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Morgenausgabe

Nr. 547

A 278

44. Jahrgang

Böchentlich 70 Bfenrig monatlich 3 Reichsmart, voraus zahlbar. Unter Ctreifband im In- und Ausland 3,50 Reichsmart pro Monat.

Der

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Bormärts" mit ber illuftrier. ten Sonntagsbeilage Bolt und Zeit" fowie den Beilagen Unterhaltung und Wissen" Aus der Filmwelt". Stadtbeilage" Frauenftimme", " Der Kinderfreund" Jugend- Vor. märts", Blid in die Bücherwelt", ,, Kulturarbeit" unb Tegnil erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Sonnabend 19. November 1927

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die ein paltige Nonpareillegeile 80 Pfennig. Retlamezeile 5- Reichs mart Kleine Anzeigen" das fettge druckte Wort 23 Pfennig( au' äffig amet fettgedruckte Borte) jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengefuche das erste Wort 15 Pfennig. jebes weitere Wort 10 Pfennig. Borte itber 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Reile 60 Pfennig. Familienanzeigen tür Abonnentenze le 40Biennig Anzeigen­annahme im Hauptgeschäft Linden­ftraße 3. wochentägl. von 81/2 bis 17 Uhr.

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Eisenformerstreik abgelehnt!

Dreiviertelmehrheit nicht erreicht/ Bereinbarungvom 14. November angenommen An der Urabstimmung in den Berliner   Elsen| mitgeteilt. Die Funktionäre lehnten darauf jede De gießereien am Freitag haben sich von 3206 Beschäf. batte über den Ausgang der Abstimmung als zwed. tigten 2817 beteiligt. Davon haben 2191 für los ab, was angesichts der Entscheidung der Arbeiter in Streit und 626 für Arbeit gestimmt. Krank den Betrieben durchaus verständlich ist. Nach dieser waren zur Zeit der Abstimmung 205. An der Abstim Entscheidung ist die Vereinbarung vom 14. November mung nicht beteiligt haben sich 180 Beschäftigte. Die angenommen. Abstimmung hat also nicht die statutarisch not. wendige Dreiviertelmehrheit für Streit ergeben. Es fehlen daran 59 Stimmen. Der Streif ist also abgelehnt.

Dieses Ergebnis wurde gestern abend der Funk tionärversammlung der Eisenformer und Berufsgenossen vom Bevollmächtigten Genossen Urich

Der Branchenleiter Schröder ermahnte die Funk tionäre lediglich, sofort der Organisation oder der Branchenleitung davon Kenntnis zu geben, wenn wegen der Durchführung des Vergleichsvorschlages in den Be trieben Streitigkeiten entstehen sollten, damit die pari tätische Schlichtungskommission nicht auf dem Papier stehen bleibt.

Fabrit falscher Sowjetbanknoten aufgedeckt

Hafenfreuzler und Weißgardisten als Geldfälscher.- Der Inhaber der völkischen Parteibuchs handlung in Frankfurt   und der Führer vom Bund Oberland in München   verhaftet.

In den lekten Tagen sind die deutschen   Behörden uu geheuerlichen Fälschungen russischer Noten auf die Spur gekommen. Es gelang in Frankfurt   a. M. 24 3entner russischer Zicherwonets zu ent beden, die von einer kleinen Druckerei im Auftrage eines Georgiers namens Sadathieraschwili hergestellt wor den waren. Bei den Fälschungen handelt es sich um die von den Sowjets herausgegebenen Tscherwonets, und zwar Stüde   von 1, 2, 5 und 10 Tscherwonets, die in Nusland hente ungefähr einen Inlandwert von 1 Bfund Sterling besigen. Uzber die aufsehenerregende Entdeckung der deutschen   Behörden werden folgende Einzelheiten

bekannt:

