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Morgenausgabe Xr. 534_ A 271 44. Jahrgang

WSchentliS 70 Pfennig, monitlich är-~ Reichsmart, voraus zahlbar. Unter Streifband im In. und Ausland o.N Reich smart pro Rionat. » Der..Borwärts� mit der illustrier. ten Sonntagsbeilage.Volk und Zeil" lowie den Beilagen.Unterhaltung und Wissen"Aus der ftilmwelt", «tadibeilage,Frauenstimme". .Der Kinderkreunb",Iuaend-Vor. warts",Blick in die Bücherwelt". ..Kulturarbeit" undTechnil" erscheint wochcntiiglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.

Beriince Vowsbistt

Kreiiag 11, November 1927 Groß-Äerlin lV Pf- Auswärts 15 pf.

Die e i n> p a l I i g e Ronpareillezeile bu Pfennig. Retiamezeile S Reichs- mar!stleine Anzeigen" das iettge. druckte Wort Pfennig(znläfsig zwei fcltgedru ckte Worte) jedes weitere Wort lZ Pfennig , wtellengeiuche das erste Wort lb Pfennig, jedes weitere Won U> Pfennig. Worte Uber>ö Buchstaben zahden illr zgiei Worte. Ardeusmark! Zeile SuPievOtg. Familienanzeigen Istr AbonnentenZeile tOPiennia Anzeigen» annähme im Hauptgeschäft Linden» ilrage ll. wochentägl. von SV, bis 17 Uhr

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Herunter mit den Mffensteuern!

