Frauenarbeit und Kinderelend. Die Not der Zigarrenarbeiter. F. F. Zreffurt, 15. November. In der Zigcrrrenindustrie des W e r r a t a l s ist die Frauen- orbeil in noch viel höherem Maße an Stelle der Männerarbeit getreten, als dies schon aus dem Eichsfeld der Fall ist. 8», in ein- seinen Orten sogar 90 Proz. der Beschäftigten sind hier Frauen und Mädchen. Im Kreis Eschwege ist, wie überall, wohin ich kam. die Kampfstimmung der Ausgesperrten ausgezeichnet. Immer wieder und wieder, in den Städtchen und Dörfern wird über Zunahme der Mitgliedschaft des Deutschen Tabakarbeiterverbandes berichtet. Auch während der Aussperrung treten viele dem Verband bei, obwohl sie wissen, daß ihnen keine Unterstützung zusteht. Nach Beendigung der Bewegung erwartet man noch einen viel stärkeren Zustrom zum Verband. Am erbittertsten sind gerade die bisher nicht organisierten Tabakarbeiter und-arbeiterinnen darüber, daß man sie auf die Straße warf. Wo Familien nur auf die Tabakarbeit angewiesen sind, findet man auch im Werratal denkbar ärmlichste Verhältnisse. Eine Familie von neun Köpfen, die zwei Verdiener hat, bringt es auf nur 29 M. Wocheneinkommen. Und das in Eschwege , das einen höheren Ortszuschlag zu den Löhnen hat. Die neun Personen schlafen in fünf Betten. Daß für jedes Familienmitglied ein Bett da sein soll, wird bei Zigarrenarbeitern geradezu als eine Art Luxus angesehen. Man findet immer wieder die gleichen Elendsbilder: Kärgliches Einkommen, eng« Wohnungen. Lungen« tuberkulöse, skrofulös« Kinder und zwei bis drei Personen in einem Vit. Bei einer Familie müssen sogar vier Kinder in einem Bett schlafen. Bei den Heimarbeiterinnen sieht es meist am schlimmsten aus. In einem Ort des.Werratals besuchte ich eine asthmaleidende Frau, die zu Haus« noch Tabak rtppt. Sie würde es gerne aufgeben, aber der Mann verdient zu wenig, um die vierköpsige Familie zu unterhalten. Hier konnte festgestellt werden— was durchaus nicht selten ist—, daß die Ripperorbeit um 20 Proz. unter Tarif bezahlt wird. Die Frau bringt es deshalb auch nur auf S bis 6 M. Lohn in der Woche. Küche, Wohnstube und Arbeitsraum muß. wie in zahlreichen anderen Fällen, die Wohnstube abgeben. Die beiden vier- bis fünfjährigen Kinder müssen natürlich den ganzen Tag den giftigen Tabakstaub einatmen. Ein besonders trauriges Kapitel ist das Kinderelend in Tabakarbelterfamilien. In Sontra fand ich«inen besonders schweren Fall. Der Pater ist seit zwei Jahren arbeitslos. Er war früher in der Stocksabrik, bekommt jetzt aber keine Unterstützung mehr aus der Kristnsürsorge. Er ist kriegsbeschädigt und leidet an Krampsanfällen, kann da» Sitzen nicht vertragen und deshalb seiner Frau nur wenig bei der Arbeit belfeN. 28 M. Rente bekommt er. Die Frau ist Tabakarbeiterin i'nd bringt es wöchentlich auf 19 bis 12 M. Im Wohnzimmer, auf dem Eßtisch, verrichtet sie ihr« gesundheitsschädliche Arbeit. Von morgens bis abends sitzt sie und rippt Tabak. Ihre beiden Mädels sind 9 und 12 Jahre alt. Di« Kleiner« hilft nach der Schule bei der Tabakarbeit. Die Größere geht von der Schul« aus zu fremden Leuten, putzt Stuben und verrichtet andere Haus- arbekt. Dafür verdient sie im Monat Z M. Beide Mädels ftnd schwer skrofulös, abgemagert und bleich süchtig.� � Die Mutter l lagt über heftige Kopfschmerzen, dl« sie immer bei der Arbeit habe und die Kinder sogen mir, der Rücken tu« ihnen so weh. Es ist bisher nickst zu erreichen gewesen, daß die Kinder zu einem Ferien. aufenrhalt verschickt werden. Oft muß auch die Zwölfjährige, wenn sie von ihrer Arbeitsstelle noch Haufe kommt, noch bei der Tabakarbeit helfen. Mitarbeit von Schult hndern bei Tabakrippen, wenn die Mutter Heimarbeiterin ist, trifft man sehr oft an. Trog des Elends herrscht überall zuversichtliche Kampfftimmung. Das zeigt sich vor allem wieder in Treffurt . Hier sind«99, und mit den Arbeitern im Bezirk 1K90 Tabakarbeiter beschäftigt. Die RDZ.