Abendausgabe
Nr. 541
B 268
44. Jahrgang
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Dienstag 15. November 1927
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Bürgerblockangst vor dem Reichstag .
Er wollte den Reichstagsbeginn hinausschieben! Gegen den Widerstand der Sozialdemokratie hatte der Bürger.
Der Mieterschutz in Gefahr!
blod im Oktober beschlossen, daß der Reichstag erst am Der Befitbürgerblock will Länder und Opposition vergewaltigen.- Erfolgreiche
fozialdemokratische Abwehr.
22. November zusammentreten sollte. Er wollte damit die glatte Erledigung des Reichsschulgesetes und der Borlage über die Beamten besoldung sichern. Die Einladungen für Im Wohnungsausschuß des Reichstags, der seit| test der Sozialdemokraten wurden dann die Berhandlungen um eine die Sitzung am 22. November sollten heute zum Versand kommen, einer Woche die Borlage der Reichsregierung über den Abbau des als plöhlich der deutschnationale Graf Westarp eine weitere BerMieterschutzes berät, ist am Dienstag vormittag ein Konflitt austagung des Reichslags bis zum 29. november verlangte, da der gebrochen. Er läßt die gespannte Situation erkennen und bie Bürgerblock bisher mit seinen internen Beratungen über Schwere der Auseinandersetzung zwischen der Sozialdemo Besoldungsvorlage und Reichsschulgefeß nicht fertig getratie, der Freundin des Mieterschutes, und dem Rechtsblod, worden sei. Infolge dessen fand heute mittag um 1 Uhr eine dem Feind des Mieterschutzes. Sigung des Welteftenausschusses statt.
Präsident Löbe gab von der Anregung des Grafen Bestarp Stenntnis, wies aber zugleich darauf hin, daß es den Reichstag an michtigem Beratungsmaterial nicht fehle. Unter anderem sei zu be raten der deutsch französische Handelsvertrag, die Borlage über den endgültigen Reichswirtschaftsrat, das Branntmeinmonopolgefeß, des Strafvollzugs Strafvollzugs gefeges, des Bereinsgefeßes und der Bericht über die Ruhrentschädigung. Man müsse auch daran denken,
den Eindruck in der Oeffentlichkeit zu vermeiden, als ob der Reichstag überhaupt nicht mehr zur Beratung tomme.
Die Redner der Regierungsparteien, Graf Westarp ( Dntl.), Guérard( 3tr.) und Scholz( D. Bp.), begründeten das Verlangen nach weiterer Vertagung mit der Notwendigkeit, den Aus= schüssen Zeit zu ruhiger Arbeit zu lassen.
Der Anlaß ist folgender: Die Vorlage der Reichsregierung ist bereits im Reichsrat auf entschiedenen Widerstand der Länder gestoßen.
Sie halten den Abbau bes Mieterschußes für verfrüht und befämpfen ihn. In den bisherigen Berhandlungen des Ausschusses aber hatten bie Ländervertreter teine Möglichkeit, sich zu äußern, um ihren ablehnenden Standpunkt zu begründen Sie äußern, um ihren ablehnenden Standpunkt zu begründen. Sie wollten das in den nächsten Tagen tun. Außerdem war von dem Reichsjustizminister Dr. Hergt in der vergangenen Woche auf Berlangen der Sozialdemokraten ausführliches Material in Ausficht gestellt worden, aus dem die Wirkungen des Abbaues des Mieterschutzes vom Jahre 1926 zu ersehen sind. Aber auch dieses Ver: sprechen will die Reichsregierung anscheinend nicht erfüllen, das Material ist bisher nicht vorgelegt worden.
Aus beiden Gründen beantragten die sozialdemokratischen Mitglieder des Ausschusses Bertagung der Beratung über den§ 1 des Gefeßentwurfs in einen einzigen Tag. Lediglich fachliche, Demgegenüber wies Genosse Dr. Breitscheid darauf hin, daß Gründe leiteten sie dabei, wie von allen Seiten anerkannt werden dieser Gesichtspuntt nicht entscheidend sein fönne.
Aehnlich argumentierte Abg. Torgler( Komm.). Abg. Leicht ( Bayer. Bp.) machte angefidyts des Widerstandes der Sozialdemo fraten und der Kommunisten den Vorschlag, am 22. November als den Beginn der Reichstagsarbeit festzuhalten. Graf Weftarp 30g daraufhin seinen Vorschlag zurüd.
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Die Angst des Bürgerblocks vor dem Reichstag wächst im felben Berhältnis wie feine Angst vor den kommenden Wahlen. Die politische Stellung des Bürgerblocks ist auf das schwerste erschüttert, innere Unsicherheit und schlechtes Gewissen lassen ihn die Auseinandersehung im Reichstag fcheuen.
Auf die Frage: ,, wo ist euer Mandat vom Bolke" hat ber Bürgerblod feine Antwort!