Llnsere Steuerpolitik. Von Paul Herh. Als im Jahre 1925 die erste Rechtsregierung gebildet wurde, da suchte der Führer, der Deutschen Volkspartei , Dr. S t r e s e m a n n, ihre Existenz mit dem Hinweis zu rechtfertigen, die großen Frage/t der Wirrschafts- und Finanz- Politik könnten nur gegen die Sozialdemokratie gelöst werden. Dieser Absicht hat der B ü r g e r b l o ck entsprochen. tLr hat im Jahre 1925 eine Steuerreform durchgeführt, die zu einer wesentlichen Entlastung des Besitzes geführt hat. Reichsfinanzminister Dr. Kohler hat erst vor kurzem erklärt, daß die Steuerlasten im Jahre 1925 um zweieinhalb Milliarden Mark vermindert worden feien. Nur ein ganz kleiner Teil dieses Steuer- ubbaues ist den Massen des Volkes zugute gekommen. Den größten Teil haben die Besitzenden eingeheimst. Jahr für Jahr sind die Steuerlasten der Großindustrie gesunken. Die Großlandwirtschaft zahlt gegenwärtig überhaupt nur noch lächerlich geringe Beträge an Reichs- steuern. Ihr Anteil an der Einkommensteuer bleibt unter lmndert Millionen Mark jährlich. Nicht viel höher ist ihr Anteil an der Vermögenssteuer, während sie zu der Erb- schaftssteuer überhaupt nur wenige Millionen beiträgt. Ganz anders ist das Bild bei der Masse der Lohn- und Gehaltsempfänger. Anders ist es zum Teil auch bei dem kleingewerblichen und kaufmännischen Mittelstand. Bei den Lohn- und Gehaltsempfängern ist nur die Lohnsteuer den veränderten Lohnverhältnisien angepaßt worden. Die Besteuerung des Verbrauchs aber wurde im Jahre 1925 durch den Rechtsblock oerschärft. Er senkte zwar die Umsatzsteuer, doch hatten die Masten davon keinen Nutzen, da die Preise hoch blieben oder noch stiegen. Denn gleichzeitig mit der Senkung der Umsatzsteuer wurden die �ölle riesenhaft erhöht. Ebenso ging es mit den sonstigen Verbrauchsabgaben auf Tabak, Bier, Zucker usw. Infolge- dessen ist auch gegenwärtig der Ertrag aus den Massen- st e u e r n immer noch doppelt so hoch als der Ertrag nus den Besitz st euer n. Obwohl Einkommen und Ver- mögen der Desitzenden in den letzten Iahren wesentlich ge- stiegen sind, tragen sie zu den Gesamtlasten immer noch den geringsten Teil bei. Eine solche Steuer- und Finanzpolitik war nur durch den Rechtsblock möglich. Die plutokratifche Steuerreform des Jahres 1925 hat für alle Zeiten bewiesen, daß eine Rechts- regierung, die als eine Kampfesregierung gegen d i e A r b e i t e r k l a s s c ins Leben trat, nichts anderes sein kann, als ein B e s i tz b ü r g e r b l o ck. Die Klagen der Großindustrie und der Großlandwirtschaft über die un- erträglichen Steuerlasten haben trotzdem nicht aufgehört. Weiterer Abbau der Besitzsteuern und gewaltsame Drosselung der sozialen Ausgaben der öffentlichen Körperschaften ist nach wie vor ihr Ziel. Angesichts der bevorstehenden Reichstags- wähl legt man sich zwar im Augenblick eine gewisse Zurück- Haltung auf. Aber das bedeutet nur eine Vertagung der gefährlichen Pläne, nicht ihre völlige Preisgabe. Wird durch Neuwahlen zum Reichstag der Rechtsblock nicht erschüttert, so wird er nach den Wahlen die hemmungslosen Pläne des Großbesitzes auf Abbau der Besitzsteuern schleunigst zu ver- wirtlichen trachten. Von diesen Absichten aber drohen dem ganzen deutschen Volke die größten Gefahren. Deutschland hat eine hohe Gesamtsteuerlast und wird sie in absehbarer Zeit nicht wesent- lich vermindern können. Denn sie ist in erster Linie die Folge des Krieges und det Niederlage, die durch verblendeten Ero-bererwahnsinn mit verschuldet wurde. Im Jahre 1927 muß Deutschland allein für die Bezahlung der Kriegslasten dreieinhalb Milliarden Mark aufbringen. Das ist mehr als die Hälfte der gesamten Ausgaben des Reichs. Das entspricht einer Belastung pro Kopf der Bevölkerung von rund 57 Mark, während die Gesamtbelastung pro Kopf der Bevölkerung im Jahre 1913 nur rund 41 Mark betrug. So lange die Wirtschaftslage sich nicht dauernd bessert, und die Erträge der einzelnen Steuern nicht wesentlich steigen, wird infolgedessen der Abbau der Steuerlast sich immer innerhalb enger Grenzen halten müssen. Das verlangt die Rücksicht auf die Währung, die unbedingte Notwendigkeit der Vermeidung einer neuen Inflation. Lohnerhöhungen bringen die Währung nicht in Gefahr, wie die Kapitalisten mit plumper Demagogie behaupten. Diese Gefahr droht nur von einer leichtfertigen Finanzpolitik, wie sie unter deutschnationaler Führung von Beginn des Krieges an betrieben wurde, von einer Finanzpolitik, die Ausgaben nicht durch Steuern deckt, sondern durch die Notenpresse. Der

Steuerabbau darf deshalb niemals das Gleichgewicht des Haushalts in Frage stellen und Deutschland einer neuen Inflation entgegentreiben. Innerhalb dieser Schranken muß deshalb der Abbau der Massen steuern den unbedingten Vorrang haben. Die Lebenshaltung darf durch Steuerlasten nicht dauernd so wesentlich eingeschränkt werden, wie das gegenwärtig der Fall ist. Die Hebung der Massenkaufkraft ist ebenso sehr ein Gebot einer vernünftigen Wirtschaftspolitik wie einer vernünftigen Steuerpolitik. Auf die Dauer muß die un- erträgliche Ueberspannung der Massensteuern und die Scho- nung des leistungsfähigen Besitzes, die in zahlreichen Fällen bis zur völligen Steuerfreiheit geht, gefährliche soziale Span- nungen auslösen. Die Massen des deutschen Volkes, die jahrelang geduldig hohe Steuerlasten getragen haben, ver» langen endlich die Abkehr von einem Zustand, wo der un- entbehrliche Verbrauch hart angepackt, der Luxuskonsum sorgsam geschont, große Vermögen und Riesen- erbschaften außerordentlich milde besteuert werden, das Arbeitseinkommen der Lohnempfänger aber bis zum letzten Pfennig dem Zugriff des Steuerfiskus aus- geliefert wird. Die Sozialdemokratie ist immer für die Ermäßigung der Lohnsteuer eingetreten. Ihrem unermüdlichen Drängen gelang es, das steuerfreie Existenzminimum, das am 1. Dezember 1924 noch 50 Mark monatlich betrug, bis zum 1. Januar 1926 auf 100 Mark heraufzusetzen. Sie hat erreicht, daß den Lohnsteuerpflichtigen für das Jahre 1925 55 Millionen, für das Jahr 1926 60 Millionen Mark Lohn- steuer zurückerstattet wurden. Sie kämpft jetzt für eine Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums auf 140 Mark monatlich für einen ledigen Steuerpflichtigen, auf 180 Mark für einen Verheirateten mit drei Kindern. Sie will die gesetzliche Verpflichtung vom September 1925 einlösen, nach der der Ertrag der Lohnsteuer nicht höher sein soll als 1200 Millionen Mark jährlich. Daneben tritt sie ein für die Steuerfreiheit des uNent- behrlichen Verbrauchs, wie Zucker usw., und eine Schonung des entbehrlichen Verbrauchs. Dagegen muß der Luxus- verbrauch härter besteuert werden als bisher, zumal in anderen Ländern aus diesen Steuerguellen ein Vielfaches