In der vergangenen Woche versuchte der Georgier Sa bathieraschwili bei einer Berliner   Bank einen Posten der ge­fälschten Tschermonets abzusehen. Da die Noten in Deutschland   ver hältnismäßig menig gehandelt werden, erbat sich der Kassierer zur Prüfung der Stüde   einige Beit, ohne daß dies dem Verkäufer auf­fallen fonnte. Es wurde jedoch schnell festgestellt, daß man es mit Falsifikaten zu tun hatte, die allerdings sehr geschickt her geftellt waren und weniger fachkundigen Personen faum als Falsch ftücke aufgefallen wären. Der Georgier wurde verhaftet, und aus den Papieren, die er bei sich trug, gelang es den Behörden, einer riefenhaften Fälschung auf die Spur zu fommen, die vermutlich schon feit langer Zeit ausgeführt wird und die den in die Affäre ver midelten Personen ungeheure Geminne eingebracht hätte, falls es möglich gewesen wäre, die in Berlin   und in Frankfurt   lagernden Falschdrucke nach Georgien   zu bringen.

Der Georgier, der behauptet, früher Offizier in der Armee des Baren gewefen zu fein, trat in die antibolfchemistische Armee des Fürsten Awalow ein und war dort in der Propagandaabteilung tätig. Nach der Auflösung dieser Formatio­nen ging S. zunächst nach London  , dann nach Madrid   und tam schließlich nach Baris, wo sich noch heute eine Georgiergruppe befindet, die sich Nationale Georgische Regierung" nennt. Im Dienste dieser Organisation will Sabathierafchwili nun seit Jahren geftanden haben. Er erflärt, daß er die Fälschungen nicht nur in Deutschland  , sondern auch in Ungarn   und in Frankreich   aus­geführt habe, und daß die gefälschten Tscherwonets dazu bestimmt gewesen seien, die georgische Freiheitsbewegung zu finanzieren.

Nach seinen Bekundungen ist Sadathieraschwili vor einigen Monaten in Budapest   gewesen und wurde bort von Freunden an einen Ingenieur Dr. Weber in München   verwiesen, der ihm bei der Durchführung jeiner Pläne behilflich sein sollte.

Der Georgier wandte sich an Dr. Weber und erklärte diefem, nach Aussage Dr. Webers, daß er beauftragt fet, zur Stärtung der antibolschewistischen Propaganda Broschüren drucken zu lassen.

Diefer Dr. Weber, ehemals Borfihender des Bundes Oberland. gehört zu den Führern des Hiller- Putsches vom Jahre 1923, er hatte feine Finger in allen putschiftischen Berschwörungen in Bayern   und spielt heute noch in Münchener   rechtsradikalen Kreisen eine große Rolle.

Dr. Weber erflärte, daß in München   teine geeigneten und ihm bekannten Druckereien vorhanden feien und empfahl seinerseits den Georgier an einen Buchdruder Böhle in Frankfurt   a. M. Dieser Böhle ist der Inhaber her nationalsozia Iistischen Buchhandlung in Frankfurt am Main  , feine Buchhandlung ist der Sammelpunkt der Hakenkreuzler von Frankfurt  .

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Böhle tam tatsächlich auf Empfehlung Dr. Bebers mit Sabathie raschwili im Herbst dieses Jahres zusammen. Böhle, der ebenfalls in Untersuchungshaft fit, behauptet, nun, daß der Georgier ihn gebeten habe, ihm eine zuverlässige fleine Druderei zu nennen, in der besonders Broschüren hergestellt werden tönnten. Darauf empfahl Böhle eine sehr fleine Druderei in Frankfurt   a. M., deren Name aus Grünben der Untersuchung von den Behörden noch nicht bekanntgegeben wird. In dieser Druckerei sind nun die falschen Tschermonets in riesigen Mengen gedruckt worten. Sabathie raschwili besorgte die Druckplatten, mährend das Papier von dem Buchhändler Böhle beschafft wurde. Die Druderei, die übrigens nur mit einer Maschine arbeitete, lieferte täglich große Bosten der falschen Banknoten, die in Risten verpackt zu dem Buchhändler Böhle ge­fchafft wurden.

Man fand bei Boehle nicht weniger als 12 Kisten mit zusammen 24 Zentnern Falschdrucken.

Böhle behauptet, er habe nicht gewußt, daß in diesen Riften sich falsche russische Noten befunden haben, vielmehr sei er der Meinung gewesen, daß tatsächlich antibolichemistische Broschüren darin ent­halten waren. Sadathieraschwili habe ihm erklärt, daß diese Kisten von besonderen Bertrauensleuten abgeholt und nach Georgien   ge­bracht würden, da sonst die Sowjetbehörden das Material beschlag.

nahmen würden.