-Firmen haben alle ausgesperrt. I. H. Brun» versuchte zwar noch kurz vor Torschluß die Arbeiter zur Weiterarbeit zu bewegen und verlangte zugleich Einwilligung zur eintägigen K ü n d i- g u n g s f r i st. Aber das Manöver gelang ihr nur bei einem Dutzend Arbeiterinnen von rund vierhundert. In Treffurt habe ich eine Zigorrenarbeiterverfammlung mit- erlebt. Der Saal war bis zum letzten Platz gefüllt. Die Stühle reichten nicht aus und im Hintergrund standen die Männer noch Kopf an Kopf, eng aneinandergedrängt. Die Tür zum Nebenraum wurde geöffnet und der war auch bis in die letzte Ecke voll Menschen. Diele bleiche Zigarrenarbeitergesichter waren da im Saal; ernste kämpf- entschlossene Gesichter. Der Referent schilderte die augenblickliche Situation der Aussperrungsbewegung und dann brach es los, unten im Saal. Aufschrei gequälter Kreatur gellte über die Köpfe. Schwer und mühsam formte der eine die Worte, leicht und gewandt floß dem nächsten die Rede von den Lippen. Aber eines war allen gemeinsam: Leidenschaftliche Erbitteruna gegen brutale Unter- nehmerwillkür. und fest« Entschlossenheit, bis zum äußersten zu kämpfen. Da schildert einer das Elend der Heimarbeiterin. Entweder st« arbeitet am Tag. dann atmen ihre Kinder den giftigen Tabakstaub. Oder sie will ihre Kleinen davor schützen, dann ist sie gezwungen, bis tief in die Nacht hinein am Arbeitstisch zu sitzen. Wir leben ja nicht mehr wie Menschen. Tieren gleich vegetieren wir. Jetzt gilt'»: Wir müssen uns ein menschenwürdiges Dasein erkämpfen! Ein anderer teilt mit, daß«in Unternehmer des Bezirk« erklärt habe:.Laßt die Arbeiter nur draußen, bis sie der Hunger wieder in die Betrieb« treibt.� Erregte Zurufe prallen auseinander. Es sind kein« Kose- namen für den Fabrikanten. Einer ruft in den Saal: „Der Hund des Fabrikanten ist besser gebettet als das Kind der Zigarrenarbeiterin!" Don dort, wo die Frauen sitzen, kommt zustimmendes Echo. Ein« tiefe Gärung geht durch die ausgesperrte Zigarrenarbeiterschost und hier fand sie Ausdruck in erbitterten Anklagen.
Vorbereitung der Verwattungsreform. Der Kabinettsbeschluß zur Borbereitung der Berwal- tungsreform hielt am Montag seine dritte Sitzung ab. Er b«> faßte sich— wie der Sozialdemokratische Pressedienst erfährt— vor allem mit der Dorbereiwng der vorläufig für Januar in Au». sicht genommenen Konferenz der Länderminister über den Einheitsstaat. U. a. wurde auch«in Porschlag erörtert, der daraus hinausläuft, den emzelstaatlichen Finanzministern ein Einspruchsrecht gegen Befchlüsie der Partament« zu geben, die neu« Ausgaben ohne Deckung vorsehen. Im Falle dieses Einspruchs fallen die Parlament» die beanstandeten Ausgaben nur durch eine qualifizierte Mehrheit bewilligen können.
Ein Zukunftsbild aus dem Lahre 2000.
Im Lahre 2000 entsteht unter den deutschen Monarchisten furchtbarer Streit, ob die Linie Hohenzollern -Oomela oder die Linie Hohenzolleru»Zoubtoff zur Thronfolge berufen ist!
Das Wiedererwachen des(Südens. Tfchiangkaifchet von neuem Oberkommandierender. Schanghai . St. November. Der frühere Dberbefehlshaber der Heere der Luv- mintang Tschiangkaischek kehrte aus Japan zurück. Der Bollzugsausschuß der Nankingregierung übertrug ihm von neuem den Oberbefehl. Es wird mit der Wiederaufnahme des Feldzuges gegen Dschangtsolin gerechnet. Seeräuberunwesen in China . Loodaa. 21. November. Zwischen den Gesandten Großbritanniens . Frankreich ». Japans und Italiens und der Dereiniglcn Staaten ist es in Peking zu einer Einigung gekommen, über Maßnahmen, um die Piraterei in den südchinestschen Gewässern zu unterdrücken. Das Abkommen wurde in Besprechungen mit dem Gouverneur von Honkau erzielt.
