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Nr. 248.

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12. Jahrg.

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Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin".

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Mittwoch, den 23. Oktober 1895. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Das Programm des neuen czechischen Nation volles Vertrauen entgegen, verzichte auf jede teien offen bleibe. Die Regierung appellire an das Haus Refrimination und habe, auf den glänzend erprobten Patriotismus um Unterstüßung; sie werde gegen keine Partei die Maxime öfferreichischen Minifteriums. des böhmischen Volkes bauend, den ersten Vertrauensbeweis ge- divide et impera" anwenden, fie werde als erstes Prinzip stets Der Oberschlachtzize Graf Badeni hat heute die neue liefert. Die Aufhebung des Ausnahmezustandes in die Gerechtigkeit betrachten; ohne Stolz und Ueberhebung aber Regierung mit einer eigenartigen Programmrede im öfter- Brag war feine Konzession, sondern die Basis mit Zuversicht sage fie fich: in hoc signo vinces".( Ju diesem reichischen Abgeordnetenhause eingeführt. Er behandelte in ur Schaffung normaler Zustände. Die Regierung Beichen wirst Du siegen!). feiner ganzen Rede das Parlament als ein nothwendiges böhmischen hoffe in dieser Beziehung auf die Mitwirkung des Wie fich aus diesem Auszug aus der Rede des neuen Volkes und seiner Vertreter. Staatslenters im östlichen Nachbarreich ergiebt, hat derselbe Uebel, dem als einzig ausschlaggebender Faktor die Re- Gegenüber den Parteien des Hauses stehe mit Ausnahme der Deutschen   und der Arbeiter für alle gierung gegenüber stehe. die Regierung vollkommen frei da und gedenke Natiönchen und Berufsklassen Versprechungen auf Lager. Vom Anfang an ließ er seine Zuhörer darüber es auch weiter zu bleiben. Dies sei jedoch nicht so zu verstehen, Auch für Polen   und Ruthenen, Slovenen und Kroaten  nicht im Zweifel, daß er den Ton eines Bismarck als ob die Regierung bald der einen, bald der andern einzuführen gedenke.

wurde.

