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Morgenausgabe

Nr. 551

A 280

44. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Dienstag

22. November 1927

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Belgiens Regierung zurückgetreten.

Keine Einigung im Ministerrat über die Militärvorlage.

Brüssel , 21. November.( Eigenbericht.)

Die belgische Regierung ist am Montag abend nach einem dreistündigen Kabinettstat zurüd getreten. In einem amflichen Kommuniqué heißt es über den Gang dieser Sihung, daß der Kriegsminister de Brocqueville eine ausführliche Dar­stellung über die Militärfrage gab. Er schloß mit der Erklärung, daß es unmöglich erscheine, im Ministerrat einen ein ff immigen Be­fchluß. insbesondere über die Dienstzeit, herbeizuführen. Der Kriegsminister schlug deshalb vor, die Frage einer gemischten& om­mission von Militärfachleuten und Parlamentariern zu über­weisen. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande, so daß der

Gesamträdtritt befchloffen wurde.

Der Antrag auf den Rüdtriff des Gesamtkabinetts wurde von den sozialistischen ministern gestellt, nachdem sie zuvor die Ueberweisung der Militärfrage an eine Kommission abgelehnt

hatten.

Generalstab gegen verfürzte Dienstzeit.- Maulforb für sozialistische Minister als ,, Kompromißgrundlage"

Brüffel, 21. November.( Eigenbericht.)

Ueber die letzten Borgänge im Ministerrat, die zum Rück tritt der Regierung führten, erfahren wir noch folgende Einzelheiten: Die dreistündige Sitzung war zum größten Teil ausgefüllt mit der Erledigung der laufenden Geschäfte, Erst zum Schluß wurde die Militärfrage angeschnitten und die Diskussionen, die zum negativen Ergebnis führte, war verhältnismäßig turz Der Kriegsminister de Broqueville ließ sofort durchblicken, daß edes escaudios

die Aufnahme, die der Plan einer Herabfehung der Dienstzeit auf fechs Monate beim Generalstab der belgischen Armee ge­funden hatte,

eine derartige war, daß es ihm unmöglich sei, eine Borlage im versprochenen Sinne dem Parlament zu unterbreiten. Der M'nister. präsident Jaspar schlug sodann ein Kompromiß" vor, das in Wirk­lichkeit gar feins war, nämlich die Ueberweisung des gesamten Fragenkomplexes an eine gemischte Kommission von Parlamentariern und Sachverständigen. Diese hätte danach nicht nur die Frage der Dienstzeit, sondern auch das Problem der technischen Rüstung, der Befestigungen und der Kapers zu prüfen gehabt.

Die sozialistischen Minister wandten darauf sofort ein, daß diese verschiedenen Fragen ebenso gut durch das Kabinett selbst behandelt werden könnten, daß es aber auf keinen Fall an­gängig fei, die Herabsetzung der Dienstzeit auf fechs Monate von einer vorherigen Einigung über die übrigen Militärfragen abhängig zu machen. Ueberdies beweise die Haltung des Generalstabes nur zu deutlich, daß dieser von einer fechsmonatigen Dienstzeit nichts

wissen will.

Jaspars Vorschlag war übrigens schon deshalb für unsere Ge noffen unannehmbar, weil er an die Bedingung geknüpft war, daß die vier sozialistischen Minister sich ausdrücklich verpflichten follten, bis zur Beendigung der Arbeiten der von ihm vorge­fchlagenen gemischten Kommission teine Reden zugunsten der fechsmonatigen Dienffzeit im£ ande zu halten! Diese Zumutung lehnten die sozialistischen Kabinettsmitglieder entschieden a b. Daraufhin wurde der Rücktritt der Re­gierung befchloffen.

Daß die bürgerlichen Parteien, mit diesem Ausgang im voraus rechneten, läßt sich schon daraus schließen, daß Jaspar bereits im Laufe des heutigen Abends Unterredungen mit den Führern des linken Flügels der katholischen Partei, der sogenannten Christlich Demokraten, hatte, um mit ihnen über die Umb'idung der Regierung zu verhandeln. Es heißt, daß er die Abficht hat, an Stelle der vier Sozialisten zwei Liberale und zwei

Christlich- Demokraten in die Regierung aufzunehmen.

