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„Schauderhaft regnet's Niederlagen. Alte Sünden satten einem ein. Aber büßen werden wir sie erst bei den Neichstagswahlen!"
Der Hohenzoller von Bukarest . Freispruch ManiolescuS.- Niederlage Brattanus. Der frühere rumänische Unterstaatssekretär Man Di- iescu war kürzlich an der ungarisch -rumänischen Grenze eingehalten worden, weil er Briefe des in Paris lebenden Exkronprinzen C a r o l an rumänische Politiker überbringen wollte. Ministerprästdent B r a t i a n u ordnete seine Per- bastung an und ließ gegen ihn die Anklage der Per- schwörung gegen die Sicherheit des Staates erheben. Nach mehrtägigen Prozeßverhandlungen wurde Manoilescu, wie wir hereits in unserer Dienstagabendausgabe meldeten, f r g e s p r o ch e n. Ueber die Schlußsitzung des Prozesses lißyt jetzt aus Bukarest nachstehender Bericht vor: Die letzte Sitzung im Prozeß Manoilescu begann Montag abend um 10 Uhr. Der königlich« Kc-mmissar ergriff zuerst dos Wort, um die Verteidigungsrede General Averescus zu beantworten. Die letzte Erwiderung der Verteidigung wurde von Perietzeanu vorge- tragen, der zu beweisen suchte, daß die in Frage stehenden Tatsachen nicht in den Nahmen der angeführten Bestimmungen des Strafrechts! passen, und dann das Vorhandensein einer Verschwörung leugnete. Zum Schluß sprach Manoilescu noch einmal und erklärte, er glaube, daß die Rückkehr Carols als Regent — nicht o(s König— notwendig fei. Er.eugnete, irgend welch? Aktion auch nur«ingeleitet zu haben. Er beendet« feine Rede bei lebhafter Ergriffenheit der Zuhörer. Der Vorsitzende las dann die drei folgenden Fragen vor, die das Kriegsgericht zu beantworten haben wird. 1 Ist der Angeklagte schuldig,«in Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates begangen zu haben, indem er zwischen Juni und dem 24. Oktober 1927 mit strafbarem Willen und strafbaren Absichten be- schlössen hat, durch Volkserhebung einen Anschlag gegen die Ordnung in der Thronfolge zu verüben und diesen Beschluß durch Beginn der Ausführung, die durch vom Willen des Angeklagten un- abhängige Umstände vereitelt wurde, öffentlich bekundet zu haben? 2. Wurde diese verbrecherische Handlung auf einem sich im Belagerungszustand befindlichen Gebiet begangen? 3. Vsr- dient der Angeklagte die Anerkennung mildernderUm stände? Nach fünfviertel st ündiger Beratung verkündete der Vorsitzende die Antwort aus die erste Frage: Nein, mit drei gegen Zwei Stimmen. Manoilescu wurde sofort auf freien Fuß gesetzt. Der Ausgang dieses Hochoerratsprozeffes bedeutet eine schwere Niederlage für die, die ihn inszeniert haben, das heißt für die gegenwärtig in Rumänien regierende Clique: die Königin-Witwe Maria und die Brüder B r a t i a n u, die Häupter der sogenannten„liberalen" Partei, von denen der eine Ministerpräsident, der andere Finanzminister ist. Es braucht hier nicht besonders betont zu werden, daß für die rumänische und für die internationale Arbeiterschaft die dynastischen Zwistigkeiten im Schöße dieser Hohenzollern - familie völlig gleichgültig sind. Es fällt uns natürlich nicht ein, zu behaupten, daß der mehr oder minder freiwillig abge- dankte Kronprinz C a r o l ein„besserer", sagen wir„demo- kratischerer" Herrscher wäre als die derzeitigen Regenten, die im Namen des.Königs" Michael— des Sohnes von Carol— diktatorisch, ja sogar f a s ch i st i s ck regieren. Die Tatsache, daß Carol im heftigsten Kampf mit seiner Mutter und den Bratianus stand, die seine Rückkehr mit allen Mitteln hintertreiben, wäre an sich geeignet, ihn sympathisch zu machen. Aber seine