Greifen Siezu, Herr Reparationsagent!
Eine Denunziation der Deutschnationalen . Reparationsagent Barter Gilbert hat dem Bürger blodfabinett über Sparsamteit in der Finanzpolitit eine empfindliche Vorlesung gehalten. Die Deutschnatio: nalen haben sie geschludt wie alles, was fie früher einmal als landesverräterisch und ehrenrührig verschrien haben.
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Die Kreuz 3eitung" bringt es sogar fertig, den blamablen Umfall durch eine Denunziation zu frönen, die an Niebrigkeit ihresgleichen sucht. Sie hebt den Reparations agenten auf den Sozialetat des Reichshaushalts! Nach längeren Ausführungen an leitender Stelle heißt es da in auffälligem Drud:
Deutschland hat affo feinen Sozialetat von 1261 Millionen Mart, die in einer Zeit wirtschaftlicher Blüte und staatlicher Unab hängigkeit ausgegeben wurden, auf rund 4½ Milliarden Mart gesteigert, welche im wesentlichen von der deutschen Wirtschaft aufzubringen sind zu einer Zeit, in der diese legtere außer mit diesen Ausgaben auch noch mit den Reparations. leistungen für unsere Kriegsgegner belastet ist.
mußte.
Trotzdem lehnte die Mehrheit diesen Antrag entgegen allen parlamentarischen Gepflogenheiten ab, dieselbe Mehrheit, die eine ganze Woche mit öden Reden gegen die Sozialdemokratie ausgefüllt hatte. Selbst das selbstverständliche Ver langen, diese Ablehnung des sozialdemokratischen Bertagungsantrages in das amtliche Protofoll aufzunehmen, wurde von
der Mehrheit niedergeftimmt! Erst auf den erregien Bro
halbe Stunde ausgefeht. Nach Wiederbeginn der Sigung gaben die fozialdemokratischen Mitglieder des Ausschusses folgende Erklä rung ab:
,, Die sozialdemokratischen Mitglieder des Wohnungsausschusses haben in der heutigen Vormittagsfihung die Ausjehung der Beratungen verlangt, weil in den bisherigen Verhandlungen weder die Länder. regierungen ihren ablehnenden Standpunkt zu der Vorlage der Reichsregierung barlegen konnten, noch das von der Reichsregierung für die jetzigen Verhandlungen versprochene außerordentlich wichtige Material über 1926 vorgelegt worden ist. die Auswirkungen der Lockerung des Mieterschutzes von
Obwohl dieses Verlangen noch von zwei weiteren Parteien und dem Vorsitzenden des Ausschusses unterstützt worden ist, hat die Mehrheit entgegen allen varlamentarischen Gepflogenheiten die Aussehung der Ver handlungen um einen Tag brutal abgelehnt. Sie hat also eine sachliche Beratung der weittragenden Folgen der Lockerung des Mieterschutzes zu erschweren versucht und will sowohl den Vertretern der Länder als auch den Vertretern der mieterfreundlichen Parteien die Vertretung ihres Standpunktes unmöglich machen. Gegen dieses Verhalten erhebt die sozialdemokratische Fraktion den schärften Einspruch. Sie wird mit allen geschäftsordnungsmäßigen Mitteln dafür zu sorgen daß die Interessen der Mieter wissen, gegenüber dem Besinbürgerblock gewahrt werden."
Die Sozialdemokraten beantragten gleichzeitig wieder den Abbruch der Berhandlungen und die Bertagung der Situng bis zum Donnerstag, den 17. November.
Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte, in der die Bertreter des Besißbürgerblods sich gegen die schweren sozialdemokratischen Antlagen zu verteidigen fudden, gaben sie schließlich flein bei und ftimmten der Vertagung zu.
Mostau, 15. November.
Heute wurde ein Beschluß der 3entraltontrollfom mission und des Zentralfomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion veröffentlicht, monach Sta menem, Ratowsti, Smilga , Jewbotimom und Awdejem aus dem 3entralfomitee und Muralow, Batajew, Schtlomsti, Peterson, Solowjem und Lisdin aus der Zentralfontrolltommission ausgeschlossen werden. Ferner werden die Genannten DON leitenden Boften in der Partei und in den Sowjetorganen entfernt und gleichzeitig ebenso wie Radek, gewarnt, daß die Frage der Bereinbarkeit ihrer frattionellen Tätigkeit mit ihrem weiteren Berbleiben in den Reihen der Partei dem 15. Parteifongreß zur Prüfung unterbreitet werden wird.
Trotki und Sinowjet werden dem Beschluß gemäß aus der Partei ausgeschlossen als Hauptführer der gesamten parteifeindlichen Tätigkeit, die offensichtlich in sowjetfeindliche Tätigkeit übergehe und die Diktatur des Proletariats untergrabe.