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Das jetzt zurückgetretene belgische Ministerium war eine Roalitionsregierung aus allen drei Hauptparteien des belgischen Barlaments: Sozia liften, Ratholiten und Liberalen. Die letzten Barlamentswahlen hatten folgende Zusammensetzung der Deputiertentammer ergeben: 78 Katholiken, 78 Sozialdemo­fraten, 23 Liberale, 6 Mitglieder der flämischen Frontpartei" und 2 Kommunisten. Es wurde zunächst eine Koalition ge­bildet, die nur die Sozialisten und den linken Flügel der fatholischen Partei, die Christlich- Demokraten, umfaßte und zu der die Liberalen in schärffter und die übrigen Ratholiten In latenter Oppofition standen. Die große Währungs­frise im Frühjahr und Sommer 1926 ergab die Notwendig feit einer rücksichtslosen Sanierungspolitik. die nur durch eine Regierungstoalition auf breifester Grundlage durch geführt werden fonnte. Die große Mehrheit der Sozialistischen Bartei stimmte daher der Umbildung der Regierung in ein

Kabinett der Nationalen Einigung" zu. Dieses wurde am| die Durchführung dieser Maßnahme zu verhindern. Der 17. Juni 1926 gebildet, und es verblieben in dem vom Katho­lifen Jaspar geleiteten neuen Minifterium vier Sozia listen, die Genossen Vandervelde als Außenminister, Camille Huysmans als Unterrichtsminister, Anseele als Eisenbahn- und Bostminister und Joseph Wauters als Wirtschafts- und Arbeitsminister.

Nach erfolgter Stabilisierung mehrten sich die Konflikte innerhalb der Koalition, und die Zahl der Gegner dieser Art von Koalitionspolitik nahm naturgemäß auch in der belgischen Arbeiterpartei zu. Als jedoch auf dem belgischen Parteitag im vergangenen Winter die Frage aufgeworfen wurde, ob man das Koalitionsverhältnis fündigen oder das Experiment fortseßen solle, da wurde beschlossen, die Ent­scheidung den Mitgliedern selbst durch Urabstimmung zu überlassen. Dieser interessante Versuch hatte das über­raschende Ergebnis einer 3 weidrittelmehrheit, die sich für die Fortsetzung der Koalition aussprach, wobei schaftlichen und sozialen Lage der Arbeiterschaft die Rückkehr namentlich die Gewerkschaftsmitglieder im Interesse der wirt­zur Opposition als das größere Uebel befämpften. Indessen war es feit langem flar, daß der Konflitt ein­mal doch ausbrechen würde, und zwar über die Frage der erabfeßung der Militärdienstzeit auf sechs Monate. Nicht nur die Sozialisten, fondern auch der diefer Reform bet den letzten Wahlen verpflichtet, wäh­linke Flügel der Katholischen Partei hatten sich zu rend die. Liberalen, die in Wirklichkeit eine starte nationalistisch und militaristisch verfeuchte Partei find, sich hinter die Bedenken des Generalstabes verschanzten, um

ebenfalls nationalistische Kriegsminister de Broque­ville, der im vergangenen Sommer durch seine leichtfertigen Behauptungen über deutsche Rüstungen einen ausführlichen deutsch - belgischen Notenwechsel verursachte, gehört ebenso wie Jaspar, dem rechten Flügel der Katholischen Partei an. Er hatte sich ursprünglich, und zwar noch im Juli d. I., zu­gunsten des sozialistischen Standpunktes, wenn auch mit Bor­behalten, geäußert. Unter dem Druck des Genral­ftab es aber rückte er in letzter Zeit immer mehr von den Sechs Monaten" ab. Zu diesem Zweck wurde die Not­wendigkeit einer vorherigen Lösung der übrigen rein technischen Militärfragen( Befestigungen, Kaders usw.) betont, wie dies in der gestrigen entscheidenden Kabinetts­sigung geschehen ist.

"

Es scheint, daß der belgische Generalstab zu seiner ab­lehnenden Stellungnahme gegen die sozialistische Forderung nicht zuletzt unter den Einfluß des französischen fegung der belgischen Militärzeit auf fechs Monate eine Be­Generalstabes gefommen ist, der von einer Herab­

wegung zugunsten der gleichen Forderung auch in Frankreich befürchtete. Die Pariser Rechtspresse, die für einen großen Teil der belgischen Presse besonders in solchen Fragen, ton­angebend ist, nahm seit längerer Zeit entschieden Stellung gegen die Militärpläne der belgischen Sozialisten. Nichts militärischen Dienstzeit in den breiten Maffen glänzend ein destoweniger hat die sozialistische Parole der Verkürzung der geschlagen, zumal feit Locarno und seit dem Eintritt Deutsch lands in den Völkerbund das bürgerliche Argument der bedrohten belgischen Sicherheit immer mehr zur Lächerlich

gewöhnlich zu Weihnachten eine Krise

sagte Stresemann in Braunschweig .