Anhänger sind nicht nur die demokrail- schen Bauern, sondern auch die Politiker der gestürzten Zl v e re s ou- Partei, die, als sie vor'Jahresfrist noch am Ruder waren, genau so brutal gegen das Proletariat wüteten, wie heute Bratianu. Daß es gerade die Königin-Mutter Maria ist, die Carols Absetzung wegen seiner„bürgerlichen" Liebesaffären und morganatischen Ehen betrieb, entbehrt nicht der Komik. Denn besagte Maria ist in pnncrto Tugend nicht gerade ein Muster, vielmehr scheint sie— von den ihr fehlenden staatsmännischen Eigenschaften abgesehen— die große Katharina von Rußland zum Vorbild genommen zu haben: ihre Liebhaberwirtschast, über die ihr tränk- licher Gatte Ferdinand jahrelang beide Augen zugedrückt hatte, soll übrigens der Hauptgrund ihres Zerwürfnisses mit Carol fein. Wie dem auch sei, die Fäulnis im Staate Rumänien unter der Herrschaft von Hohenzollern -Sigma- ringen stinkt zum Himmel. Aber mag auch Carol viel- leicht das kleinere Uebel fein, die Wurzel des Uebels kann nicht durch die Gruppe Averescu -Manoilescu beseitigt wer- den, sondern nur durch die Massen der rumänischen A r- beiter- und Bauernschaft. Leider ist die Arbeiter- bewegung, wie überhaupt die Kultur, in diesem Balkanstaat noch äußerst rückständig. Nur in der altösterreichischen Bukowina zeigen sich Ansätze einer lebensfähigen Arbeiter- bewegung. Was nach dem Kriege in Alt-Rumänien an pro- letarischen Kräften sich regte, ist durch die übliche Putsch- und Generalstreiktaktik der Kommunisten zerstört worden. Immerhin kann gerade die gegenwärtige Cliquen- und Kor- ruptionswirtschaft zusammen mit dem dynastischen Krakeel Wunder wirken und eine Wiedergeburt des rumänischen Pro- letariats zur Folge haben, die' zugleich die Voraussetzung bildet für eine Gesundung Rumäniens überhaupt.
BürgerlicheKnegsbeschadigienfürforge. Die Opposition soll für Deckung notwendiger Erhöhungen sorgen. Im KrlegSbeschädigtenausschuß des Reichstags trat Frau Abg. Reitze(Svz.) am Dienstag für eine einheitlich« Re n t e der Hinterbliebenen ein. Die gegenwärtige Dreiteilung der Hinterbliebenenrente benachteilige Zehntausende von Frauen, indem sie ihnen Monatsbcträge von 33,33 M. zuweist. Dabei stehe der Index auf über 150; außerdem fei eine Mieterhöhung von 20 Proz durchgeführt. Die Witwen der Krieger kämen fetzt allgemein in ein Alter, in dem es für sie sehr schwer sei, erwerbstätig zu sein oder Arbeit zu finden. Im Verlauf der weiteren Aussprache widersprach der Vertreter der Reichsregierung der vreloerbreiteten Auffassung, als ob in den nächsten Jahren im Versorgungsetat erheblich« Einsparungen zu erwarten seien. Der Aufwand für die Versorgung zeige, von den Ruhegehältern der Offiziere und den Waisengeldern der Krieger- Hinterbliebenen abgesehen, ein« ununterbrochene Steige- rung. Der tatsächliche Aufwand habe betragen: im Jahre 1924 935 Millionen. 1925 1260 Millionen, 1926 1310 Millionen; der Voranschlag für 1927 sehe eine Ausgabe von 1334 Millionen und der für 1V28 1380 Millionen vor. Die Deutschnationalen keßen erkläre«, daß sie sachlich mit de»
Anträgen der Opposition übereinstimmten, ihnen jedoch nur zustim- men könnten, wenn gleichzeitig die erforderlichen Deckungsvorschläge gemacht würden. Abg. R o ß m a n n(Soz.) hob demgegenüber hervor, daß es sehr bequem sei. sich sachlichen Not- wendigkeiten nicht zu verschließen, die Sorg« sür die Deckung aber der Opposition zu überlassen. Wenn man, wie die Sozaldemokm- tie, ernsthaft an die Deckung herangehe, dann zeige es sich, daß den für die Regierung verantwortlichen Parteien andere Staatsauf- gaben, bei denen Einsparungen gemacht werden könnten, viel näher stünden, als die Ausgaben für die Kriegsopfer.— Weiterberawng Donnerstag._