Die gemaßregelten Oppositionellen. Ihre Bedeutung in der Zievolution und lw Sowjetstaat. Di« Rolle, die Trotzt! und Sinowjew , Kamenew und R a k o w s k i in der russischen Revolution und im Sowjetstaat gespielt haben, ist zur Genüge bekannt. Weniger geläufig sind dem deutschen Arbeiter die Namen einiger anderer hervorragender Opposttionsmitglieder, die vorläufig nur ihrer Posten enthoben sind, deren Ausschluß aus der Partei jedoch nahe bevorsteht. Allein schon die Aufzählung der Posten, die sie innehatten, spricht von der Bedeutung, die ihnen im Sowjetleben zukamen. L Smilga. alter Revolutionär: in der Zeit zwischen Februar- und Oktoberrevolution Vorsitzender des Arbeiter- und Soldaten- vates in Helstngsors. Während der Oktoberrevolution stand er an der Spitze der baltischen Flott« und der in Finnland staliomerten russischen Streitkräfte. Später war er Prästdialmitglied des Obersten Volkswirtschoftsrales. 2. Dorsitzender der staatlichen Plan- kommission, Vorsitzender des Rates für Wirtschaft und Industrie: er leitet« all« Arbeiten bei der Aufstellung des fünfjährigen Planes der Sowjetwirtschast. Sein Hauptdifferenzpunkt mit der offiziellen Partei betras die Beziehungen zum Bauern. Bereit« im Januar d. I. wurde er seines Postens enthoben und erhiell den Befehl, nach Ehabarowsk zu gehen, gewissermaßen m die ver- banmmg. Anfangs weigerte er sich, dem Befehl Folge zu leisten: sah sich jedoch schließlich angesichts der drohenden Verhaftung ge- zwungen, Moskau zu oerlassen. Die Opposition veranstaltet« damals bei seiner Abfahrt auf dem Bahnhof ihre erste öffentlich« Kund- gebung. Lenin hielt ihn für den besten Leiter der Sowjetwirtschaft. 2. Mnralow. alter Bolschewik, Mitglied des Moskauer revow- tionäven Komitee», das die Leitung des Oktoberausstand«« inne- hatte. Er stand an der Spitze der militärljchen Ope- rotionen während der Oktobertog« und wurde später zum Kommandierenden der militärischen Kräfte des Moskauer Be- zirkes. Wegen seine Sympathien mit der Opposition wurde er vor etwa 3 Iahren seines Posten» enthoben und zum Kommandierenden der militärischen Kräfte des Kaukasus ernannt. 3. Smlrnow. waldimir, ebenfalls alter Bolschewik und einer der aktivsten Mitglieder de» Moskauer Revolutionären Komitee», während der Oktoberrevolution Vorsitzender des Obersten Volks- wirtschastsrates, Präsidialmitglied der staatlichen Planierungskom- Mission, später Mitglied des Kollegiums der statistischen Zentral- Verwaltung der Somsetunion. Ein äußerst gebildeter Mensch, den Lenin wegen seiner theoretischen Begabung be- sonders hoch schätzte. Gemeinsam mit Sapronow gehört« er dem linken Flügel der Opvosttlon an und bezeichnet» da» ZK. der Partei und GPU. als Institutionen, deren TStigteit sich gegen die Arbeiterklasie richten. 4. Smirnow. Zwon. alter Bolschewik, Volkskpmmisiar der Post und Telegraphen, einer der Hauptorgansstrtoren der Sowjetpost. ü. perlerson, alter Bolschewik als ganz besonders zuverlässig und der Partei ergeben im höchsten Maße geschätzt. Aus diesem Grunde hatte das ZK. der Partei ihn zum Kommandanten des Kreml ernennen lasten; so stand er an der Spitze der mili- tärischen Bewachung des Kremls. Er wurde auch mit der Organi- sation der Bewachung während der Parteikongreste beauftragt. Wöhrend der Periode der Attentate auf hie führenden Männer der Kommunistischen Partei hat er sich außerordentlich bewährt. C r erfreute sich des vollen Bertrauens Lenins . Das ZK. der Partei befindet sich augenblicklich insofern in einer schwierigen Situation, als es keinen Nachfolger für ihn besitzt. l
