in die Luft, das bunte Herbstlaub wirbelte dem Hans und der Minna Zobel um die Köpfe. Es regnet. Abends spät. Herbst. Samstag. Morgen schlafen wir aus.
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Nun sind die Eheleute daheim. Auf 3ehenspitzen geht die Mutter ins Schlafzimmer, sie horcht auf den Herzschlag ihrer Lieblinge: Die träumen, süß und bitter. Drei Kinder. Vater schmiert sich in der Küche noch' ne Scheibe Roggenbrot. Und Mutter setzt jetzt den Rest Kaffee auf Gas. Und dann sagt Papa:„ Du, Mutter, also wie's auf der Versammlung beschlossen wurde, so bleibt's?" " Gemißlich," sagt Mutter, nächsten Sonntag gehen wir auf HausPapi und Mutti agitation, für Partei und Presse."- Fein! geben sich noch' nen Kuß. Und dann liegen sie im Bett. Und dann schlafen sie. Draußen regnet und stürmt es. Spitzbuben gehen auf Gummisohlen. Im Gaswerf brennen die Feuer. Im Spital stirbt ein Greis.
Und noch ein duzendmal gingen Hans und Minna Zobel treppauf, treppab, mal Erfolg, mal feinen Erfolg. Aber immer guten Mutes. Immer das rote Freundesherz der Partei in Händen, rote Flammen im Munde, die Zunge brennt Liebe, die Hand sagt: Kameraden!
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Dann saßen Hans und Minna Zobel zu Mittag in der Parteiwirtschaft. Die war proppenvoll, alles Genossen und Genossinnen von der Agitation. Da speiste man' ne Portion Eisbein mit Kraut. Es gab zwei Glas blankes Bier. Und es gab ein lebhaftes Gespräch, Lachen und Sichfreuen auch manches bittere Wort: über die Lauen und Zweifelnden, die das rote Herz der Partei als einen Edamer Käse sehen wollten: was für Vorteile zunächst? Wie wird unser Teller voller? Wenn man aber von den Erfolgen erzählte, dann war das, als ob die Herzen der Werbenden sich in quecksilberigem Zustande befanden: wir erreichen was, unsere Gemeinde wird größer! Schön, wenn wir so gegenseitig unsere Erfahrungen austauschen. Aber nun geht's wieder los. Minna, du denkst an die Kleinen daheim? Mach' dir feine Sorgen." ,, Die Erna hatte so bösen Husten."" Buh, da forgt die Oma schon für heißen Honig." Der nächste Sonntag ist da. Acht Tage sind um. Also heute: Und Minna Zobel und Papa Zobel trennten sich für' ne Weile. Werbung! Jedes ging einen besonderen Besuch machen. Frau Minna bei einer Wittfrau." Ja, ich bin nun einund11nd Herz sechzig. Mein Mann ist schon fünfzehn Jahre tot. bringen Sie mir? Schön, schön. Ich habe im Leben fast nur immer Galle bekommen. Herz, in eine Zeitung eingepackt, sagen Sie? Gut, dann abonniere ich ihre Arbeiterzeitung. Und in der Partei wäre Liebe? Auch ich alte Frau brauche noch Liebe. Gut. Ich komme auch in die Partei, bildlich gemeint, als Mitglied, laufen fann ich nicht mehr, sehen Sie her, meine Beine sind wie Holz, und falt sind meine Beine. Ich bin lahm. Und das da ist Buzzellieb meine Katze. Schönes Grau, nicht wahr? Wie Seide. Mieze! Mieze! Mieze!"
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Hans Zobel und Minna Zobel flingeln. Drinnen hört man Kinder schreien. Eine vergrämte Frau öffnet die Tür:„ Bitte, fommen Sie herein." Und Zobels sind drinnen. In der engen Stube ist große Unordnung. Es riecht nach schmutzigen Kleidern und nach altem Essen. Minna sagt:„ Liebe Frau, wir bringen Ihnen das Herz der Partei. Das Herz der roten Arbeiterpartei. Freude soll sein in Ihrem Hause. Und Friede soll mit Ihnen und mit Ihrem Manne und mit Ihren Kindern sein." ,, Och," gehn Sie los," jammert die vergrämte Frau, Freude und Friede, bei acht Kindern? Das gibt es nicht. Wir plagen uns, mein Mann und ich. Ach so, in die Partei sollen wir eintreten? Wissen Sie, dafür haben wir fein Geld." Sagt Hans Zobel: Frauchen, mir wollen nicht Ihr Geld, wir wollen Ihr Herz, mir bringen Herz und wir halen Herz. Wir wollen Sie als Mensch. Gemeinschaft soll uns verbinden. Gemeinsam wollen wir Ihre Möte überwinden." Und schließlich? Die Frau mit den acht Kindern bestellt die Parteizeitung. Barteimitgliedschaft? Später.