Dies zeigten seine einleitenden Parteirichtung fich akkomodiren wolle, sondern diese Worte und Italiener   hat die Regierung schöne Gaben, die sehr Worte, daß er der Vertreter einer Regierung von zum zu lassen gedenten." Darin liege feine Ueberbebung, lassen. Verspricht doch Graf Badeni die Pflege der wirth­Worte, daß er der Vertreter einer Regierung von zum bedeuten, daß wir zu führen und nicht uns führen geschätzt werden, weil sie sich in baare Münze umsetzen theil ganz unbekannten Männern nicht etwa ein flares sondern ein theoretisch und praktisch richtiges Prinzip. Unter schaftlich schwächeren Länder, d. h. die Unterstützung der Programm, sondern blos das zur Drientirung nothwendige Voraussetzung unbedingter Aufrechterhaltung Landesfinanzen Galiziens  , Istriens  , Krains und Dalmatiens  vorbringen wolle. Wie tief das österreichische aus Zensus- dieses Prinzips haben er und seine Kollegen die Mission aus dem Reichssäckel, d. h. aus den Steuerüberschüssen wahlen hervorgegangene Parlament, die Vertretung von übernommen. Die Regierung trage die Verantwortung für die Wiens   und der anderen deutsch  - österreichischen Landes­Bildung und Besitz" gesunken ist, geht schon daraus her- Aufrechterhaltung der Geseze und der Ordnung, deshalb theile. vor, daß die Rede des polnischen Grafen von leb- habe sie das Recht und Ein die Pflicht zu führen. So will das Kabinet auf Kosten der Deutsch  - Dester­haftem Beifall an mehreren Stellen unterbrochen wurde mächtiges, patriotisches, solidarisch vorgehendes Defter Die Regierung appellire reicher die anderen befriedigen, ihre Steuergelder will es und daß namentlich zum Schluffe die Beifalls bezeugungen reich fei Ziel des Ministeriums. hauptsächlich ant das letzte Prinzip, die Parteien, die auf ethischer Grund- verschenken, das die Liberalen lebhaft und andauernd waren. Der Telegraph meldet lage gebildet, ideale Ziele, wenn auch mit praktischer Unterlage noch verfochten haben, die konfessionslose Schule, auch, daß der Ministerpräsident lebhaft beglückwünscht anzustreben befähigt seien. Die Regierung behalte sich aber vor, wird den Klerikalen zur Abschlachtung überantwortet ihr Verhältniß zu den Parteien nicht blos nach deren Zielen, und dafür erhalten sie gnädig die Anerkennung, daß ihre Das Wolff'sche Telegraphen- Bureau übermittelt aus der sondern auch nach ihren eigenen Mitteln und Wegen zu gestalten, Kultur Beachtung finden müsse. Die Liberalen, die parla­Rede folgendes: weil eine crufte und ehrliche Regierung unfruchtbare, von der mentarischen Vertreter, zwar nicht des deutsch  - österreichischen Die Regierung wolle feinen Zweifel lassen über die ein- 3ivilisation ablenkende, zur Vernichtung der mensch Volkes, wohl aber des deutschen   Großgrundbesitzes und der zuschlagende Richtung, welche Jrrwege sie zu meiden gedenke und lichen Gesellschaft führende Wege nicht be- Wolfes, wohl aber des deutschen   Großgrundbesizes und der mit welchen Mitteln sie zu arbeiten beabsichtige, um zum Ziele treten dürfe und auch den Zutritt zu solchen Handelskammern und eines Theiles der nicht antisemitischen zu gelangen. Die Regierung habe sich die Aufgabe gestellt, vor Wegen anderen möglichst abzuschneiden bemüht sein müsse. und nicht klerikalen Zensuswähler haben diese Behandlung allem Bedingungen zu schaffen, unter denen der Gang der großen Die Regierung fei fich der Pflicht bewußt, die Umwohl verdient. Maschine der Staatsverwaltung ein ungestörter, regelmäßiger und wälzung oder Vernichtung der Gesellschafts= So wie Graf Badeni sprach, so konnte auch Graf zeitgerechter bleiben könne. Da dies nur dann möglich sei, wenn ordnung zu verhindern. Die Erklärung betont sodann Taaffe  , der sich auf den eisernen Ring einer Koalition von ein friedliches Bufammenleben der zu einem Ganzen vereinigten die Bedeutung des religiösen Momentes im Staats- Czechen, Polen   und Ultramontanen   stützte, sprechen. Die Nationen Desterreichs