Die Polizeibehörden, sowie der mit der Durchführung beauftragte Berliner   Untersuchungsrichter gingen den Spuren nun weiter nach und stießen dabei zunächst auf die Person Dr. Webers.

Am Mittwoch wurde Dr. Weber, nachdem er bereits zwei Tage lang unauffällig beobachtet worden war, gerade in dem Augenblick verhaftet, als er sich im Anf­trage Sadathieraschwilis nach London   begeben wollte.

Man brachte ihn sofort nach Berlin  , wo er einstweilen im Unter­fuchungsgefängnis Moabit   untergebracht ist, ebenso wie der Buch­händler Böhle aus Frankfurt   a. M., weil die Untersuchung einheit lich von Berlin   aus geleitet werden soll. In den beiden letzten Tagen find noch weitere fieben Personen verhaftet worden, aber deren Ber­fönlichkeit von den Behörden strengstes Stillschweigen beobachtet wird. Aus den Korrespondenzen geht jedoch hervor, daß die Ver­hafteten, vor allem aber Sadathieraschwili mit wetteren Mitgliedern der Fälscherbande in Budapest  , Baris und auch London   in Berbindung geftanden haben.

Volkspartei und Schulgesetz.

Unflarheiten und Halbheiten statt flarer Entscheidung. Bon Berthold Heymann  , Stuttgart  .

Die Entscheidung darüber, ob und in welcher Gestalt das Reichsschulges ez zur Verabschiedung gelangen soll, liegt im wesentlichen bei der Deutschen Boltspartei. Ihr Führer in schulpolitischen Fragen, Dr. Runtel, hat in Frankfurt am Main   auf einer Konferenz der Organisationen seiner Partei aus den sogenannten Simultanschulländern und provinzen die Forderungen ent wickelt, von deren Erfüllung seine Partei ihre Zustimmung zum Gefeß abhängig machen will. An seinen Erklärungen war zu begrüßen, daß er den Begriff des geordneten Schulbetriebs" nicht nach allgemeinen Gesichts­punkten, sondern ,, ortstümlich" festgelegt wissen will. Da das Antragsrecht der Erziehungsberechtigten nach der Ber­faffung innerhalb der Gemeinden" auszuüben ist, so tann auch fein Zweifel darüber obwalten, daß der hierbei zu be rüdsichtigende geordnete Schulbetrieb den in der betreffenden, Gemeinde sonst üblichen Schulverhältnissen zu entsprechen hat. Es ist also völlig ausgeschlossen, daß man in einer Gemeinde mit ausgebauten achtklassigen Schulen schon eine von vierzig Kindern besuchte Sonderschule als, geordneten Schulbetrieb" anerkennen fann, wie es die Fanatiker des sogenannten Elternrechts( lies: Kirchenrechts) verlangen, und wie es ihnen der Keudellsche Gesezentwurf gewähren will Es ist deshalb erfreulich, wenn die Deutsche   Bolkspartei sich hiergegen wendet und das Recht auf Errichtung einer An­tragsschule nach ihrem Berhältnis zur Normalschulreform des betreffenden Ortes bestimmt wissen will. Auch ihre Forde­rung ist durchaus begründet, daß die Gemeindeverwaltungen bei der Errichtung neuer Schulen und bei der Umwandlung bestehender Schulen schon im Hinblick auf die Kostenfrage grundsäglich mitzuwirfen haben sollen.

" Ebenso fann man es begrüßen, daß nach den Erklärun­gen Dr. Runfels feine Partei nur Schulaufsichtsbeamte, die Religionsunterricht für befugt erachten will. Nach im Staatsdienst stehen, für die Einsichtnahme in den dem der Religionsunterricht verfassungsgemäß Bestandteil des staatlichen Lehrplans ist, im staatlichen Auftrag erteilt wird und daher pädagogisch und methodisch auf die allge­meinen Schulziele abgestimmt sein muß, versteht es sich ganz von selbst, auch wenn es nicht schon durch die Artikel 144 und 149 der Reichsverfassung zwingend vorgeschrieben wäre, daß ein dauerndes Recht zur Einsichtnahme in den Unter richt, gleichviel von mem er erteilt wird, anderen als sta a t lichen Organen nicht eingeräumt werden tann.