Sie wollen die deutsche Wirtschaft für Reparationsleistungen frei machen? Greifen Sie zu, Herr Reparations- jew bie ihnen gestellte entschiebene Forderung, unverzüglich die agent, das offizielle Organ der deutschnationalen Regierungspartei gibt Ihnen die richtige Fährte: Die Groschen, die für partei gibt Ihnen die richtige Fährte: Die Groschen, die für den Schutz der Arbeiter und der Arbeitskraft angesetzt sind, stehen Ihnen zur Verfügung! Des Dantes der Deutsch nationalen Boltspartei sind Sie gewiß!
Zusammentritt des Reparationsausschusses. Der neugebildete Reparationsausschuß tritt morgen unter dem Borsiz des Reichsfinanzministers Dr. Köhler zu seiner ersten Sigung zusammen.
Dampferkatastrophe in Vorderindien.
Küstendampfer gefunten.- 135 Personen ertrunten. Wie Neuter meldet, soll der Küstendampfer ,, utaran" bei einem Sturm, ungefähr 100 Kilometer von Bombay, gesunken sein. 135 Personen sollen ertrunten sein; nur sieben Mann hätten sich gerettet.
Der Beschluß weist daraufhin, daß Trogti und Sinow und die Berlegung immerparteilicher Distuffion nach außerhalb der Organisierung illegaler parteifeindlicher Versammlungen einzustellen Partei aufzugeben, mit demonstrativem Verlassen der Sitzung des Bräsidiums der Zentralfontrollkommiffion beantwortet und nach einigen Stunden eine schriftliche Antwort vom 11. November ge sandt hätten, in der dem Wesen nach diese Forderung abgelehnt
wurde.
Ferner betont der Beschluß, daß, obwohl ben Oppofitionsführern in der vor dem Zusammentritt des Kongresses eröffneten Dis. fussion die volle Möglichkeit geboten war, sowohl in der Bresse als auch innerhalb der Parteiorganisation ihre Anschauungen zu verfechten, weber Troßfi noch Sinowjew es für nötig erachteten, hervorzutreten, sondern fortfuhren, illegale Bersammlun gen ohne Teilnahme von Vertretern der Partei zu veranstalten, fowie in öffentlichen Berjammlungen Reden gegen die Kommuniffische Partei der Sowjetunion und gegen die Sowjetmacht zu halten. Der Beschluß führt eine Reihe von Latsachen über die parteifeindliche Tätigkeit der Opposition an und erinnert u. a. baran, daß am zehnten Jahrestage der Oftoberrevolution die Oppositionsführer,
I anstatt auf die gemeinsame Tribüne am Leninmausoleum zu kommen, um die Demonstranten zu begrüßen, versuchten, Straßenfundgebungen gegen die Partei zu organisieren. Ferner hätten sie parteifeind liche Flugblätter ausgeftreut und ausgehangen, an der Partei und der Sowjetmacht fremd gegenüberstehende Elemente appelliert, Räumlichkeiten befeßt, wobei sie den Sowjetkommandanten ablösten und eine bewaffnete Bache aufstellten, wodurch fie den Rahmen der Rechtsnormen der Sowjets überschritten hätten und offen zum Sprachrohr eines Regimes von der proletarischen Diktatur feindlich gegenüberstehenden Kräften geworden seien.
Militärwerbung durch die Zeitung. Bolivien sucht deutsche und findet Danziger Offiziere Paris , 15. November.( Eigenbericht.) Das Journal" entrüstet sich leidenschaftlich über die angebliche Entsendung einer deutschen Militär. mission nach Bolivien . Es sei schändlich, wie Deutschland selbst flare Bestimmungen des Versailler Vertrages ungehe. Es sei aber nicht minder schändlich. habe, daß doch zu den alliierten und assoziierten Mächten daß es dazu die Mitwirkung Boliviens gefunden deutsche Offiziere in der südamerikanischen Republik des siegreichen Krieges gehöre. Schon früher hätte es gegeben. Diesmal liege der Fall ganz besonders schwer. Es handle sich um eine amtliche Militärmission, die aus einem Oberstleutnant, zwei Majoren, vier HauptTeuten und acht Unteroffizieren bestehe. Deutschland rede fich damit heraus, daß die Mitglieder dieser Militärmission nicht mehr deutsche, sondern Danziger Bürger seien.
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Bereits vor dem Weltkriege hatte die südamerikanische Großmacht Bolivien mit ihren 2% Millionen Einwohnern deutsche Inspektoren für ihre Armee; sogar ein preußischer General war drüben gewesen. Nach dem Beltkriege entstanden große Aus einandersetzungen, ob man für das Heer von zweiundein. halbtausend Mann wieder deutsche oder, entsprechend der Beteiligung auf der Seite der Alliierten, jetzt französische Offiziere anmerben folle. Nach einem erbitterten Ringen fiegte die deutsch