Die Fürsorge sür Opfer der Arbeit. Beschlüsse des Sozialpolittschen Ausschusses. Im Sozialpolitischen Ausschuß des Reichstages wurde am Montag und Dienstag ein Derordnungsentwurf über die Durchführung der Unfallversicherung beraten. Die Verordunng soll, tue Krankonbehandlung und die» B e- rufsfürsorge regeln. Der Ausschuß hat u. a. beschlossen, daß Amputierte immer Doppclersatzstücke erhalten sollen: nach den persönlichen und beruslichen Verhältnissen soll esn Stelzbein oder ein Kunstbein geliefert werden. Das zweite Ersatzstück muß ein Kunstbein sein, wenn nicht die körperlich« Beschaffenheit des Ver- letzten dem entgegensteht. Die Regierung wollte für die Erstaus- rüstung, also sür die ersten beiden Prothesen, je ein Paar Stiefel liefen,; auf Antrag der Sozialdemokraten wurde beschlossen, auch für später gelieferte Ersatzprothesen ein Paar Stiefel zu liefern. Angenommen wurde auch ein Antrag, zu jedem orthopädischen Schuh für den gesunden Fuß ebenfalls einen Schuh kosten- los zu liefen,. Auf Verlangen der Sozialdemokraten wurde bestimmt, daß für Kleider und Wäsche Ersatz geleistet werden muß, wenn ein nicht unerheblicher Mehraufwand eintritt. Bei der Berussfürsorge wollt« die sozialdemc-kratrsche Fraktion den Unterhalt für die Familie während der Berussaus- bildung den Berufsgenossenschaften auferlegen. Es wurde be- schlössen, daß der Verletzt« nur dann keinen Anspruch auf diesen Unterhalt hat, wenn er aus eigenen Einnah m>rn die Kosten selbst bestreiten kann. Für Kleinrentnerversorgung ist kein Geld da? Der Sozialpolitische Ausschuß hatte vorgesehen, im Anschluß an die Unfallversicherung«inen Gesetzentwurf über die Ver- sorgung der Kleinrentner zu beraten. Am Dienstag er- schien ober plötzlich ein Vertreter des Reichsarbeitsministeriums und teilte mit, daß die R e i ch s r e g i e r u n g vorerst nicht in de r Lage sei, sich zu einem solchen Gesetzentwurf zu äußern. Abg. Hoch(Soz.) legte gegen diesen neuen Derschleppungsversuch Protest ein und verwies darauf, daß die Deutschnationalen und die Deutsche Volkspartci erst vor wenigen Tagen in einer Kundgebung des Kleinrentnerbuudes auch den weitestgehenden Forderungen zu- gestimmt hätten. Der deutschnationale Rademacher trat jedoch im Ausschuß mit Rücksicht auf die bestehenden Finanzschwierigkeiten für Vertagung ein und der Voltsparteiler Moldenhauer riet, die Stellung der Regierung abzuwarten. Abg. Keil(Soz.) konnte darauf hinweisen, daß die Deutschnationalen schon im Juni 1926 den Antrag aus Schaffung eines Rechtsanspruches der Klein- rentner auf Versorgung eingebracht und im November 1926 ein eigenes Initiativgesetz sür die Kleinrentnerversargnng vorgelegt haben. Sie müßten sich doch damals über die finanzielle Tragweite ihrer Anträge bewußt gewesen sein. Seitdem sei genügend Zeit gewesen, die erforderlichen Prüfungen anzustellen. Auf An- trog Keil beschloß der Ausschuß, die Beratung der vorliegenden Anträge, auch des inzwischen in Derzcssenheit geratenen deutsch - nationalen, auf die Tagesordnung der Sitzung vom nächsten Dienstag zu sehen.
Erstaufführung der Volksbühne „Schieber des Ruhms." Im„Theoler am S ch t f f b a u e rda m m' gab es gestern abend eine handfeste Farce van Fritz A. Zlngermeyer aus dem Fron- zösischcn saftig verdcutscht. Ein Toter des Krieges wird wieder lebendig: tiefe Trauer verwandelt sich in schreiendes Schiebertum. Eine handfeste Aufführung mit Gronau , Reuß und Meinzer und — ein Handsester Erfolg. OL H.