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Ein anderes Haus. Alles fauber. Die Küche bligeblant. Be so , Ihr tommt von der Partei? Und euer rotes Herz bringt Ihr mit? Gut. Hier ist' n Kuchenteller, legt euer rotes Herz da mal brauf. Wir schneiden Scheiben ab. Wie schmeckt euch unser Kuchen? Und das ist echter Bohnenkaffee. Wenn Ihr von den Sozis tommt, sollt Ihr auch sozial bewirtet sein. Meine Frau und ich wir wählen immer SPD . Haben das nie anders getan. Zeitung? Ei, natürlich, schon lange, mas sollten wir als Proleten denn anderes lesen, als die Arbeiterzeitung? Ich bin Maschinist bei Firma Ausbeutung u. Co. Kinder? Nä, leider nicht zu dienen. Aber wir gehn gerne ins Theater zusammen." Die Frau lächelt, geht mein Mann auch gerne mal leiſebitter:" Jihi, und sonst Alle alleine aus, zum Stat." Er:„ Und du zum Kaffeeklatsch." viere lachen. In die Partei hinein? Gewiß, sicher, hätten wir schon längst machen tönnen, aber immer fehlte die Zeit. Heute wollt ihr unser Herz holen? Bitte, da habt ihr's, gebt zwei Mitgliedsbücher her, wir schreiben uns rot mit unserem Herzblut hinein. 2djes. Nehmt doch euren Kindern' n Stud Kuchen mit." „ Ja. Danke." Freiheit!
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Wo anders. Mensch, hier riecht es nach Monarchen. Willems und Friedrichs in drei Generationen an der Wand. Kriegsbilder. Wir sind beim Stahlhelm." Was, bei die Sozis soll ich gehen? Nä. Nicht in die Tüte. Ich war mal bei den Kommunisten, da habe ich allerhand böse Erfahrungen gemacht. Nun bin ich beim Stahlfelm, da habe ich viele Vorteile, im Betriebe bin ich bei den Borgesetzten hochgeachtet. Krieg? Ih, wie denn? War man halb so wild mit dem Krieg, ich war reklamiert, verdiente mein schönes Geld. Ich bin im Krieg mit meiner Frau woll immer jatt geworden, was, Gertrud?" Gertrud fagt: Man muß wie' ne Spize nom Zwirn sein, man muß immer schauen, daß man gut durch's Nadelöhr hindurch kommt, die Nadeln sind die Reichen, die ziehen uns Broletenfaden durch das Kleid Leben hindurch." Jawohl, stimmt," sagt Hans Zobel, aber die Reichen nähen euch die Taschen zu. Sagt mal, was wäre denn die kapitalistische Nadel ohne den proletarischen Zwirn? Nichts, nur ein Stechapparat." Mag sein,
Rönnen Tiere jahrelang leben, ohne zu essen? Ein altes Sprichwort sagt:„ Essen und Trinken hält Leib und Seele zufammen!" Damit ist ausgedrückt, daß fein vernünftiger Mensch baran glaubt, daß ein Lebewesen ohne Nahrungsaufnahme bestehen fann. In einem Roman des befannten norwegischen Dichters Hans E. Kind macht ein altes Bäuerlein, bei dem es nicht ganz richtig im Kopf ist, mit seiner einzigen Ziege den Versuch, ihr das Fressen abzugewöhnen, aber das dumme Luder" begreift die Weisheit nicht, sondern verreckt elendiglich. Dagegen meiß der englische Gelehrte Artur Schipley von einem kleinen Tier zu erzählen, das„ Tarti grada" heißt und entfernt mit den Spinnen verwandt ist. Wenn es feine Nahrung zu sich nimmt, trocknet es ein, daß alles Leben in ihm erloschen scheint, so tann es jahrelang liegen, um dann in feuchter Umgebung wieder aufzuleben, ohne irgendeinen Schaden von dem merkwürdigen Abenteuer genommen zu haben.
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Auch gemisse Schnedenarten tönnen jahrelang Nahrung wie tot daliegen, um dann plöglich wieder aufzuleben, als wäre nicht das geringste geschehen. Das schlagendste Beispiel für diese Eigenschaft bot eine ägyptische Wüstenschnecke, die am 25. März 1846 in anscheinend totem Zustande in einem Fach des Britischen Museums untergebracht wurde. Am 7. März 1850, also fast vier Jahre später, bemerkte man, wie sie aus ihrem langen Schlaf erwachte und aus ihrem Gehäuse heraustroch. Man nahm sie aus dem Schrank und bewahrte sie im Freien auf, mo sie noch ziemlich lange Zeit lebte.
Für das Märchen von Dornröschen sind also auch im Tierreich Beispiele zu finden. 3. S.