gesichert sei, so werde die Regierung leben und der Pflege der religiösen Gefühle und einer sittlich Deutschen   sind wieder in die Ecke gedrängt und erhalten allen Erscheinungen entgegenwirten, welche diesen religiösen Erziehung, insbesondere bei der Jugend. Es wäre bescheinigt, daß auch das Ministerium Badeni   es wagen Frieden zu beeinträchtigen geeignet seien, und aber eine falsche Auffassung, dies Bestreben auf reaktiv bescheinigt, daß auch das Ministerium Badeni   es, wagen durch ebenso entschiedenes wie wohlwollendes Vorgehen diesen näre Tendenzen zurückführen zu zu wollen. Die Regierung fann, fie wie einen todten Hund zu behandeln. Frieden herbeizuführen suchen. Die Regierung werde das Staats- werde die wirthschaftlichen Fragen stets im interesse, die österreichische Tradition und österreichischen Geist Auge behalten, insbesondere die Pflege der wirth der wirth die Parteien werden am Donnerstag zu demselben Stellung thatkräftig fördern und vertraue hierbei, daß die Wölfer Defter- schaftlich schwächeren Länder und zwar sowohl im nehnien. Die österreichischen Arbeiter werden außerhalb des reichs unter diesem Banner einer einigen, zielbewußten, Norden wie im Süden. In bezug auf das Arbeitsprogramm Parlaments viel richtiger, klarer und deutlicher antworten wohlwollenden, aber entschiedenen Regierung folgen werden. Dieser Tagung betont die Erklärung Badeni's   die Nothwendig als das entnervte Parlament. Neue Kämpfe stehen bevor, Zwei leitende Grundfäße seien hierbei für das Parlament ebenso feit der Erledigung des Budgets noch in diesem Jahre, ferner das österreichische Volk geht erregten Zeiten entgegen. wie für die Regierung maßgebend; aktuell berechtigte, dem als auptaufgabe die Erneuerung des Aus Von der Haltung der Czechen und Deutschen  jeweiligen Zustande der Entwickelung entsprechende Ansprüche, so- gleiches mit Ungarn  . Die Erklärung spricht die Barlamente, von der Klugheit und Energie der weit sie sich in den Grenzen der staatsrechtlichen, finanziellen Erwartung auf die patriotische Mitwirkung aller Parteien und wirthschaftlichen Bulässigkeit bewegen, sollen stets gerechte aus, fündigt die Vorlage eines Wahlreform Arbeiterklasse hängt die Gestaltung der politischen Vers und wohlwollende Würdigung finden, wenn sie auf gefeßlichem Entwurfes an und betont, daß derselbe frei von hältnisse in Desterreich in den nächsten Jahren ab. Wenn Wege geltend gemacht werden; dies könne und solle aber nur in jeder Engherzigkeit sei und dem Hause als Ganzes Graf Badeni   auch meint, Desterreich regieren zu können der Art geschehen, daß die auf dem historischen Momente be- zur Annahme empfohlen werden würde. Ferner werde wie ein türkischer Großvezier oder ein galizischer Statt­ruhende traditionelle Stellung und langjährige allen die Regierung die soziale Lage der unteren halter, so wird er blos dann Recht behalten, wenn die anderen Völkern voranleuchtende Kultur des Volksschichten thunlichst zu verbessern trachten; czechische und deutsche Bourgeoisie sich vollkommen entmannt deutschen   Boltes gebührende Beachtung finden müsse. Die Steuerreform solle mit thunlichster Benutzung der bisherigen und wenn die Arbeiterklasse ihre bisher bewährte kluge Diese fünftige Gestaltung erscheine nicht als Gegensatz zur Arbeiten fortgeführt werden. Weiter werden Gefeßentwürfe Taktik aufgiebt. Vergangenheit; die Regierung wolle vielmehr der historischen zur Einführung einer neuen Zivilprozeß- Ordnung angekündigt. Bergangenheit treu den Forderungen der Zukunft gerecht werden. Bum Schlusse spricht der Ministerpräsident die Hoff- Wir hoffen, daß Graf Badeni, der siegessicher in die Die Erklärung präzisirt damit die Stellung des Kabinets zur nung aus, daß seine Worte keine mißfällige Deutung er Arena tritt, bald geschlagen zu den polnischen Schnaps­sogenannten böhmischen Frage. Die Regierung bringe der fahren werden und der Weg zum Vertrauen der Par brennern zurückkehrt.