Tschechischer Bodenreformskandal. Provisionen eines regierungsparteilichen Abgeordneten. Prag , 15. November.(Eigenbericht.) Im Slaatshaushaltsausschuh des Abgeordnetenhauses wurde heute eine große politische Skandalassäre aufgerollt. Der tschechische Sozialdemokrat R e m m e s ch erhob gegen den tschechisch-agrarischen Abg. Dubicky unter Anführung genauer Daten und Zahlen de» Dorwurs, daß er sür die Vermittlung von Restgülern bei der vodenaufteilung finanzielle Vorteile sür sich herausgeschlagen, d. h. Gelder von veleiligleu genommen habe. Die Angelegenheit habe schon zu einem Rechtsstreit geführt, sei jedoch auf Drängen Du- bickys vom Vorsitzenden des Gerichts in Zungbunzlou mit der Le- gründung ausgeglichen worden, daß es eine» politischen Stau- dal gäbe, wenn sich Weiterungen aus der Sache ergäben. Run ist der Skandal doch offenkundig geworden und man tau« begierig seiu, wie besonders die Regierung daraus reagieren wird. Abg. Dubicky ist Mitglied der Partei des Ministerpräsidenten Svchla. Er erklärte die Anschuldigungen als unzutreffend.— Die Verteilung der bei Durchführung der Bodenreform emstandeneu Restgüter Hot nicht nur bei den Sozialdemokraten, sondern auch unter den Sndetendeulschen vielfach größte Entrüstung heroor- gerufen, ist doch auch die Bodenreform zur Tschechisieruug deutscher Gebiete mißbraucht morden.
Glaters Nechifertigung. Man will sie ihm durch ungeheure Kosten verwehren. London , ist. November.(Eigenbericht.) Der Staatssekretär für Schottland teilte im Unterhaus mit, daß er bereit sei, den Fall Slater einen, Appellationsgericht zu überweisen, falls das Unterhaus das hierzu nach der Verfassung nötige Gesetz beschließe. Der dazu nötige einparagraphige Gesetz- entwurf könnte jedoch in der gegenwärtigen Session nur dann Gesetz werden, wenn die drei Parteien des Parlaments den Entwurf ohne Debatte annehmen. Der sozialistische„Daily Herald" begrüßt diesen Vorschlag, be- tont jedoch daß unter diesen Umständen die riesigen materiellen K o st e n eines Appells Slater zur Last fallen würden. Es wäre daher besser gewesen, eine Untersuchung vornehmen zu lassen, die Slater nicht in die Notwendigkeit versetzte, die großen Geld- summen für eine Appell flüssig zu machen.
Panzerwagen gegen Mohammedaner. In Delhi wurde der mohammedanische Student Abdul Raschid hingerichtet. Er hatte im vorigen Dezember den Hindu- f ü h r« r Shradanand ermordet und war deshalb zum Tode ver- urteilt worden. Vor der Hinrichtung kam es vor dem Gefängnis zu einer Massendemonstration von Mohammedanern. Die Polizei vermochte die Situation nicht zu beherrschen, so daß Mili- tär ausgeboten wurde. Dabei kam es zu Zusammenstötzen, wobei ein Hindu getötet und 30 Personen verwundet wurden. Erst nachdem sieben Panzerwagen aufgeboten waren, konnte die Ruhe wieder hergestellt werden.
5ehie Idioten? Der zweite Band der Biographie Eduard VII. von Sidney Lee , der soeben erschienen ist, gibt interessante Aufschlüsse über die persönlichen Beziehungen des verstorbenen englischen Königs Eduard VII. und des deuffchen Exkaisers Wilhelm II. Kaum hatte Eduard VIl. den Thron bestiegen, als der englische Bot» schafter in Berlin bei Wilhelm II. vorsprach und ihm Mitteisung von der Thronbesteigung und der Neubesetzung der Hosämter und Staatsämter machte, die damit verbunden waren. Wilhelm II. lachte und bemerkte:„Das sind die letzten Idioten!" Pflichtgemäß telegraphierte der britische Botschafter dieses taiser» liche Urteil sofort nach London , so daß es König Eduard VII. schon bei seinem nächsten Frühstück zur Kenntnis nehmen konnte. Eduard, der Onkel, charakterisierte später einmal Wilhelm, den Neffen, mit den französischen Worten:„Un timide, un vaieureu* poltron", aus deutsch etwa:„Ein Schwächling und seiger Maul- ausreißer". Das war immerhin besser gesagt als das Wort Wil- Helms über die Londoner Hos- und Staatsbeamtem Denn es gibt zwar letzte Kaiser, aber„letzte Idioten" gibt e* nicht!