Die roten Eheleute zusammen in der Beamtenfamili Herz? Parteiherz? Boltsherz? Gemeinschaft? Aber wir Bes amte sind doch ein besonderer Stand, wenn nicht gerade höher. So, Sie wollen dafür sorgen, daß unsere Gehälter aufgebessert werden? Ja, das ist dann was anderes, dann man her mit dem Soziherzen. Wir abonnieren die Zeitung. Und ich gehe in die Parti . Meine Frau nicht. Die soll auf die Kinder passen, Bersammlungslauferei ist nichts für Beamtenfrauen. Da, Frau Agitator, edle Sozia, nehmen Sie mit: diese Blume, steden Sie sich die an den hohen Busen, ein schönes rotes Alpenpeilchen, ich hatte gestern Geburtstag." Und lachend nimmt unsere liebe Genossin Minna den roten Schmetterling, das Alpenveilchen, schade! Es riecht nicht.
Beim Kriegsverstümmelten.- ,, Was, Sie glauben noch an Herzen? Bei zehn Millionen Kriegstoten? Fort, sage ich, fort mit dem Glauben an die Menschen, von Gott wollen wir gar nicht reden. Gott haben wir längst zu Asche verbrannt. Aber immerhin, die Roten haben für uns Kriegsverstümmelte manches im Parlament herausgeholt, und da Sie, roter Mann und rote Frau, sich eigens zu mir heraufbemüht haben, so unterschreiben Sie für mich, ich gehe in die Partei; da, auf der Kommode liegt' n Bleistift, feien Sie meine Schreibehand. Sie sehen ja, ich habe teine Arme mehr: Berdun! Verdun !"
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Anderswo. Der Angestellte fagte:„ Meine Frau ist nicht zu Hause, selbständig fann ich keine politischen Entscheidungen treffen. Dann auch dieses seit dreißig Jahren bin ich im Deutschnatio. nalen Handlungsgehilfen...." Leben Sie wohl: Verein! Handlungsgehilfenverein, laßt euch vereint ausbeuten. Deutschnational!" Und nun ist Abend. Hans und Minna Zobel daheim. Mutter hat Klein- Erna auf dem Schoß, die hustet noch' n bißchen, Mutter gibt ihr heiße Milch mit viel Zucker drin.
Und dann gehen mir schlafen, morgen ist Montag, da heißt es wieder schaffen. Nicht so schön schaffen, wie heute. Heute schafften wir für die Partei, fürs Herz des Bolles und fürs Herz der Menschheit. Wir brachten Herz, wir fanden Herz; wir hatten Erfolge und Mißerfolge. Wir nahmen's wie's tam. Jetzt gute Nacht.
Hans und Minna träumen. Die Welt war ein einziges großes Herz geworden, die Himmelskuppel war eine Herzwölbung, quer drüber stand die goldene Milchstraße, eine Brücke. Sah man genauer hin, dann war die Brücke der Milchstraße illuminiert, goldene Sternenlichter einten sich zur Schrift und was sagte die Schrift? harmonie alles Getenden Sozialismus!"
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Rohkost oder getochte Koft? Im Laufe der letzten Jahre wird immer mehr darüber diskutiert, ob für den menschlichen Organismus rohe oder getochte Kost nüßlicher wäre. Es sind daran in erster Linie die erfolgreichen Vitaminforschungen des letzten Dezenniums, und hier speziell die Erkenntnis der Thermolabilität einiger Vitamine, schuld. Den letzten Anstoß zur gründlichen Nachprüfung dieser Frage gaben die Untersuchungen eines Berliner Arztes. Dieser glaubte auf Grund von Tierversuchen festgestellt zu haben, daß durch das Kochen, vor allem durch längeres Warmstellen der Speisen, wie es ja in Gastwirtschaften fo häufig der Fall ist, ungeheure Werte der ursprünglichen Rohkost vernichtet würden. Diese Behauptungen haben eraften Nachprüfungen von Dr. Scheunert Die letzteren stellten und E. Bagner nicht standhalten fönnen. sehr verschiedene und umfangreiche Versuchsreihen an, die übereinstimmend zu dem Ergebnis führten, daß die Rohkost feine Ueberlegenheit gegenüber einer gargefochten Soft als auch einer 4 Stunden auf 94 bis 97 Grad länger erhizten Rost bietet. Im
Gegenteil zeigte sich eine Unterlegenheit der Rohkest. Eigentlich ist diese Feststellung nichts Neues, fie bestätigt mur eine Jahrtausende alte Erfahrung, daß durch das Kochen Bohigeschmack und Berbaulichkeit der Speisen wesentlich erhöht werden, ganz abgesehen davon, daß die Hike die Nahrungsmittel von etwaigen Krankheitserregern befreit und daß uns in falten Jahreszeiten warme Speisen direkt ein Bedürfnis sind. Ganz gewiß werden durch langes Kochen verschiedene Bitamine zerstört, aber zur Deckung unseres Vitaminbedarfs genügen Obst, Salate und die geringen Mengen pflanzlicher Rohtoft, die wir doch stets zu genießen pflegen, vollauf. Sicherlich ist das übermäßige Genießen von Rohkost auch nur eine der Modeftrömungen unserer Zeit.