6. Ewdokimow, Arbeiter von Beruf, alter Revolutionär. Einer der hervorragendsten und populärsten Redner während der Oktober- tag«, Liebling der Petersburger Arbeiter. Deshalb wurde er von dem ZK. der Partei stets in den Bordergrund gerückt. Stell- Vertreter Sinowjews als zweiter Vorsitzender des Leningrader Arbeiterrats. 7. SchflowsN, alter Bolschewik, angesehenes Mitglied der Partei; bis zur allerletzten Zeit gehörte er der G:upp« an. die sich zur Aufgabe stellte, die Richtungen Trotzki und Stalin zu versöhnen. Als er schließlich die Hoffnung verlor, dies zu er- reichen, schlug er sich offen auf die Seite der Opposition. Irgend- welche Posten hat er nicht bekleidet. Neue Schulden- und Kreditverhandlungen 7 Pari«, 21. November. (Eigenberichl.) Ein hiesige» vlalk meldet, daß die russische Regierung mit dem Quai d'Orsay zwecks Wiederaufnahme der seil dem Frühjahr unterbrocheneu französisch-russischen Verhandlungen Fühlung genommen hat. Dieser Schritt hängt ossenbar mit der für Mille Dezember erwarteten Ankunft des neuen Sowsetbotschafler» in Parts zusammen. Die damaligen Verhandlungen gatlen der Regelung der russischen Vorkriegsschuld und vor ollem dem russischen Wunsch nach einem größeren französischen Kredit. .Bodenkorrupiion. persönliche oder parteigeschäfie in der Tschechoslowakei . Prag . 21. November.(Eigenbericht.) Dieser Tage hat der tschechische sozialdemokratische Abgeordnet« Rem es im Budgetuusschuß des Abgeordnetenhauses gegen den tschechischen Agrarier D u t> i ck y den Vorwurf erhoben, bei der Ber- gebung und Vermittlung von sogenannten Restgütern der Bodenreform Geschäfte gemacht und Bestechungsgelder nicht nur angenommen, sondern geradezu erpreßt zu haben. Rem«» führte Daten für seine Behauptung an und machte sich erbötig. sie durch notariell beglaubigte Zeugenaussagen zu belegen. D u b» ck y bestritt natürlich, Geld für seine persönlichen Zwecke angenommen zu haben. Inzwischen hat Remes jedoch die angeklln- digten Dokumente vorgelegt und die Beschaffung weiterer Beweise in Aussicht gestellt. Es taucht daher in den Blättern die Vermutung auf, daß es sich nicht nm persönliche Korruption Dubicky», sondern um Geschäfte der agrarischen Partei Handell. so daß Dubicky sich zunächst mit der Ausrede helfen kann, er per- f ö n l t ch habe kein Geld erhalten. Auf jeden Fall bietet die Affäre einen Einblick in die Machinationen des Boden- a m t e s. das von den oppositionellen Parteien schon seit Jahren als eine Brutstätte der Protektionswirtschaft bezeichnet wird. Das Bodenamt soll im Sinne der Verfassung eine parla» m e n t a r i s ch e Körperschaft sein, ist jedoch seit 1919 nicht mehr gewählt worden und stand bisher tatsächlich außerhalb jeder Kontrolle, als souverän« Macht im demokratischen Staate. Diesen nicht versasiungsmäßigen Zustand hat vor allem die deutsche Sozialdemokratie seit je als unhaltbar bezeichnet. Ob d«e Affäre Dubicky die Regierungsmehrheft zur Abstellung der Miß- brauche und zur Neuwahl des Bodenamtes als parlamentarischer Körperschaft veranlassen wird, läßt sich noch nicht sagen. Vorläufig scheint es, als ob die Regierung und vor allem die agrarisch« Partei die Sache möglichst verzetteln wollen. So hat da« von den Agrariern beherrschte Parlamentsprästdium dem Abgeordneten Dubicky jetzt z. B. eine Frist von 3 9 T a g e n gewährt, innerhalb derer er sich rechtfertigen soll. Dieser ungewöhnliche Vorgang hat natürlich nur den Zweck, die Affäre auf die lange Bank zu schieben und der Agrorpartei die Möglichkeft zu geben, durch Einsetzung ihres gesamten Apparates(sie beherrschen heute fast all« staatlichen A-—'- und die Justiz) die Affäre in» steine zu bringen'.
Joffe.
Die Schollen fielen über ihn. „Man darf ihn loben,' sprach Stalin , „Er ist nicht mehr gefährlich. Streng logisch zog er letzten End'» Der Sowsetsrelheit Konsequenz Und starb.— Da» nenn' ich ehrlich." Das ZK., angesichts des Falls, Hat lang beraten und dann, als Verkündet ward, beschlossen: „Jedwedem Gegner steht es frei, Zu schreiben, reden, was es fei,- Nachdem er sich erschossen."
Jonathan.