Der Reichstag tritt heute um 3 Uhr zusammen. Auf der| densgesellschaft, gegen Mertens und Förster auf, die er Tagesordnung steht neben fleineren Vorlagen die erste und zweite Beratung des deutsch - französischen San belsablommens.

Die großen politischen Fragen sind noch nicht zur Beratung im Plenum reif ein Zeichen der inneren Schulgesetz zwischen den Blocparteien sind noch nicht zu Schwäche des Bürgerblocks. Die Verhandlungen über das Ende, der Etat ist noch nicht einmal im Reichsrat.

Der Aeltestenrat des Reichstags ist zum Mittwoch einberufen worden, um den Arbeitsplan des Reichstags bis Weihnachten festzulegen.

Die Sozialdemokratie wird in diesem Tagungsabschnitt ihren Kampf gegen den Bürgerblock mit vermehrter Energie fortsetzen und ihre Forderungen anmelden.

Stresemann in Braunschweig .

Braunschweig , 21. November. ( Elgenbericht.) Reichsaußenminister Stresemann erklärte heute abend in einer Wahlversammlung der Deutschen Volkspartei , man werde von den Beschlüssen des Zentralvorstandes der Deutschen Volkspartei entscheide fich nämlich weber allein für die Konfessionsschule, noch wieder sagen, sie seien echt volksparteilich. Die Deutsche Volkspartei

allein für die Simultanschule, sondern die Bolkspartei wolle, daß, wo die Konfeffionsschule seit altersher bestehe, die Konfessionsschule beibehalten und dort, wo seit längerer Zeit mit der Simultanschule die besten Erfahrungen gemacht seien, die Simultanschule beibehalten werde. Was sich bewährt habe, hätte ein Recht auf Bestehen.

Stresemann wehrte sich auch gegen den Stahlhelm, der in Braunschweig von der Deutschen Volkspartei verlangt hätte, daß die Braunschweigische Partei bei der Reichsparteileitung für eine Abfehr von der bisherigen Außenpolitit eintreten solle. Wenn die Deutschnationalen in Braunschweig dem Stahlhelm mit geteilt hätten, daß sie die Bedingungen des Braun dy weiger Stahlhelms anerkennen, so befinden sie sich damit in großem Widerspruch zu ihrer Reichs parteileitung. Denn wenn die Deutschnationalen der Strese­mannichen Außenpolitit nicht zugestimmt hätten, dann fäßen sie gar nicht mit in der Koalition. Stresemann verteidigte in langen Aus­führungen feine Außenpolitik und zeichnete die Erfolge auf, die er seit der Ruhrbefegung gehabt habe und trat bann gegen die Frie­

wieder Verräter nannte. Stresemann sagte: Ich bin zwar für den Frieden, aber mit diesen Leuten will ich nicht in einem Atemzug ge­nannt werden." Stresemann sprach weiter für Schutzölle und sagte dann über die Koalition:

..Vier Jahre bin ich Außenminister, drei Jahre lang hatten wir Weihnachten eine Krise. Ob diese Koalition bis an das Ende des Reichstages Ge: bestehen bleibt, vermag niemand zu sagen. tvöhnlich komust zu Weihnachten die Krise. Die Ehe mit den Deutschnationalen ist keine Liebes­ehe, sondern eine Vernunftehe, und 25 Jahre lang wird sie sicher nicht dauern."

Die Ausführungen Stresemanns fanden in der Versammlung ein lebhaftes Echo. Seine Schlußausführungen waren für die Braunschweiger( und nicht mur für sie! Red. d. ,, B.") eine Sensation.

Deutsche Volkspartei und Schulgesetz.

Fünf Forderungen des Zentralvorstandes.

schweig tagte, billigte nach einem programmatischen Bortrag des

Der Zentralvorstand der Bolkspartei, der am Montag in Braun­Reichstagsabgeordneten Dr. Run tel die Haltung der volkspartei­lichen Reichsminister, der Reichstagsfraktion und ihrer Vertreter im Bildungsausschuß bei den bisherigen Verhandlungen über die Fas­sung eines Reichsschulgesetes. Im einzelnen fordert der Zentralvorstand:

1. Neben Sicherung der konfessionellen Bekenntnisschule in ihrer geschichtlich gewordenen Art dauernde Erhaltung der christlichen Simultanschule.

2. Angleichung der in der Reichsverfaffung bevorzugten Ge­meinschaftsschule an die chriftliche Simultanschule.

3. Sicherung der Lehrfreiheit gegen jeden Versuch einer fonfessionellen Berengung des gesamten Unterrichts in der Be

tenntnisschule.

4. Unbedingte Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Schul systems eines Schulverbandes.

5. Bolle Aufrechterhaltung ber Schulhoheit des Staa­tes für den Religionsunterricht.