Um so unbefriedigender ist die Haltung der Deutschen Bolkspartei in der grundfäßlichen Frage der Bestimmung des Verhältnisses der einzelnen Schulfor­men zueinander. Hier läßt sie sich offenbar von rein parteipolitischen Gesichtspunkten leiten und scheint es im wesentlichen darauf abgesehen zu haben, die Länder und Pro­pinzen zu befriedigen, in denen die Simultanschule bisher schon besteht und daher den besonderen Schuß des Ar­titels 174 der Reichsverfassung genießt. Daß diese Wünsche erfüllt werden müssen, ist selbstverständlich; aber damit allein wird die auch vom Abgeordneten Runtel anerkannte, auf Artikel 146 Absatz 1 der Reichsverfassung beruhende grund­sätzliche Borzugsstellung ber Gemein schaftsschule nicht in ausreichendem Maße gesetzlich sichergestellt. Um diese Borzugsstellung zu sichern, dürfen den deutschen   Landesteilen, die die Simultanschule bisher noch nicht hatten, bei der Einführung dieser verfassungs­mäßigen Regelschulform feine Schwierigkeiten bereitet wer den. Darauf läuft es aber hinaus, wenn man von der Not­wendigkeit der Erhaltung einer historisch gewordenen Be­fenntnisschule" spricht, wie es Abgeordneter Runtel in Frankfurt   a. M. getan hat. Wer die Entwicklungsgeschichte des Artikels 174 der Reichsverfassung tennt, weiß, daß ein Anspruch auf besonderen Schuß der Bekenntnisschule auf ihn nicht begründet werden kann. Ein solcher Anspruch ist aber auch fachlich ungerechtfertigt, weil die historisch gewordene Bekenntnisschule" wohl nirgends in Deutschland   mit der Schulart übereinstimmt, die im Keudellichen Gesetzentwurf als Bekenntnisschule ausgegeben wird. Es sei zum Beweis hierfür auf Württemberg   verwiesen, in dem nach einer des Ministerialrats Dr. Löffler die strengste Form der im Bildungsausschuß des Reichstags gegebenen Darstellung

Der Wert der gefälschten Tscherwonets beläuft sich auf einen Betrag von vielen Millionen Mark. Gegenwärtig hat der Berliner  Untersuchungsrichter sich nach Frankfurt   a. M. begeben, um von bort aus weitere Spuren in dieser aufsehenerregenden Fälscheraffäre zu verfolgen. Auch die Behörden in Paris  , London   und BuBekenntnisschule bestehen soll. da peft find von den Ermittlungen der deutschen   Behörden bereits verständigt morden.

Die Ausschlüsse aus der KPR.

Auch der Innenminister abgefägt.

Aus der Mosfauer Organisation der Partei sind vor furzem 76 Mitglieder ausgefühloffen worden, in Chart of fouac einige Hundert. Und nan meldet der Sowjetdraht ohne nähere Be­gründung die Erfehung des Bolt fommiffats des Janern, Belo­borodof durch feinen Stellvertreter 3ehot of.

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Benn wir uns diese strengste Form" einmal näher be trachten, so sehen wir, daß sie feineswegs die Bekenntnis schule in ausschließlichster Form, sondern mehrfache und zum Tot fehr erhebliche Abweichungen und Entwicklungsmöglich feiten vorsieht, die nach dem Infrafttreten des Reichsschul­gefegentmurfs einfach abgeschnitten fein würden. So haben zum Beispiel die Angehörigen des Minderheitsbekenntnisses, für das an einem Ort feine Schule besteht. die Wahl. ihre Rinder entweder in die Schule des anderen Bekenntnisses zu senden oder sie die Schule ihres Bekenntnisses im Nachbarort befuchen zu laffen. Ist diefe jedoch mehr als vier Kilometer entfernt, so besteht diefes Wahl" recht nicht mehr, sondern sie