des deutschen Ertrages geholt wird. Das gilt in erster Linie für die Branntweinbesteuerung, die auch in Deutschland die Mittel liefern könnte zum Abbau aller Steuern auf den unentbehrlichen Verbrauch und zur weitgehenden Milderung der Lohnsteuer. Die Besitzsteuern müssen besser als bisher ausgeschöpft und gleichmäßiger erhoben werden. Die steuerliche Begünstigung des Großgrundbesitzes ist skandalös, viele Großgrundbesitzer sind steuerfrei, während Klein- und Mittelbauern unter den Steuerlasten ebenso seufzen wie die Lohn- und Gehaltsempfänger. Die Vermögens- und Erbschaftssteuer aber müssen und können weit höhere Erträge bringen. So lange die Wohnungsnot nicht beseitigt ist, kann auch auf die H a u s- zinssteuer nicht zugunsten der Hausbesitzer verzichtet werden. Als Mittel zur Beseitigung der Woh- n u n g s n o t und zur Herabdrückung der Mieten in den Neubauwohnungen wird sie auch von den Mietern als gerechtfertigt angesehen. Als Finanzquelle für Staat und Gemeinden aber muß sie bekämpft werden. Die Steuerpolitik der besitzenden Klassen in Deutschland aber ist nie von sozialen Erwägungen oder von dem Gedanken der Gerechtigkeit geleitet gewesen, nur die Macht entscheidet über Art und Höhe der Steuerlasten. Sowohl in der Steuer- gesetzgebung als auch in der Steueroerwaltung hat die Mqcht des Bürgertums immer zu einer Bevorzugung des Besitzes und zu einer Benachteiligung der Be�'vken geführt. Diesen Zustand möchte man auch für die Zukunft erhalten. Daher ist in Steuerfragen immer eine Einheitsfront aller bürgerlichen Parteien vorhanden gewesen, haben die kapitalistischen Kreise der Demokratischen Partei keine anderen Ziele als die der Deutfchnationaltn oder der Deut- fchen Volkspartei. Das Schicksal des deutschen Volkes, das Schicksal der deutschen Arbeiterklasse und das der besitzlosen Mittelschichten lag daher immer in den Händen der Sozialdemokratie. Von ihrer Stärke und chrem Einfluß hängt es ab, ob auch in der deutschen Steuerpolitik soziale Erwägungen bestimmend sein sollen und die Besteuerung erfolgt nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit. Deshalb: Kampf dem Besitzbürgerblock und Sieg der Sozialdemokratie!