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Ein Verrückter.[ Nachdr. verboten. Kampf und Ende eines Lehrers. Roman von Joseph Ruederer.

Mit solche Sprüch," sagte er ohne jede Erregung, sollst eigentli net' rumschmeißen, Göpfert!" Bal mi der Mensch, der no nix is, infam beleidigt und hinstellt, als wie van von seine Schulbuben?"

net glei zu wüste Hegapostel, die' n weg'n seiner groben Ehrlichkeit furchtbar ang'feind't hab'n."

Ein neues Ministerium tritt in Desterreich ins Amt,

-

im

des möcht i ja wegen Dir und Deiner Familie net. Enk möcht' i ja alles 8'widre fernhalten."

Laß Di net abhalten von dem, was dir' s richtige scheint."

" Net abhalten soll i mi lass'n? Js scho guat Aber was moanst, was dem Gatti g'schieht, wenn i die Anzeig' erstatt' und wenn i all's, all's erzähl', was er g'red't hat?"

Der etwas schwermüthige Ton, in dem Balder geredet hatte, war seinem Kollegen nicht entgangen. Also zwickte und wurmte sie den alten Starrkopf doch, die niedere und lächerliche Stellung, die der erbärmliche, alte Hilfslehrer einnahm! Das war wenigstens eine gewisse Genugthuung, wenn auch nur eine geringe! Aber man mußte damit zu Auch dann net, denn wenn der Gattl auch a rabiater frieden sein, denn gegen die unnahbare Ruhe und Sicher- Balder holte ein Feuerzeug aus der Tasche und brannte Mensch is, so muß ma denken, daß er dazu g'macht word'n heit des alten Försters, der breitspurig auf dem Sopha lag, eine neue Zigarre an: is. Du kennst sei Leben net, weißt net, was er durchg'macht war jetzt nichts zu machen; mit Heftigkeit drang man da Des is net schwer 3'sag'n," meinte er. Mit Deiner hat. 3'erst haben's ihn von ein'm Ort zum andern g'schickt nicht durch. Das wußte der ärgerliche Göpfert recht gut. Klag', da machst Du Dir den Benefiziaten zum dicksten und versetzt, angeblich, weil er zum Lehrer net taugen soll Waren doch schon Vorgesetzte vom Forstamt und von der Freund, und dem Lehrer wird wieder a Prügel zwischen und Zeugnis haben's ihm ausg'stellt, daß an a Anstellung Regierung bei Balder gar übel angekommen, als sie grob d' Füß g'worf'n. Dem Kreis- Schulinspektor, der jetzt in nie z' denken war. Warum? Weil er's absolut net vers auftreten wollten. Ein erstaunter Blick oder eine ganz allernächster Zeit zur Revision kommen und' n Gattl sei standen hat, sei Meinung übers Leben und über politische ruhige Frage pflegte jeden zu entwaffnen, der ihm ohne Schul prüfen soll, dem erzählt man die schrecklichsten Ansichten g'heim z'halten, und weil er eb'n mit'n Kopf Ursache nahe trat. G'schichten, der Lehrer kriegt wieder kei Anstellung, er derf durch die Wand will. Des is freili net schlau von ihm, als Hilfslehrer weiter vegetiren der Himmel weiß, wie denn man hat ihm daraufhin g'hörig zug'setzt, so daß man lang und am härt'sten trifft's mei Anna... So geht's, jetzt, wo ihn volle fünf Jahr in unserm Nest hocken Göpfert," fuhr er fort, und sah dem Verblüfften voll ins lass'n, gar nir mehr mit ihm anfangen kann, wenn man Gesicht. So, wenn Du's durchaus wissen willst." ihn unrichtig behandelt." Aber des möcht' ich ja eb'n net. Nimm doch Verstand an, Balder, und red' mit dem Lehrer..." Gieb Dir fei Müh' mehr und thu, was D' für guat haltst."

Also derf mer den Herrn blos noch mit Glacé. handschuh anfaffen?" fragte Göpfert, und bleckte seine toloffalen Zähne.

Wenn D' mi net verstehen magst, na is' s besser, mir hör'n den Dischkurs auf."

" No ja, i hab ja blos g'moant! Ma derf wohl no was fag'n?"

" O ja, aber Du sollst net blind auf' n Menschen los­hauen, der von Haus aus a prächtiger, guter Kerl is, und der heut längst sei wohlverdiente Anstellung hätt', wenn er von vornherein in die richten Händ'' Tommen wär und

Abgeblitzt und blamirt! dachte Göpfert, als er jetzt aufstand und seinen Stuhl in die Ecke setzte.

Also, nacher is nig?" fragte er, indem er Balder die Hand hinſtreckte.

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Was is nig?"

" No ja, es bleibt dabei: der Gattl darf Dein Kollegen insultiren und von oaner Abbitt is koa Red?"

Wenn ich auch mit' m Lehrer sprechen wollt- ich fann ihm unmöglich zumuth'n, daß er um Verzeihung bitten soll." Lauernd sah Göpfert zu dem Sopha hinunter: Dann blieb mir also nix anders übri, als eine schwerd' beim Gattl seine Vorg'icht'n?" Balde: nickte zustimmend und legte den Zigarrenstummel bei Seite.

"

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Damit griff der Förster unter das Sopha und holte die plumpen, rindsledernen Nagelschuhe hervor. Er ver­tauschte sie mit den Pantoffeln, ohne sich mehr um den Bewüthenden Göpfert zu bekümmern, der jetzt wohl oder übel seine Drohung ausführen mußte, menn er nicht als ver­lachter Großsprecher dastehen wollte. Er wußte zivar, Balder pflegte nicht auszuplaudern, was unter vier Augen gesprochen wurde, und gerne hätte er sich auch diesmal auf

Aber sei do g'scheid, alter Freund," rief Göpfert eifrig,