In den Schlingen der GM. Oer Gensaiionsprozeß in Reval. Birks Freifpruch.

lieber den F re i s p ru ch des ehemaligen estnischen Gesandten in Moskau , Wo Birk, von der Anklage des Landesverrats haben wir kurz berichtet. Birks Weigerung, dem Befehle der estnischen Regierung Folge zu leisten, hat seinerzeit viel Aussehen erregt. Noch viel mehr Staub wirbelte aber sein angeblicher Ueber- gang zur Sowjetregierung auf. Am 30. Juli 1926 ver- öffentlichte die MoskauerIswestija" einen Artikel mit der Ueberfchrift:Politisches Austreten des ehemaligen estnischen Gc- sandten A. Birk, Enthüllungen über die Politik Estlands ". Am 4. August erschien daselbst ein zweiter Art-kel, in dem Birk den estnischen Minister des Aeußeren P i i p beschuldigte, hinter dem Rücken der Sowjets Verhandlungen mit anderen Staaten geführt .zu haben. Insbesondere habe der Leiter der Ostabteilung des pol- nischen Außenministenums, Ianikowsti, Piip einen Bund gegen die USSR . zu gründen vorgeschlagen. Besonders eifrig hätten in dieser Richtung die G e n e r a l st ä b l e r gearbeitet, die diese Frage aus einer Sonderkonserenz in Warschau beraten hätten. Ein ähnlicher Fall war in der Geschichte der europäischen Diplomatie noch nicht dagewesen. Dann wurde a l l e s st i l l um die Angelegenheit Dirk. Im Juni dieses Jahres hieß es aber plötzlich, er hob« Rußland ver- lassen und sei in Reval eingetroffen. Die eigentliche Sensation bracht« aber erst sein Prozeß. Dieser ergab unzweifel- hast, daß Birk dos Opfer eines Intrigenspiels der Außenabteilung der OPA. geworden war. Ja, noch mehr. Die gleiche Lockspitzclorga- n: f a t i o n. deren Hauptaufgabe die Zusammeusassung und Ent­larvung der russischen Monarchisten war, hatte auch im Falle Birk ihre Hände im Spiel. Einer der Hmiptagenten dieser Organisation. O P p e r p u t, dessen angebliche Erschießung, wie erinnerlich, vor kurzem die Sowjetzeitunaen meldeten, hotte von Finnland aus dem Untersuchungsrichter in Reval seine Aussage eingeschickt. Opz er-

puts Bekundungen stimmten mit den Aussagen Birks überein. Sie begannen mit der Schilderung, wie es Ende des Jahres 1921 dem Bevollmächtigten der damaligen allrussischen Tscheka, R j a h o n s t i, unter dem Nomen Kolesnikow gelang, in Reval mit den früheren russischen Ostizieren Artamanow und Schtschelgatschew in Berbindung zu treten und sie zu überzeugen, daß er von einer antibolschewistischen Organisation zu ihnen gesandt wor- den sei. Als im Jahre 1922 Roman Birk, ein Namensvetter des Gesandten Ado Birk , in die estnische Gesandtschaft in Moskau berufen wurde, vermittelte dieser anfangs unbewußt die Beziehun- gen zwischen der angeblichen Antibolschewistenorganisation, der etwa 50 geheime Mitarbeiter der GPU. angehörten, und den beiden russischen Offizieren i» Reval . Diese wieder unterhielten eifrige Beziehungen zum estnischen Generalstab. dem sie gegen Bezahlung verfchiedene Dokumente über die Rote Armee besorgten. Die Dokumente wurden zum Teil in einer bc- sonderen Abteilung der GPU. angefertigt, zum Teil waren sie echt, hatten jedoch keinen Wert. Roman Birk wurde eine» schönen Tages in eine Sackgass« ge- lockt, in«in Auto gesetzt und in ein« Derschwörerwohnung gebracht. die er als geheimer Mitarbeiter der GPU. verließ. Zu Ansang des Jahres 1924 erhielt diese Spitzelabteiürng vom Chef der GPU .. D s e r s h i n s k i, den Befehl, jemand von den bedeutendsten baltischen Diplomaten für sich zu gewinnen. Die Wahl fiel auf den estlöndischen Gesandten Ado Birk und den Gesandtschaftssekretär Jogg!. Den letzteren gelang es, sehr bald einziliangen, komplizierter gestaltete sich ober die Sache mit Birk. Als Werkzeug bediente man sich hierbei des Militärattaches Kurs k, von dem übrigens behauptet wird, daß er sich schließlich auch in den Diensten der GPU. befunden habe. Desem Kursk spielt« man eine Anzahl Tatsachen in küe Hände, aus denen hervorgehen sollte, daß Birk zu spekulattoen Zwecken Waren nach Estland ausgeführt

L.